Mittwoch, 24. April 2019

Plutonium

Ring aus waffenfähigem Plutonium
Das chemische Element Plutonium (PU) hat im Periodensystem die Ordnungszahl 94. Es steht in der Gruppe der Actinoide und zählt zu den Transuranen. Hinsichtlich der Ordnungszahl ist es das schwerste in der Natur vorkommende Element.

Plutonium ist ein hochgiftiges, radioaktives Schwermetall. Bereits wenige Mikrogramm können Krebs auslösen. Es löst sich fast nicht in Wasser. Es ist ein sogenannter Alphastrahler. Das heißt die radioaktive Strahlung kann relativ leicht, mit einem Blatt Papier, abgeschirmt werden. Gelangt es in den menschlichen Körper sammelt es sich vor allem in Lunge und Leber an.

Plutonium ist das letzte, extrem seltene, bisher bekannte natürlich vorkommende Element des Periodensystems. Es wird nur in kleinsten Spuren in sehr alten Gesteinen gefunden. In Uranvorkommen kann es in winzigen Mengen durch Absorption natürlich freigesetzter Neutronen aus Uran entstehen.  Auf 140 Mrd. Uranatome soll ein Plutoniumatom kommen.

Deutlich größer ist die Menge die in Atomkraftwerken erzeugt wird/wurde. Kein anderer Stoff, der bereits in derartig kleinen Dosen tödlich wirkt, wurde jemals in so großen Mengen produziert. Einige Länder trennen Plutonium in sogenannten Wiederaufbereitungsanlagen ab. Alleine im Atomkomplex von Sellafield lagern 112 Tonnen reines Plutonium. Es ist weltweit das größte zivile Plutoniumlager. Geschätzt wird dass sich bis zu 2000 Tonnen als Bestandteil von abgebranntem Kernbrennstoff angesammelt haben. Weltweit verteilt auf Abklingbecken und Zwischenlager.

Wird Plutonium neuen Brennelementen zugemischt heissen sie MOX-Brennelemente (MOX steht für "Mischoxid"). Das Abbrennen von MOX-Brennelementen in Atomkraftwerken erhöht das Risiko wie bei der Atomkatastrophe von Fukushima wo es zu mehreren Kernschmelzen kam weltweit bekannt wurde.

Plutonium spielt auch eine wichtige Rolle beim Bau von Atomwaffen. Die Atommächte haben rund 250 Tonnen reines Plutonium für ihr atomares Arsenal produziert. Dazu kommen noch einmal 250 Tonnen aus der Wiederaufbereitung. Damit können tausende Atomsprengköpfe des Typs von Nagasaki gebaut werden.

Weil man die Strahlung von Plutonium einfach abschirmen kann, wäre es für Handlanger von Terroristen oder Diktatoren relativ einfach das Material herauszutragen sobald sie sich Zugang zu einer Lagerstätte verschafft haben. Daher ist reines Plutonium für Endlagerung nicht geeignet. Um das Plutonium ein einer Matrix aus Glas oder Keramik endlagerfähig zu machen müsste man, um den Diebstahl zu erschweren, es daher wieder mit anderem Atommüll vermischen, der Gammastrahlung abgibt. Weil man jedoch kein Endlager hat schürt man das Fünkchen Hoffnung auf Plutoniumrecycling und verschiebt damit die Suche nach einem Endlager in die Zukunft.

Man glaubte früher mit dem sogenannten Schnellen Brüter günstig mit aufbereitetem Atommüll Strom günstig erzeugen zu können. Der Schnelle Brüter in Kalkar, die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf und die MOX-Atombrennstoff-Fabrik in Hanau kosteten viele Milliarden ohne dass sie jemals in Betrieb gingen. Seit Mitte der 70er Jahre war jedoch die Wiederaufbereitung vorgeschrieben. Damit wurde u.a. den AKW-Betreibern der Nachweis einer "schadlosen Verwertung" geliefert und der Konflikt um das Endlager Gorleben entschärft. Die deutschen Betreiber schickten daher auch dann noch den abgebrannten Atombrennstoff nach La Hague in Frankreich und Sellafield in Großbritannien als in Deutschland niemand mehr an ein Atommüll-Recycling mittels Schnellem Brüter glaubte. Erst im Jahr 2005 gab die Bundesregierung den Ausstieg aus der Wiederaufbereitung bekannt. Das Plutonium aus Altverträgen muss Deutschland jedoch zurücknehmen. Insgesamt existieren noch Aufträge über 244 MOX-Brennelemente in Frankreich, Großbritannien und Belgien. Sie sollen vor dem Herunterfahren des letzten deutschen Atomreaktors angeliefert und verbraucht werden.

14. Dezember 1940. Plutonium wird von Glenn T. Seaborg (US-amerikanischer Atomphysiker), J.W. Kennedy, E.M. McMillan, Michael Cefola und Arthur C. Wahl nach dem Beschuss von Uran U-238 mit Deuterium in einem Zyklotron entdeckt. Dazu wurden zunächst Proben von U-238 in Form des Oxids U3O8 (Triuranoctoxid) in dünner Schicht auf einer Kupferplatte aufgetragen. Bei der Reaktion werden zwei Neutronen emittiert. Zwischenzeitlich entsteht Neptunium und zerfällt weiter zu PU-238.

Die Entdeckung wurde jedoch während des Zweiten Weltkriegs geheimgehalten weil sich rasch die militärische Brisanz des neuen Elements herausstellte. Carl Friedrich von Weizsäcker hatte in Deutschland jedoch bereits vorher darauf hingewiesen, dass in Atomreaktoren ein neues spaltbares Element Eka-Rhenium-239 entstehen müsse. 1942 sagte auch Friedrich Georg Houtermanns die Existenz von Transuranen in einem Geheimbericht theoretisch voraus. Im Rahmen des deutschen Uranprojekts wurden jedoch bis Kriegsende nach bisherigem Kenntnisstand keine signifikanten Mengen an Plutonium hergestellt.

23./24. Februar 1941. A.C. Wahl erbringt schließlich den eindeutigen Nachweis für das Element 94.

März 1942. Element 94 wird, wie seine beiden Nachbarn im Periodensystem (Uran und Neptunium) nach einem Planeten, dem Zwergplaneten Pluto benannt. Aus Kurzzeichen wählte Seaborg "PU" in Anspielung auf das englische Kinderwort für Fäkalien. Der Namenspatron Pluto ist der Gott der Unterwelt.

August/September 1942. Im August/September 1942 wurde die erste wägbare Menge von ca 4 Mikrogramm (µg) von Burris B. Cunningham, M. Cefola und Louis B. Werner isoliert. Im Rahmen des Manhattan-Projekts wurde danach Plutonium zum Bau von Atomwaffen in größerem Maßstab hergestellt.

1944. Joseph Gilber Hamilton (US-amerikanischer Physiker und Mediziner) untersucht im Auftrag des Manhattan-Prjekts die Wirkung und Verteilung von Plutonium im Orgnaismus und produzierte Plutonium für das geheime Labor von Los Alamos.

1945 bis 1946. Hamilton veranlasst Injektionen von Plutonium bei einer Reihe von Schwerkranken, darunter auch Kinder, in seinem Labor und in Partnerkliniken von Rochester und Chicago. Über negative Folgen für die Versuchspersonen ist nichts bekannt. Diese nicht mit Heilungsabsicht und ohne Zustimmung der Patienten durchgeführten Experimente werden dennoch allgemein als unethisch eingestuft. Die 1946 gegründete Atomic Energy Commission ließ die Versuchsreihe abbechen. Hamilton schrieb im Jahr 2050 selbst dass die Menschenversuche den "Geruch von Buchenwald" hätten.

9. August 1945. Auf Nagasaki wird eine Atombombe abgeworfen. Das Spaltmaterial ist Plutonium (PU-239).

1945 bis 1980. Durch oberirdische Atomwaffenversuche wurden insgesamt 3 bis 5 Tonnen Plutonium freigesetzt. Diese sind in Spuren weltweit nachweisbar.

1951. D. F. Peppart (US-amerikanischer Chemiker) extrahiert Mikrogrammmengen PU-239 aus einem kongolesischen Pechblendekonzentrat. Pro Mikrogramm waren 100 Tonnen Pechblende notwendig.

1957. Beim Brand im Atomkomplex von Sellafield und bei der Explosion in Majak wird Plutonium freigesetzt.

1971. Erst mit verfeinerter Spurenanalytik gelingt es nach der künstlichen Erzeugung von PU-244, das langlebigste Plutoniumisotop, zu entdecken.

1986. Bei der Katastrophe von Tschernobyl gelangt Plutonium ins Freie. Es bleibt hauptsächlich in einem Umkreis von 100 Kilometern um den Reaktor.

2009. Deutschland berichtet an die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) einen Plutoniumbestand von 5,4 Tonnen unbestrahltem Plutonium in frischen MOX-Brennelementen oder anderen gefertigten Produkten. Dazu kommen 86,9 Tonnen Plutonium in bestrahlten Brennelementen die an den deutschen Reaktoren gelagert wurden und weitere 5,9 Tonnen in bestrahltem Brennstoff, der an anderen Standorten gelagert wurde.

2013. In der Firma Pantex Plant in den USA sind derzeit etwa 14.000 Plutoniumkerne (ca. 38 Tonnen Plutonium) aus alten Atomwaffen eingelagert. Die Lagerkapazitäten der bestehenden Anlagen sind damit weitgehend ausgeschöpft. Erweiterungen sind notwendig um in Zukunft weitere Kerne einlagern zu können.

Eingelagert sind die Plutoniumkerne in geschlossenen Edelstahlcontainern die wiederum in 60 Bunkern ("Iglus") eingelagert werden. Jedes Iglu kann 240 bis 400 Kerne aufnehmen. Ein Teil des metallischen Plutoniums aus den Kernen soll in Plutoniumoxid umgewandelt werden und in Sawannah River zu MOX-Brennelementen für Atomkraftwerke umgewandelt werden. Andre Kerne sollen als strategische Reserve erhalten bleiben.

Bilder aus Wikimedia Commons
Ring aus waffenfähigem Plutonium, Lizenz: Public Domain, Urheber: Los Alamos National Laboratory