Atomkraftwerk Three Mile Island (TMI) |
Das US-amerikanische Atomkraftwerk Three Mile Island (engl. Three
Mile Island Nuclear Generating Station) liegt auf der gleichnamigen
Insel im Susquehanna River in Pennsylvania bei der 50.000-Einwohner-Stadt Harrisburg. Bekannt wurde
es am 28. März 1979 durch einen Unfall mit Kernschmelze in Block 2.
Das
Atomkraftwerk hat zwei Blöcke mit Druckwasserreaktoren (DWR/PWR) mit einer elektrischen
Nettoleistung von 805 MW bzw. 880 MW. Block 1 wurde 1974, Block 2 am 30. Dezember 1978 in Betrieb genommen. Jeder Block verfügt über 130 Meter hohe
Naturzug-Nasskühltürme.
Ursprünglich sollte Block 1 im April 2014 vom
Netz genommen werden. Im Oktober 2009 gab die Nuclear Regulatory
Commission (NRC) jedoch die Verlängerung der Betriebserlaubnis bis 2034
bekannt.
Betreiber des Atomkraftwerks ist die Metropolitan Edison Company (MetEd). Diese ist wiederum eine Tochterfirma des Kraftwerksinhabers General Public Utilities.
Nur ca. 50 Meilen entfernt liegt das AKW Peach Bottom.
Nur ca. 50 Meilen entfernt liegt das AKW Peach Bottom.
Stör- und Unfälle
Im
Reaktorblock 2 kam es am 28. März 1979 zu einer partiellen Kernschmelze,
in deren Verlauf ca. 1/3 des Reaktorkerns fragmentiert wurde oder
geschmolzen ist. Der Vorfall wurde in die Stufe 5 (Ernster Unfall) von sieben nach der internationalen INES-Skala zur Bewertung von Störfällen eingestuft.
30. Dezember 1978. Reaktorblock 2 wird in den kommerziellen Betrieb genommen. Unter großen Zeitdruck. Bei einem Betriebsbeginn im Jahr 1979 wäre den Besitzern eine Steuerersparnis von 40 Mio. US-Dollar entgangen.
16. März 1979. In den USA läuft der Film "Das China-Syndrom" an. Dieser setzt sich kritisch mit der wirtschaftlichen Nutzung der Atomenergie auseinander, indem er einen fiktiven Vorfall in einem Atomkraftwerk beschreibt. Durch den tatsächlichen Vorfall im Atomkraftwerk Three Mile Island, 12 Tage später, erhält der Film ein großes Medienecho.
27. März 1979. Block 2 läuft mit 97% Leistung im Normalbetrieb und unter vollautomatischer Kontrolle der Sicherheitssysteme.
Mitternachtsschicht 27. auf 28. März 1979. Zwei Arbeiter sind an einem der acht Kondensatreiniger beschäftigt. Das sind riesige Tanks mit Reinigungsharzen, die das Speisewasser für den Kern des Druckwasserreaktors von Verschmutzungen freihalten sollten. Mit Granulatperlen werden Kontaminationen herausgefiltert. Immer wieder setzen sich in den Kondensatreinigern jedoch Klumpen von Dreck ab, verstopfen die Ausflüsse und müssen daher regelmäßig entfernt werden. Diese Granulatperlen sollten an diesem Tag ausgetauscht werden.
Die Klumpen aus Perlen werden mit Pressluftschüben gelockert bis die Anlage wieder arbeitet. Pressluft wird im Atomkraftwerk überall gebraucht und schafft oft Abhilfe bei technischen Störungen. Im Laufe der Zeit entstanden im Pressluftsystem des TMI mehrere Querverbindungen die jedoch nie dokumentiert wurden. Es gab sogar Verbindungsleitungen zwischen der technischen Luftversorgung und dem hydropneumatischen Steuerungssystem mehrerer Sicherheitsventile.
Laut Scott Johnson (Betreiber einer Internetseite) soll jemand das Instrument Air System, die Druckluftversorgung der pneumatischen Steuerung von Sicherheitseinrichtungen des AKWs mittels eines Gummischlauchs mit einer Wasserleitung verbunden haben. Dadurch soll Wasser in die Steuerung eingedrungen sein so dass sich Ventile geschlossen haben. Ob der Anschluss des Schlauchs Sabotage (Absicht) war oder ein Versehen ist nicht geklärt.
Ein Konstruktionsfehler war dass sowohl Druckluft- als auch Wasserversorgungssystem verfügten jedoch über die selben Anschlüsse (Chicago Pneumatic Fittings) die schlecht markiert gewesen sein sollen. Vor Ort war es offenbar auch noch dunkel. Auch der Bericht der Kommission des Präsidenten enthält Aussagen über Wasser im Druckluftsystem.
Die Arbeiter beseitigten mit Pressluft, Wasser und Wasserdampf jedenfalls das Verstopfungsproblem und übersahen dabei, dass eine kleine Undichtigkeit im Pressluftventil entstanden war. Als der Kondensator wieder ans Netz ging und der Druck stieg, drückte beständig Wasser in die Pressluftleitung.
Mittwoch 28.03.1979, 3 Uhr 57. Das Wasser erreicht mehrere Sicherheitsventile. Fast alle Ventile im Speisewassersystem sperren gleichzeitig durch eine Fehlfunktion der pneumatischen Steuerung.
Mittwoch 28.03.1979, 4 Uhr 36. Die zwei Hauptspeisepumpen im sekundären Kühlkreislauf schalten sofort ab und die Kühlung des
Reaktors durch die zwei Dampferzeuger fällt aus. Durch die Wucht des Wasserschlages werden die Pumpen teilweise aus ihren Halterungen gerissen.
Diese Pumpen haben in einem Druckwasserreaktor dafür zu sorgen dass Kühlwasser in die Dampferzeuger gepumpt wird. Dort wird es von dem durch die atomare Kettenreaktion im Reaktor aufgeheizten Wasser des primären, inneren Kühlkreislaufs erhitzt, verdampft und treibt dann die Turbine an. Der Ausfall der Pumpen unterbrach also die Wärmeabfuhr aus dem Reaktor, die Abnahme der Hitze der zwei Dampferzeuger war nicht mehr gewährleistet.
Durch den Pumpenausfall schaltet sich daraufhin zunächst der Turbosatz (Turbine und Generator zur Stromerzeugung) ab. Daraufhin startet die "planmäßig" automatische Notabschaltung (SCRAM). Das bedeutet, die Regelstäbe fallen zwischen die Brennstäbe und beenden die atomare Kettenreaktion. Dadurch fällt die atomare Wärmeleistung plötzlich ab. Nicht aber auf Null. Im betroffenen Reaktor 2 von Three Mile Island betrug die sogenannte "Nachzerfallswärmeleistung" unmittelbar nach dem Abschalten ca. 6% der Thermischen Reaktorleistung, Also etwa 155 MW.
Um bei einem Ausfall der Hauptkühlmittelpumpen und einer Schnellabschaltung die Nachzerfallswärme abzubauen gibt es das Notspeisewassersystem, das unverzüglich und automatisch seinen Betrieb aufnehmen soll, um eine Überhitzung der Brennelemente zu verhindern. Die Hilfsspeisepumpen springen auch wie erwartet an. Weil mehrere Ventile geschlossen sind können sie jedoch kein Wasser in die Dampferzeuger befördern.
42. Stunden vor dem Unfall war das Notfall-Speisewassersystem getestet worden. Als Teil des Tests wurden zwei Blockventile geschlossen und sollten am Ende des Tages wieder geöffnet werden. Dies wurde aber entweder durch einen Verfahrensfehler oder durch menschliches Versagen versäumt. Dadurch konnte das Notspeisesystem nicht funktionieren.
Eine Lampe im Kontrollraum zeigte zwar an dass die Ventile geschlossen waren. Diese Kontrolleuchten wurden jedoch von einem Zettel an einem benachbarten Schalter der wiederum auf andere Störungen hinwies verdeckt.
Temperatur und Druck im Primärkreislauf stiegen ohne Kühlung schnell an. Gegen einen gefährlichen Überdruck gab es am oberen Ende des Druckhalters ein Sicherheitsventil (Pilot-Operated Relief Valve, PORV). Dieses sollte im Normalbetrieb bis zu einem Druck von 151 bar sicher dicht schließen damit keine Radioaktivität austritt. Bei einem etwas höheren Druck sollte es dann weit öffnen, um durch Abblasen von einer Tonne Dampf pro Minute seine Sicherheitsfunktion zu erfüllen. Dazu ist es zweistufig aufgebaut. Es handelte sich um ein Vollhub-Sicherheitsabblasventil (SBV), das mit Hysterese (Verzögerung) am oberen Druckwert, 158 bar, voll öffnet und dann offen bleibt, bis der untere Schaltpunkt, 155 bar, erreicht ist. Dazu hätten 13 Sekunden genügt. In diesem Fall klemmte das Ventil jedoch und bliebt offen. Im Kontrollraum gab es keine direkte Anzeige der Ventilstellung. Somit blieb diese Störung unbemerkt.
Der radioaktive Dampf schoss zunächst in einen großen, wassergefüllten Abblastank und kondensierte durch unter Erwärmung des Tankinhalts so lange bis bei knapp einem Bar Überdruck dessen Berstscheibe brach und das Kühlmittel ins Containment, den Sicherheitsbehälter des Reaktors austrat. Auch das wurde nicht bemerkt.
Nach 8 Minuten bemerkt man die geschlossenen Ventile der Noteinspeisung und öffnet sie. Kaltes Wasser ergießt sich daraufhin auf die überhitzten Pumpen und Leitungen. Ein Wärmetauscher zwischen den Kühlkreisläufen platzt. radioaktives Wasser verseucht den Turbinenkreislauf. Am oberen Ende des Reaktordruckgefäßes bildet sich durch den Kühlmittelverlust eine stetig wachsende Dampfblase.
Normalerweise sollte der Druckhalter Dampfblasen im Primärkreislauf verhindern. Im Normalbetrieb ist er dazu mit 22 Kubikmeter Wasser und darüber mit 19 Kubikmeter Dampf gefüllt und an einer hohen, heißen Stelle des Primärkreislaufs angeschlossen. Hoch gelegen bedeutet geringeren hydrostatischen Druck. Heiß bedeutet größeren Dampfdruck. Daher sollte dort die einzige im Primärkreislauf "zugelassene" Dampfblase entstehen.
Das Verdampfen von einer Tonne Kühlwasser pro Minute kühlte jedoch den Inhalt des Druckhalters und senkte dort den Dampfdruck. Die Dampfblase dort kollabierte zugunsten der Blase im Reaktor. Zudem ging ständig Kühlmittel verloren wobei der übermäßig gefühlte Druckhalter wo sich der einzige Geber für die Füllstandsanzeige des Primärkreislaufs befand das Gegenteil vortäuschte.
Während der Ausbildung war den Reaktorfahrern beigebracht worden, unter allen Umständen zu verhindern, dass sich der Druckhalter vollständig mit Wasser füllt, damit seine Funktion, Druckstöße weich aufzunehmen, gewährleistet ist. Deshalb stoppte einer der Bediener schließlich die zuvor automatisch angelaufene Zufuhr von Kühlmittel in den Primärkreislauf.
Etwa eine Stunde nach der Schnellabschaltung ist die Wärmeleistung langsam auf 1,2% (ca. 31 Megawatt) der thermischen Reaktornennleistung gesunken. Ein Kühlmittelverluststörfall bahnt sich an.
Nach knapp 80 Minuten bilden sich Dampfblasen die unter dem Eindruck des äußeren Drucks wieder zusammenfallen (Kavitation, mikroskopischer Dampfschlag). Es kommt zu starken Vibrationen weil nicht mehr Wasser, sondern Dampf angesaugt wird.
Zwischen 5 Uhr 13 und 5 Uhr 41 werden die Pumpen des Notkühlsystems vom Operator manuell ausgeschaltet. Die Techniker glauben immer noch daran, dass in dem System durch natürliche Konvektion eine natürliche Wasserzirkulation herrscht. Doch die große Dampfblase im Reaktordruckbehälter blockiert die Konvektion.
Ca. 130 Minuten nach der ersten Fehlfunktion beginnen die Brennstäbe trockenzufallen und zu überhitzen. Die Hülle der Brennstäbe oxidiert bei hohen Temperaturen durch eine Zirkonium-Wasser-Reaktion. Wasserstoff wird dabei freigesetzt und die Brennelemente schmelzen von außen nach innen. Der freigesetzte Wasserstoff zunächst im Reaktordeckel und gelangt gelangt dann über das Leck im Druckhalter und die gebrochene Berstscheibe zusammen mit dem ohnehin als Korrosionsschutz mit Wasserstoff versetzten Kühlmittel in das Containment und bildet zusammen mit dem dort vorhandenen Luftsauerstoff hochexplosives Knallgas.
Das ausströmende und inzwischen stark radioaktive Kühlmittel sammelt sich derweil im sogenannten Sumpf an der tiefsten Stelle des Sicherheitsbehälters. Von dort wird es durch einen Schaltfehler in einen Sammeltank in einem Hilfsanlagengebäude außerhalb des Containments gepumpt. Der Tank läuft schließlich über. Das Wasser gast aus. Ein Teil dieser Gase gelangt durch ungenügende Filterung in die Umgebung und das radioaktiv kontaminierte Wasser fließt ungehindert in den angrenzenden Susquehanna-Fluss.
Insgesamt wurden etwa 1,5 Mio. Liter Wasser und eine unbekannte Menge Gas abgelassen. Die Drucker des Meldecomputers waren wegen der riesigen Menge an Störungsmeldungen um Stunden hinter der Zeit zurück. Mit einem von Hand verdrahteten Multimeter erfuhr man nur, dass die Reaktortemperatur 1000°C statt der üblichen 350°C erreicht hatte. Diese Messungen wurden jedoch von den Operateuren als Falschwerte verworfen.
Ein Arbeiter in schwerer Strahlenschutzkleidung zieht noch eine letzte Wasserprobe aus dem Kühlkreislauf: schwarz, sprudelnd, schaumig.
Um 6:00 Uhr ist im Kontrollraum Schichtwechsel. Die neu Angekommenen schließen indirekt, auch wegen der hohen Temperaturmesswerte aus dem Reaktor, auf Kühlmittelverlust und dass dafür nur das Sicherheitsventil (PORV) verantwortlich sein könnte.
Ca. 6 Uhr 18. Das gesamte Kühlsystem des Reaktors liegt nun still. Der Kern heizt sich auf. Ein Techniker entdeckt endlich das offene Ventil am Druckbehälter des Primärkreislaufs und schließt daraufhin ein dem Sicherheitsventil nachgeschaltetes Notabsperrventil um den Verlust von Kühlwasser zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt sind jedoch schon 150 Kubikmeter Kühlwasser aus dem primären Kreislauf entwichen. Wäre das Ventil noch 30 bis 60 Minuten geöffnet geblieben, wären die Brennelemente mit großer Wahrscheinlichkeit vollständig geschmolzen und der Reaktor ganz außer Kontrolle geraten.
7 Uhr 20. Innerhalb des Containments werden Strahlenwerte von 800 REM gemessen. Diese Dosis ist für jeden unmittelbar tödlich. Daraufhin werden Hilfskräfte mit Messgeräten in die Umgebung und in die Städte Goldsboro, Middletown und Harrisburg geschickt. Es werden noch Normalwerte ca. 0,1 Millirem gemessen. Die Gebäudeabschirmung hält scheinbar noch stand.
7 Uhr 24. Schichtleiter Zewe löst die höchste Alarmstufe aus. Richard Lewis Thornburgh (Gouverneur von Pennsylvania erfährt vom dem Störfall.
Etwa 165 Minuten nach dem Störfall erreicht radioaktiv kontaminiertes Wasser die Sensoren. Die Radioaktivität im primären Kühlkreislauf ist 300-mal höher als erwartet. Die Kernschmelze ist in vollem Gang. Den Bedienern im Kontrollraum ist immer noch nicht bewusst wenig Wasser der primäre Kreislauf noch enthält.
Etwa 3,5 Stunden nach dem Beginn des Störfalls erkennen herbeigeeilte Fachleute die Tragweite. Es wird neues Wasser in den Primärkreislauf gepumpt. Später wird festgestellt, dass etwa die Hälfte des Inventars zusammengeschmolzen war und ein überkritischer Zustand nur knapp hatte vermieden werden können. Im weiteren Verlauf wird ein Reservesicherheitsventil geöffnet um den Druck zu reduzieren.
Ca. 8 Uhr. Ein Rundfunkreporter erfährt beim Abhören des Polizeifunks von einem Notfall auf Three Mile Island. Daraufhin sendet "Radio Harrisburg" die Nachricht um 8 Uhr 25. Währenddessen wird Jimmy Carter (Präsident der USA) von der Reaktorkontrollkommission NRC über die aktuelle Situation unterrichtet.
8 Uhr 38. Der Reaktorkern liegt zum zweiten Mal fast frei.
9 Uhr 30. Ein Sprecher der Betreiberfirma Metropolitan Edison behauptet, es wäre keine Radioaktivität freigesetzt worden und dies wäre auch nicht zu erwarten. Der Strahlenalarm im Atomkraftwerk wird nicht erwähnt.
13 Uhr 00. Der Reaktorkern liegt zum dritten Mal fast frei.
Nach ungefähr 9 Stunden entzündet sich das Knallgasgemisch im Containment dessen Innendruck sich kurzzeitig auf 2 Bar Überdruck (nahe am Auslegungsdruck) erhöht hatte. Das gesamte Gebäude wird durch eine heftige Explosion, vergleichbar mit der Stärke einer 500-Kilo-Bombe, erschüttert. Die Betonstrukturen halten dieser Explosion stand. Der Innendruck erhöht sich kurzzeitig in der Nähe des Auslegungsdrucks. Später wird - verniedlichend - nur noch von einem "Bump", einem Bums gesprochen.
Um 20 Uhr sind nach einer Rekonstruktion der NRC rund 16 Stunden vergangen bis die Pumpen im Primärkreislauf wieder eingeschaltet werden und die Kerntemperatur zu fallen beginnt. Bis dahin war "für 16 Stunden die Einheit 2 des TMI-Kraftwerkes völlig außer Kontrolle".
Nacht vom 28. zum 29. März 1979. Der Reaktorkern wird mit Wasser aus Hochdruckpumpen gekühlt. Die Dampfblasen im Kühlkreislauf verhindern jedoch den Fluss des Kühlwassers und damit eine deutliche Temperatursenkung. Die Dampfblasen wurden von den Technikern inzwischen entdeckt. Dass diese aber teilweise aus hochexplosivem Wasserstoff bestehen wissen sie zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Donnerstag, 29. März 1979, 4 Uhr 35. Erstmals wird versucht, den Dampf in einen Tank im Versorgungsgebäude zu leiten. Die Leitungen sind jedoch undicht. Weitere Radioaktivität entweicht in die Atmosphäre.
10 Uhr 00. Der Betreiber "Metropolitan Edison" gibt in Hershey bei Harrisburg die erste Pressekonferenz. Etwa 120 Reporter sind anwesend. Diesen versichert Walter Kreitz (Präsident), dass der Ausstoß von Radioaktivität "im normalen Bereich" liegt. Joseph Hendrie (Vorsitzender der NRC) erklärt zu dieser Zeit gegenüber Kongressabgeordneten, dass der Unfall überstanden ist.
16 Uhr 15. Techniker nehmen eine Wasserprobe. Sie machen die alarmierende Entdeckung dass im Kühlwasser bereits etwa 10% der gesamten Radioaktivität zirkulieren. Nun bemerken die Techniker auch, dass die Blasen im Kühlkreislauf aus Wasserstoff bestehen. Sie wissen jetzt auch warum das vermeintliche Wasser nicht kondensieren konnte - es war keins mehr da.
Freitag 30. März 1979, 7 Uhr. Techniker wollen das Gas aus dem Primärkreislauf zu Tanks einer Dekontaminierungsanlage im Versorgungsgebäude leiten. Der Tank droht jedoch unter dem Druck der radioaktiven Dampfmischung zu explodieren. Um das zu verhindern, öffnen die Techniker ein Ventil und lassen weiteres hochradioaktives Gas in die Atmosphäre strömen. Daraufhin misst ein Hubschrauber eine Dosis von 1.200 Millirem.
8 Uhr 34. Der Kraftwerksbetreiber informiert das Katastrophenzentrum von Pennsylvania darüber, dass eine Evakuierung des Reaktorumfeldes notwendig werden könnte.
10 Uhr 00. Ein städtischer Angestellter in Harrisburg, der die bedrohliche Entwicklung verfolgt hatte, gibt eigenmächtig einen sechsminütigen Sirenenalarm und löst damit eine Panik aus.
10 Uhr 25. Richard Lewis Thornburgh (Gouverneur von Pennsylvania) empfiehlt, dass Anwohner innerhalb von einem Radius von 16 Kilometern um den Atomreaktor das Haus nicht verlassen, Fenster geschlossen halten und Klimaanlagen abschalten sollen. Eine Notwendigkeit für eine Evakuierung sieht er bislang nicht.
Der Katastrophenstab steht derweil unter massivem Druck. Evakuierung ja oder nein? Wenn ja, wann? In welchem Umkreis? Nur in Windrichtung? Eventuell nur schwangere Frauen und Kleinkinder? Erst fünf Meilen um das AKW, dann 10 Meilen? Was tun mit den Krankenhäusern?
Plötzlich stand die Evakuierung von 650.000 Menschen, dreizehn Krankenhäusern und einem Gefängnis bevor. Dann doch nur fünf Meilen. Da gab es keine Krankenhäuser. Schließlich einigte man sich auf eine 5-Meilen-Empfehlung für schwangere Frauen und Kinder. Innerhalb von 10 Meilen sollte man Fenster und Türen geschlossen halten und Jodtabletten einnehmen. Aber Jodtabletten waren nirgends zu bekommen. Erst nach sechs Tagen hatte man eine Pharmafirma gefunden und konnte Jodtabletten austeilen. Die letzten Ortschaften erhielten Jodtabletten erst nach 11 Tagen.
11 Uhr 00. Der Betreiber des Atomkraftwerks meldet der NRC die Freisetzung von Radioaktivität.
12 Uhr 30. Richard Lewis Thornburgh (Gouverneur von Pennsylvania) bereitet nun doch eine Evakuierung vor. Er verfügt, dass Vorschulkinder und schwangere Frauen aus einem Radius von 8 Kilometern um den Reaktor zu evakuieren sind. Derweil fliehen etwa 75.000 weitere Menschen aus Harrisburg und Umgebung.
20 Uhr 00. Der Beauftragte Denton von Jimmy Carter (Präsident der USA) erläutert Richard Lewis Thornburgh (Gouverneur von Pennsylvania) in einer Unterredung drei Szenarien über den weiteren Verlauf des Unfalls:
1. Die Anteile von Sauerstoff und Wasserstoff in der Gasblase können sich so verschieben, dass das Gemisch entflammbar ist und explodieren könnte. Die Wasserstoffblase im Reaktor ist zwischenzeitlich auf 30 Kubikmeter angewachsen und ihre Explosionskraft entspricht der von 3 Tonnen TNT. Diese Energie würde den Reaktor sprengen und die Kuppel des Reaktorgebäudes zerstören. Danach könnte Radioaktivität ungehindert in die Umgebung austreten.
2. Die Gasblase dehnt sich weiter aus und würde den Zufluss von Kühlwasser blockieren. Der ungekühlte Kern würde durch den Reaktorboden durchschmelzen und bei Kontakt mit Wasser mit einer Knallgasexplosion reagieren (sog. China-Syndrom).
3. Die Gasblase bildet sich zurück so dass "wir im günstigsten Fall für die nächsten Wochen und Monate einen mit Radioaktivität prall gefüllten Reaktor" haben.
Samstag 31. März 1979, 11 Uhr 00. Bei einer Pressekonferenz erklärt die Betreibergesellschaft dass die Gasblasen über Nacht um zwei Drittel geschrumpft und die Krise vorbei wäre.
12 Uhr 00. Die NRC meldet: Die Wasserstoffblasen wachsen weiter an. Das Gemisch würde zu einem hochexplosiven Gemisch wachsen wenn der Sauerstoffanteil in den Blasen weiter ansteigt. Daraufhin flüchten wieder tausende Menschen aus der Region.
20 Uhr 27. Die Nachrichtenagentur AP meldet: "Dringende Nachricht: Die Gasblasen könnten jede Minute explodieren". Innerhalb der Reaktorkontrollkommission streitet man indessen über die Wahrscheinlichkeit und den Zeitpunkt einer Explosion im Reaktor.
Im Landkreis Goldsboro hatten bereits 3 Tage nach dem Unfall 90% der Einwohner fluchtartig ihre Heimat verlassen.
Sonntag 1. April 1979, 14 Uhr 00. Nach einem Besuch in Three Mile Island verkündet Jimmy Carter (Präsident der USA), dass sich der Reaktor stabilisiert habe. Den Technikern gelingt es am Nachmittag jedoch tatsächlich, die Gasblase allmählich abzuleiten.
Mittwoch, 4. April 1979. Richard Lewis Thornburgh (Gouverneur von Pennsylvania) erklärt eine Woche nach Beginn der Katastrophe im TV, dass die Gefahr einer Reaktorkatastrophe gebannt wäre. Die meisten der Evakuierten und geflohenen Menschen kehren in den folgenden Tagen in ihr Zuhause zurück.
In den nächsten Wochen werden sowohl Wasserstoff als auch Wasserdampf aus dem Reaktor entfernt. Dies geschieht zum einen durch Kondensatoren, zum anderen aber auch - was sehr umstritten ist - durch einfaches Ablassen in die Atmosphäre. Schätzungen zufolge entweicht während des Zwischenfalls radioaktives Gas (in Form von Krypton-85; 10,75 Jahre Halbwertszeit) mit einer Aktivität von etwa 1,665 · 1015 Becquerel. Das würde einigen Tonnen Uran entsprechen. Zudem gelangten etwa 1,5 Mio. Liter radioaktiv verseuchtes Wasser in den Fluss Susquehanna.
Von offizieller Seite wurde die Höhe der aufgetretenen Radioaktivität als minimal angeben. Als Grundlage dafür dienten völlig unzureichende Meßmethoden (insgesamt 20 Thermolumineszenz-Dosimeter). Bei den ausgetretenen Isotopen handelte es sich hauptsächlich um radioaktives Krypton und Xenon mit kurzen Halbwertszeiten. Dies ist auch der Grund, warum diese gefährlichen Beta-Strahler heute nicht mehr nachgewiesen werden können. Umweltschützer gehen davon aus, dass mindestens 40-mal mehr Radioaktivität entwichen ist, als von der Sonderkommission des Präsidenten angenommen wurde.
Die offiziell als gering eingestufte radioaktive Belastung steht in krassen Gegensatz zu den unmittelbar während des Unfalls gemachten Beobachtungen und auftretenden Gesundheitsproblemen: Metallischer Geschmack im Mund, Übelkeit, Gelenkschmerzen, Haarausfall, Durchfall. Auch an Bäumen wurde krankhafte Veränderungen festgestellt, wie sie für hohe Verstrahlung typisch sind. All diese Beobachtungen erfolgten auf Hügel in einer Entfernung bis zu 30 Kilometer vom AKW Three Mile Island. Hier gibt es einen offensichtlichen Widerspruch zwischen der offiziellen Dosis im Milli-Rem-Bereich und Erscheinungsbildern, für die Dutzende Rems notwendig wären.
Durch den Unfall in Block 2 ist der Reaktorkern weitgehend zerstört. Dieser Kraftwerksblock kann nicht wieder in Betrieb genommen werden. Das Zustandekommen des Unfalls wird mit der schlechten Ausstattung des Kontrollraums sowie der unzureichenden Ausbildung der Mitarbeiter begründet. In einer Untersuchung stellt man fest, dass der Unfall hätte vermieden werden können, wenn das Personal bemerkt hätte, dass das PORV am Druckhalter geöffnet war und dieses geschlossen hätte. Dann wäre der Unfall in Three Mile Island ein unbedeutendes Ereignis geblieben. Zu dem "Fehlverhalten" des Personals kam jedoch hinzu dass eine sogenannte Füllstands-Sonde, welche den Bedienern den jeweiligen Füllstand des Reaktorbehälters angezeigt hätte fehlte.
Im Schatten des Reaktorunfalls von Three Mile Island ereignet sich auch in den USA im selben Jahr ein Unfall mit Uranbergbau-Abraum, der radiologisch als der schwerwiegendere gilt. Der Bruch des Dammes eines Uranabbaurückhaltebeckens am Rio Puerco in New Mexico (USA) verursacht das Abströmen von rund 400.000 Tonnen radioaktiven Wassers in den Rio Puerco der wiederum als Wasserreservoir vor allem der Diné-, Hopi- und Pueblo-Indianer dient. Eine unmittelbar danach vorgenommene Messung ergibt einen (gegenüber dem Grenzwert) um das 7000-fache erhöhten Messwert für Trinkwasser. Die Benachrichtigung und Aufklärung der Bevölkerung gestaltet sich wegen dem Mangel an elektronischen Kommunikationsmitteln und wegen Bildungsdefiziten äußerst schwierig. Man geht von einer stattlichen Zahl von Todesfällen aus.
Ende Oktober 1979. Die von Jimmy Carter (Präsident der USA) eingesetzte Untersuchungskommission schätzt ein, dass der havarierte Reaktor bis spätestens 1984 saniert sein und wieder am Netz sein werde.
1982. Eine unverbindliche Volksabstimmung in der Region Harrisburg lehnt die Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks mit zwei Dritteln Mehrheit ab.
1984. Es gelingt den Reaktor zu öffnen und mit der Bergung des hochradioaktiven Abfalls zu beginnen. Es stellt sich heraus, dass mehr als die Hälfte der Brennstäbe (insgesamt 20 Tonnen Uran) während des Unfalls geschmolzen waren und sich am Boden des Reaktors angesammelt hatten. Dort erreichte die Temperatur 1.400 °C – was nur 100 Grad unter der Schmelztemperatur der Stahlwände des Druckgefäßes liegt. Im Inneren des Reaktors lagen die Maximaltemperaturen bei 2.760 Grad. Nur weil sich im verbliebenen Kühlwasser des Reaktorbodens eine isolierende Keramikschicht gebildet hatte, war der flüssige Kern nicht durch das Druckgefäß geschmolzen und das “China-Syndrom” war ausgeblieben.
Mitte der 1980er Jahre. Eine kanadische Zeitung berichtet Mitte der Achtziger Jahre über eine eidesstattliche Aussage von Jane Rickover. Die Schwiegertochter des Admiral Hyman G. Rickover, dem ehemaligen, direkt unterstellten Admiral von Präsident Carter berichtete, dass unter anderem auch ihr Vater auf Wunsch Dritter nach dem Unfall seinen Einfluss auf den Präsidenten geltend machte, um so zu erreichen, dass die alarmierendsten Passagen aus dem Kommissionsbericht gestrichen wurden. Dieses geschah mit der Begründung: „… weil der Unfall auf Three Mile Island unendlich viel gefährlicher war, als jemals öffentlich zugegeben wurde.“
1985 bis April 1990. 100 Tonnen Brennstoff, Staub und Schrott werden aus dem Reaktordruckgefäß entfernt. Zudem werden 8 Millionen Liter Kühlwasser aus dem Containment werden dekontaminiert und verdampft.
1985. Der unbeschädigte Block 1 des Atomkraftwerks wird trotz der Volksabstimmung von 1982 wieder in Betrieb genommen.
1988. Etwa 10 Jahre waren notwendig um die Anlage zu entseuchen. Insgesamt dauerten die Aufräumarbeiten ungefähr 14 Jahre. Dabei wurden viele Arbeiter radioaktiv verstrahlt. Die Kontrollbehörde meldet, dass eine weitere Dekontaminierung des Gebäudes zwar möglich wäre, die verbliebene Strahlung durch das kontaminierte Kühlwasser, das in den Beton des Gebäudes sickerte, aber keine Gefahr für die Bevölkerung darstellen würde. Ein weiterer Rückbau wurde in die Zukunft verschoben, mit der Begründung einer dann geringeren Strahlenbelastung und einer wahrscheinlich höheren Wirtschaftlichkeit bei einem gleichzeitigen Rückbau von Block 1.
1991. Wieviel Radioaktivität genau durch den Unfall freigesetzt wurde, bei dem fast die Hälfte des Kerns von Reaktor II geschmolzen war, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Angeblich sind die Messdaten über die in den ersten beiden Tagen entwichene Strahlung verloren gegangen.
Laut einer Studie der Columbia Universität ist die Zahl der Krebspatienten im Umkreis von Three Mile Island deutlich erhöht. Bei Menschen, welche der radioaktiven Wolke ausgesetzt waren, ist eine deutlich erhöhte Rate an Leukämieerkrankungen, einem Blutkrebstypus, festzustellen. Weiterhin stellte die Universität eine erhöhte Säuglingssterblichkeit, Schilddrüsenfehlfunktionen bei Neugeborenen sowie eine über dem Landesdurchschnitt liegende Häufung von diversen Krebserkrankungen fest.
Steve Wing und Mitarbeiter gruppierten die Bevölkerung rund um TMI nach der Dosis, die sie den offiziellen Berechnungen zufolge erhalten hatten. Für jede dieser Gruppen wurden die Anzahl zu erwartenden Fällen an Lungenkrebs und Leukämie mit den tatsächlich beobachteten Fällen der Jahre 1984 und 1985 verglichen. Als Ergebnis zeigte sich, dass jene Gruppen mit der offiziellen höchsten Dosis sieben mal häufiger an Leukämie und viermal häufiger an Lungenkrebs erkrankten, als erwartet wurde. Ein weiterer Beweis, dass die radioaktive Kontamination stärker war. Auch die Behörden geben eine erhöhte Krebsrate zu, leugnen aber jeden Zusammenhang mit dem TMI-Unfall.
1992. Die deutsche Musikgruppe Kraftwerk veröffentlicht eine geänderte Version ihres bereits 1975 erschienenen Liedes Radio-Aktivität, das nun mit dem Aufruf "Stop Radioaktivität" und einer Aufzählung für Atomunfälle bekannter Orte beginnt, und nennt darin neben Tschernobyl und Sellafield auch Harrisburg als Symbol für das havarierte Atomkraftwerk.
7. Februar 1993. Ein Mann durchfährt mit einem PKW die Absperrungen vor dem Atomkraftwerk und ein Rolltor, bis er schließlich in der Turbinenhalle stehen bleibt. Zu dem Zeitpunkt ist der Atomreaktor voll in Betrieb. Der Mann kann erst Stunden später festgenommen werden. Der Vorfall wird erst 8 Jahre später bekannt. Dem Täter (Pierce Nye) wird nicht der Prozess gemacht. Er wird in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
1996. In einer ersten, über den Zeitraum von 18 Jahren durchgeführten Langzeitstudie werden bei ungefähr 30.000 Anwohnern laut medizinischen Untersuchungen keine gesundheitlichen Folgeschäden festgestellt. Daraufhin werden durch von einem Bundesgericht etwa 2000 Klagen von Betroffenen mit dem Argument abgewiesen dass kein zwingender Zusammenhang zwischen dem Unfall und späteren Erkrankungen nachgewiesen werden könnten.
Bürgerinitiativen wie "Three Mile Island Alert" und die "Union of Concerned Scientists" zweifeln die Aussagen der Industrie und der Atomkontrollbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) an. Gemäß "TMI Alert" gibt es zahlreiche Anwohner im Umkreis einer Meile, die nach dem Unfall krank werden oder sterben und deren Angehörige von der Betreiberfirma MetEd entschädigt werden. Darüber hinaus wird bei den Anwohnern der nahen Städte Harrisburg, Royalton, Middletown eine enorme psychische Belastung festgestellt, die durch die Evakuierungsmaßnahmen verstärkt wurden. Hervorgerufen vor allem deshalb weil radioaktive Strahlung nicht unmittelbar wahrzunehmen ist.
Eine weitere (unabhängige) Studie zeigt, dass die Krebshäufigkeit sechs Jahre nach dem Unfall auf der vom Wind abgewandten Seite (Lee) des Kraftwerks gegen über der anderen Seite (Luv) teilweise um mehr als 150% erhöht war.
2005. Forscher der Universität Iowa finden heraus, dass die Gebiete um das Katastrophen-AKW die höchste Konzentration des radioaktiven Elements Radon in den gesamten USA aufweisen.
21. November 2009. Im US-amerikanischen AKW auf Three Mile Island bei
Harrisburg wird in einem Gebäude erhöhte Radioaktivität festgestellt. Laut CNN hat ein Messgerät kurzzeitig Alarm geschlagen.
Mehrere Mitarbeiter werden "leicht" kontaminiert. In einem Fall soll eine Dosis von 160 Mikrosievert festgestellt worden sein. Das ist etwa ein Zwölftel der durchschnittlichen Jahresdosis von Flugbegleitern.
Etwa 150 Mitarbeiter nach Hause geschickt.
Januar 2010. Die NRC gibt bekannt, dass der Generator des zerstörten zweiten Blocks für das Atomkraftwerk Shearon Harris in New Hill, North Carolina verwendet werden soll. Dazu soll der 670 Tonnen schwere Generator in zwei Teile zerlegt werden.
Der Unfall im Atomkraftwerk Three Mile Island 2 in Deutschland
In der Bundesrepublik platzte die Nachricht von dem Unfall in das Gorleben-Hearing, das auf Vorschlag aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht vom 28. März bis 3. April 1979 in Hannover veranstaltet wurde. Albrecht hatte es beabsichtigt als “Entscheidungshilfe” für den Bau des Nuklearen Entsorgungszentrums (NEZ) bei Gorleben. Eingeladen waren zahlreiche international bekannte Experten, auch aus den USA. Alle Probleme des Anlagenkonzepts des NEZ, vom Eingangslager über die Wiederaufarbeitungstechnik bis zur Endlagerung, sollten in die wissenschaftliche Auseinandersetzung kommen.
Für den 29. März 1979 hatte die Bäuerliche Notgemeinschaft aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg zum Gorleben-Treck aufgerufen. Einem Traktorenzug aus dem Landkreis nach Hannover sollte in der Stadt eine Abschlussdemonstration folgen, wiederum als “Entscheidungshilfe für Ernst Albrecht”.
Als am zweiten Tag des Hearings der Unfall bei Harrisburg bekannt wurde, stieg die ohnehin vorhandene Spannung noch höher. Zeitweise war das Interesse an den Ereignissen in den USA weit größer als das Interesse am eigentlichen Thema der Anhörung. Zur Abschlusskundgebung des Gorleben-Trecks drängten sich 150 000 Menschen auf den Plätzen und Straßen der Innenstadt von Hannover. Sie wurde die bis dahin größte Demonstration gegen die Atomenergie.
Auch in der Bundesrepublik stand selbst für die Bundesregierung plötzlich ernsthaft zur Debatte, was bislang undenkbar schien: ob die Bundesrepublik nicht doch ohne Kernenergie auskommen müsse. Die Möglichkeit eines schweren Unfalls in einem Atomkraftwerk konnte nicht mehr nur als Hirngespinst technikfeindlicher Pessimisten hingestellt werden. Bei dem Unfall bei Harrisburg waren Gefahren real geworden, für deren Verhinderung die Atomkraftwerke nicht ausgelegt waren. Angesehene Politiker wie der Vorsitzende der IG-Metall Eugen Loderer und der Bundesinnenminister Gerhard Baum forderten, die Atomkraftpolitik grundsätzlich zu überdenken. Selbst Birkhofer, der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission konnte zitiert werden mit dem Ausspruch: “Wir stehen an einem Abgrund.”
Aber Bundeskanzler Helmut Schmidt, der gerade einen Staatsbesuch in Brasilien machte, erklärte von dort aus, dass er auch nach der Katastrophe von Harrisburg den Atomstrom weltweit für unverzichtbar halte.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Unfalls hielten es die Aufsichtsbehörden der Bundesländer und das Bundesinnenministerium für notwendig, alle Atomkraftwerke, die in der Bundesrepublik im Betrieb und im Bau waren, darauf zu überprüfen, ob sich für ihre Sicherheit Folgerungen aus dem Unfallablauf ergaben.
In der Reaktorsicherheitskommission wurde besonders intensiv über Mülheim-Kärlich beraten. Der Reaktor, der ja ebenfalls von Babcock & Wilcox gebaut wurde, war in wichtigen Details mit TMI zu vergleichen. Die Aufsichtsbehörde ordnete an, daß keine weitere Teilerrichtungsgenehmigung erteilt würde, ehe nicht das Kühlsystem der Anlage überprüft sei.
Aber schon am 1. Juni 1979 teilte das Bundesinnenministerium mit, in der Bundesrepublik Deutschland seien keine unmittelbaren Konsequenzen zu ziehen, weil die technischen Unterschiede zwischen den deutschen Atomkraftwerken und TMI 2 keinen Anlass dazu gäben.
Im August 1981 gab das Bundesinnenministerium einen Bericht heraus, in dem die Auseinandersetzung mit dem, was hier der “Beinahe-Kernschmelzunfall” im KKW TMI-2 genannt wurde, für nicht mehr notwendig erklärt wurde. In TMI sei ein Kernschmelzen gerade eben verhindert worden. Trotzdem habe man Lehren aus dem Unfall gezogen.
Bilder aus Wikimedia Commons
Atomkraftwerk Three Mile Island (TMI), Lizenz: Gemeinfrei, Urheber: United States Department of Energy
Quellen