Freitag, 8. Februar 2019

TÜV Süd

Atomkraftwerk Philippsburg
Als Technischer Überwachungsverein (abgekürzt TÜV, meist [tʏf] gesprochen) werden eingetragene Vereine bezeichnet, die als technische Prüforganisation Sicherheitskontrollen durchführen. Insbesondere solche, die durch staatliche Gesetze oder Anordnungen vorgeschrieben sind und auf privatwirtschaftlicher Basis als mittelbare Staatsverwaltung in Form von Beleihungen vollzogen werden. Deren bekannteste ist die Hauptuntersuchung für Kraftfahrzeuge, die umgangssprachlich ebenfalls „TÜV“ genannt wird.

Mitglieder des TÜV sind seit Gründung des ersten Dampfkessel-Revisions-Vereins – so der ursprüngliche Name – im Jahre 1866 Wirtschaftsunternehmen, die überwachungsbedürftige Anlagen betreiben.

In Deutschland sind die TÜV-Gesellschaften überwiegend in den drei großen Holdings TÜV Süd, TÜV Rheinland und TÜV Nord organisiert. Daneben gibt es die konzernunabhängigen TÜV Thüringen und TÜV Saarland. Alle nehmen hoheitliche Aufgaben auf den Gebieten der Kfz-Überwachung, des Fahrerlaubniswesens und der Geräte- und Produktsicherheit wahr. Alle Gesellschaften, die „TÜV“ in ihrem Namen führen, gehören zu mindestens 25,1 % einem Technischen Überwachungs-Verein e. V., der als Selbsthilfe-Organisation der deutschen Wirtschaft vom Staat mit den genannten hoheitlichen Aufgaben beliehen ist („TÜV-Konvention“).

TÜV Süd ist eine Aktiengesellschaft. 74,9 % der Aktien gehören dem TÜV e.V., der ca. 13.500 Mitglieder hat; die übrigen 25,1 % gehören der "TÜV SÜD Stiftung". Mitglieder des TÜV e.V. sind unter anderem die Energiekonzerne E.ON, Vattenfall und EnBW.

Von 2,4 Milliarden Euro Jahresumsatz fährt der TÜV Süd im Jahr 2018 etwa 42 Prozent im Ausland ein. Es gibt rund 1000 Standorte in fast 50 Ländern, von Afrika über China und die Vereinten Arabischen Emirate bis in die USA. 

Nach dem Atomgesetz hat der Bund die Kompetenz für Sachverständigenprüfungen von Atomkraftwerken in Deutschland. Dieser delegiert die Aufsicht an die Länder. Die wichtigsten Prüfungen von Atomkraftwerken übernimmt der TÜV im Auftrag der Atomaufsichtsbehörden der fünf Bundesländer, in denen noch Reaktoren in Betrieb sind: Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Prüfungen werden zunächst von den Landesumweltministerien bezahlt, die Betreiber müssen die Kosten dann erstatten; manchmal erfolgt die Abwicklung auch direkt über den Betreiber.

Die TÜV SÜD ET GmbH BW ist der Generalgutachter der baden-württembergischen Atomaufsichtsbehörde. Er unterstützt die Abteilung „Kernenergieüberwachung, Umweltradioaktivität“ in allen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit der Überwachung über die Atomkraftwerke ergeben.

Geschichte

Januar 1865. In der Mannheimer Aktienbrauerei explodiert der Dampfkessel. Danach verfolgt man dort die Idee, die Kessel auf freiwilliger Basis regelmäßiger Kontrollen zu unterziehen, wie das damals bereits in Großbritannien der Fall ist. Mit zunehmender Anzahl und Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen zur Zeit der Industrialisierung gibt es immer mehr Unfälle durch explodierende (genauer: zerknallende) Dampfkessel.

6. Januar 1966. 20 badische Kesselbesitzer haben sich den Plänen angeschlossen und gründen schließlich in den Räumen der Mannheimer Börse die Gesellschaft zur Ueberwachung und Versicherung von Dampfkesseln.. Es ist der erste Revisionsverein auf dem europäischen Festland. Andere deutsche Bundesstaaten und Regionen folgen diesem Beispiel.

1871. Die unabhängigen regionalen Überwachungsorganisationen in Form von Vereinen sind bei der Unfallverhütung so erfolgreich, dass ab jetzt die Mitgliedschaft in einem solchen Verein von der Inspektion durch einen staatlichen Inspektor befreit. Die regionalen „Dampfkessel-Überwachungs-und Revisions-Vereine“ (DÜV) sind somit als Selbsthilfe-Organisationen der Dampfkessel-Betreiber ein frühes Beispiel für eine sehr erfolgreiche Privatisierung zuvor staatlicher Prüfungen. Weil sie so erfolgreich bei der Unfallverhütung im Bereich der sich rasch weiter entwickelnden Dampfkessel-Technologie sind, werden sie später auch mit Sicherheitsprüfungen auf anderen technischen Gebieten, unter anderem bei der wiederkehrenden Prüfung von Kraftfahrzeugen sowie bei der Führerscheinprüfung beauftragt.

1992. Es erfolgt der Zusammenschluss von TÜV Norddeutschland, Hamburg und TÜV Nord, Rostock, zum TÜV Nord. Im gleichen Jahr schließen sich der TÜV Hannover e.V. und TÜV Sachsen-Anhalt e.V. zum TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt e.V. zusammen.

2003. TÜV wird Hanse gegründet. Mehrheitsgesellschafter ist die TÜV Auto Service.

2004. TÜV Süd Life Service eröffnet die Region Nord.

2006. TÜV Süd kauft das britische Atomunternehmen Nuclear Technology.

2007. Es gibt Bestrebungen zu einer Fusion der beiden Konzerne TÜV Süd und TÜV Nord, die Ende August 2007 eingestellt werden.

2008. Eine Arbeitsgruppe des Bundesumweltministeriums unter Jürgen Trittin (Die Grünen) erstellt ein Gutachten zur Überwachung von Atomkraftwerken und kommt zu dem Ergebnis, dass eine zu große Betreibernähe des TÜV Süd die Qualität und Unabhängigkeit der Begutachtung von Atomkraftwerken beeinträchtigt.

29. Oktober 2009. TÜV Süd kauft das "das führende koreanische Atomtechnikunternehmen" TÜV Süd GNEC. GNEC soll Koreas ehrgeiziges Programm von der Planung über die Genehmigung bis zum Bau und Betrieb von Kraftwerken unterstützen. ... . Nach dem Kauf des britischen Unternehmens Nuclear Technology im Jahr 2006 ist der Erwerb von GNEC der nächste Schritt in der Wachstumsstrategie von TÜV SÜD im Bereich der Atomtechnik."

September 2009. Steffen Vonderau wechselt vom TÜV-Süd zur EnBW, wo er für die "EnBW Kernkraft GmbH Philippsburg" tätig ist. Zuvor führte er Sachverständigentätigkeiten aus, die die von EnBW betriebenen Atomkraftwerke Philippsburg und Obrigheim betrafen.

Das Umweltministerium beschwichtigt, Vonderau, der nach seinen Angaben im September 2009 zur EnBW wechselte, habe nach seiner Kündigung im Juni 2009 "weitgehend", also nicht die ganze Zeit, "Urlaub und Freizeitausgleich genommen und im Übrigen nur noch Routinetätigkeiten ausgeführt". Es habe dazu eine Kommunikation mit dem TÜV gegeben, "wohl nur mündlich" und auch hier "nicht aktenkundig". Wann Vonderau zuletzt als Sachverständiger für Philippsburg und Obrigheim tätig wurde, kann das Ministerium ebenso wenig sagen – "mangels Aktenlage". 

2010. Die Bundesregierung will die Atomkraftwerke länger am Netz lassen. Experten warnen vor hochgefährlichen Sicherheitsdefiziten der gut 30 Jahre alten Meiler. In einem Bericht des Fernsehmagazins Kontraste wird kritisiert, dass Vertreter des TÜV Süd zu starken Einfluss auf die Atomaufsicht des Landes Baden-Württemberg bei der Kontrolle von Atomkraftwerken ausüben. Konkret wird in einem Interview mit Oskar Grözinger von der Landesatomaufsicht nach Kontrollprozeduren des Atomkraftwerks Philippsburg gefragt. Als der Reporter nachfragt, wird das Interview durch zwei beim Interview anwesende TÜV-Mitarbeiter abrupt beendet.

Laut dem kontraste-Bericht erzielt der TÜV Süd durch Sicherheitskontrollen in Atomkraftwerken jährlich einen dreistelligen Millionenumsatz. Bei der Abwägung einer potentiellen Abschaltung von Atomkraftwerken wegen Sicherheitsbedenken bestehe offenbar ein Interessenkonflikt.

An mindestens einem deutschen Atomkraftwerk wurden die Reaktordruckbehälter demnach offenbar seit Jahrzehnten nicht ausreichend kontrolliert.

2011. TÜV NORD weiht in Hannover eine Solartankstelle mit verschiedenen Lademöglichkeiten für Elektromobile ein. Vier Elektrofahrzeuge gehören zur Flotte.

2011. Nach dem Beginn der Atomkatastrophe von Fukushima beschließt das Kabinett Merkel II neue Maßnahmen zum Atomausstieg; die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke sofort stillzulegen. Alle vier im 'kontraste'-Bericht kritisierten Atomreaktoren der Baulinie 69, darunter Philippsburg 1 und Isar I werden per Atom-Moratorium sofort heruntergefahren und bald darauf endgültig stillgelegt.

2012 und 2013. Es wird entdeckt, dass in Atomkraftwerken Südkoreas verwendete Teile gefälschte Sicherheitszertifikate aus der Zeit vor 2010 besitzen. Als Hauptverantwortliche der Fälschungen wird die Firma Kocen genannt, die nach 2010 von TÜV SÜD übernommen worden ist. Die Firma, die daraufhin als externer Prüfer beauftragt wird, gehört ebenfalls zur TÜV SÜD-Gruppe.

7. März 2012. Im AKW Brunsbüttel welches von Vattenfall betrieben wird ist dem TÜV beim Umlagern von Atommüllfässern mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen (z.B. Filterharze und Verdampfungskonzentrate) aufgefallen, dass einige der Fässer durchgerostet sind. Ein Fass soll beim umladen auseinandergebrochen sein. "Unzulässige Radioaktivität" ist jedoch angeblich nicht ausgetreten.

9. Oktober 2012. Für Elektrofahrzeuge wird eine spezielle TÜV-Untersuchung geplant weil die Untersuchungen für Pkw mit Verbrennungsmotor in der bisherigen nicht so recht zu Elektrofahrzeugen passen. Lenkung und Bremsen bestehen zwar aus den gleichen Teilen, doch die Abgasuntersuchung fällt flach. Dafür rücken Fragen der elektrischen Sicherheit in den Vordergrund.

5. März 2013. Das ZDF-Magazin Frontal21 kritisiert, im Zuge des mutmaßlichen Betrugs der S&K-Gruppe seien überhöhte Wertgutachten für Immobilien der S&K-Unternehmensgruppe ausgestellt worden. Der TÜV Süd behauptete, diese Gutachten seien nur intern gewesen und hätten nicht in Kundengesprächen der S&K-Gruppe verwendet werden dürfen.

6. Juni 2013. Die ARD-Sendung Monitor berichtet über zu laxe Kontrollen des TÜV Süd in Textilfabriken in Bangladesch. Dort sollen soziale Standards und Arbeitsbedingungen über das BSCI-Siegel der lokalen Fabrikarbeiter überwacht werden. Der TÜV Süd weist darauf hin, dass die erwähnten Prüfberichte in der Reportage aus dem Jahr 2010 und veraltet seien.

18. November 2013. TÜV Süd meldet den Wechsel von Stephan Kranz (bisher Sachverständiger der TÜV Süd Energietechnik GmbH) zu "EnBW Kernkraft GmbH, Philippsburg". Beim TÜV war er im Rahmen atomrechtlicher Verfahren tätig und führte Sachverständigentätigkeiten aus, die alle EnBW-Atomkraftwerke in Baden-Württemberg betrafen, also Neckarwestheim 1 und 2, Obrigheim und die beiden Atomreaktoren in Philippsburg. Nun gibt er im Karrierenetzwerk Xing an Sicherheitsanalysen im Auftrag der EnBW zu bearbeiten.
Wie lange zuvor Kranz beim TÜV Süd kündigte, kann man beim Ministerium nicht sagen. Nach der Mitteilung einigten sich der TÜV und das Ministerium darauf, dass Kranz "mit sofortiger Wirkung von den Sachverständigentätigkeiten in Bezug auf die Anlagen der" EnBW Kernkraftwerk GmbH "entbunden" wird, so das Umweltministerium. Nach seiner Kündigung war Kranz seinen Angaben zufolge noch mindestens drei Monate lang beim TÜV Süd beschäftigt. Auf eine Anfrage zu diesem Vorgang äußert sich Kranz nicht. Alle Sachverständigenaussagen von Kranz seien, so das Ministerium, "einer erneuten fachlichen Überprüfung unterzogen" worden. Diese nahm die Atomaufsicht allerdings nicht selbst vor, sondern überließ sie dem TÜV Süd. 

2014. Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft übernimmt der TÜV Süd die Firma Bureau de Projetos e Consutoria in São Paulo mit 300 Beschäftigten, ein Beratungsunternehmen für Infrastruktur und Bau. Die Brasilien-Firma habe besondere Expertise bei der Bauwerksüberwachung, etwa bei Dämmen, heißt es.

6. Juli 2016. Gegen drei Mitarbeiter des TÜV Süd ermittelt im Moment die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen des Verdachts der Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug in einem besonders schweren Fall. Die Staatsanwaltschaft wirft den TÜV-Mitarbeitern vor, der Immobiliengruppe S & K Gefälligkeitsbescheinigungen ausgestellt zu haben, die eine erhöhte Seriosität und Werthaltigkeit der S & K Gruppe gegenüber Anlegern und Vertrieben suggerieren sollten. S & K steht im Zentrum eines Betrugsskandals, bei dem es um eine dreistellige Millionensumme geht. Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Anfrage erklärte, sei eine tatsächliche "Prüfung" bei der S & K Unternehmensgruppe durch den TÜV Süd "nicht erkennbar und auch nicht erfolgt". Für die "Bescheinigungen" des TÜV Süd zahlte die S & K Gruppe nach Angaben der Staatsanwaltschaft mehr als 90 000 Euro. Der TÜV Süd bestreitet die Vorwürfe.

Neben Steffen Vonderau (im Jahr 2009) und Stephan Kranz (im Jahr 2013) wechselte noch ein Sachverständiger der TÜV Nord SysTec GmbH & Co. KG, zuständig im Bereich Atomtechnik, zu Vattenfall Europe Nuclear Energy. Ob der ehemalige TÜV-Sachverständige schon bei Vattenfall unterschrieben hat, als er noch beim TÜV prüfte, ist weder von Vattenfall noch von dem früheren Prüfer selbst zu erfahren. Man dürfe zu "Details von Beschäftigungsverhältnissen von Mitarbeitern sowie zu deren Lebensläufen keine Stellung nehmen", so ein Vattenfall-Sprecher. Ein anderer Sachverständiger der TÜV Nord SysTec wechselte nach eigenen Angaben zur Eon Kernkraft GmbH, Brokdorf.

26. September 2018. TÜV Süd do Brasil, eine Tochter von TÜV Süd in München prüft den Staudamm eines Rückhaltebeckens der Eisenerzmine Córrego do Feijão unweit der Ortschaft Brumadinho im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Ein Sprecher sagt, dass "nach unserem momentanen Kenntnisstand keine Mängel festgestellt" wurden. Alles in Ordnung am Erzschlammbecken.

5. November 2018. Der TÜV Süd vergibt Siegel für sichere Webseiten. Dabei tut er sich gleichzeitig enorm schwer damit, seine eigene Webseite abzusichern. Jetzt fand sich dort sogar eine Remote-Code-Execution-Lücke, die der TÜV erst im zweiten Anlauf behoben hat. Es war einem Angreifer möglich, in ein Formular eingegebenen Perl-Code auszuführen.

Dezember 2018. Drei Monate nach der TÜV-Inspektion und wenige Wochen vor dem Unglück - erteilt das regionale Umweltsekretariat des Bundesstaates Minas Gerais dem Konzern Vale eine Genehmigung. Darin wird das Sicherheitsrisiko des gebrochenen Staudamms mit "Vier" bezeichnet: mittleres Risiko. In früheren Genehmigungen war noch von Risikostufe "Sechs" die Rede: höheres Risiko.

Besonders heikel: Das Umweltsekretariat genehmigtenicht nur den Ausbau der Minenaktivität in Brumadinho - sondern auch Arbeiten am längst stillgelegten Unglücksdamm. Brasilianische Medien sprechen von einer ungewöhnlichen "Expressgenehmigung" und der Erlaubnis, die Minenproduktion um 70 Prozent steigern zu können.

25. Januar 2019. Der Damm des Rückhaltebeckens der Eisenerzmine Córrego do Feijão bricht. Eine dadurch ausgelöste Schlammlawine zerstört weite Bereiche der Stadt Brumadinho. Als sich das Unglück ereignet, arbeiten mehr als 400 Arbeiter in der im Tagebau betriebenen Mine. Die Feuerwehr geht darüber hinaus von 200 bis 300 Opfern aus, da außer den Arbeitern weitere Menschen in dem überfluteten Gebiet lebten. Unter anderem wurden ein Hotel zerstört und ein Zug erfasst.

In einem offiziellen Statement teilt die Betreiberfirma Vale mit: "Der Staudamm besaß einen Sicherheitsstandard im Einklang mit den weltweiten Good-Practice-Kriterien und oberhalb der üblichen brasilianischen Norm. Beide erwähnten Stabilitätserklärungen (gemeint sind die von TÜV Süd, d. Red.) attestieren die physische und hydraulische Sicherheit des Staudammes." Pikantes Detail: Der Feijão-Staudamm wurde nach Angaben von Vale im Jahr 1976 von Ferteco Mineração gebaut, einer Tochter des deutschen Stahlherstellers Thyssenkrupp.

28. Januar 2019. Die Behörden zählen bei der Mine bisher 65 Tote. 279 Menschen werden noch vermisst. Die Chancen, sie lebend zu bergen, gelten als sehr gering.

29. Januar 2019. Im Zusammenhang mit dem gebrochenen Staudamm in Brasilien nimmt die Polizei zwei für den deutschen TÜV Süd tätige Ingenieure fest. Brasilianischen Medienberichten zufolge durchsucht die Polizei auch das Büro des TÜV Süd in São Paulo beschlagnahmt und Computer und Unterlagen beschlagnahmt.

Die Polizei nimmt auch drei Mitarbeiter der Betreiberfirma Vale in Belo Horizonte im Bundesstaat Minas Gerais fest, die für die Kontrolle des Damms verantwortlich gewesen sein sollen.

Die Richterin Perla Saliba Brito schreibt in ihrer Begründung für den Haftbefehl, dass das Unglück hätte verhindert werden können. Es sei ihr zufolge nicht glaubhaft, dass "Dämme von solcher Größe, betrieben von einem der größten Bergbauunternehmen der Welt, plötzlich ohne jedes Anzeichen von Anfälligkeit brechen".

Die staatliche Umweltbehörde hat bereits Umweltstrafen von umgerechnet 58 Millionen Euro gegen Vale verhängt. Zudem fror Brasiliens Justiz auf Konten des Bergbauunternehmens vorsorglich rund 2,75 Milliarden Euro für mögliche Entschädigungen und künftige Strafen ein.

30. Januar 2019. Die Zahl der bestätigten Todesopfer ist auf 84 gestiegen. 276 weitere Menschen werden noch vermisst.

Schwere Vorwürfe gegen Vale erhebt Maria Tereza Corujo. Die Umweltaktivistin begleitete den Genehmigungsprozess als Mitglied des Umweltrates COPAM und stimmte dort als einziges Mitglied gegen die Genehmigung für Vale. Das Unternehmen habe offenbar bemerkt, "dass durch ihre Aktivitäten etwas am Damm aus dem Gleichgewicht geraten ist und wollte dies dann - im Dezember - nachträglich genehmigen lassen", meint sie.

In der Kritik steht auch Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro, der im Wahlkampf vorgeschlagen hat, Minenkonzerne könnten sich zukünftig selbst Lizenzen erteilen.

2. Februar 2019. Eine Woche nach dem Dammbruch in einer Eisenerzmine werden noch immer 226 Menschen vermisst, 121 Tote wurden geborgen.

3. Februar 2019. TÜV Süd legt in Brasilien offenbar andere Sicherheitsstandards an als der Mutterkonzern in Deutschland. Demnach wird von den Auslandsgesellschaften des TÜV Süd lediglich der „marktangepasste“, also der vor Ort übliche Standard bei Prüfungen beachtet.

8. Februar 2019. Mindestens 150 Tote wurden bisher geborgen, für mehr als 180 Vermisste gibt es keine Hoffnung mehr.

Der brasilianische Bergbaukonzern Vale hat die Lizenz für einen wichtigen Damm an seiner größten Eisenerzmine in Brucutu verloren. Wie der Konzern mitteilt, hat das Umweltministerium des südöstlichen Bundesstaats Minas Gerais die Genehmigung für den Laranjeiras-Damm entzogen. Auch für einen weiteren Damm verliert Vale die Lizenz.

Die Arbeiten in Brucutu ruhen aufgrund eines Gerichtsbeschlusses. Dort werden jährlich 30 Millionen Tonnen Eisenerz gefördert - das entspricht 7,5 Prozent der für 2019 vorgesehenen Jahresfördermenge von Vale.

Ein Bericht des "Wall Street Journal" entlastet TÜV Süd. Die Gutachter von TÜV Süd haben demnach schon Monate vor dem verheerenden Bruch "defekte Abflüsse" und Unregelmäßigkeiten in den Daten der Wasserstandssensoren entdeckt - und Vale gewarnt.

Demnach hätten mehrere Abflüsse in dem Damm nicht richtig funktioniert, etwa weil sie durch Vegetation verstopft gewesen seien. Schon kleinere Erschütterungen, etwa durch ein schwaches Erdbeben, leichte Explosionen oder schwere Arbeitsfahrzeuge hätten einen Kollaps des Dammes herbeiführen können.

Entgegen Empfehlungen der TÜV-Mitarbeiter habe Vale sich jedoch dazu entschieden, keine seismischen Messungen in der Umgebung des jüngst kollabierten Dammes in Brumadinho vorzunehmen.

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Bilder aus Wikimedia Commons
Atomkraftwerk Philippsburg, Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“, Urheber: AnRo0002

Quellen
03.02.2019, Welt, BRASILIEN, TÜV Süd legte keine deutschen Standards bei Staudamm-Prüfung an
02.02.2019, Sueddeutsche, Dammbruch in Brasilien, Zahl der Todesopfer steigt auf 121
31.01.2019, Zeit, Brasilien, Behördenfehler könnten Ursache für Dammbruch gewesen sein
30.01.2019, Tagesschau, Unglück in Brasilien, Behörden erlaubten Arbeiten am Damm
30.01.2019, n-tv, Verdächtige festgenommen, Zahl der Toten nach Dammbruch in Brasilien steigt
29.01.2019, Zeit, Brasilien, Mitarbeiter von TÜV Süd nach Dammbruch festgenommen
29.01.2019, Stern, Tödliche Schlammlawine, Dammbruch in Brasilien: Polizei nimmt zwei Mitarbeiter des deutschen Tüv Süd fest
29.01.2019, Sueddeutsche, Nach Dammbruch in Brasilien, Zwei Ingenieure des TÜV Süd festgenommen
29.01.2019, Welt, UNGLÜCK IN BRASILIEN, Für den TÜV Süd ist die Staudamm-Prüfung ein Fiasko
06.07.2016. Kontext, Vom Prüfer zum Geprüften
09.10.2012, Heise, Spezielle TÜV-Untersuchung für Elektroautos geplant