Sonntag, 2. November 2014

Atomkraftwerk Bohunice

Atomkraftwerk Bohunice
Das slowakische Atomkraftwerk Bohunice (slowakisch Atómové elektrárne Bohunice, Abk. EBO) befindet sich etwa 2,5 km vom Dorf Jaslovské Bohunice entfernt im Okres Trnava in der Westslowakei.

Das AKW besteht aus insgesamt drei Anlagen mit den Bezeichnungen Bohunice A1 (abgeschaltet seit 1979), Bohunice V1 (abgeschaltet seit 2008) und Bohunice V2 (in Betrieb). Die Anlagen V1 und V2 besitzen jeweils zwei Druckwasserreaktoren vom Typ WWER-440.

In unmittelbarer Nähe zum Atomkraftwerk ist seit Herbst 2009 das Gas- und Dampfkraftwerk Malženice unter der Leitung von E.ON in Bau.

Geschichte

1. August 1958. Baubeginn A1 Block 1. Er bekommt einen Druckröhrenreaktor vom Typ KS-150 mit einer elektrischen Bruttoleistung von 143 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 93 MWe. Bei dem sowjetisch-tschechoslowakischen Prototyp handelt es sich um einen mit Kohlenstoffdioxidgas gekühlten und mit schwerem Wasser moderierten Druckröhrenreaktor, der mit nichtangereichertem Uran betrieben wird. Der Reaktor wird von Škoda gebaut.

24. April 1972. Baubeginn der Anlage V1 Block 1 und Block 2. Sie bekommen jeweils einen Atomreaktor sowjetischer Bauart der ersten Generation vom Typ WWER-440/230 mit einer elektrischen Bruttoleistung von 440 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 408 MWe. 

25. Dezember 1972. Reaktor A1 Block 1 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert und geht noch am selben Tag in den kommerziellen Betrieb.

5. Januar 1976. In der Anlage A1 tritt radioaktiv kontaminiertes Kühlmittel in die Reaktorhalle aus. Die Brennelemente werden normalerweise unter Vollbetrieb gewechselt. Nach dem Auswechseln eines Brennelementes löst sich dieses in der Druckröhre, schiesst aus dem Reaktor hinauf in die Reaktorhalle und zerschellt an dem über dem Reaktor stehenden Kran. Durch den offenen Kanal strömt das als Kühlmittel verwendete, unter Druck stehende Kohlenstoffdioxid in den Reaktorraum. Der Bedienungsmannschaft gelingt es zwar, mit dem Ladekran den offenen Kanal abzudichten, zwei Mitarbeiter können sich aber nicht rechtzeitig retten und ersticken. Der Vorfall wird als ernster Störfall (INES 3) geführt.

1. Dezember 1976. Baubeginn V2 Block 1 und A3 Block 2. Sie bekommen jeweils einen Atomreaktor sowjetischer Bauart vom Typ WWER-440/213 mit einer elektrischen Bruttoleistung von 505 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 472 MWe (Block 1) und 471 MWe (Block 2).

22. Februar 1977. Die Anlage A1 wird beim Wiederbefüllen mit Brennstäben schwer beschädigt: Bei dem Unfall führen vergessene Reste des der Verpackung beigefügten Trocknungsmittels Silicagel an einem Brennelement zu Verstopfungen, sodass das Kühlmittel nicht richtig durchströmen kann und es zu einer lokalen Überhitzung kommt. Die Druckröhre sowie umliegende technologische Kanäle werden beschädigt. In den Gas-Kühlkreislauf dringt schweres Wasser ein. Aufgrund des schnellen Temperaturanstieges wird die Beschichtung der Brennstäbe in der aktiven Zone beschädigt. Durch das Wegfallen dieser Sperre wird der Primärbereich kontaminiert und anschließend wegen Undichtigkeiten der Dampfgeneratoren auch Teile des sekundären Bereiches. Der Unfall wird in der internationalen Unfallstatistik in der Stufe 4 der INES-Skala geführt.

Erstes Halbjahr 1978. Es ist klar, dass der Betrieb der Anlage A1 aus wirtschaftlichen sowie technischen Gründen nicht wieder aufgenommen wird.

17. Dezember 1978. Reaktor V1 Block 1 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.

1979. Die föderale Regierung entscheidet, den Betrieb der Anlage A1 nicht wieder aufzunehmen und den Reaktor stillzulegen.

17. Mai 1979. Reaktor A1 Block 1 wird endgültig abgeschaltet. Die beschädigten und auch die restlichen Brennelemente aus dem Reaktor A1 wurden zwischenzeitlich wieder nach Russland zurückgebracht. Das Reaktorgebäude stellt eine bisher nicht sanierte Altlast auf dem Kraftwerksgelände dar.

26. März 1980. Reaktor V1 Block 2 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.

1. April 1980. V1 Block 1 geht in den kommerziellen Betrieb.

1. Januar 1981. V1 Block 2 geht in den kommerziellen Betrieb.

20. August 1984. Reaktor V2 Block 1 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.

4. Februar 1985. V2 Block 1 geht in den kommerziellen Betrieb.

9. August 1985. Reaktor V2 Block 2 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.

18. Dezember 1985. V2 Block 2 geht in den kommerziellen Betrieb.

1987 und 1997. Die Anlage V2 wird zur zusätzlichen Nutzung von Fernwärme umgebaut. Die beiden Reaktorblöcke Bohunice-3 und Bohunice-4 des Typs WWER-440/213 sind modernisierungsfähig und werden nachgerüstet und weiterbetrieben.

1996 bis 2001. Bohunice wird für 215 Millionen US-Dollar modernisiert. Das Konsortium REKON – Siemens KWU und VUJE Trnava – ist Hauptauftragnehmer. Es werden zahlreiche sicherheitsrelevante Teile des Kraftwerks erneuert, dazu zählen Notkühlsystem, Notstromversorgung und die Instrumente inkl. Steuerung.
In der Anlage V1 wurden die Notkühlsysteme verbessert sowie die Kontroll- und Leittechnik der beiden Reaktoren für mehr als 120 Millionen Euro mit westlicher Steuertechnik und Elektronik nachgerüstet. Diese beiden Blöcke haben nun die am stärksten verbesserten Reaktoren der Version 230 weltweit.

2003. Mit der EU wird im Beitrittsvertrag durch "Protokoll Nr. 9 betreffend die Reaktoren 1 und 2 des Kernkraftwerks Bohunice V1 in der Slowakei" die Stillegung der Anlage V1 mit den Reaktoren 1 und 2 vereinbart. 
Vier Reaktoren des gleichen Typs wurden im Atomkraftwerk Greifswald schon im Jahr 1990 abgeschaltet, weil auch hier festgestellt wurde, dass die Reaktoren der Version 230 nicht im ausreichenden Umfang modernisierungsfähig sind. Als Ersatz sollen zwei Reaktoren im zweiten slowakischen Atomkraftwerk in Mochovce fertiggestellt werden.

2005 bis 2008. Die Bohunice-V2-Reaktoren werden einer Modernisierung unterzogen. Unter Anderem wurde die seismische Stabilität, das Kühlsystem und das Steuerungssystem modernisiert.

31. Dezember 2006. Reaktor V1 Block 1 wird endgültig abgeschaltet.

2007. E.on äußert sein Interesse an einem neuen Atomkraftwerk in Bohunice und ČEZ einige Monate später im Oktober ebenfalls. Später hatte man beschlossen in Bohunice ein 1200 MW starkes Atomkraftwerk zu bauen und in Kecerovce ebenfalls einen 1.200 MW starken Block. Bohunice V3 soll 3 Milliarden Euro kosten.

17. Dezember 2008. Die Slowakei unterzeichnet mit Frankreich ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Bis zum Jahresende sollte eine internationale Ausschreibung des Bauauftrages folgen. Mit der neuen Energiequelle in Bohunice wird ca. ab 2025 gerechnet.

31. Dezember 2008. Reaktor V1 Block 2 wird endgültig abgeschaltet.

7. Januar 2009. Russland und die Ukraine streiten sich ums Gas und die Gaslieferung wird unterbrochen. Laut Wirtschaftsminister Lubomir Jahnatek steht die Slowakei nach dem Verbrauch der letzten für die Stromversorgung verfügbaren Gasreserven vor einem energetischen Kollaps. 

10. Januar 2009. Die slowakische Regierung beschliesst, als Notmaßnahme den abgeschalteten Block für begrenzte Zeit wieder in Betrieb zu nehmen, um den Zusammenbruch des slowakischen Energieversorgungsnetzes zu verhindern. Die Verletzung des EU-Beitrittsvertrages durch diesen Schritt sowie die zu erwartenden Proteste von Österreich und von Umweltverbänden nimmt Ministerpräsident Robert Fico dabei bewusst in Kauf.
Schon nach wenigen Tagen gibt das slowakische Außenministerium jedoch bekannt, dass durch unterstützende Gaslieferungen aus Tschechien ein Wiederanfahren vorläufig vom Tisch sei.

Bis 2010. Bei einer weiteren Modernisierung wird die Leistung der beiden V2-Einheiten von jweils 440 MWe auf 50 MWe gesteigert.

2025. Eventuell, möglicherweise, vielleicht werden die Anlagen V2 Block 1 und 2 abgeschaltet.

Atomkraftwerke in der Slowakei
BohuniceMochovce

Bilder aus Wikimedia Commons
Atomkraftwerk Bohunice, Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert, Urheber: MarkBA

Quellen