Sonntag, 7. Dezember 2014

Atomkraftwerk Obrigheim

Atomkraftwerk Obrigheim
Das stillgelegte deutsche Atomkraftwerk Obrigheim (KWO) liegt in Obrigheim am Neckar im Neckar-Odenwald-Kreis. Es ist mit einem leichtwassermoderierten Druckwasserreaktor (DWR/PWR) ausgerüstet. Die elektrische Bruttoleistung des AKWs betrug 357 MW. Etwa 850.000 Haushalte hat es mit Strom versorgt.

 Der Reaktor wurde am 22. September 1968 erstmals kritisch. Die Anlage wurde am 11. Mai 2005 endgültig abgeschaltet.

Der im AKW Obrigheim erzeugte Strom wurde über eine einzige Hochspannungsleitung zum Umspannwerk Hüffenhardt abgeführt. Sie verfügte über vier Stromkreise: zwei für 220 kV und zwei für 110 kV. Die Stromkreise für 110 kV wurden in Einebenenanordnung auf der untersten Traverse und die Stromkreise für 220 kV auf den beiden oberen Traversen angeordnet. Eine Besonderheit dieser Hochspannungsleitung war, dass im Spannfeld zwischen den Masten Isolatoren zwischen den Leiterseilen angebracht waren, um Kurzschlüsse und Überschläge bei starkem Wind zu verhindern.

Geschichte

5. Mai 1955. Die Bundesrepublik Deutschland wird mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge souverän und darf sich wieder mit der "friedlichen Nutzung" der Atomenergiebeschäftigen. Besonders die weiter entfernt vom Ruhrgebiet liegenden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg sind an der Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung interessiert.

1957. In Baden-Württemberg wird die Arbeitsgemeinschaft Kernkraft Stuttgart (AKS) gegründet. Den Vorsitz übernimmt Hermann Veit (Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg). Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist die Planung und Errichtung eines Atomreaktors in Baden-Württemberg. Dazu hat man jeweils vier Angebote von britischen und US-amerikanischen Firmen eingeholt. Besonders interessiert war am am britischen gasgekühlten Reaktor von Calder Hall.

Frühjahr 1959. Die AKS entscheidet sichfür einen Exoten unter den Leistungsreaktoren. Den organisch moderierten und gekühlten Reaktor (OMRE). Dieser war von der US-amerikanischen Firma Atomics International entwickelt worden und wurde in Zusammenarbeit mit der deutschen Demag angeboten. Zu diesem Zeitpunkt lagen keine Erfahrungen über den OMRE im oberen Leistungsbereich vor.

21. Oktober 1960. Die AKW wird in die Kernkraftwerk Baden-Württemberg Planungsgesellschaft mbH (KBWP) überführt.

1961. Die KBWP beauftragt die Brown, Boveri & Cie. (BBC) in Mannheim mit der Konstruktion des konventionellen Kraftwerksteils und legt als Standort für die 150 MW-Anlage ein Gelände am linken Neckarufer nördlich der Gemeinde Obrigheim fest.
Nachdem man sich zweimal bei der EURATOM um finanzielle Förderung bemühlt hat, treten in den USA mit dem organisch gekühlten Demonstrationsreaktor im Atomkraftwerk Piqua (Ohio) technische Probleme auf. Insbesondere die Ablagerung organischer Masse auf der Oberfläche der Brennstäbe, das sogenannte Fouling, sowie die thermische und radiolytische Zersetzung der organischen Mischung Diphenyl/Terphenyl bereiteten erhebliche Schwierigkeiten.

Ende 1962. Das Projekt OMRE wird aufgegeben und man entscheidet sich für den bereits in den USA bewährten Leichtwasserreaktor. Daraufhin reichen die AEG in Zusammenarbeit mit General Electric und Siemensin Zusammenarbeit mit Westinghouse Angebote für einen Leichtwasserreaktor ein. Die AEG liefert detaillierte Unterlagen für einen Siedewasserreaktor (SWR), während die Siemens-Schuckertwerke einen Druckwasserreaktor vorstellen.

1962. Unmittelbar neben dem Bauplatz für das AKW wird im Auftrag des Landes Baden-Württemberg von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) ein 99 Meter hoher Messmast errichtet. Er ist im Jahr 2014 immer noch in Betrieb. Messergebnisse werden im Internt auf der Homepage der LUBW dokumentiert.

Sommer 1964. KBWP entscheidet sich für einen Siemens-Druckwasserreaktor. Das Angebot war bei einer garantierten Nettoleistung von ca. 283 MW am überzeugendsten. Es basiert auf dem US-amerikanischen Atomkraftwerk Yankee Rowe. Gegenüber diesem werden von Siemens jedoch mehrere Verbesserungen vorgenommen:
  • Ein während des Betriebs begehbares Volldruck-Containement (Sicherheitsbehälter)
  • Wellengedichtete Pumpen anstelle von Spaltrohrmotorpumpen im Primärkreis
  • Kernregelung (Steuerstabfinger, langsame Regelung mittels Borsäure)
 Auch die Dampfkraftanlage, Turbogenerator und Leittechnik wird von Siemens entwickelt.

16. Juli 1964. Genäß §7 Atomgesetz wird die atomrechtliche Genehmigung beantragt. Voraussetzung für diese Genehmigung war der Schutz der Bevölkerung dahingehend dass selbst für den Auslegungsstörfall (GAU) eine Evakuierung (angeblich) nicht nötig sein würde. Das Volldruck-Containement der Siemens-Anlage wurde bezüglich des GAU sehr positiv beurteilt.

Herbst 1964. Als Bauher und Betreiber wird die Kernkraftwerk Obrigkeim GmbH (KWO) mit 13 Gesellschaften gegründet. Hauptgesellschafter sind die Energie-Versorgung Schwaben mit 35% und das Badenwerk mit 28%. Das Stammkapital beläuft sich auf ca. 100 Mio. Deutsche Mark.

12. März 1965. Zwischen Siemens und KWO wird der Liefervertrag unterzeichnet. 
Danach beginnen sofort die umfangreichen Bauarbeiten in Obrigheim. Die Witterungsbedingungen in diesem Jahr sind alles andere als günstig. Zudem führen Fertigungsschwierigkeiten einzelner Komponenten und Aggregate zu Verzögerungen. Diese können jedochdurch flexible Arbeitsweise und zügiger Montage seitens der Elektrotechnik aufgefangen wirden. So konnte nach nur 28 Monaten Bauzeit mit der Inbetriebnahme einzelner Anlagenteile begonnen werden.
Einzelne Komponenten werden während der Bauzeit zwecks einfacherer Fertigung abgeändert. Die Wandstärke des Reaktordruckbehälters wird unter dem Vorwand einer "realistischeren Auslegung" reduziert. For diesen Druckbehälter wird jedoch noch ein thermischer Schild vorgesehen, der bei späteren Druckwasserreaktoranlangen (Stade, Biblis) entfällt.

 Mai 1967. Die Hochspannungsschaltanlagen werden in Betrieb genommen.

August 1967. Die Montage des Primärkreises kann mit der Druckprobe abgeschlossen werden.

November 1967 bis Februar 1968. Der erste bis vierte Warmprobebetrieb mit Aufheizung durch die Hauptkühlmittelpumpen wird durchgeführt. Dabei finden umfangreiche Schwingungsversuche und Erprobungen an der Reaktorregelung und am Reaktorschutzssystem statt.
Die erste Kernbeladung verläuft planmäßig und ohne Schwierigkeiten. Mit den neuen Systemen müssen erst noch Efahrungen gesammelt werden.
Aufgrund von Schwingungsproblemen beim thermischen Schuld verzögert sich die atomare Inbetriebnahme. Der Reaktordruckbehälter muss entladen und die Einbauten noch einmal überprüft werden.

14. Juni 1968. Der Reaktor wird nach Reaktorinstrumentierung und Einstellung des Reaktorschutzsystems erstmals mit Brennelementen bestückt und mit Borsäure vergiftet. Danach wird ein unterkritischer Warmprobebetrieb durchgeführt und anschließend der Reaktor wieder entladen.

Ende Juni 1968. Die Prozessrechneranlage wird in Betrieb genommen und die Software überprüft.

Juli/August 1968. Die Reaktoreinbauten und das Druckgefäß werden für den Atomarbetrieb freigegeben und das Notkühlsystem abgenommen.
Vor dem zweiten Beladen des Reaktorkerns werden Bestrahlungsproben aus Kesselwerkstoff zwischen thermischem Schild und Reaktordruckbehälterwand eingebaut, um die spätere Werkstoffversprödung durch Neutronen zu prüfen. Auch nach der zweiten Beladung wird der Reaktor mit Borsäure zunächst im unterkritischen Zustand gehalten. Zwei Helium-3-Zählrohre überwachen die Multiplikation. Zum Einstellen der äußeren Messkammern werden zwei Polonium-Beryllium-Quellen verwendet.

21. September 1968. Um den Reaktor kritisch zu machen, d.h. die Kettenreaktion einzuleiten, werden die Steuerelemente bis auf ein Drittel Eintauchtiefe ausgefahren und die Borsäurekonzentration im Kühlmittel durch zunehmendes Einspeisen von demineralisiertem Wasser (Deionat) kontinuierlich verringert. Man beginnt bei einer Borkonzentration von anfänglich 3000 parts per million (ppm) mit der stündlichen Verringerung der Konzentration um etwa 180 ppm.

22. September 1968. Der Reaktor wird morgens um 5:45 bei einer Borkonzentration von 1.714 ppm erstmals kritisch.
 
29. Oktober 1968. Um 18 Uhr 45 erfolgt die erste Synchronisation des Turbogenerators und die erste Stromlieferung des AKW Obrigheim in das Verbundnetz.
Im Bereich des Strahlen und Brandschutzes müssen jedoch zahlreiche Verbesserungen vorgenommen werden. Bereits in den ersten Betriebsnonaten werden zusätzliche Strahlenabschirmungen eingebaut und der Brandschutz, insbesondere im atomaren Bereich, nachgerüstet.
Auch die Radioaktivitätsabgaben über Abluft und Abwasser müssen verbessert werden. Durch den Einbau zusätzlicher Folter, insbesondere Absorptionsfilter für radioaktives Jod, verbesserte Wasserchemie und verschiedene Abdichtungen an Armaturen und Aggregaten kann die Abgabe von Radioaktivität an die Umwelt deutlich gesenkt werden.
Belastungsanalysen zeigen, dass einige Komponenten und Messeinrichtungen den Anforderungen des Auslegungsstörfalls (GAU) nicht ganz genügen. Die Dampferzeuger müssenmit Kippsicherungen zusätzlich abgestützt und wichtige Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen durch robustere Teile ersetzt werden. Um die Notstromversorgung zu entlasten, werden die Sicherheitspumpen-Aggregate zusätzlich mit Dieselmotoren versehen.
 
1969. Bereits kurz nach der Inbetriebnahme des AKWs werden Planungen für einen zweiten Kraftwerksblock aufgenommen.

Ab 1971. Wegen einem spürbaren Anstieg der Radioaktivität im Primärkreis infolge einer Ablagerung aktivierter Korrosionsprodukte (z.B. Kobalt-60) wird zur Anhebung des pH-Wertes im Reaktorkühlmittel Lithiumhydroxid zudosiert. Dies bewährte sich auch bei den späteren Druckwasserreaktoren der Kraftwerk Union.

1971. In der Zwischenzeit treten vermehrt Leckagen an den U-Rohren der Dampferzeuger aus Inconel-600 infolge Spannungsrisskorrosion auf. Es kommt zu einem massiven Heizrohrschaden mit einer Leckrate von 3000 Litern pro Stunde. Dieser führt zu einer Reaktorschnellabschaltung.

1976. Es werden zwei neue Dampferzeuger mit U-Rohren aus Incoloy-800 geliefert und auf Lager gelegt.

1977. Die Planungen für einen weiteren Kraftwerksblock werden wieder verworfen.

1977/78. Östlich von Asbach und südlich des Industriegebiets TECHNO wird ein 169 Meter hoher meteorologischer Messmast errichtet. Insgesamt gehörten ursprünglich zwei davon, als abgespannte Stahlfachwerkmasten ausgeführt zum AKW.

13. Januar 1977. Bei einem Unfall wird der gesamte Reaktor des AKW Gundremmingen A zerstört. Wolfgang Schluchter (Sozialwissenschaftler, späteres Gründungsmitglied der Grünen) arbeitet zu dem Zeitpunkt im Atomforschungszentrum Karlsruhe und in den AKWs Obrigheim, Gundremmingen A, in Würgassen und im US-amerikanischen Battelle-Institut in Frankfurt am Main wo er an einem Nachbau eines Atomreaktors erforschen sollte wie sich AKWs im Störfall verhalten und wie mögliche Unfälle verhindert werden können. Unter dem Eindruck des Störfalls veröffentlicht er seine Schrift "Polizei und Wissenschaft, vereint gegen Bürgerinitiativen". Er wird deshalb aus dem Institut entlassen und des Hochverrats angeklagt, jedoch nicht verurteilt. Ausserdem wird er mit einem Berufsverbot belegt. Die US-amerikanische Militärpolizei durchsucht zudem seine Wohnung und beschlagnahmt seine wissenschaftlichen Manuskripte.

Ende 1979. Die elektrische Nettoleistung wird von 280 MW auf 328 MW erhöht.

Anfang der 1980er Jahre. Von der Reaktorsicherheitskommission wirddie Errichtung eines Notstandssystems gegen äußere Einwirkungen gefordert.

1982. Ein Notstandsgebäude wird fertiggestellt. Es ist gegen Erdbeben, Explosionen und Flugzeugabstürze gesichert und beinhaltet zusätzliche Notstrom- und Notspeiseaggregate sowie eine Notsteuerstelle.

1983. Die im Jahr 1976 gelieferten zwei Dampferzeuger werden eingebaut, nachdem zu viele Rohre gestopft worden waren.

1984. Es erfolgt eine weitere Leistungssteigerung auf 357MW nach einer Verbesserung der Turbinenbeschaufelung.

1989. Ein Rechtsgutachten von Professor Wahl stellt die fehlende Dauerbetriebsgenehmigung des AKW Obrigheim fest.

1990. Das AKW muss wegen der fehlenden Dauerbetriebsgenehmigung vorübergehend stillgelegt werden.

1991. Die Anlage kann wieder hochgefahren werden.

März 1994 bis Januar 1996. Ein vom Landtag einberufener Untersuchungsausschuss nimmt die sicherheitstechnische Auslegung des Reaktors unter die Lupe. Zentral stellt sich immer wieder die Frage, wie sehr Stahlkomponenten unter dauerhafter Bestrahlung verspröden.
1996. Durch das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg wird die Dauerbetriebsgenehmigung erteilt.

1999. Es wird ein als Nasslager geführtes Zwischenlagerfür 980 abgebrannte Brennelemente mit etwa 286 Tonnen Schwermetallgewicht in Betrieb genommen. Um dieses zu ersetzen, hat die EnBW Kernkraft GmbH die Errichtung eines Trockenlagers für die Lagerung von insgesamt maximal 342 bestrahlten Brennelementen in insgesamt 15 Transportbehältern der Behälterbauart CASTOR 440/84 beantragt. Das Lager soll in einer 35 Meter langen, 18 Meter breiten und 17 Meter hohen Halle aus Stahlbeton mit einer Wandstärke von 85 Zentimetern und einer Deckenstärke von etwa 55 Zentimentern errichtet werden. Die vorher von der EnBW geplante Aufbewahrung der Behälter unter einzelnen Betonumhausungen wurde nach Sicherheitsbedenken des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) wieder zurückgezogen.

2000. Die rot-grüne Bundesregierung erreicht einen Konsens, der einen langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie vorsieht.

Frühjahr 2001. Der meteorologische Messmast wird abgerissen. An der Stelle wird später ein Mobilfunkturm in Fertigbetonbauweise errichtet.

26. September 2002. Um die Abschaltung des AKW Obrigheim zu verzögern, beantragt der Betreiber des AKWs, die EnBW, die Übertragung einer Reststrommenge von 15.000 Gigawattstunden von Neckarwestheim-2 auf Obrigheim.
Vom Bundesumweltministerium wird schließlich eine Reststromübertragung in Höhe von 5500 GW von Philippsburg-1 genehmigt. Dadurch verlängert sich die Laufzeit des AKW Obrigheim um etwa 2,5 Jahre während sich die Laufzeit von Philippsburg-1 nur geringfügig ändert. Unabhängig von der Reststrommenge wird die spätestmögliche Stillegung des AKW Obrigheim bis zum 15. November 2005 gesetzlich vereinbart.

Dezember 2002. Laut dem Atomkonsens aus dem Jahr 2000 hätte das AKW Obrigheim in diesem Jahr abgeschaltet werden sollen.


11. Mai 2005. Das deutsche AKW Obrigheim wird um 7 Uhr 58 endgültig abgeschaltet. In der 37 Jahre langen Betriebszeit traten insgesamt 267 meldepflichtige Ereignisse auf.

2006. Das Management von ENBW sondiert mit Wissen der schwarz-roten Bundesregierung (siehe Bundestagsdrucksache 17/11922) die Behandlung und Lagerung atomarer Betriebs- und Stillegungsabfälle in Russland. Inclusive der Option auf eine Endlagerung hochradioaktiven Mülls. Insbesondere der Rückbau des bereits stillgelegten AKW Obrigheim sollte dadurch "optimiert" werden. In St. Petersburg sollte dazu für 40 Mio. Euro ein Entsorgungszentrum incl. Schmelzofen gebaut werden. Für die Betriebskosten für 15 Jahre waren 6,5 Mio. Euro veranschlagt. Der russische Atommanager Andrey Malyshev informierte im November 2006 Bernd Pfaffenbach (Deutscher Wirtschaftsstaatssekretär) davon dass "eine kommerzielle Kooperation mit deutschen Unternehmen im Bereich Stillegung kerntechnischer Anlagen und bei der Überwachung und Kontrolle von radioaktiven Materialien geplant sei".

Oktober 2006. Eine Tochter der EnBW schließt mit Andrej Bykow einen Vertrag für Dienstleistungen in Höhe von 46,5 Mio. Euro rund um den Rückbau des AKW Obrigheim. Im Vertrag ist nur ungefähr beschrieben was Bykow dafür tun sollte. Es gab keine Fristen, keine Garantien. Bezahlt wird innerhalb weniger Wochen von einem Konzern der dafür bekannt ist dass er Privatkunden innerhalb kürzester Zeit wegen minimalsten Zahlungsrückständen abmahnt.

2007. Der Rückbau beginnt. Er soll im Jahr 2020 abgeschlossen sein und etwa 0,5 Mrd. Euro kosten. Insgesamt 275.000 Tonnen Gesamtmasse müssen zerkleiner, zum Teil dekontaminiert und verpackt werden. 98% gehen als Wertstoff, Reststoff oder Abfall in den konventionellen Kreislauf zurück. Etwa 1% (2.750 Tonnen) mittel- und schwachradioaktiver Abfall muss sicher gelagert werden. Vorgesehen ist, diese im Schacht Konrad zu entsorgen. Dazu kommen die hochradioaktiven Brennelemente. Endlager für hochradioaktive Stoffe gibt es weltweit immer noch ganz exakt kein einziges.
Finanziert wird der Abriss über finanzielle Rücklagen, die der Betreiber eigenen Angaben zufolge in Höhe der absehbaren Kosten gebildet hat.

Sommer 2008. Nach dem Abbau sollen die abgebrannten Brennelemente, die sich derzeit noch in einem Nasslager des AKWs befunden, in ein neues Zwischenlager auf dem Kraftwerksgelände kommen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für ein Trockenlager findet die zweimonatige öffentliche Auslegung der Unterlagen statt. Etwa 900 Personen erheben Einwendungen. In dem neuen "Zwischenlager" dürfen die Brennstäbe (vorerst) maximal 40 Jahre lagern.

2009. Nach zwei Jahren Rückbau ist das etwa 30 Meter hohe und mehr als 60 Meter lange Maschinenhaus das bis unters Dach mit Rohrleitungen, Turbinen und Generatoren vollgestopft war leergeräumt.
Nun startet die "Primärkreisdekontamination". Dabei wird das Rohrleitungssystem des Reaktors, um die radioaktiven Partikel abzulösen und auszuschwemmen mit chemischen Substanzen durchgespült. Belastete Oberflächen werden, je nach Beschaffenheit, abgewaschen, sandgestrahlt oder im Ultraschallbad behandelt. Die gelösten Materialien werden schließlich herausgefiltert, eingedampft und verpackt.

2009. Wolfgang Heni (Ex-Geschäftsführer der Atomsparte EnKK der EnBW) wird pensioniert. Als Prüfer im Auftrag des Vorstands der EnBW das Beziehungsgeflecht zwischen EnBW und Bykow untersuchen fällt immer wieder der Name Heni. Ihm wird vorgeworfen, als Geschäftsführer der Atomsparte EnKK der EnBW die Kompetenzen weit überschritten zu haben. Dabei geht es um Lieferungen von Uran aus Militärbeständen Russlands, um den Rückbau des AKW Obrigheim, um Beratungs- und Darlehensverträge und ein geplantes Überwachungssystem für Atomtransporte (Easy-Toll) in Russland. Offenbar hat er mit Andrej Bykow eigenmächtig Verträge in Millionenhöhe abgeschlossen und das Geld am gleichen Tag noch überwiesen.
Die Geschichte vom Einzelgänger ist jedoch ziemlich durchsichtig, da die EnKK immer auf Zuwendung anderer Konzernableger angewiesen war und der Aufsichtsrat mit vielen Mitgliedern der Muttergesellschaft KWG und EnBW besetzt war.

27.03.2010. 64% des Atommülls im Atomendlager ASSE stammt aus dem stillgelegten AKW-Obrigheim der EnBW.

17.08.2010. Die schwarzgelde Landesregierung von Baden-Württemberg wehrt sich gegen eine Analyse  der Kraftwerkskomponenten um Hinweise auf die Reaktorsicherheit zu gewinnen. Tanja Gönner (CDU - Landesumweltministerin erwartet "keinen nutzbaren Erkenntnisgewinn". Entsprechende Untersuchungen zum Werkstoffzustand einzelner Bauteile sollen bereits während des Betriebes der Anlage erfolgt sein. Weitere Untersuchungen würden ihrer Aussage nach "keine Ergebnisse liefern, die für andere Atomkraftwerke in Deutschland von Relevanz wären".
Die Grünen wollen dagegen dass das Ausmaß der Versprödung einzelner Teile, insbesondere des Reaktordruckbehälters, untersucht wird.
Ergebnisse könnten das Unterlaufen des rot-grünen Atomausstiegs gefährden und für die Landesregierung ungemütlich werden die den Betrieb trotz aller Sicherheitsbedenken bis zuletzt gestützt hat.

19.03.2011. In Obrigheim zeigt sich dass die Hysterie um angeblich massive Arbeitslosigkeit nach dem Abschalten eines AKWs völlig übertrieben ist. Diese ist dort nach dem Abschaltung nicht wirklich angestiegen. Ende 2010 waren dort wegen dem Abbau immer noch fast 200 Menschen beschäftigt. Nicht einmal im Ort selbst hat sich dort der Atomausstieg wirtschaftlich bemerkbar gemacht.

Ende 2011. Anwohner klagen wegen mangelnder Transparenz gegen den Rückbau des hochradioaktiven Reaktorkerns. Sie fordern daher eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der dritten Teilgenehmigung.

April 2012. Anwohner reichen einen Eilantrag für eine Unterbrechung des Rückbaus ein.

31. Mai 2012. Das Atomschiff "Edo" wird wahrscheinlich morgen den Lehnitzsee nördlich von Berlin erreichen. An der Turmerlebniscity soll es eine Protestkundgebung der Linken geben. Das Schiff ist im 22. Mai am stillgelegten AKW Obrigheim mit radioaktivem Atommüll gestartet und soll am 4. Juni das Zwischenlager Nord in Lubmin erreichen. Dort sollen 2 Dampferzeuger und zwei Motoren zerlegt, dekontaminiert und zum Rücktransport vorbereitet werden.

2012. Die Kletteraktivistin Cécile Lecomte (Das Eichhörnchen) führt eine Aktion zur Blockade eines Kanalschiffes durch welches einen Dampferzeuger aus dem abgeschalteten AKW Obrigheim über den Dortmund-Ems-Kanal nach Lubmin transportieren soll. Dazu seilt sie sich in Münster von der Kanalbrücke in der Wolbecker-Straße ab und blockiert die Weiterfahrt des Schiffs so lange bis die Schleuse in Münster am Abend ihren Betrieb einstellt. Das Schiff muss deshalb die Nacht über in Münster verweilen. Die Blockade wird von einem Spezialkommando beendet. Lecomte wird festgenommen, jedoch bereits am Folgetag wieder aus der Haft entlassen.

September 2012. Die Klagen der Anwohner werden abgewiesen, weil der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof meint, dass ein schneller Rückbau die Interessen der Kläger überwiegen würde.

17. April 2013. EnBW will die Brennstäbe aus dem AKW Obrigheim in Zukunft im knapp 40 Kilometer entfernten AKW Neckarwestheim lagern um sich den Bau eines Zwischenlagers zu ersparen. Möglicherweise sollen die 15 Castor-Behälter mit 342 Brennstäben per Schiff auf dem Neckar transportiert werden. Der Transport könnte im Jahr 2016 stattfinden.
Einen Schienenanschluss gibt es in Obrigheim nicht. Insgesamt sind bisher seit Mitte der 1990er Jahre 13 Züge mit insgesamt 110 Castorbehältern durch Deutschland transportiert worden. Teilweise gab es erbitterten Widerstand.
Derzeit werden die Kosten für den Rückbau mit einem "mittleren dreistelligen Millionenbereich" angegeben.

12.03.2014. Das 10 Meter tiefe Ex-Lagerbecken für Brennelemente wurde zwischenzeitlich zum wassergekühlten Schneideraum umgebaut. Die 342 Brennelemente befinden sich immer noch im Nasslager. Am Boden gibt es einen Drehteller. Überwacht wird es von 17 Kameras. Die stark verstrahlten Teile werden wegen der "abschirmenden und bindenden Wirkung" unter Wasser mit Bandsägen und Plasmaschneidern zerlegt.
Im Moment wird der fast 150 Tonnen schwere und neun Meter hohe Reaktordruckbehälter zerlegt. Soeben wurde der Deckel des Reaktordruckbehälters mit einer Seilsäge zerkleinert. Im Moment wird das obere Kernstück vollautomatisch mit einem Kontakt-Lichtbogen-Metall-Trennschleifer in Stücke zersägt.
Vor den eigentlichen Arbeiten wurde der gesamte Atomreaktor mit Hilfe von 3D-CAD-Programmen erfasst. Danach wurde die Größe der zerlegten Teile, die Art, wie sie geschnitten werden, mit welchen Werkzeugen das gemacht werden soll und welche Container zur Aufbewahrung verwendet werden geplant.
Der Schrott wandert in Container die für die Einlagerung im Schacht Konrad bestimmt sind.

01. August 2014. Seit einigen Wochen gibt es Widerstand in der 30 Kilometer entfernten Gemeinde Buchen. Dort will EnBW auf einer Deponie Bauschutt aus Obrigheim entsorgen. In der Zwischenzeit wurden Anträge für den Transport der Brennelemente auf dem Neckar gestellt.

5. Dezember 2014. EnBW hat nun die Anträge zur Errichtung und zum Betrieb einer Schiffsanlagestelle auf dem Gelände des AKW Neckarwestheim für den ersten deutschen Atommülltransport per Schiff eingereicht. Eine abschließende Entscheidung soll es noch nicht geben. Die Anträge sind jedoch laut EnBW ein „ein weiterer Baustein, um die Machbarkeit unserer Überlegungen zusammen mit den zuständigen Behörden vertieft diskutieren zu können“. Umweltschützer haben derweil gegen einen derartigen Transport auf einem Fluss Proteste angekündigt. Die Stadt Neckarwestheim hat nach Bekanntwerden der Pläne mit Klagen gedroht.

2020 bis 2025. Der vollständige Abbau des AKW Obrigheim soll abgeschlossen sein.

Bilder aus Wikimedia Commons
Atomkraftwerk Obrigheim, Lizenz: Creative-Commons "Namensnennung 3.0 nicht portiert" , Urheber: Felix König