Freitag, 25. September 2015

Erich Bagge

Atomschiff  "Otto Hahn" im Hamburger Hafen
Der deutsche Atomphysiker Erich Rudolf Bagge wurde am 30. Mai 1912 in Neustadt bei Coburg geboren († 5. Juni 1996 in Kiel). Er war sowohl experimenteller als auch theoretischer Physiker.

Bekannt ist Bagge durch seine Teilnahme am deutschen Uranprojekt zur Entwicklung einer Atombombe während des zweiten Weltkriegs. Er gehörte zu den zehn nach dem Zweiten Weltkrieg internierten deutschen Atomphysikern in Farm Hall (England) im Rahmen der Operation Epsilon der Alliierten

Von Bedeutung waren seine Weiterentwicklungen des Funkenzählers, die weltweit in viele Laboratorien Einzug hielten.

Erich Bagge fasste die theoretische Physik nicht als ein festgefügtes Lehrgebäude auf, sondern machte seine Schüler immer wieder darauf aufmerksam, was in der Theorie der Kern- und Astrophysik noch ungeklärt oder gar widersprüchlich war. Er regte seine Studenten sogar zu neuer Theoriebildung an, indem er selbst durchaus gewagte Theorien zur räumlichen Ausdehnung der Elementarteilchen oder gar zur Existenz von Neutrinos ausarbeitete und veröffentlichte. Es ist darum nicht verwunderlich, dass nicht wenige seiner Schüler später weltbekannt wurden wie etwa Joachim Trümper oder Klaus Pinkau.

Eine besondere Anwendung der Atomphysik war Bagges methodische Entwicklung der Kohlenstoffdatierung. Sein Labor für C14 und Massenspektrometrie, das Horst Willkomm nach seiner Promotion bei Bagge aufbaute und leitete, war in zahlreiche Kollaborationen mit archäologischen, geologischen, paläontologischen und klimatologischen universitären und außeruniversitären Instituten eingebunden.


Leben


30. Mai 1912. Erich Rudolf Bagge wird in Neustadt bei Coburg geboren. Später besucht er das Realgymnasium in Sonneberg.

Ab 25 September 1928. Er gehört in seiner Heimatstadt der Ferienverbindung Neapolitania an.

1938. Nach dem Studium der Physik in München und Berlin wird Bagge bei Werner Heisenberg an der Universität Leipzig mit der Arbeit "Beiträge zur Theorie der schweren Atomkerne", die an die Dissertation von Hans Euler anschließt, promoviert.

1939 bis 1945. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitet er am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik am deutschen "Uranprojekt". Durch seine Vermittlung gelingt es Kurt Diebner, Werner Heisenberg zur Mitarbeit am Uranprojekt, das durch das Heereswaffenamt (HWA) geleitet wird, zu überreden. 

20. September 1939. Kurt Diebner (Fachmann des Heeres für Sprengstoffe und Kernphysik) entwirft mit Erich Bagge (Atomphysiker) zusammen ein Programm mit dem Titel "Vorbereitender Arbeitsplan zur Aufnahme von Versuchen für die Nutzbarmachung der Kernspaltung" mit dem die Forschungsarbeiten koordiniert werden sollten. Das Ziel des Programms war die Erreichung einer kontrollierten Kettenreaktion in einem Atomreaktor. Es folgten zwar nur wenige Physiker (darunter Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz)  dem Ruf nach Berlin. Alle sind jedoch zur Mitarbeit bereit.

1941 bis 1943. Er entwickelt unter Mithilfe von Erich Habann die Isotopenschleuse, ein Gerät zur Anreicherung von Uran. Diese meldet er im März 1942 zum Patent an.

29. August 1944. Nach der Befreiung von Frankreich werden dort im Rahmen der Alsos-Mission II weitere Untersuchungen zum deutschen Uranprojekt durchgeführt. Frédéric Joliot-Curie wird nach London geflogen um über das Projekt und die Arbeit deutscher Physiker zu berichten. Während der Zeit der Okkupation hatten Professor Erich Schumann, Dr. Kurt Diebner, Professor Walther Bothe, Professor Abraham Esau, Professor Wolfgang Gentner und Dr. Erich Bagge in seinem Labor gearbeitet. Damit war ein Großteil der deutschen Atomwissenschaftler identifiziert. Ausserdem wurden Dokumente und sensitives Material wie Uran und schweres Wasser sichergestellt.

April 1945 bis Januar 1946. Die führenden Wissenschaftler des Uranprojekts  (Kurt Diebner, Walther GerlachOtto Hahn, Paul HarteckWerner Heisenberg, Horst Korsching, Max von LaueCarl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz) sind von den Alliierten im Rahmen der Operation Epsilon in "Farm Hall" in England interniert. Die Gespräche der Wissenschaftler werden durch das englische Militär abgehört und aufgezeichnet.

1948. Nach dem Krieg wird er zum außerordentlichen Professor und Abteilungsleiter des Physikalischen Staatsinstituts an der Universität Hamburg berufen, wo er sich insbesondere mit der Nutzung der Atomenergie für Handelsschiffe beschäftigt.

1956. Er gehört mit Kurt Diebner zu den Gründern der Gesellschaft für Atomenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt GmbH (GKSS) in Geesthacht.

1957. Er wird er zum Leiter des von ihm gegründeten Instituts für Reine und Angewandte Atomphysik der Christian-Albrechts-Universität in Kiel berufen. Er baut dieses Institut in einer Zeit auf, als sich ein großes Potenzial für die friedliche Nutzung der Atomenergie in Deutschland abzuzeichnen beginnt. In dieser Zeit entwickelt Erich Bagge gemeinsam mit Kurt Diebner zahlreiche Reaktor-Patente, darunter zu Schnellen Brütern, zur Gewinnung und Abtrennung von Plutonium. Durch Bagge besteht von Beginn an eine enge Verbindung mit dem Forschungsreaktor Geesthacht, den die GKSS später als Trägerorganisation betreibt. Bagge treibt in seinem Institut aber auch die Erforschung der Höhenstrahlung voran, so dass das Kieler Institut für reine und angewandte Atomphysik mit ungezählten Ballonstarts weltweit bekannt wird.

27. November 1962. Im Hamburger Hotel Atlantic wird der Werftbauvertrag für er Bau des ersten (und letzten) deutschen mit Atomkraft betriebenen Forschungsschiffs, des Erzfrachters Otto Hahn unterzeichnet. Die Leitung der Entwicklung und des Baus des atomar angetriebenen Schiffes werden dem deutschen Atomphysiker Erich Bagge (Kiel, Geesthacht) anvertraut.

1963 bis 1968. Der Bau des Atomschiffs Otto Hahn, wird von der GKSS ausgeschrieben und in Kiel ausgeführt. Das Schiff ist als Symbol einer "strahlenden" Zukunft gedacht, bleibt aber schließlich das einzige deutsche Schiff mit Atomenergieantrieb.

1992. Bagge ist wissenschaftlicher Berater bei dem Fernsehfilm Das Ende der Unschuld. Dabei überließ er dem Stadtarchiv Haigerloch Kopien von Originalarbeiten zur deutschen Atomforschung in der Zeit von 1939 bis 1945.

5. Juni 1996. Erich Bagge stirbt in Kiel.

Bilder aus Wikimedia Commons
Atomschiff  "Otto Hahn" im Hamburger Hafen, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, Urheber: Jens Bludau

Quellen
Wikipedia, Erich Bagge