Stefan Heße (2014) |
Der römisch-katholische Geistliche Stefan Heße wurde am 7. August 1966 in Köln geboren.
Er ist Erzbischof von Hamburg. Im Zuge des Kölner Missbrauchsgutachtens und der dargestellten Pflichtverletzungen des damaligen Generalvikars Heße bot dieser am 18. März 2021 dem Papst seinen Rücktritt an. Der Papst nahm diesen Rücktritt jedoch nicht an.
Stefan Heße sieht in der Medienarbeit und im Web 2.0 besondere Aufgaben für die Kirche der Zukunft. Die Kirche müsse ihre Sprachfähigkeit verbessern, damit andere den Glauben auch verstehen können. „Wie verhindere ich zum Beispiel, dass Ostern auf ein Hasenfest reduziert wird?“, so Heße. Er hält es für erforderlich, dass die Kirche mit ihren Finanzen transparent und verantwortlich umgeht und die Zahlen über ihr Vermögen offenlegt. Auch ist Heße stark am Dialog mit den Gläubigen interessiert und plädiert in Fragen der kirchlichen Ethik für schnellere Entscheidungen.
Leben
7. August 1966. Stefan Heße wird in Köln geboren. Er wächst in Köln-Junkersdorf als Sohn einer selbständigen Bäckerfamilie auf.
1986. Nach dem Abitur am Kölner Gymnasium Kreuzgasse beginnt er ein Studium der Philosophie und Theologie in Bonn und Regensburg.
18. Juni 1993. Er empfängt im Kölner Dom die Priesterweihe durch den Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zusammen mit den späteren Bischöfen Peter Kohlgraf und Dominikus Schwaderlapp sowie dem späteren Kölner Domdechanten Robert Kleine.
1993 bis 1997. Heße ist Kaplan in St. Remigius in Bergheim.
1997 bis 2003. Er ist als Repetent im erzbischöflichen Theologenkonvikt in Bonn tätig, das in dieser Zeit vom späteren Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki geleitet wird.
2001. Er wird mit einer Dissertation über Hans Urs von Balthasar an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar zum Doktor der Theologie promoviert.
2003 bis 2005. Er leitet die Abteilung Pastoraleinsatz/Pastorale Dienste im Generalvikariat des Erzbistums Köln und ist bis 2012 zudem Diözesanbeauftragter für Rundfunk und Fernsehen.
2005. Ihm wird von Papst Benedikt XVI. der Ehrentitel Kaplan Seiner Heiligkeit verliehen.
1. Mai 2006. Er wird Stellvertreter des Generalvikars Dominikus Schwaderlapp, im selben Jahr auch Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal des Erzbistums.
8. Januar 2007. Stefan Heße gehört bis zu seiner Ernennung zum Hamburger Erzbischof als stellvertretendes Mitglied dem Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks an.
2010. Im wird der Titel Päpstlicher Ehrenprälat verliehen.
11. September 2011. Stefan Heße wird als residierender Domkapitular ins Kölner Metropolitankapitel berufen.
16. März 2012. Heße löst Dominikus Schwaderlapp als Generalvikar ab, nachdem dieser zum neuen Weihbischof in Köln ernannt worden ist.
28. Februar 2014. Mit Eintritt der Sedisvakanz, bedingt durch die Annahme des Rücktrittgesuches von Joachim Kardinal Meisner durch Papst Franziskus, erlischt automatisch sein Amt als Generalvikar. Noch am selben Tag wählt ihn das Kölner Domkapitel zum Diözesanadministrator des Erzbistums Köln.
Diözesanadministrator Stefan Heße beim Pontifikalamt zur Amtseinführung des Kölner Erzbischofs Kardinal Rainer Maria Woelki (2014) |
20. September 2014. Bei der Amtseinführung des neuen Erzbischofs von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, bestätigt der Kardinal ihn erneut als Generalvikar.
26. Januar 2015. Papst Franziskus ernennt ihn zum Erzbischof von Hamburg. Er ist der dritte Erzbischof seit der Neuerrichtung der Diözese im Jahr 1994.
2. Februar 2015. Zu seinem Nachfolger als Generalvikar in Köln ernennt Rainer Maria Kardinal Woelki mit Wirkung zum 22. Februar 2015 Dominik Meiering.
14. März 2015. Die Bischofsweihe und Amtseinführung als Erzbischof von Hamburg erfolgt durch den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Mitkonsekratoren waren der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, und Norbert Werbs, Weihbischof in Hamburg.
Mit der Amtseinführung als Erzbischof von Hamburg scheidet Heße aus dem Kölner Domkapitel und dem Klerus des Erzbistums Köln aus. Kardinal Woelki ernennt ihn zugleich zum Kölner Ehrendomherrn.
Im Erzbistum Hamburg setzt Heße die von seinem Vorgänger Werner Thissen eingeleitete Auflösung mehrerer Pfarrgemeinden fort. Die Anzahl der Pfarreien soll von 83 auf 28 sinken. Heße begründet dies mit der sinkenden Anzahl von Gemeindepfarrern.
Erzbischofswappen von Stefan Heße; Wahlspruch: Apud Deum omnia possibilia („Bei Gott ist alles möglich“, Mt 19,26 EU). |
August 2015. Heße fordert eine Liberalisierung der katholischen Sexualmorallehre. So müsse die Kirche es wertschätzen, wenn in homosexuellen Beziehungen Werte wie Treue und Verlässlichkeit gelebt würden.
22. September 2015. Die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz wählen Heße zum bischöflichen Flüchtlingsbeauftragten. Er ist Vorsitzender der Migrationskommission und gehört der Kommission für Wissenschaft und Kultur der Bischofskonferenz an.
Ab 18. November 2016. Erzbischof Heße ist, in Nachfolge von Bischof Gebhard Fürst Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
2017. Heße wird in Wien als Ehrenritter des Deutschen Ordens investiert.
4. Juli 2019. Der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen und Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, sagt, Carola Rackete sei einem klaren ethischen Imperativ gefolgt. Ertrinkende müsse man retten, „ohne Wenn und Aber“. Wer wie die Kapitänin ein Menschenleben rette, stehe in der Nachfolge Jesu.
August 2019. Heße spricht sich gemeinsam mit Bischof Franz-Josef Bode für einen offeneren Umgang ihrer Kirche mit Homosexuellen aus. Den Bundestagsentscheid zur „Ehe für alle“ vom 30. Juni 2017 sieht Heße dagegen kritisch. Er „bedauerte es“, dass das kirchliche und das staatliche Eheverständnis sich „weiter voneinander entfernten“.
August 2020. Heße erklärt, dass in der katholischen Kirche die Debatte über die Zulassung von Frauen zum Weiheamt noch nicht beendet sei, und fordert ein offenes Gespräch über Diakoninnen und Priesterinnen.
Oktober 2020. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet unter Berufung auf die Bild, dass Heße in seiner Funktion als Leiter der Personalabteilung in Köln einen Priester, der seine drei Nichten missbraucht haben soll, „der kirchlichen wie auch indirekt der weltlichen Strafverfolgung entzogen“ habe. Trotz eines Geständnisses sei der Geistliche wieder in der Seelsorge eingesetzt worden.
Heße bestreitet gegenüber der Bildzeitung, an der Vertuschung des Falles beteiligt gewesen zu sein, und schließt aus, „einem Vorgehen zugestimmt zu haben, bei dem in Fällen sexuellen Missbrauchs von Gesprächsinhalten keine Protokolle angelegt oder gar Protokolle, Akten oder Gesprächsnotizen im Zweifel vernichtet werden sollen“.
In einer nachfolgenden Stellungnahme teilt das Erzbistum Köln mit, dass sich aus den vorliegenden Gesprächsnotizen einer Anhörung des verdächtigten Pfarrers im Generalvikariat keine Hinweise auf ein Geständnis ergeben. Das gegen den Verdächtigten eröffnet staatliche Ermittlungsverfahren ist im März 2011 eingestellt worden, nachdem „die Betroffenen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht“ haben.
Matthias Katsch von der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ legt Heße den Rücktritt nahe. „Für mich kann Erzbischof Stefan Heße sein Amt nicht mehr glaubwürdig ausfüllen – weder im Umgang mit den Betroffenen noch mit Blick auf die Aufarbeitung. Ich denke, dass er über kurz oder lang zurücktreten wird müssen.“
Dieser Einschätzung schließt sich der Münsteraner Theologe und Kirchenrechtler Thomas Schüller an: „Heße wäre 2010 kirchenrechtlich dazu verpflichtet gewesen, eine Voruntersuchung einzuleiten und den Vatikan zu informieren. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, ist Heße als Hamburger Erzbischof nicht mehr haltbar.“
November 2020. Es wird bekannt, dass Heße aufgrund der Vorwürfe sein Amt als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vorläufig nicht mehr ausüben will. In diesem Zusammenhang erhöht sich der Druck auf den Kölner Erzbischof Woelki, ein von diesem zurückgehaltenes Gutachten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, in dem Heße kritisch beurteilt werde.
Zusätzlich wird bekannt, dass „Woelki schon im Frühjahr 2019 Heße und weitere vormalige Verantwortliche im Erzbistum Köln damit [konfrontiert habe], dass sie sich ‚in mehrerer Hinsicht rechtswidrig‘ verhalten hätten“.
20. November 2020. Heße wendet sich an die vatikanische Kongregation für die Bischöfe und bittet um Prüfung der Vorwürfe und eventueller Auswirkungen auf sein Amt als Erzbischof, da er „nicht Richter in eigener Sache sein“ könne, wie vom Erzbistum Hamburg mitgeteilt wird.
24. November 2020. Ein Sondergutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker und Wastl, das die Mängel im Umgang des Erzbistums mit einem Fall offenlegt, ist auf den Seiten des Kölner Stadtanzeigers öffentlich einsehbar.
18. März 2021. Aus dem heute veröffentlichten Missbrauchsgutachten und der Untersuchung der Kanzlei Gercke/Wollschläger zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln geht hervor, dass Heße als Personalverantwortlichem, Generalvikar und Diözesanadministrator elf Pflichtverletzungen zur Last gelegt werden, die im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln stehen, bezogen auf neun Fälle. Heße soll versäumt haben, kirchliche Verfahren zur Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen einzuleiten, und mehrere Fälle nicht an die Staatsanwaltschaft oder an den Vatikan gemeldet haben. In die Amtszeit Heßes fällt eine Vielzahl von Missbrauchsmeldungen im Jahre 2010, und wegen zahlreicher rechtlicher Änderungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Missbrauchsverdachtsfällen habe Unklarheit in Bezug auf die Rechtslage bestanden, so die Gutachter. Zudem sei Heße zum Teil unzureichend von Offizial und Justitiarin des Erzbistums Köln beraten worden.
Heße bittet im Zuge der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens der Erzdiözese Köln Papst Franziskus um die sofortige Entbindung von seinen Aufgaben. Er zieht damit Konsequenzen aus seinem Handeln als Personalverantwortlicher und Generalvikar in Köln und übernimmt die Verantwortung für die ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen. Heße bedauert es, wenn er durch sein Handeln oder Unterlassen Betroffenen und ihren Angehörigen neuerliches Leid zugefügt haben sollte.
29. März 2021. Der Papst gewährt Heße zunächst eine Auszeit, wie das Erzbistum mitteilt. Das Erzbistum Hamburg wird kommissarisch von Generalvikar Ansgar Thim geleitet.
15. September 2021. Die Apostolische Nuntiatur teilt mit, dass Papst Franziskus den Rücktritt Heßes nicht angenommen habe. Bei einer Visitation in Köln im Juni 2021 sei auch das Wirken Heßes untersucht worden. Dabei seien zwar „persönliche Verfahrensfehler“ Heßes festgestellt worden, doch habe sich gezeigt, dass er es zwar an „Aufmerksamkeit und Sensibilität den von Missbrauch Betroffenen gegenüber“ habe fehlen lassen, jedoch seien die Verfahrensfehler nicht mit der Absicht begangen worden, Fälle sexuellen Missbrauchs zu vertuschen. Erzbischof Heße nimmt seine Amtsgeschäfte wieder auf.
Stefan Heße (2014), Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“, Urheber: Raimond Spekking