Mittwoch, 29. September 2021

Andy Grote (SPD)

Andy Grote (2018)

Der deutsche Politiker Andy Grote wurde am 14. Juni 1968 in Erpen geboren.

Er gehört der politischen Partei Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) an. Er ist seit 20. Januar 2016 Innen- und Sportsenator Hamburgs, zunächst im Senat Scholz II, nachfolgend dann im Senat Tschentscher I und II.

Er war von April 2012 bis Januar 2016 Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte.

Grote ist Mitglied im Übersee-Club e. V. Hamburg, der Europa Union und des FC St. Pauli.

Leben

14. Juni 1968. Andy Grote wird in Erpen geboren. Er wächst in Büsum auf, sein Vater leitet dort die Kurverwaltung.

Nach dem Abitur ist er für zwei Jahre Soldat auf Zeit bei der Marine und – laut Eigenangaben – auf dem Zerstörer Hessen in Wilhelmshaven stationiert.

1990 bis 1996. Er absolviert ein Studium der RECHTSwissenschaften an der Universität Hamburg.

1996. Im Alter von 28 Jahren tritt er in die SPD ein, wo er Mitglied im Distrikt St. Pauli-Süd ist.

1997 bis 1999. Er absolviert er im Rahmen seines RECHTSreferendariates verschiedene Stationen in Hamburg und Washington, D.C. Grote ist Assistent des dem rechten Flügel der Partei zugeordneten  Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Ingo Kleist.

1997 bis 2001. Er ist Deputierter in der Behörde für Stadtentwicklung.

2000/01. Er ist Wissenschaftlicher Referent für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Behörde für Bau und Verkehr unter Senator Eugen Wagner.

2002 bis 2012. Er ist als selbständiger RECHTSanwalt tätig. Seine Schwerpunkte sind Verwaltungsrecht, Vergaberecht und Recht der sozialen Arbeit.

Ab 2002. Er ist Mitglied der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte.

Ab 2004. Er ist Partner in der Kanzlei Bernzen Sonntag Rechtsanwälte.

2004 bis 2008. Er übernimmt in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte den Vorsitz der SPD-Fraktion und ist u. a. Mitglied im Hauptausschuss sowie des Stadtplanungsausschusses.

Februar 2008. Andy Grote zieht bei der Bürgerschaftswahl im Wahlkreis Hamburg-Mitte als direkt gewählter Abgeordneter in die Hamburgische Bürgerschaft ein.

20. Februar 2011. Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg kann er sein Wahlkreismandat verteidigen. Er ist Fachsprecher der SPD-Fraktion für Stadtentwicklung.

26. April 2012. Andy Grote wird von der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte zum Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte vorgeschlagen. Auf ihn entfallen 33 Ja- und 13 Nein-Stimmen. Die ihn tragende Koalition aus SPD und Grünen verfügt in der Bezirksversammlung über 28 Stimmen. 

Aufgrund seiner Wahl zum Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte muss Grote sein Bürgerschaftsmandat niederlegen, als seine Nachfolgerin rückt Loretana de Libero in die Bürgerschaft nach.

Andy Grote übernimmt das Amt des Bezirksamtsleiters von Markus Schreiber, der am 10. Februar 2012 zurückgetreten ist. 

Vor seiner Wahl versprach er, sich für einen dauerhaften Nutzen von der Internationalen Bauausstellung Hamburg und für die Verbesserung der Jugendhilfe einzusetzen. Nach 37 Wochen im Amt hat Grote nach eigenen Angaben eine weitreichende Umstrukturierung des Jugendamtes in Hamburg-Mitte angeschoben. Der Fall Yağmur, bei dem ein Kind unter Schutz des Jugendamts im Bezirk Mitte zu Tode kommt, fällt in seine Amtszeit. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft stellt Defizite im Jugendhilfesystem der Stadt Hamburg fest.

18. Januar 2016. Grote wird nach Michael Neumanns Rücktritt vom Amt des Innen- und Sportsenators als dessen Nachfolger ernannt. Sein Nachfolger wird Falko Drossmann.

20. Januar 2016. Er wird von der Bürgerschaft im Amt des Innen- und Sportsenators bestätigt. Die 73 von 118 Stimmen, die auf Grote entfallen, entsprechen der rot-grünen Mehrheit im Landesparlament während des Senats Scholz II. In seinen ersten 100 Tagen im Amt erhöht Grote die Schichtdienstzulage für Polizisten und bringt mit Justizsenator Till Steffen (Die Grünen) die Abschaffung der Gefahrengebiete im Polizeirecht auf den Weg. 2016 hebt er die seit 2008 geltende Senatorenregelung auf, nach der in Hamburg Flüchtlinge aus Afghanistan eine Aufenthaltserlaubnis ohne Einzelfallprüfung erhalten.

28. März 2018. Nach der Wahl von Peter Tschentscher zum Ersten Bürgermeister hat Grote den Posten des Innen- und Sportsenators auch im Senat Tschentscher I inne.

13. Dezember 2019. Mehrere Maskierte bewerfen Grotes Auto mit Steinen und Farbbeuteln, während dieser als Innensenator von einem Personenschützer chauffiert wird. Dabei treffen die Täter auch den Wagen eines unbeteiligten Verkehrsteilnehmers, bei dem dadurch eine Scheibe zerbricht. Verletzt wird niemand. Die Staatsschutzabteilung leitet in der Folge Ermittlungen ein.

10. Juni 2020. Die Hamburgische Bürgerschaft bestätigt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Amt und gibt ihre Zustimmung für den neuen Senat. Tschentscher wird mit 87 von 123 Stimmen wiedergewählt - damit bekommt er alle Stimmen von SPD und Grünen. 34 Abgeordnete stimmen gegen ihn, zwei enthalten sich.

"Ja, Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl an", sagt Peter Tschentscher kurz darauf und legt den Amtseid ab. "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe", lauten seine Worte. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit wünscht ihm "im Namen des ganzen Hauses der Hamburgischen Bürgerschaft eine glückliche Hand bei der Amtsführung. Viel Erfolg im Interesse aller Hamburgerinnen und Hamburger, der ganzen Stadt. Alles Gute für Sie."

Katharina Fegebank (Grüne) ist weiterhin Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft und Gleichstellung. Im Amt bleiben auch Schulsenator Ties Rabe, Innensenator Andy Grote, Finanzsenator Andreas Dressel, Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt, Sozialsenatorin Melanie Leonhard, Kultursenator Carsten Brosda (alle SPD), Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) und Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne).

Unmittelbar nach seiner Wiederberufung als Innensenator gerät Grote in Kritik, weil er in einem Club in der HafenCity trotz der zu diesem Zeitpunkt in Hamburg geltenden Beschränkungen und Verbote für Feiern während der COVID-19-Pandemie mit 30 Gästen eine private Party („Corona-Party“) anlässlich seiner Bestätigung feiert. CDU, Linke und AfD fordern deshalb Grotes sofortigen Rücktritt. Grote betont, die Corona-Regeln eingehalten zu haben, bezeichnet die Feier jedoch als „dummen Fehler“, da der Eindruck eines Verstoßes entstanden sei, weshalb er sich entschuldige.

30. Juni 2020. Wie die Polizei mitteilt, wurden die Reifen des Autos seiner Ehefrau von noch Unbekannten zerstochen.

August 2020. Die zuständige Bußgeldstelle stellt fest, dass Innensenator Grote mit seinem Stehempfang entgegen seiner Behauptung gegen die Corona-Eindämmungsverordnung des Senats, dem er selbst angehört, verstoßen und eine „verbotene private Zusammenkunft“ veranstaltet habe. Deswegen wird gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro verhängt. Grote erklärt, er habe das Geld umgehend überwiesen. Die Feier bezeichnet er erneut als Fehler, lehnt einen Rücktritt jedoch weiter ab. Die CDU und weitere Parteien fordern daraufhin Grotes Entlassung durch den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), weil sie in Grotes Verhalten eine Täuschung der Bürger sehen. Dieser Forderung kommt Tschentscher nicht nach und belässt Grote im Amt.

30. Mai 2021. Grote schreibt auf Twitter: „In der #Schanze feiert die Ignoranz! Manch einer kann es wohl nicht abwarten, dass wir alle wieder in den Lockdown müssen… Was für eine dämliche Aktion! Danke @PolizeiHamburg, die wieder einmal den Kopf hinhalten, damit die Pandemie nicht aus dem Ruder läuft.“ 

Dieser Tweet löst zahlreiche Reaktionen aus. Zum Beispiel die eines Nutzers mit dem Pseudonym »ZooStPauli«, der untere Grotes Tweet seine eigene Twitteräußerung setzt: »Du bist so 1 Pimmel.«

Daraufhin kommt es offenbar zu einer Strafanzeige, die jedoch nicht von Innensenator Grote, sondern einem Polizisten gestellt wird. Erst nachdem die Polizei an Grote herangetritt, stellt Grote einen Strafantrag. Dadurch kann die Anzeige verfolgt werden und Ermittlungen werden aufgenommen.

September 2021. Sechs Beamte der Hamburger Polizei stürmen um 6 Uhr morgens eine Privatwohnung und durchsuchen sie. Das Vergehen, das die Durchsuchung rechtfertigen sollt: Beleidigung durch den Pimmeltweet vom Mai 2021.

In dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg ist zu lesen: "Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln (§§ 102, 105 StPO) führen wird, insbesondere von Speichermitteln mittels derer die in Rede stehende Nachricht versandt wurde."

Allerdings sind die Po­li­zis­ten  in der falschen Wohnung. Zwar an der richtigen Meldeadresse, aber da wohnt der Verfasser des Tweets nicht mehr. Seine Exfreundin Mara K. öffnet verschlafen die Tür. „Eine Polizistin rammt sofort einen Fuß in den Spalt und fragt, wie viele Personen sich in der Wohnung aufhalten“, schildert K. die Situation. Im nächsten Moment seien die Be­am­ten auch schon drinnen gewesen durchsuchen alle Räume.

„Was fällt denen ein, wegen so einem Scheiß hier reinzukommen?“, fragt K. wütend. „Haben die nichts Besseres zu tun?“ Die Polizei solle sich lieber um Frauen wie die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl oder die Comedy-Autorin Jasmina Kuhnke kümmern, die im Internet regelmäßig Morddrohungen erhalten.

In der Öffentlichkeit wird auch wegen Grotes eigener Verstöße gegen Corona-Regeln und seiner Weigerung, sie trotz Bußgeldbescheids öffentlich einzugestehen, die Verhältnismäßigkeit dieser polizeilichen Maßnahmen in Frage gestellt. Zudem hat der Beschuldigte Marlon P. drei Wochen zuvor eine Vorladung der Polizei bekommen, der er offenbar auch gefolgt ist. Er habe zugegeben, dass er den Account "Zoo St. Pauli" betreibe, von dem der Tweet abgesetzt worden sei, sagt er. "Zoo St. Pauli" gehört zur gleichnamigen Fan-Kneipe, die Marlon P. und Mara K. unweit des FC-St.-Pauli-Stadions betreiben. Ihm wurde demnach eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit in Aussicht gestellt. 

Der gesamte Vorfall wird auch als sogenannte "Pimmel-Affäre" oder „Pimmel-Gate“ bekannt.  #Pimmelgate erobert binnen weniger Stunden Platz 1 bei den Twitter-eigenen Deutschland-Trends – und nahezu alle Tweets sparen nicht an Hohn und Spott ob des "pimmeligen" Innensenators von der SPD.  Sogar die internationale Presse nach: Unseren Andy kennt nun die Welt – allerdings lacht sie halt auch über ihn. Die „Washington Post“ berichtet unter der Überschrift: „A Twitter user insulted a German politician. Police then raided his house.“ über den Versuch, den Online-Stänkerer zu sanktionieren. Auch Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen sich tausendfach den Vorwurf anhören, völlig unverhältnismäßig und überzogen gehandelt zu haben.

Die Polizei weist Vorwürfe der Maßlosigkeit zurück. Beleidigungen oder Hassreden in sozialen Medien seien grundsätzlich eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben und berührten die Würde des Menschen, sagt Polizeisprecher Holger Vehren. Das Internet sei kein rechtsfreier Raum. Entsprechend bitte die Polizei auch, im Falle von Hasspostings Anzeige zu erstatten. Eine Sprecherin weist zudem daraufhin: "Alleine in diesem Jahr sind schon eine mittlere zweistellige Zahl von Durchsuchungsbeschlüssen in diesem Deliktsbereich vollstreckt worden."

Der linke Bürgerschaftsabgeordnete Deniz Çelik gibt sich davon unbeeindruckt: „Die neuerliche Durchsuchungswelle wirkt eher wie ein peinlicher Versuch, die Statistik zu schönen“. Denn er hat nach Bekanntwerden der Durchsuchung eine kleine schriftliche Anfrage an den Senat gestellt. Und aus der geht nun hervor: Gerade einmal sechs weitere Durchsuchungen fanden in diesem Jahr bisher wegen sogenannter Hatespeech-Delikte in Hamburg statt.

Auch viele Twitternutzer halten das für nicht glaubhaft. So verweisen etliche auf die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast, die im Internet auf das übelste beleidigt worden ist, ohne dass jemals Durchsuchungen stattgefunden hätten. Fernsehmoderatorin Ruth Moschner twittert: "Wow. Heißt das jetzt "Pimmel" sagen, wird krasser strafrechtlich verfolgt, als "Pimmel" als Bilder zu verschicken. Auf meine Strafanzeigen hat es bisher nix gegeben." Andere wiederum werfen einen Blick auf Wahlplakate des rechtsextremen III. Wegs, auf denen "Hängt die Grünen" steht, und die trotz dieses offensichtlichen Gewaltaufrufs in Sachsen immer noch nicht entfernt würden.

Bilder aus Wikimedia Commons
Andy Grote (2018), Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, Urheber: Sandro Halank