Johannes Kahrs |
Der deutsche Politiker Johannes Kahrs und Oberst der Reserve der Bundeswehr wurde am 15. September 1963 in Bremen geboren.
Er gehört der politischen Partei Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) an.
Er war von 1998 bis 2020 direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Hamburg-Mitte. Für die SPD war er Sprecher der Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss und Kreisvorsitzender in Hamburg-Mitte. Kahrs legte mit Ablauf des 5. Mai 2020 sein Bundestagsmandat nieder und gab seine politischen Ämter auf.
Er war einer der drei Sprecher des Seeheimer Kreises.
Kahrs machte sich jahrelang für eine völlige gesetzliche Gleichstellung der homosexuellen Partnerschaft mit der Ehe stark.
Er setzte sich für eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ein. Mit der Begründung „Die EU ist kein Christenclub, sondern eine Wertegemeinschaft“ machte er sich für einen Dialog mit Ankara stark und warf Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, sie habe einen „faktischen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche“ betrieben.
Malte Lühmann von der Informationsstelle Militarisierung sah Kahrs in Rüstungsfragen in einem „offensichtlichen Interessenkonflikt“, der bis in die eigene Bundestagsfraktion hinein für Kritik sorge.
Kahrs bemühte sich um persönlichen Kontakt zu seinen Wählern. So absolvierte er jährlich etwa 200 Hausbesuche und hat im Rahmen des Bundestags-Besuchsprogramms jedes Jahr Tausende Hamburger nach Berlin eingeladen. In sozialen Medien wart er täglich aktiv: bei Facebook hatte er 5.000, bei Twitter knapp 10.000 Follower (Dezember 2016). Vor der Bundestagswahl 2017 war Kahrs der am häufigsten twitternde Bundestagskandidat und erklärte in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel, in den vergangenen beiden Jahren habe sich der Ton durch Hasskommentare in den sozialen Netzwerken stark verschärft.
Immer wieder hat sich Kahrs für einen Komplettumzug der Bundesregierung nach Berlin ausgesprochen, um effizientes Regieren zu ermöglichen.
Kahrs ist Vorsitzender der Kurt-Schumacher-Gesellschaft, des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold sowie der Helfervereinigung des Technischen Hilfswerks in Hamburg. Er gehört der Arbeiterwohlfahrt, der Deutschen Hilfsgemeinschaft, dem SC Hamm 02, der Pfadfinderschaft Nordmark, dem Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, dem FC St. Pauli, dem SC Vorwärts-Wacker 04, dem Bürgerverein zu St. Georg von 1880, der Deutschen Atlantischen Gesellschaft (als Schatzmeister), der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Europa-Union Parlamentariergruppe Deutscher Bundestag, der Rechtshilfe Polizei e. V., dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, der Gewerkschaft ver.di, der nichtschlagenden christlichen Studentenverbindung Hamburger Wingolf, dem Lassalle-Kreis und als stellvertretender Vorsitzender der Fröbel-Gruppe an. Im Februar 2002 wurde Kahrs zum Ehrenmitglied der Jungen Europäischen Föderalisten Hamburg gewählt. Als Beiratsmitglied von Jugend gegen AIDS unterstützt Johannes Kahrs eine von Jugendlichen initiierte und geführte Initiative für Aufklärungs- und Präventionsarbeit.
Kahrs gehört dem Präsidium des Förderkreises Deutsches Heer an, was er dem Bundestag bis 2009 nicht gemeldet hatte. Er gehört ebenfalls dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik an. Des Weiteren ist er im Kuratorium des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums, einem Lobbyverein, der dem autokratischen aserbaidschanischen Regime nahesteht, von Lobbycontrol als „dubioses Aserbaidschan-Netzwerk“ bezeichnet wurde und im Zuge der Aserbaidschan-Affäre in die Schlagzeilen geriet.
Kahrs machte seine Homosexualität öffentlich, als er in den Bundestag gewählt wurde. Am 28. September 2018 heiratete er seinen langjährigen Lebenspartner Christoph Rohde. Als ein Trauzeuge fungierte der Parteifreund und Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte Falko Droßmann. Er ist evangelisch-lutherischer Konfession.
Leben
15. September 1963. Johannes Kahrs wird als Sohn der Bremer SPD-Politiker Wolfgang Kahrs (Rechtsanwalt, Justizsenator von 1971 bis 1987) und Bringfriede Kahrs (Bildungssenatorin von 1995 bis 1999) in Bremen geboren. Er wächst in Bremen-Nord auf.
Schon seine Großeltern waren SPD-Mitglieder.
Nach dem Abitur leistet Kahrs zwei Jahre Wehrdienst als Reserveoffizieranwärter bei der Panzergrenadiertruppe. Anschließend schließt er nach neun Jahren ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg mit dem ersten Staatsexamen ab. Währenddessen wird er Mitglied der Studentenverbindung Hamburger Wingolf.
1982. Kahrs gibt an, kurz nach dem konstruktiven Misstrauensvotum in die SPD eingetreten zu sein. Er engagiert sich zunächst bei den Jungsozialisten, deren Hamburger Landesvorstand er zwei Jahre angehört. Er gehört bereits jetzt dem rechten Parteiflügel an und ist mehrfach in Auseinandersetzungen mit Vertretern der Parteilinken verwickelt.
1989 bis 1991. Er ist Bundessprecher des Wingolfsbundes. Als solcher leitet er das erste Wartburgfest des Wingolfsbundes in Eisenach seit dem Zweiten Weltkrieg.
Nach seinem Studium tritt er in das kommunale Wohnungsbauunternehmen SAGA ein, in dem er zuletzt als Stabsstellenleiter tätig war.
1992. Kahrs steht seiner innerparteilichen Konkurrentin Silke Dose (Mitglied im Hamburger Juso-Vorstand) vor Gericht gegenüber. Dose hat Anzeige erstattet, weil sie durch anonyme nächtliche Telefonanrufe belästigt worden sei. Bei diesen Telefonaten hat ihren Angaben zufolge ein Anrufer teils aufgelegt, teils längere Zeit geschwiegen und teils gedroht („Ich krieg’ dich, du Schlampe“). Bei einer danach beantragten Fangschaltung wurden zwei nächtliche Anrufe von Kahrs registriert. Kahrs gibt an, Dose nur diese beiden Male angerufen zu haben, die angebliche Drohung stamme daher nicht von ihm. Wegen der bevorstehenden „Juso-Wahl in Hamm“ habe er „ein Interesse“ gehabt, Doses „tatsächlichen Wohnort“ zu erfahren. Das Strafverfahren gegen Kahrs, in dem ihn Ole von Beust vertritt, endet mit einem Vergleich, in dem Kahrs um Entschuldigung bittet, die Gerichtskosten übernimmt und 800 DM zahlt.
Nach dem Prozess fordern ihn im August 1992 über 50 Hamburger Sozialdemokraten um die zum linken Flügel gehörenden Jörg Kuhbier, Angelika Mertens und Hans-Günter Mertens zum Rücktritt von seinen politischen Ämtern auf. Doch Kahrs ist nicht der Typ fürs Aufgeben. Er wird von seinem Mentor, Bausenator Wagner gedeckt.
1993 bis 1998. Kahrs gehört der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte an, in der er ab 1994 Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses ist. Er bleibt das auf Vorschlag der SPD-Fraktion auch nach seinem Ausscheiden aus der Bezirksversammlung bis zu seinem Rücktritt am 10. Februar 2012 wegen der Chantal-Schreiber-Affäre.
Johannes Kahrs (2001) |
1998 bis 5. Mai 2020. Kahrs ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Er wird stets direkt als Abgeordneter für den Wahlkreis Hamburg-Mitte in den Deutschen Bundestag gewählt. 2005 erreicht er hier 49,5, 2009 34,6, 2013 39,2 und 2017 30,9 Prozent der abgegebenen Erststimmen.
Im Bundestag ist Kahrs Mitglied im Ältestenrat, im Haushaltsausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss und ist Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Er ist stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss, im Unterausschuss Neue Medien sowie im Verkehrsausschuss.
Kahrs macht seine Homosexualität öffentlich, als er in den Bundestag gewählt wird.
Ab 2002. Kahrs ist Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Hamburg-Mitte. Dadurch ist er auch Mitglied im Vorstand der SPD Hamburg.
Kahrs’ Rolle als Vorsitzender des SPD-Kreisverbands Hamburg-Mitte ist umstritten. Laut Presseberichten schafft er ein System persönlicher Abhängigkeiten, das auf ihn als Spitze ausgerichtet sei und Mehrheiten gegen unliebsame Amts- und Mandatsträger organisiere. Er sichere sich Loyalität durch oft nicht eingelöste Versprechen von Posten. Dieses „System Kahrs“ wird als „sektenartig“ bezeichnet. Der linke SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann wirft Kahrs „Burschenschafterverhalten“ vor, das mit „gute[m] Stil in einer Partei“ breche. Kahrs selbst bestreitet unlautere Einflussnahmen. Er sei ein durchsetzungsfähiger, „hervorragender Kreisvorsitzender“. Sein Einfluss reicht bis in lokale Entscheidungsprozesse wie die Besetzung von Senatorenposten oder Gebäudenutzungen.
Ab 2004. Kahrs ist einer der drei Sprecher des Seeheimer Kreises, der den rechten Flügel in der SPD repräsentiert. Bei der Auseinandersetzung um die Nachfolge Klaus Uwe Benneters als Generalsekretär der SPD setzt sich Kahrs 2005 für Karl-Josef Wasserhövel ein. Diesen hat der Parteivorsitzende Franz Müntefering mit Unterstützung des rechten Flügels vorgeschlagen. Der Parteivorstand stellt sich mehrheitlich gegen Müntefering und schlägt Andrea Nahles, die zur SPD-Linken gezählt wird, als neue Generalsekretärin vor. Müntefering tritt daraufhin zurück. Kahrs bedauert dies und wirft Niels Annen vor, im Parteivorstand gemeinsam mit anderen Parteilinken „Müntefering wissentlich und kalkuliert den Dolch in den Rücken gerammt“ zu haben, eine Formulierung, die auch in Teilen der SPD-Rechten kritisiert wird.
2004/05. Im Bundestagswahlkampf 2005 fließen laut der Frankfurter Rundschau insgesamt mehr als 60.000 Euro Parteispenden aus der Rüstungsindustrie an Kahrs’ SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte. Darunter Spenden unter der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro der Rüstungskonzerne Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, was unter anderen Transparency International kritisiert. Nach der Bundestagswahl 2005 gelangt Kahrs in den Haushaltsausschuss und wird SPD-Berichterstatter für den Verteidigungsetat. In der Folge wird der Projektansatz für den Schützenpanzer Puma, unter anderem hergestellt von den spendenden Rüstungsunternehmen, von zwei auf drei Milliarden Euro erhöht.
2007. Er setzt sich in einer Nachwahl durch.
2008. Der Konflikt zwischen Kahrs und Annen geht bei der Aufstellung des Direktkandidaten im Bundestagswahlkreis Eimsbüttel für die Bundestagswahl 2009 weiter. Parteiintern setzt sich im November 2008 statt des bisherigen Mandatsträgers Annen der Eimsbütteler Juso-Vorsitzende Danial Ilkhanipour durch.
Kahrs wird (auch von Teilen der Hamburger SPD) vorgeworfen, er habe mit Hilfe der für ihn arbeitenden Jusos verdeckt eine Mehrheit gegen Annen organisiert und damit dessen Wiederwahl vereitelt. Öffentlich fordern daraufhin die damalige stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei, Andrea Nahles, und der frühere Juso-Vorsitzende Björn Böhning Kahrs’ Rückzug als Sprecher des Seeheimer Kreises.
Danial Ilkhanipour verliert aber die folgende Bundestagswahl – auch weil Genossen dazu aufrufen, den CDU-Kandidaten zu wählen.
Ab 2008. Er ist Beauftragter für die Belange von Lesben und Schwulen in der SPD-Bundestagsfraktion.
27. September 2009. Die SPD verliert die Bundestagswahl und geht in die Opposition. Olaf Scholz geht nach Hamburg zurück, übernimmt die SPD nach einer beispiellosen politischen Kernschmelze und bringt die Partei auf Linie. Johannes Kahrs und Olaf Scholz sind sich seit Juso-Tagen nicht gerade wohlgesinnt.
Kahrs ist im neugewählten Bundestag innerhalb des Haushaltsausschusses zuständig für die Haushalte des Bundestages und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Dezember 2009. Der Spiegel berichtet, als Mitglied des Haushaltsausschusses habe Kahrs „großes Interesse“ gezeigt, „die ‚Eagle IV‘-Entscheidung zu verzögern“, und stellt einen Zusammenhang mit den Spenden der deutschen Panzerbauer an Kahrs’ Kreisverband her. Beim Eagle IV handelt es sich um ein gepanzertes Militärfahrzeug eines Schweizer Herstellers, das zu beschaffen erwogen wurde, da kein gleichwertiges Fahrzeug eines deutschen Rüstungsunternehmens ohne Verzögerung zur Verfügung stand.
2010. Kahrs erhält das Kommandeurkreuz des Verdienstordens Pro Merito Melitensi des Malteserordens für seine Unterstützung der Hilfsdienste des Malteserordens. Im selben Jahr wird er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Die Verleihung ist umstritten.
8. Juli 2011. Kahrs ist der einzige SPD-Politiker, der gegen den Antrag Keine Genehmigung zur Lieferung von Kriegswaffen an Saudi-Arabien stimmt.
Dezember 2011. Kahrs übernimmt den Vorsitz der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe des 17. Bundestages.
2012. Es kommt zum Showdown zwischen Johannes Kahrs und Olaf Scholz. Ein Kind stirbt in der Obhut des Jugendamtes, Markus Schreiber, Bezirkschef von Kahrs Gnaden, steht unter Beschuss. Kahrs will ihn halten, Scholz zwingt ihn zum Rücktritt, auch Kahrs muss einen einflussreichen Posten räumen. Damit ist geklärt, wer das Sagen in der SPD hat.
Ab 2012. Er bekleidet den Rang eines Obersten der Reserve.
22. Oktober 2013 bis 24. Oktober 2017. Im 18. Bundestag ist er stellvertretendes Mitglied der deutsch-südkaukasischen Gruppe.
13. November 2013. Der Seeheimer Kreis unterstützt vor dem Parteitag der SPD in Leipzig eine Annäherung an die Linkspartei. "Das ist ein vernünftiger Schritt", sagt der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs. "Damit signalisieren wir der Linkspartei: Werdet koalitionsfähig, dann seid ihr im Spiel. Und wir haben eine weitere Machtoption." Auch den Zeitpunkt des strategischen Schwenks begrüßt Kahrs. "Der Ansatz ist fair gegenüber all denen bei uns, die ein Linksbündnis nicht gut finden, weil man es vier Jahre vor der nächsten Wahl rechtzeitig sagt."
2014. Er wird auf dem Landesparteitag mit 65,6 % der Delegiertenstimmen als Kreisvertreter Hamburg-Mitte wiedergewählt.
2015. In der griechischen Staatsschulden- und Eurokrise stützt er eine harte Haltung gegenüber den griechischen Regierungen (Austerität). Gegenüber der SYRIZA-Regierung mahnt er Anfang 2015 zum Abwarten, erklärt aber im Juni 2015, der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras habe sich „verzockt“ und sei seiner historischen Aufgabe nicht gerecht geworden, sein Finanzminister Yanis Varoufakis sei ein „politischer Irrläufer ersten Ranges“ und ein Grexit kaum zu vermeiden.
In der Flüchtlingskrise in Deutschland fordert er größere Anstrengungen der Flüchtlinge und der deutschen Verwaltung und nennt Deutschland ein „im Kern christliches Land“. Zudem kritisiert er die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in dieser schwierigen Lage „alles im [U]ngewissen“ lasse.
In diesem Jahr wird Kahrs zum Ehrenkapitän des Hamburger Museumsschiffes Rickmer Rickmers ernannt.
21. Mai 2015. Kahrs setzt sich für die Bewerbung Hamburgs als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2024 ein und setzt im Bundestags-Haushaltsausschuss 2015 eine Vorfinanzierung in Höhe von 30 Millionen Euro durch den Bund durch, da er die Bewerbung als „nationale Aufgabe“ versteht. Zudem setzt sich Kahrs für Belange von Interessengruppen ein, die in seinem Wahlkreis eine große Rolle spielen, wie etwa der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft.
Oktober 2015. Kahrs spricht sich gegen eine mögliche rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene aus. Er sagt, er halte eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit der neuen Vorsitzenden der Linken-Bundestagsfraktion Sahra Wagenknecht nicht für möglich und sehe die Partei gespalten in „Pragmatiker“ und „Irrationale“.
2016. Kahrs erhält das Großoffizierkreuz des Malteserordens und wird mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die Verleihung ist umstritten.
Dezember 2016. Für die Bundestagswahl 2017 kandidiert er erstmals für einen Listenplatz der Hamburger SPD, was der linke Parteiflügel kritisiert. Er wird mit 69 % der Stimmen hinter Aydan Özoğuz auf Platz 2 der Landesliste gewählt.
2017. Nach der Bundestagswahl kritisiert er öffentlich die frühe Festlegung der Parteispitze auf Andrea Nahles als Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und setzt durch, dass nicht Hubertus Heil, sondern Carsten Schneider – einer seiner Co-Sprecher im Seeheimer Kreis – Erster Parlamentarischer Geschäftsführer wird.
Im 19. Bundestag ist er Vorsitzender der deutsch-südkaukasischen Gruppe.
Kahrs lenkt als Ausschussmitglied immer wieder Sondermittel des Bundeshaushalts nach Hamburg. In seiner Fraktion hat er sich mit dieser Durchsetzungsfähigkeit zunehmend Ansehen erworben. Der „Haudegen“ sei „ein einflussreicher Berliner Politiker mit besten Kontakten“ geworden, so das Hamburger Abendblatt.
Als „Chefhaushälter“ der SPD-Bundestagsfraktion setzt sich Kahrs für fiskalpolitische Strenge und gegen die Aufnahme neuer Schulden ein. Kahrs tritt dafür ein, die deutschen Einkommenssteuersätze in Zukunft periodisch je nach Entwicklung der Preissteigerung zu senken, um die sogenannte kalte Progression dauerhaft zu vermeiden.
30. Juni 2017. Bei der Bundestagsdebatte zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe richtet er sich sarkastisch an die Bundeskanzlerin: „Frau Merkel, vielen Dank für nichts!“
Ab Mai 2018. Im 19. Bundestag ist er der Vorsitzende der deutsch-südkaukasischen Gruppe.
12. September 2018. Johannes Kahrs hält im Plenarsaal des Bundestags eine Rede in der er sehr deutlich wird und klar macht was er von der rechtsradikalen politischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) hält. Außer „dummen Sprüchen“ habe die Partei keine Inhalte und keine Lösungen. Stattdessen sei von der AfD nur Spaltung und Hetze zu erwarten. Dann fällt ein Satz als Replik auf die Rede von Alexander Gauland, dem AfD-Fraktionsvorsitzenden. Der hat gesagt, Hass sei keine Straftat. Kahrs kontert nun: „Hass macht hässlich! Schauen Sie doch in den Spiegel.“
Aber auch inhaltlich nimmt der SPD-Politiker seine Gremiumskollegen der AfD auseinander. Die AfD kämpfe für die Reichen und gegen die Rente – „gegen all das, was dieses Land zusammenhält“. Kahrs verweist auf das ZDF-Sommerinterview mit Gauland. In dem hat der AfD-Bundessprecher geäußert, es gebe nichts, was der Mensch gegen den Klimawandel tun kann, er habe keine Digitalisierungsstrategie – und es wird Uneinigkeit über ein Rentenprogramm seiner Partei deutlich. Alles Punkte, die laut Kahrs deutlich machen, „dass es keine Inhalte gibt“.
Ein AfD-Abgeordneter an dieser Stelle eine Zwischenfrage stellen. Das lässt Kahrs allerdings nicht zu – erneut mit einer deutlichen Begründung: „Von Rechtsradikalen brauch ich keine.“ Daraufhin entsteht Unruhe in der AfD-Fraktion. Kahrs lässt jedoch nicht ab, stattdessen schiebt er nach: „Schauen Sie in den Spiegel, dann sehen Sie, was diese Republik in den 20ern und 30ern ins Elend geführt hat.“
Während Kahrs wiederholt, dass man „von Rechtsradikalen keine Lösungen erwarten“ könne, stehen ersten AfD-Politiker schon auf – nach und nach verlassen dann alle den Plenarsaal. Währenddessen machen sie ihrem Unmut über Kahrs’ Wortwahl lautstark Luft.
Von den Aufforderungen des Bundestagsvizepräsidenten Hans-Peter Friedrich (CSU), doch bitte wieder Platz zu nehmen, lassen sich die AfD-Abgeordneten nicht beirren. Kahrs ebenso wenig – er gibt den ungeliebten Kollegen noch einen mit: „Man merkt doch, dass es im Bundestag auch wieder sachlich zugehen kann – immer dann, wenn die AfD weg ist.“
Auf Twitter wird Kahrs für seine Rede von vielen Nutzern und Bundestagskollegen gelobt. Caren Lay von den Linken schreibt beispielsweise: „AfD zieht aus dem Bundestag aus, nachdem Kahrs sie zutreffend als Rechtsradikale bezeichnet hat. Getroffene Hunde bellen! Plenum sieht so gleich viel besser aus.“ Ihren Tweet versieht sie noch mit dem Hashtag #noafd und mit einem Foto, auf dem ihre Perspektive auf die leeren Sitzplätze zu sehen ist.
Marco Wanderwitz von der CDU lobt: „Kollege Kahrs hat mal eben verbal den Saal geräumt auf der rechten Seite.“ Die AfD-Abgeordneten wollten halt nicht hören, was viele von ihnen sind. „Nun stehen sie draußen und schmollen. Können wir sachlicher diskutieren einmal für ein paar Minuten...“
Nicht sehr glücklich ist Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich mit Kahrs’ Tonfall: „Herr Kollege Kahrs, gestatten Sie mir die Anmerkung: Ich glaube nicht, dass es zielführend ist, wenn wir eine solche Aggressivität in dieses Hohe Haus bringen“, tadelt er. Das sei für die Beratungen in der Zukunft nicht zuträglich. „Ich möchte Sie wirklich bitten, sich zu mäßigen auch in der Zukunft. Das ist nicht in Ordnung.“
Nach Kahrs’ Rede kehrten die AfD-Abgeordneten leider wieder ins Plenum zurück.
28. September 2018. Er heiratet seinen langjährigen Lebenspartner Christoph Rohde. Als ein Trauzeuge fungiert der Parteifreund und Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte Falko Droßmann.
9. November 2018. Nicole Höchst (AfD) fällt im Bundestag bei der Wahl in das Kuratorium der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durch. Sie bekommt nur Stimmen der AfD und einige Stimmen aus der Unionsfraktion, alle anderen Fraktionen lehnen sie geschlossen ab.
Die anderen vorgeschlagenen Abgeordneten: Jan-Marco Luczak und Emmi Zimmer (beide CDU/CSU), Johannes Kahrs und Susann Rüthrich (beide SPD), Sven Lehmann (Grüne), Doris Achelwilm (Linke) sowie Jens Brandenburg (FDP) werden vom Bundestag ins Kuratorium entsandt.
20. November 2018. Eigentlich soll es eine Debatte um den Haushaltsetat 2019 werden: Doch nachdem ein AfD-Abgeordneter den neuen Etat als "Trickserei" bezeichnet, wehrt der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs das mit Schwarzgeld-Vorwürfen ab: "Sie kümmern sich nur um Schwarzgeld aus dem Ausland".
2. Mai 2019. Kevin Kühnert hat in einem Interview mit der "Zeit" gesagt, dass er große Firmen kollektivieren möchte. Er wolle eine Kollektivierung von Unternehmen wie BMW "auf demokratischem Wege" erreichen. Ohne Kollektivierung sei "eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar". Am Beispiel des Autobauers hatte er weiter ausgeführt: "Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW 'staatlicher Automobilbetrieb' steht oder 'genossenschaftlicher Automobilbetrieb' oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht." Entscheidend sei, dass die Verteilung der Profite demokratisch kontrolliert werde. "Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebes gibt."
Außerdem will Kühnert den Besitz von Immobilien in Deutschland beschränken. "Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten", sagte er. "Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt." Noch besser seien genossenschaftliche Lösungen, im Optimalfall gebe es überhaupt keine privaten Vermietungen mehr.
Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD twittert daraufhin: "Was für ein grober Unfug. Was hat der geraucht? Legal kann es nicht gewesen sein."
2020. Kahrs bekundet Ambitionen, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages und damit Nachfolger von Hans-Peter Bartels (SPD) zu werden. Die SPD-Fraktionsspitze schlägt jedoch statt Kahrs die Abgeordnete Eva Högl als Nachfolgerin vor.
Februar 2020. Der NDR berichtet über Tagebucheinträge des Bankiers Christian Olearius, laut denen Kahrs sich nach einem Gespräch mit Olearius im Dezember 2017 „in Berlin einen Durchblick“ über Steuer-Rückforderungen wegen Cum-Ex-Geschäften gegen die M.M.Warburg & CO verschaffen wollte.
Nachdem Kahrs zunächst bestreitet, ein derartiges Gespräch geführt zu haben, räumt er später ein, dass ein derartiges Gespräch mit Olearius doch stattgefunden habe, bei dem überdies auch über Spenden an die Hamburger SPD gesprochen wurde. Das Hamburger Abendblatt berichtet, dass der durch Kahrs geführte SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte in demselben Jahr von der Warburg-Bank Spenden in Höhe von 38.000 Euro erhielt. Diese finanzielle Zuwendung erfolgte, nachdem die Bank mit der hanseatischen Finanzbehörde eine Übereinkunft erzielte, die vorsah, dass die im Jahr 2016 zu Unrecht bewilligte Steuererstattungen in Höhe von 47 Millionen Euro nicht zurückzufordern bzw. zurückzuerstatten sei. Kahrs setzte sich im Gegenzug beim Bundesamt für Finanzaufsicht (BaFin), im Bundesfinanzministerium und auch bei Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz für die Bank ein.
5. Mai 2020. Nachdem Kahrs mit seiner Bewerbung um das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages in der SPD-Fraktion gescheitert ist, gibt er nach 21 Jahren als Abgeordneter mit sofortiger Wirkung sein Bundestagsmandat zurück und legt sämtliche politischen Ämter nieder. Für ihn rückt Dorothee Martin nach.
September 2021. Die Staatsanwaltschaft Köln erwirkt einen Durchsuchungsbefehl bei Johannes Kahrs, Alfons Pawelczyk und der Finanzbeamtin Daniela P. wegen des Anfangsverdachts der Begünstigung zur Steuerhinterziehung. Ihm wird vorgeworfen, an den Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen zu sein.
Die Durchsuchung wird am 28. September vollzogen. Die Durchsuchungen dienen demnach dazu, "beweisrelevante Unterlagen" und "beweiserhebliche Kommunikation" zu beschlagnahmen. An der Razzia sind neben Vertretern der Kölner Staatsanwaltschaft den Angaben zufolge auch Beamte des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen beteiligt.
Dabei geht es um 47 Millionen Euro an Steuerforderungen gegenüber der Warburg-Bank, die die Hamburger Behörden 2016 verjähren ließen. Dabei handelt es sich um Steuern, die der Warburg-Bank zwar erstattet wurden, die diese aber gar nicht bezahlt hat.
Im Mittelpunkt steht die Frage, warum sich die Hamburger Behörden der Bank gegenüber so überaus kulant gezeigt haben. Vertreter des Finanzamtes und der Finanzbehörde versicherten, sie hätten nicht eindeutig ermitteln können, ob eine Rückforderung gerechtfertigt gewesen wäre. Überdies hätten sie das Haftungsrisiko gefürchtet, falls eine Rückforderung die Bank in die Insolvenz getrieben hätte. Eine politische Einflussnahme bestreiten sie.
Grundlage der Ermittlungen sind Tagebücher von Christian Olearius, Miteigentümer der Privatbank, die den Fahndern vorliegen. Darin hielt der Banker fest, wen er nach der ersten Cum-Ex-Razzia in seiner Bank Anfang 2016 kontaktierte: den SPD-Politikern Johannes Kahrs und Alfons Pawelczyk. Beide sollen ihm, den Aufzeichnungen nach, Unterstützung angeboten haben. Alfons Pawelczyk soll sich für Treffen mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz starkgemacht haben. Kahrs wiederum soll bei der Bankenaufsicht Bafin und dem Bundesfinanzministerium vorgefühlt haben.
Die verdächtigte Finanzbeamtin schrieb 2016 einen 28-seitigen Vermerk, dass die Cum-Ex-Gelder zurückgefordert werden müssten. Kurze Zeit später wich sie von ihrer aufwendig begründeten Einschätzung ab und verzichtete auf die Rückforderung der 47 Millionen Euro. Die Ermittler versuchen nun herauszufinden, ob sie beeinflusst wurde.
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Johannes Kahrs (2001), Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, Urheber: Carsten Heeder
Quellen