Donnerstag, 1. April 2021

Leo Wagner

Leo Wagner (von links), Richard Stücklen,
Gerhard Schröder, Wilhelm Rawe (1973)

Der deutsche Politiker Leo Wagner wurde am 13. März 1919 in München geboren. Er starb am 8. November 2006 in Günzburg.

Er gehört der politischen Partei Christlich Soziale Union (CSU) an. Lange Jahre zählte er zum engsten Vertrautenkreis des CSU-Chefs Franz Josef Strauß.

Wagner galt als charmant und überzeugend im Auftreten, ein Frauenheld im Anzug des braven Familienvaters.

Kurz vor Kriegsende heiratete er. Es dauerte acht Jahre, bis ein Sohn geboren wurde, weitere zwölf Jahre später folgte Tochter Ruth. Seine Frau Elfriede und die Tochter parkte Wagner in Günzburg, er selbst blieb wochenlang in Bonn. Die Nächte vertrieb er sich im Kölner Nachtleben. Im Nobel-Club „Chez nous“ feierte er mit Kaviar, Champagner und Animierdamen. Bis zu tausend Mark am Abend haute Wagner auf den Kopf, damals eine enorme Summe. Dieser Lebensstil trieb ihn in den Ruin.

Wagners Affären bleiben nicht verborgen, die Gattin will die Scheidung, in die ihr Mann nicht einwilligt. Die gebrochene Elfriede Wagner beginnt zu trinken, stirbt an Krebs. Tochter Ruth versucht sich das Leben zu nehmen, fällt ins Koma, überlebt. Der Kontakt zum Vater ist damit so ziemlich am Ende. 

Leben

13. März 1919. Leo Wagner wird in München geboren.

1937. Er macht das Abitur.

1937 bis 1939. Er studiert an der Hochschule für Lehrerbildung in München.

1939 bis 1945. Er nimmt als Funker am Zweiten Weltkrieg teil.

1945 bis 1961. Er ist Lehrer und Schulleiter.

1945. Er gründet mit Unterstützung Fritz Schäffers den CSU-Kreisverband Günzburg.

1946. Wagner wird Vorsitzender des CSU-Kreisverbands Günzburg.

1948. Er übernimmt das Amt des stellvertretenden Landrats. 

1949 bis 1964. Er gehört dem Stadtrat von Günzburg an.

1954 bis 1962. Er gehört dem Bezirkstag Schwaben an, wobei er dort auch das Amt des Fraktionsvorsitzenden bekleidet.

1956. Er wird er 2. Bürgermeister von Günzburg. 

1961 bis 1973. Er steht dem CSU-Bezirksverband Schwaben vor.

1961 bis 1976. Wagner gehört dem Deutschen Bundestag an.

1962. Nach der Spiegel-Affäre und dem Rücktritt von Franz Josef Strauß ebnet Wagner „in Partei, Landesgruppe und bei den Koalitionspartnern den Weg für Strauß [zurück] an den Kabinettstisch 1966“.

Januar 1963. Nach 14 Monaten als Abgeordneter wird Wagner im  in derselben Landesgruppensitzung zum parlamentarischen Geschäftsführer gewählt, in der Strauß mit der Wahl zum Landesgruppenvorsitzenden in ein Amt zurückkehrt.

1963 bis 1975. Er ist im Bundestag parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe.

1965. Wagner ruft die Deutsch-Koreanische Parlamentariergruppe mit ins Leben.

1966. Er gründet zusammen mit Max Adenauer und dem Bonner Verleger Hermann Pfatteicher die Deutsch-Koreanische Gesellschaft, deren Präsident und später Ehrenpräsident er wird.

1967. Zusammen mit Gunter Sachs gründet er den Verein „Flammenpfennig“, der u. a. mit dem Verkauf von Schallplatten Geld für das Organisationskomitee der Olympischen Spiele 1972 in München erlösen wird.

1968. Wagner fungiert als Herausgeber einer Sammlung von Strauß' Bundestagsreden und erhält in diesem Jahr den Bayerischen Verdienstorden.

1969. Er erhält das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.

1971 bis 1975. Wagner ist einer der fünf parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, davon ab 1972 der erste.

1973. Er erhält das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und wird Ehrendoktor der Sungkyunkwan-Universität.

Herbst 1973. Das Wirtschaftsmagazin Capital berichtet in einer Artikelserie über „Die seltsamen Geschäfte des Abgeordneten Leo W.“, nach der Wagner für Kredite sein Mandat missbraucht haben soll. Wagners Schulden im siebenstelligen Bereich sollen aus hohen Ausgaben für seinen Lebenswandel und Nachtclubbesuche resultiert haben. 

Anfang 1975. Von ihm ausgestellte Wechsel und Schecks platzen.

29. Januar 1975. Er bittet um Beurlaubung von seinen Ämtern. 

30. Januar 1975. Er erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird von seinem Anwalt in ein Krankenhaus eingeliefert.

20. Februar 1975. Er erklärt schriftlich seinen Mandatsverzicht, der jedoch wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht anerkannt werden kann. 

26. Februar 1975. Er erstattet Selbstanzeige wegen Betrugsverdachts und tritt von seinem Posten als parlamentarischer Geschäftsführer zurück.

Dezember 1980. Wegen Kreditbetrugs wird Wagner im zu einer Haftstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt.

November 2000. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel soll Wagner neben dem CDU-Abgeordneten Julius Steiner der zweite Unions-Abgeordnete gewesen sein, der sich 1972 beim Konstruktiven Misstrauensvotum gegen Willy Brandt der Stimme enthielt. Er habe – wie Steiner – von der Stasi für seine Stimmenthaltung 50.000 DM erhalten. Er sei ferner unter dem Decknamen „Löwe“ Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen.

Wagner streitet dies jedoch ab. Die bereits 1975 vom Nachrichtenmagazin Stern erhobenen Vorwürfe werden 2005 und 2006 erneut von der Presse aufgegriffen. Unter anderen der Stasi-Forscher und ehemalige Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Hubertus Knabe versucht über die ab 2003 wissenschaftlich zugänglich gemachten Rosenholz-Dateien Rückschlüsse auf eine Bestechung Wagners beim Misstrauensvotum 1972 herzuleiten. Die historische Forschung kommt zu dem Ergebnis, man könne davon ausgehen, dass Wagner anlässlich des Misstrauensvotums 1972 von der Stasi mit 50.000 DM bestochen worden sei. Sicher sei das Abschöpfen Wagners durch die Stasi im Zeitraum 1976 bis 1983, wobei sich hier für sich genommen nicht abschließend feststellen lässt, ob dies wissend oder unwissend geschehen sei.

8. November 2006.  Er stirbt in Günzburg.

2016. Der ehemalige Stasi-Offizier Horst Kopp legt in seinen erschienenen Memoiren dar, dass er den Auftrag ausgeführt habe, Wagner zu bestechen. Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) sei über dessen permanente Geldnot unterrichtet gewesen. Den Kontakt habe der Journalist Georg Fleissman bereits 1969 hergestellt. Fleissman arbeitete als IM „Dürer“ seit 1966 für die HVA. Wagner war auch Mitglied des Bundestags-Kontaktausschusses zu den Bahr-Kohl-Gesprächen von 1970 bis 1973 in Vorbereitung des Grundlagenvertrags.

16. Januar 2019. In dem Dokumentarfilm Die Geheimnisse des Schönen Leo zeichnet der Enkel Leo Wagners und Absolvent der HFF München Benedikt Schwarzer die Lebensgeschichte von Leo Wagner nach, der Film wird beim DOK.fest München uraufgeführt.

Alfred Sauter kommt in dem Film zu Wort. Wagner, sagt er, habe aus heutiger Sicht „nicht mit offenen Karten gespielt“, dann sei „Stück für Stück alles zusammengebrochen, und dann war’s das Ende“.

März 2021. Alfred Sauter ist in die Corona-Maskenaffäre verwickelt und tritt aus der CSU-Landtagsfraktion aus.

Bilder aus Wikimedia Commons
Leo Wagner (von links), Richard Stücklen, Gerhard Schröder, Wilhelm Rawe (1973), Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“, Namensnennung: Bundesarchiv, B 145 Bild-F039716-0006 / Gräfingholt, Detlef / CC-BY-SA 3.0

Quellen