![]() |
Georg Nüßlein (2020) |
Der deutsche Politiker und Kaufmann Georg Nüßlein wurde am 10. April 1969 in Krumbach (Schwaben) geboren.
Er gehört der politischen Partei Christlich Demokratische Union (CSU) an. Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages und seit Januar 2014 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Seit 1993 arbeitet er im deutschen Bankwesen.
Georg Nüßlein gehört der römisch-katholischen Kirche an.
Er ist aktiver Jäger und seit 2003 Mitglied des Bayerischen Jagdverbandes (BJV).
Nüßlein wohnt im schwäbischen Münsterhausen. Er ist seit 2018 verheiratet. Seine Frau hat er in Rumänien kennengelernt.
Leben
10. April 1969. Georg Nüßlein wird in Krumbach (Schwaben) geboren.
1984. Nüßlein tritt in die Junge Union (JU) ein.
1987. Nüßlein tritt auch in die CSU ein.
1988. Er legt am Simpert-Kraemer-Gymnasium in Krumbach sein Abitur ab.
1988 bis 1993. Er studiert Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Augsburg.
1998. Er wird ebenfalls in Augsburg zum Doktor der RECHTSwissenschaften (Dr. iur.) promoviert.
Ab 1993. Er ist im Bereich des Bank- und Finanzwesens tätig, davon mehrere Jahre beim Bankhaus Reuschel & Co., einer Privatbank in München. Später hat er die Geschäfte der Controlling-Firma Harisch-Consult in Illertissen geführt, die sich unter anderem um die Beratung vermögender Privatkunden kümmert. Außerdem ist er bis zu seiner Wahl in den Deutschen Bundestag Mitglied des Aufsichtsrates bei Verona Pooths Kosmetikfirma Verona's Dreams.
1994 bis 2001. Er ist Vorsitzender des JU-Kreisverbandes im Landkreis Günzburg.
1995 bis 1997. Er ist Mitglied im JU-Deutschlandrat und Mitglied im Landesausschuss der JU Bayern.
Ab 1996. Nüßlein gehört seit 1996 dem Rat des Marktes Münsterhausen an.
Bis 2002. Er ist wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe.
1996 bis 2002. Er ist Kreisrat im Kreistag des Landkreis Günzburg.
Ab 2002. Er ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Nüßlein zieht stets als direkt gewählter Abgeordneter des Bundestagswahlkreises Neu-Ulm in den Deutschen Bundestag ein.
1997 bis 2001. Nüßlein ist stellvertretender Vorsitzender des JU-Bezirksverbandes Schwaben.
Ab 2008. Er ist Kreisrat im Kreistag des Landkreis Günzburg.
Ab 2014. Als Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zuständig für Gesundheit, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Dezember 2016. Bundespräsident Joachim Gauck verleiht ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (Bundesverdienstkreuz) für sein langjähriges politisches und darüber hinausgehendes ehrenamtliches Engagement.
2017 bis 2021. Im 19. Deutschen Bundestag ist Nüßlein stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, im Ausschuss für Gesundheit, sowie im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und atomare Sicherheit.
Frühjahr 2020. Ein bayerischer Unternehmer, der gute Verbindungen nach China besitzt kann zu Beginn der COVID-19-Pandemie schnell Millionen zertifizierter Masken organisieren. Er wendet sich mit seinem Angebot an Ministerien, Behörden, Klinikverbunde und Kassenärztliche Vereinigungen. „Auch mit Georg Nüßlein steht er in diesen chaotischen Tagen in Kontakt. Der Unternehmer bietet Nüßlein mehrere Millionen Stück an.“
Was dann geschieht, überrascht den Unternehmer. Ein ihm Unbekannter kontaktiert ihn: Michael Kraess, der bis 2007 für die CSU im Kreistag von Neu-Ulm saß und heute in München die Firma Quanticon führt. Kraess wurde offenbar von seinem ehemaligen Münchner JU-Spezl Georg Nüßlein ins Spiel gebracht.
„Der Unternehmer behauptet später, die beiden Männer hätten ihn regelrecht bedrängt, das Masken-Geschäft nicht an ihnen und Nüßlein vorbei zu machen. Ja, sie hätten sogar angedeutet, dass ein schneller Deal nur mit ihrer Hilfe möglich sei.“ Als Kraess nach Darstellung des Geschäftsmannes unverblümt von „Vergütungen“für seine Tätigkeit spricht, stellt der Unternehmer demnach die Gespräche ein. Seine Masken verkauft der Mann trotzdem – auf direktem Weg an das Gesundheitsministerium in Berlin. Ohne Provision.
30. Juni 2020. Nüßlein verschickt von seiner Bundestagsadresse an den für Maskenbeschaffung zuständigen Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium eine E-Mail. In dem Schreiben, das später „Business Insider“ vorliegt, geht es um eine mögliche vorzeitige Auflösung eines Vertrags zwischen dem Ministerium und der Firma L. Bis dahin hat das hessische Unternehmen das Gesundheitsministerium mit Masken beliefert.
In der E-Mail listet er zunächst sehr genaue Zahlen zu den bisher gelieferten Masken auf und geht auch auf mangelhafte Masken („wegen brechendem Nasendraht abgelehnt“) ein, die das Unternehmen geliefert habe und nun ersetzen wolle. Unterm Strich seien damit noch „2.487.200 FFP2- (zu 3,80 Euro) und 1.500.000 FFP3-Masken (zu 6,80 Euro) offen“, rechnet Nüßlein dem Ministerium vor.
Anschließend bietet der Nüsslein dem Abteilungsleiter offenbar einen Deal an: Das Ministerium solle L. vorzeitig aus dem Vertrag lassen und müsse im Gegenzug nur die Hälfte der offenen Lieferungen bezahlen, schreibt Nüßlein und scheint sich dabei auf eine vermeintliche Verabredung mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu beziehen: „JS hat gesagt, ich soll das mit Ihnen besprechen. Müsste aber bald geregelt werden.“ Die Mail endet mit den Worten „VG Georg“.
Herbst 2020. Liechtensteiner Banker stoßen auf die Spur des CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und seinen mutmaßlichen Maskengeschäften. Geldwäscheexperten einer Privatbank in Vaduz entdecken eine Überweisung in sechsstelliger Höhe an eine deutsche "PEP" entdeckt. Die Abkürzung steht für "politisch exponierte Personen". Diese gelten bei Finanzinstituten als risikoreichere Kunden, weil sie mehr Möglichkeiten haben als normale Bürger - zum Beispiel durch Bestechlichkeit - an Vermögen zu kommen und Geld zu waschen.
In diesem Fall soll eine Firma 660.000 Euro an ein Unternehmen des deutschen Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein überwiesen haben. Die Banker fertigen eine sogenannte Verdachtsanzeige über die fragliche Transaktion an und schicken sie an die Liechtensteiner Financial Intelligence Unit (FIU), die staatliche Stelle zur Bekämpfung von Geldwäsche.
Anfang Dezember 2020. Die Analyse der FIU trifft bei der Liechtensteiner Staatsanwaltschaft ein. Damit ist der wohl größte Skandal der Unionsparteien in Deutschland seit der Spendenaffäre vor rund zwei Jahrzehnten nicht mehr aufzuhalten. Wie der Leiter der Liechtensteinischen Staatsanwalt, Robert Wallner, report München und der "Augsburger Allgemeinen" berichtet, leitet seine Ermittlungsbehörde ein Verfahren gegen vier Personen wegen des Verdachtes der Vorteilszuwendung beziehungsweise der Vorteilsannahme zur Beeinflussung ein.
Noch im selben Monat erreicht die Münchner Generalstaatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen der Kollegen aus Liechtenstein. Die Kooperation der Behörden beider Länder ist laut Regierungschef Adrian Hasler ganz grundsätzlich betrachtet elementar für die Bekämpfung von internationalen Geschäftsmodellen, "die mit kriminellen Energien versehen sind."
18. Dezember 2020. Nüßlein vermeldet einen Erfolg in Sachen Klimaschutz. Er und seine Mitstreiter hätten mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, um die Energiewende zu meistern, schreibt er auf seiner Homepage. Er persönlich habe oft bis in den späten Abend "wichtige Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf" durchgesetzt.
Es folgt eine Auflistung. Um intelligente Stromzähler geht es da, die man für Betreiber von Kleinanlagen verhindert habe. Oder um die Förderung von Biomassenkraftwerken.Eine Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf erwähnt Nüßlein darin nicht, die in der Koalitionsarbeitsgruppe von CDU, CSU und SPD am 9. Dezember ein Thema war - und nach Angaben von Teilnehmern von der CSU-Fraktion eingebracht worden sein soll. Konkret geht es um Paragraph 100 des neuen EEG, Abschnitt sieben. Demnach steht allen Betreibern kleiner Wasserkraftwerke künftig eine Kompensationszahlung von drei Cent pro Kilowattstunde zu. Und zwar für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren. Aufgrund des Klimawandels, so heißt es im Gesetz als Begründung, seien die Einnahmen der Kraftwerksbetreiber gesunken.
Auch Nüßlein hat im Koalitionsarbeitskreis immer wieder am EEG-Gesetz mitverhandelt. Für die Drei-Cent-Forderung für die kleinen Wasserkraftwerke hatten sich die CSU-Vertreter stark gemacht. Das jedenfalls berichten Teilnehmer der Verhandlungen übereinstimmend. Hat Nüßlein auch diesen Punkt verhandelt? Sein Anwalt bittet auf Anfrage um Verständnis, dass man sich derzeit nicht äußern könne.Was vielen Teilnehmern offenbar nicht bewusst war: Nüßlein betreibt selbst ein kleines Wasserkraftwerk. Das neue Gesetz dürfte ihm persönlich Geld einbringen.
In der Lobby-Zeitschrift "Wassertriebwerk" des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke gibt es viel Lob für die neue Regelung. Nüßlein selbst engagiert sich in einem der dazugehörigen Landesverbände: Bei der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern ist Nüßlein im Beirat gelistet.
November 2020. Er wirbt in der COVID-19-Pandemie um Verständnis für harte Einschränkungen insbesondere „im Freizeitbereich und der Gastronomie“ zugunsten eines besseren Schutzes vor Corona während der bevorstehenden Wintermonate – unter Verweis darauf, dass diese noch „bis März 2021“ andauern würden.
Januar 2021. Während der COVID-19-Pandemie in Deutschland fordert Nüßlein angesichts der negativen Auswirkungen der Lockdown-Politik, die Schulen, Kinder, psychische Probleme und Einschnitte im sozialen und ökonomischen Bereich beträfen, ein Lockdown-Ende bis Mitte Februar 2021.
25. Februar 2021. Der Bundestagsausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hebt Nüßleins politische Immunität einstimmig auf. Noch am selben Tag gibt es polizeiliche Durchsuchungen seines Büros im Bundestag, seines Hauses sowie von elf weiteren Objekten in Deutschland und Liechtenstein.
Er soll gegen Geld einen Hersteller medizinischer Schutzmasken aus Hessen an das Bundesministerium für Gesundheit, an das Bundesministerium des Innern und die Bayerische Staatsregierung vermittelt haben. Für diese Vermittlungstätigkeit soll Nüßlein bei der Textilfirma aus der Nähe von Offenbach eine Rechnung über 660.000 Euro gestellt haben. Die "Bild"-Zeitung berichtet, es handele sich um eine Firma namens Tectum Holding GmbH, bei der Nüßlein Geschäftsführer sei.
Sitz des im April 2012 gegründeten Unternehmens Tectum Holding Gmb ist sein Wohnhaus in Münsterhausen. Gleich neben dem Gebäude betreibt der Politiker auch ein privates Wasserkraftwerk. "Zwischen 3500 und 4000 Euro im Monat" setze er damit um, berichtete Nüßlein 2020.
Den Mitgliedern des Immunitätsausschusses teilt die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft München mit, Nüßlein habe keine Umsatzsteuervoranmeldung für die Summe vorgenommen. Nüßlein soll den Ermittlern zufolge dezidiert in seiner Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter lobbyiert haben. Daraus leiten sie den Vorwurf der Abgeordnetenbestechlichkeit und Steuerhinterziehungn ab.
26. Februar 2021. Laut seinem Anwalt Gero Himmelsbach lässt Georg Nüßlein aufgrund der Ermittlungen sein Amt als Unionsfraktionsvize vorerst ruhen. Sein Mandant halte die Vorwürfe für nicht begründet. Es sei derzeit aber noch nicht absehbar, wann sich Nüßlein "im Rahmen dieser offenbar komplexen Ermittlungen zu Einzelheiten äußern kann".
27. Februar 2021. Georg Nüßlein hat nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums ein Angebot über Corona-Schutzausstattung an die Bundesregierung vermittelt. Ein Ministeriumssprecher bestätigt, Nüßlein habe das Verkaufsangebot eines Unternehmens im März 2020 an das Bundesgesundheitsministerium weitergeleitet. "Der Vertrag kam nach ministeriumsinterner Prüfung zustande." Wegen laufender Verhandlungen zu Qualitätsfragen sei der Vertrag aber bis jetzt noch nicht vollständig abgewickelt worden. Das Ministerium habe keine Provisionszahlungen geleistet.
2. März 2021. Georg Nüßleins Parteikollege Alfred Sauter ist in die Corona-Maskenaffäre verwickelt. Als RECHTSanwalt hat er den Vertrag für das Geschäft mit dem bayerischen Gesundheitsministerium erstellt.
Er habe "eher zufällig" von dem Lieferunternehmen erfahren und dann im Ministerium nachgefragt, sagt Alfred Sauter. "In meiner Tätigkeit als Anwalt habe ich dann den Vertrag aufgesetzt, an die Beteiligten geschickt und diesen besprochen – alles über meine Kanzlei."
Bei dem Geschäft wäre er nur im Zusammenhang mit der Erstellung des Vertrags beteiligt gewesen. "Von der öffentlichen Hand habe ich dafür keinen Cent bekommen, lediglich aus dem Kreis des Lieferanten." Mit seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter habe das nichts zu tun gehabt.
5. März 2021. Georg Nüßlein will sich aus dem Bundestag zurückziehen. Er werde sein derzeit ruhendes Amt als stellvertretender Fraktionschef niederlegen und bei der Bundestagswahl im September 2021 nicht mehr kandidieren, lässt Nüßlein über seinen Gero Himmelsbach in München erklären. "Aufgrund des komplexen Sachverhalts mit Auslandsbezug" rechne er "nicht damit, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen abgeschlossen sind". Das Ermittlungsverfahren stelle für seine Familie und seine Partei eine ganz erhebliche Belastung dar, weshalb er sich nun zum Rückzug entschieden habe.
Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weist er erneut zurück. Im Schreiben seines Anwalts Himmelsbach stellt Nüßlein zudem die fragliche Tätigkeit als Hilfe in der Pandemie dar. "Aufgrund langjähriger Kontakte zu einem chinesischen Anbieter gelang es Dr. Nüßlein in schwierigen Tagen, dass qualitativ hochwertige Masken in der erforderlichen Stückzahl geliefert werden konnten." Dafür habe Nüßleins Beratungsfirma eine Vergütung erhalten. Wie hoch diese war, schreibt der Anwalt nicht.
Auch den Vorwurf der Steuerhinterziehung weist der Anwalt zurück. Berichte, wonach die Einnahmen nicht als Einkommen versteuert worden seien, seien falsch. "Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft geht vielmehr dahin, dass keine Umsatzsteuer deklariert worden sei", erläutert der Anwalt. Eine Umsatzsteuer, auch als Mehrwertsteuer bekannt, sei aber nicht berechnet oder eingenommen worden. Der Steuerberater Nüßleins habe bestätigt, dass die Vermittlungstätigkeit umsatzsteuerfrei gewesen sei.
Unterdessen wurde bekannt, dass in der Affäre um mutmaßlich bezahlten Masken-Lobbyismus Vorwürfe gegen einen weiteren Unionsabgeordneten erhoben werden. Der CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel soll nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" für die Vermittlung von Schutzmasken Provision verlangt und erhalten haben.
In einem anderen Fall setzte sich der hessische Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer (CDU) für die Stone Alliance GmbH aus seinem Wahlkreis in Wetzlar ein, die nach eigenen Angaben Masken an das Bundesgesundheitsministerium geliefert hatte und auf die Bezahlung wartete.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagt dem "Spiegel". "Wer sich persönlich bereichert und in einem Notstand in der Gesundheitswirtschaft seine politische Stellung ausnutzt, benimmt sich wie ein skrupelloser Aasgeier."
"CDU und CSU stehen in der Verantwortung, ihren Laden aufzuräumen", sagt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, in einer Aktuellen Stunden des Bundestags zu dem Thema. Sie müssten "diesen schwarzen Filz" aufklären.
Ihr FDP-Amtskollege Marco Buschmann sagt: "Es kostet uns Vertrauen, wenn der Eindruck entsteht, dass hier einige sich die Taschen vollmachen anstatt für das Wohl des deutschen Volkes zu arbeiten."
6. März 2021. Die CDU Mecklenburg-Vorpommern wählt Philipp Amthor mit 90,3 Prozent der Stimmen auf Listenplatz eins für die Bundestagswahl. Amthor hat vor nicht einmal einem Jahr Deals mit dem US-IT-Unternehmen Augustus Intelligence gemacht: Lobbyarbeit gegen Aktienoptionen.
7. März 2021. Thomas Limberger (Vorstandsvorsitzender des Internationalen Wirtschaftssenats) gründete gemeinsam mit einem Frankfurter Anwalt im April ein Unternehmen in Liechtenstein. Die Aesculap Kontor GmbH handelt nach eigenen Angaben mit Waren im Bereich der Gesundheitsvorsorge, medizinischem Zubehör und Schutzbekleidung. Auf der Webseite beschränken sich die Produkte auf Corona-spezifische Artikel: Schutzmasken, medizinische Handschuhe und Desinfektionsmittel.
Wie aus Ermittlungsakten hervorgeht, soll Nüßlein mit Aesculap Kontor GmbH, der Liechtensteiner Firma von Limberger, angeblich einen Beratungsvertrag geschlossen haben. Zudem habe Mitte 2020 ein Unternehmen des CSU-Abgeordneten eine Rechnung in Höhe von 660.000 Euro an die Aesculap Kontor GmbH gestellt. Die Ermittler vermuten, dass Vertrag und Rechnung nur vorgetäuscht sein könnten, um den Fluss von Bestechungsgeldern zu verschleiern. Tatsächlich habe ein ganz anderes Unternehmen von Limberger die Summe an die Nüßlein-Firma ausgezahlt. Wie Business Insider erfuhr, ließ die Generalstaatsanwaltschaft München mittels eines Rechtshilfeersuchens auch die Büroräume von Aesculap in Vaduz durchsuchen.
Nüßlein tritt mit sofortiger Wirkung aus der Unionsbundestagsfraktion aus. In einer von seinem Anwalt verbreiteten Erklärung begründet Nüßlein dies damit, "jeglichen politischen Nachteil" von seiner Partei abwenden zu wollen. Sein Bundestagsmandat will Nüßlein aber bis zum Ende der Legislaturperiode behalten. Über seinen Anwalt teilt er mit, "die öffentliche Vorverurteilung meiner Person hat ein Maß erreicht, das für mich, aber vor allem auch für meine Partei unerträglich ist". Deshalb ziehe er sich aus der Fraktion zurück, er habe die Fraktionsführung hierüber informiert.
Markus Söder (CSU-Chef) reichen Nikolas Löbels und Georg Nüßleins Rückzugsankündigungen nicht aus: "Alle Betroffenen sollten umgehend reinen Tisch machen und grundlegende Konsequenzen ziehen. Alles andere beschädigt das Vertrauen in die Politik", twittert der bayerische Ministerpräsident. "Es ist nicht zu tolerieren, wenn Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen. Das ist mit den Grundwerten der Union unvereinbar."
Auch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kommt Kritik: "Eine Provision einzustreichen, also mit Vermittlung in Notsituationen Geld verdienen zu wollen, geht gar nicht. Das zerstört das Vertrauen in unsere Demokratie", sagt Spahn der Rheinpfalz. Zugleich betont er: "Dass Abgeordnete in der damaligen Notsituation mit Kontakten geholfen haben, war und bleibt legitim."
Ralph Brinkhaus (CDU) schließt nicht aus, dass es noch mehr solcher Fälle in den eigenen Reihen gibt. „Wir werden die nächsten Tage dazu nutzen, auch alle Zweifelsfälle entsprechend zu klären, weil wir auch glauben, dass wir das schuldig sind“, sagt Brinkhaus in der ARD. Es könne nicht sein, dass sich Abgeordnete in der schwersten Krise des Landes bereicherten. "Wir führen nicht nur Gespräche, sondern wir verlangen auch entsprechende Auskünfte."
Zur Aufklärung der Unionsaffäre um Honorare für Maskengeschäfte fordert die FDP einen Untersuchungsausschuss. Ein solcher Ausschuss sei "das unausweichliche Gebot der Stunde für eine lücken- und schonungslose Aufklärung des regierungsamtlichen Versagens", erklärt der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer. Es gehe "längst nicht mehr um Einzelfälle oder allein um das Abzocken durch CDU- und CSU-Abgeordnete". "Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, ja des deutschen Staatswesens an sich steht grundsätzlich auf dem Spiel", erklärt Theurer.
8. März 2021. Georg Nüßlein und Nikolas Löbel ziehen Konsequenzen aus der Maskenaffäre und verlassen Fraktion und Parteien. Doch während Löbel auch sein Bundestagsmandat sofort niederlegen will, hält Nüßlein entgegen Forderungen auch aus der Union vorerst daran fest.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, räumt anschließend Fehler in der Affäre ein. Als Lehre daraus sollten laut Brinkhaus die Vorgänge aufgeklärt und Nebentätigkeiten von Abgeordneten strenger geregelt werden. Entsprechend dazu kündigt er zusammen mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Unionsabgeordneten einen neuen Verhaltenskodex an. „Wir werden uns als Fraktion einen Verhaltenskodex geben, der über das, was rein rechtlich von Mitgliedern des Deutschen Bundestages erwartet wird, deutlich hinausgeht“, schreiben sie den Abgeordneten der Union. Auch solle es mehr Transparenz bei Nebentätigkeiten und einen stark gesenkten Grenzwert für die Veröffentlichungspflicht von Spenden (derzeit 10.000 Euro) geben.
Der CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet kritisiert mit Blick auf das Verhalten Nüßleins und vergleichbares Vorgehen des CDU-Abgeordneten Nikolas Löbel eine „Raffke-Mentalität“ in der Union und distanziert sich von Abgeordneten, „die nichts im Kopf hätten, als Geld zu verdienen.“
Markus Söder fordert Nüßlein nach seinem Rückzug aus der Unionsfraktion im Bundestag auf, nun auch sein Bundestagsmandat abzugeben. Dies wäre „besser und konsequenter“, ansonsten entstehe der Eindruck, dass Nüßlein möglicherweise aus anderen Motiven im Bundestag bleiben wolle. Außerdem fordert er von Nüßlein, das mit dem Maskengeschäft verdiente Geld zu spenden. Insgesamt sei durch die Vorwürfe „großer Schaden“ entstanden.
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, fordert die Spitze der Unionsfraktion nun von allen Abgeordneten von CDU und CSU per Unterschrift eine Erklärung, dass sie bei der Vermittlung von Masken keine Vorteile erhalten haben.
Jens Spahn kündigt an, die Namen aller Bundestagsabgeordneten öffentlich zu machen, die im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzmasken gegenüber seinem Ministerium in Erscheinung getreten sind. Dies soll aber erst nach Rücksprache mit der Bundestagsverwaltung geschehen. „Wir wollen volle Transparenz in einem geordneten Verfahren ermöglichen“, sagt Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Weil aber die Persönlichkeitsrechte von Abgeordneten berührt seien, habe er den Bundestag gebeten, mit ihm einen Verfahrensvorschlag zu entwickeln.
Die Affäre überschattet auch die Wahlkämpfe in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo am Sonntag neue Landtage gewählt werden. Die Union muss in beiden Ländern Niederlagen fürchten. Der CDU-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, sagt, "Vertrauen wurde durch die Handlung einzelner Personen erschüttert". Und Landesgeneralsekretär Manuel Hagel erklärt: "Ich bin fassungslos und stinksauer. Wer in solch einer Situation sich selbst die Taschen voll macht, der vertritt nicht das Volk, sondern ganz niederste persönliche Interessen."
In Baden-Württemberg hingegen mag sich der eine oder andere Wahlkämpfer womöglich sogar klammheimlich dem Gedanken hingeben, dass Löbels Geschäftsgebaren auch positive Seiten haben könnte. Denn der Wahlkampf ist schon vor Bekanntwerden des Deals schlecht gelaufen. Am Freitag, kurz vor Bekanntwerden der Maskengeschäfte Löbels, hat die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen sogar eine katastrophale Umfrage bekannt gegeben: Danach hätte die CDU mit nur noch 24 Prozent elf Punkte hinter den Grünen gelegen, wäre schon am 7. März die Landtagswahl gewesen. Dabei hat die Partei bereits 2016 mit damals 27 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Sollte es dieses Mal noch mieser ausfallen, stünde mit Löbels Fehltritt zumindest eine offensichtliche Erklärung bereit.
Derweil kritisiert die Opposition die mögliche Bestechlichkeit von CDU-Abgeordneten als systematisch. Man könne nicht mehr von Einzelfällen sprechen, sagt der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese in einer Aktuellen Stunde des Bundestags. "Das ist System."
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, erinnert an vergangene Korruptionsskandale der Union: "Wir sehen an der Geschichte der Union immer wieder – an die schwarzen Kassen von Helmut Kohl mag ich hier erinnern –, dass es dort ein kulturelles, ein Haltungsproblem zu der Frage von Korruption gibt."
FDP-Chef Christian Lindner bringt einen unabhängigen Sonderermittler ins Spiel, der das Vorgehen bei der Beschaffung von Atemschutzmasken aufarbeiten soll. Man müsse auch schauen, was »auf der anderen Seite des Beschaffungsprozesses, also in den Ministerien passiert ist«, sagt Lindner der Sendergruppe RTL/NTV zufolge. »Sicherlich wäre die CDU/CSU gut beraten, einen Sonderermittler zu fordern, der mit besonderen Befugnissen und Akteneinsicht als unabhängige Persönlichkeit hier Transparenz und Klarheit schafft.« Dies könne ein Vorgang sein, der noch deutlich vor der Bundestagswahl abgeschlossen werden könnte, wird Lindner zitiert.
9. März 2021. Die Bundestagsfraktion der Linken drängt auf eine rasche Verschärfung der Nebentätigkeitsregelung von Abgeordneten. In einem Brief des Parlamentarischen Geschäftsführers Jan Korte an alle anderen Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Fraktionen außer der AfD, fordert er ein gemeinsames Vorgehen.
Die Linke hat bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vorsieht, bezahlte Nebentätigkeiten von Abgeordneten als Lobbyisten gesetzlich zu untersagen. Eigentlich sollte dazu in dieser Woche die Endabstimmung im Plenum stattfinden. Mit Stimmen der Großen Koalition wurde der Tagesordnungspunkt jedoch im Geschäftsordnungsausschuss überraschend abgesetzt und die Abstimmung vertagt. SPD und Union haben kurz nach Bekanntwerden der Maskenaffären gegen eine Verschärfung der Gesetze gestimmt.
SPD legt eine Zehnpunkteplan vor. Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit soll künftig nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen eingestuft werden. Die Mindeststrafe soll demnach ein Jahr Freiheitsstrafe betragen. Zudem sollen die Abgeordneten präzise angeben, wie viele Stunden sie Nebentätigkeiten nachgegangen sind und welche Einkünfte sie etwa durch Dividenden, Lobbytätigkeiten neben dem Mandat oder durch Unternehmensbeteiligungen erzielt haben. Die SPD fordert, die Nebenverdienste »betragsgenau (auf Euro und Cent)« zu veröffentlichen. Parteispenden sollen nach den Plänen der SPD auf jährlich 100.000 Euro pro Spenderin oder Spender gedeckelt werden. Für mehr Transparenz soll die Veröffentlichungspflicht von Parteispenden von 10.000 Euro auf 2.000 Euro herabgesetzt werden
Auch die SPD will nun »umfangreiche gesetzliche Verschärfungen in den Bereichen Lobbyregister, Transparenzregeln, Strafrecht und Parteienfinanzierung«, heißt es einem Zehnpunkteplan, den der Bundestagsabgeordnete Matthias Bartke am Dienstag veröffentlichte.
10. März 2021. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat ihre Ermittlungen offenbar ausgeweitet. Demnach ermittelt die Behörde inzwischen gegen einen dritten Beschuldigten. Ihm werde die "Bestechung von Mandatsträgern" gemäß Paragraf 108e des Strafgesetzbuchs vorgeworfen, heißt es aus Ermittlerkreisen. Wer der dritte Beschuldigte ist, ist zunächst unklar – es soll sich um einen weiteren Geschäftsmann handeln. Wie aus einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss hervorgeht, soll das mutmaßliche Schmiergeld über das Liechtensteiner Bankkonto einer Offshorefirma in der Karibik geflossen sein.
Die Spitze der Unionsfraktion setzt den Abgeordneten von CDU und CSU in der Maskenaffäre eine Frist bis Freitagabend. Bis dahin sollen sie eine Erklärung abgeben, dass keine persönlichen oder finanziellen Vorteile im Rahmen der Corona-Pandemie erzielt wurden.
"Wir sehen uns als Abgeordnete des Deutschen Bundestages in der besonderen Verantwortung für das Gemeinwohl. Das gilt besonders in einer Krise wie der derzeitigen COVID-19-Pandemie. Das Fehlverhalten Einzelner darf nicht eine ganze Fraktion in schlechtes Licht rücken", schreiben Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Die von den Abgeordneten geforderte Erklärung soll unter anderem die Versicherung enthalten, dass in den Jahren 2020 und 2021 direkt oder über Gesellschaften aus dem Kauf oder Verkauf von Medizinprodukten wie etwa Schutzausstattung oder aus dem Vermitteln von Kontakten keine finanziellen Vorteile erzielt wurden oder werden. Wer diese Erklärung nicht abgeben könne, solle sich direkt an "unserem 1. Parlamentarischen Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer bzw. gegenüber dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe Stefan Müller zu" wenden."
12. März 2021. Alle 244 Abgeordneten von CDU und CSU haben nun die angeforderte Ehrenerklärung unterzeichnet. Sie bestätigten damit, keine finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Corona-Bekämpfung erzielt zu haben.
Sie haben damit klargestellt, dass sie in der COVID-19-Pandemie mit aller Kraft gearbeitet haben, die Krise zu bewältigen, Bürgern zu helfen und Unternehmen zu unterstützen, ohne einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen“, schreiben Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt in einem Brief an die Abgeordneten.
Um Aserbaidschan geht es in der Erklärung nicht, obwohl gegen zwei Mitglieder der Fraktion, Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern und Axel Fischer aus Baden-Württemberg, in diesem Zusammenang wegen Korruptionsverdacht ermittelt wird – und der Fall Mark Hauptmann nun dazu gekommen ist. Hauptmann hat inzwischen ebenfalls sein Mandat niedergelegt. Zuvor hat auch er die Erklärung unterschrieben.
13. März 2021. Gesundheitsminister Spahn möchte nun, dass die Parlamentarier vor Veröffentlichung der Liste aller Abgeordneten in Aussicht gestellt, die bei der Maskenbeschaffung vermittelt haben zustimmen. Die Bundestagsverwaltung hat dieses Vorgehen vorgeschlagen – ihre Begründung: "Abgeordnete haben nach einschlägiger Rechtsprechung ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten, die von der Freiheit des Mandats geschützt sind." Solche Daten dürften daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen herausgegeben werden. Wenn die Abgeordneten einer Veröffentlichung zustimmten, sei dies jedoch unbedenklich.
Juristen halten das für unnötig. Die Begründung mit den personenbezogenen Daten der Mandatsausübung greift meiner Meinung nach hier nicht, da es zweifelhaft ist, ob die Nennung von Unternehmen beim Ministerium für Maskengeschäfte zum Kern der Abgeordnetenarbeit gehört", sagt Rechtsprofessorin Schönberger von der Universität Düsseldorf dagegen. Es gehe um Vergabeverfahren im Ministerium, wofür das Parlament erst einmal nicht zuständig ist. "Es liegt auf der Hand, dass hier auch Wahlkreisabgeordnete nicht nur finanziellen, sondern auch einen politischen Vorteil erzielen konnten, wenn sie konkret Kontakte von Unternehmen in ihrem Wahlkreis vermittelten". Deshalb überwiege hier klar das öffentliche Informationsinteresse, und das Ministerium stehe in der Pflicht, die Namen zu veröffentlichen.
Ähnlich sieht es der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland von der Universität Speyer. "Ich sehe keinen Grund, warum die Namen nicht veröffentlicht werden sollten", so Wieland. Das Argument mit den personenbezogenen Daten überzeuge ihn ebenfalls nicht. "Natürlich könnte man noch darauf hinweisen, welche Abgeordneten kein Geld erhalten haben."
Norbert Walter-Borjans (Chef der SPD) sagt: "In Teilen von CDU und CSU ist das Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht, immer wieder zum Vorschein gekommen. Das Waschmittel dabei ist Geld - und dem stehen in diesen Parteien einige besonders nah." Dazu passe, dass CDU und CSU regelmäßig Vorstöße für mehr Transparenz blockierten. "Die Parteivorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder müssen jetzt klarmachen, dass sie strukturell wirklich etwas verändern wollen.
Die Panikreaktion nach jahrelangem Blockieren jedweden Vorstoßes für mehr Transparenz und härtere Sanktionen wird erst glaubwürdig, wenn es auch nach Wahlen ernsthafte Schritte zur Umsetzung gibt." Die Union müsse mit allen anderen Parteien nun "wirksame Regeln beschließen und durchsetzen". Auch die Ehrenerklärung klinge "nach dem hilflosen Versuch einer Selbstinszenierung als konsequente Ahnder von Raffgier und Vetternwirtschaft".
Paul Ziemiak (CDU) antwortet: "Die SPD missbrauche die COVID-19-Pandemie seit Monaten zum Wahlkampf. Nun mache sie "in einer ziemlich dreisten Art Tausende CDU-Mitglieder verächtlich". CSU-Generalsekretär Markus Blume erinnerte die SPD daran, dass bei ihr ein Abgeordneter wegen Bestechlichkeit vor Gericht stehe, ohne dass er das Mandat abgegeben habe. Er sprach zudem von einer "dubiosen Rolle" des SPD-Kanzlerkandidaten und Finanzministers Olaf Scholz im Wirecard-Skandal und davon, dass Altkanzler Gerhard Schröder "als russischer Söldner ungeniert für ein autokratisches Regime" arbeite. "Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sollten dringend mal anfangen, in ihrem eigenen Laden aufzuräumen."
Markus Blume (CSU-Generalsekretär) erinnerte die Sozialdemokraten auch an ihre eigenen Verfehlungen. „Anders als die scheinheilige SPD hat die Union auf das unentschuldbare Verhalten ihrer ehemaligen Mitglieder schnell und äußerst konsequent reagiert. Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz habe „immer noch nicht Stellung genommen zu seiner dubiosen Rolle bei Wirecard und den krummen Cum-Ex-Geschäften in Hamburg. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marcus Held steht wegen Veruntreuung, Betrug und Bestechlichkeit vor Gericht. Altkanzler Gerhard Schröder lobbyiert als russischer Söldner ungeniert für ein autokratisches Regime. Aber niemand in der SPD zieht irgendwelche Konsequenzen.
Tobias Hans weist die SPD-Vorwürfe ebenfalls zurück: "Es ist kein strukturelles Problem in der CDU oder der CSU", sagt er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Vorgänge seien nicht vergleichbar mit der Spendenaffäre des damaligen CDU-Chefs und Kanzlers Helmut Kohl. Gelder, die in "unmoralischer Weise entgegengenommen" worden seien, sollten zurückgezahlt werden.
Wie die SPD hat auch die Union inzwischen einen Plan vorgelegt für mehr Transparenz etwa bei Nebenverdiensten von Abgeordneten. So sieht der Plan von CDU und CSU vor, dass Bundestagsabgeordnete Nebenverdienste ab 100.000 Euro auf den Cent genau angeben müssen – die SPD will das ohne Verdienstgrenze.
14. März 2021. Es wird bekannt, dass für die wegen Korruptions- und Lobbyismusvorwürfen aus der Fraktion ausgetretenen CDU-Abgeordneten Nikolas Löbel und Mark Hauptmann zwei Frauen ins Parlament einziehen sollen. Für Löbel soll die frühere Bundestagsabgeordnete Kordula Kovac nachrücken - sie saß schon von 2013 bis 2017 im Bundestag. Auf den Sitz von Hauptmann soll demnach die Erfurterin Kristina Nordt folgen - sie ist die Tochter des früheren Thüringer Innenministers Manfred Scherer.
17. März 2021. Das deutsche Kabinett befasst sich heute mit einer geplanten neuen Vorschrift, die Interessensvertreter dazu verpflichten soll, sich registrieren zu lassen, wenn sie bei Regierungsmitgliedern, Ministerialbeamten bis hinunter zum Unterabteilungsleiter, Fraktionen und einzelnen Bundestagsabgeordneten für die von ihnen vertretenen Interessen werben. Das beim Bundestag geführte Register, in dem sie sich dann unter Androhung einer Strafe von bis zu 50.000 Euro eintragen müssen, soll der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Der Versuch, so ein Lobbyregister einzuführen, ist nicht der erste: Vor fünf Jahren lehnte die Koalition aus CDU, CSU und SPD einen solchen Vorstoß der Opposition noch ab. Der inzwischen ausgeschiedene CDU-Abgeordnete Bernhard Kaster sprach damals vom "Bild eines undurchsichtigen Parlamentes mit von Lobbyisten gesteuerten Abgeordneten", das "nichts mit der Wirklichkeit zu tun habe.
21. März 2021. Bei den Ermittlungen gegen Nüßlein hat sich inzwischen herausgestellt, dass noch ein Nachschlag von 540 000 Euro vorgesehen war. Die Bank in Liechtenstein, über die der Nachschlag überwiesen werden sollte, stoppte jedoch die Zahlung. Nüßleins Anwalt möchte sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Nüßlein weist den Schmiergeldverdacht ebenso zurück wie Alfred Sauter.
Sauters Honorar ging an die Firma Pecom, die seinen Kindern gehört. Sauter, der selbst an den Maskendeals beteiligt ist, hätte die 1,2 Millionen Euro im Landtag also nicht als Nebeneinkunft angeben müssen. Hinzu kommt: Dass die Firma Pecom seinen Kindern gehört, war öffentlich nicht bekannt, weil Sauters schwäbischer Parteifreund Manfred Krautkrämer dort als Treuhänder fungiert. Landläufig gibt es dafür einen Begriff: Strohmann. Und noch etwas kommt hinzu: Auch die 1,2 Millionen Euro für Sauter flossen über eine Bank in Liechtenstein und zusätzlich über eine auf der Karibik ansässige Firma zu Pecom. Ergebnis: maximale Intransparenz.
Markus Söder (CSU-Parteichef) kündigt eine Verschärfung der Regeln für amtierende und künftige Mandatsträger der CSU an. Unter anderem soll es "volle Transparenz" bei den Nebeneinkünften geben, wie aus einem Zehn-Punkte-Plan der Parteispitze hervorgeht."
Es soll darüber hinaus ein absolutes Tätigkeitsverbot für eine bezahlte Interessenvertretung geben. Bei Führungsaufgaben in Parlamenten sollen gewerbsmäßige Nebentätigkeiten untersagt werden. Und alle Männer und Frauen, die künftig für die CSU kandidieren wollen, müssen eine neue "Integritätserklärung" unterschreiben und sich darin zum Verhaltenskodex, der verschärft werden soll, bekennen.
Für Söder steht fest: Die Maßnahmen würden im Kampf gegen die Korruption in der CSU kein „zahnloser Tiger“, sondern ein „scharfes Schwert“ sein. Wie die Auskunftspflicht bei den Nebeneinkünften jedoch im Einzelnen aussehen soll, ob die CSU beispielsweise der SPD-Forderung nach einer Offenlegung der Nebeneinnahmen ab dem ersten Euro folge, darüber lässt sich der CSU-Chef noch nicht aus. Man sei „offen für die weitestgehenden Vorschläge“, müsse aber sehen, „was rechtlich geht“.
23. März 2021. Die Provisionen sollten höher sein als bisher bekannt. Die Gesamtsumme von fünf bis sechs Millionen Euro sollte an die Vermittler in etwa zu gleichen Teilen fließen. Wie viel tatsächlich bereits geflossen war, ist nicht bekannt. Neben Georg Nüsslein und Alfred Sauter sollten auch ein ehemaliger Industriemanager, ein früherer CSU-Nachwuchsmann und ein Anwalt von den Masken-Verkäufen profitieren. Allein das bayerische Gesundheitsministerium soll 3,5 Millionen FFP2- und FFP3-Masken zum Preis von knapp vier Euro je Stück bezogen haben. Bezahlt wurden die Masken aus Steuermitteln.
Eine Firma, die den Kindern Sauters zugerechnet wird, soll dabei 1,2 Millionen Euro erhalten haben. Als die Sache politisch heiß wurde, soll die Firma 470.000 Euro an die Bürgerstiftung in Günzburg überwiesen haben, der Rest soll dem Fiskus zustehen. Nüßlein wiederum soll über seine Beraterfirma Tectum 660.000 Euro kassiert haben. Eine weitere Zahlung in Höhe von 540.000 Euro dagegen soll von einer Bank in Liechtenstein gestoppt worden sein.
Die Union legt derweil ein Eckpunktepapier für künftigen Verhaltenskodex vor. In dem Papier heißt es nun unter anderem, dass die Fraktionsvorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführer von CDU und CSU künftig neben ihrem Job im Parlament keine weiteren Tätigkeiten mehr ausüben sollen. Gleiches soll auch für Justiziare gelten. Allerdings kann der geschäftsführende Fraktionsvorstand "Abweichungen genehmigen, wenn Interessenkonflikte ausgeschlossen werden können bzw. die Nebentätigkeit ausdrücklich befürwortet wird".
Darüber hinaus sollen alle Unionsabgeordneten etwa:
- mögliche Interessenkollisionen im Rahmen ihrer Berichterstattungen gegenüber dem Integritätsausschuss anzeigen und beurteilen lassen.
- maximal offen und transparent Auskunft über direkte wie indirekte Beteiligungen und die daraus erwirtschafteten Einkünfte geben.
- für Reden, die sie im Rahmen ihrer parlamentarischen Ämter oder Mandate halten, keine Vergütung entgegennehmen.
- einen in hohem Maße sensiblen Umgang mit Geschenken pflegen.
Zudem soll die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen »Integritätsausschuss« bilden, der über die "Wahrung des Verhaltenskodex" wacht.
Beschlossen ist der Leitfaden allerdings noch nicht.
25. März 2021. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD im Bund einigen sich auf neue Transparenzregeln für Abgeordnete. Die selbst verordneten Regeln entsprechen zwar zum Teil seit Jahren bekannten Forderungen des Vereins LobbyControl, bleiben aber in manchen Punkten auch dahinter zurück.
Das von den Fraktionschefs der Großen Koalition ("Groko"), Rolf Mützenich (SPD), Ralph Brinkhaus (CDU) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (CSU) erarbeitete Eckpunktepapier sieht zwölf Schritte vor. Demnach soll weiterhin eine Schwelle von 1.000 Euro im Monat für die Veröffentlichung von Nebeneinkünften gelten, die "betragsgenau (auf Euro und Cent)" veröffentlicht werden müssen. Zudem sollen den Abgeordneten von Dritten bezahlte Lobbytätigkeiten gegenüber Bundesregierung oder Bundestag gesetzlich verboten werden.
Einnahmen aus ganzjährigen Nebentätigkeiten sollen laut dem neuen Regularium ab 3.000 Euro pro Kalenderjahr mit genauem Betrag veröffentlicht werden. Bisher gilt hierfür eine Schwelle von 10.000 Euro.Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften werden den Plänen zufolge ab einem Anteil von fünf Prozent veröffentlicht. Bisher gilt dies erst ab 25 Prozent. Einkünfte aus solchen Unternehmensbeteiligungen werden ebenfalls veröffentlichungspflichtig.
Offenlegen müssen die Abgeordneten demnach auch den Besitz von Aktienoptionen und vergleichbaren Finanzinstrumenten - "unabhängig von der Frage, ob sie einen bezifferbaren Wert haben". Honorare für Vorträge "im Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit" werden untersagt.
Gesetzlich verboten werden soll aber laut dem Eckpunktepapier auch der "Missbrauch der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag zu geschäftlichen Zwecken". Dies sei "schon heute gemäß der Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages unzulässig, führt aber zu keiner Sanktion.
Außerdem ist geplant, dass Abgeordnete keine Spenden mehr annehmen dürfen. Diese sollen nur noch an Parteien gehen und unterliegen damit den Veröffentlichungspflichten des Parteiengesetzes. Ob es auch dort neue Grenzen für verpflichtende Veröffentlichungen geben soll, ist aber noch nicht geklärt. Die SPD fordert hier einen sogenannten Schwellenwert, also eine Obergrenze von 2000 Euro. Bisher liegt er bei 10.000 Euro.
Nicht vorgesehen ist bisher eine Veröffentlichungspflicht für Lobbytermine im Gesetzgebungsprozess, wie sie von LobbyControl gefordert wird, um den "Lobby-Fußabdruck" zu dokumentieren.
Ehrenamtliche Tätigkeiten gegen Aufwandsentschädigungen etwa im Vorstand eines Vereins sollen erlaubt bleiben, sofern diese Entschädigung verhältnismäßig sei.
Vorgesehen ist für bestimmte Regelverstöße eine Abschöpfung der erzielten Einnahmen, auch Ordnungsgelder werden angedroht.
Außerdem soll der Strafrechtsparagraf zu Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit reformiert werden. " Das soll zudem künftig als Verbrechen und nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Damit wird bei Verstößen eine Mindesthaftstrafe von einem Jahr fällig.
Georg Nüßlein (2020), Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, Urheber: Jenny Paul