Freitag, 1. Februar 2019

Asia Noreen (Bibi)

Der Ehemann und eine Tochter von Asia Bibi
 mit Papst Franziskus in Vatikanstadt, April 2015
Asia Noreen (Bibi) (Urdu آسیہ بی بی) wurde zwischen 1964 und 1971 geboren.

Sie ist eine pakistanische Katholikin und wurde im Jahr 2010 von einem Gericht in Nankana als erste Frau in der Geschichte Pakistans wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt. 2018 wurde Asia Bibi vom Obersten Gerichtshof Pakistans freigesprochen. 

Leben

Zwischen 1964 und 1971. Asia Noreen (Bibi) (Urdu آسیہ بی بی) wird geboren. Sie wächst in Ittanwali auf, einem Dorf in der Provinz Punjab im Osten Pakistans. 

Sie heiratet Ashiq Masih (* um 1960), einen Ziegeleiarbeiter, der drei Kinder in die Ehe mitbringt, und bekommt mit ihm zwei weitere Kinder.

Juni 2009. Angeblich findet ein Streit zwischen muslimischen Arbeiterinnen auf der Farm in Ittanwali und Asia Bibi statt. Demnach soll Bibi für die Gruppe Wasser holen. Danach wird sie aufgefordert, sich zum Islam zu bekennen, da die anderen Frauen einwenden, das Wasser sonst nicht trinken zu können. Infolgedessen entbrennt eine Diskussion zwischen den Anwesenden. Die Schilderungen aller Beteiligten stimmen bis zu diesem Punkt überein. Nach Aussage der Frauen behauptet Asia Bibi angeblich dann, dass Jesus Christus und nicht Mohammed der wahre Prophet Gottes sei, was sie abstreitet. Nach dem Vorfall flüchtet Asia Bibi zu ihrer Familie. 

19. Juni 2009. Einwohner des Dorfes versuchen sie in ihre Gewalt zu bringen und zu bestrafen, was durch einen Einsatz der Polizei, verständigt von den Christen im Dorf, verhindert wird. Diese nimmt Bibi in Gewahrsam – nach Aussage der Behörde, um sie vor weiteren Übergriffen zu schützen. Zu einer Freilassung Bibis kommt es in der Folgezeit jedoch nicht. Stattdessen erhebt der Staat auf Druck islamischer Geistlicher Anklage wegen Blasphemie gegen Asia Bibi. Die Anklage und der sich über mehrere Monate hinziehende Prozess findet zunächst kaum mediale Resonanz.

Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme arbeitet sie auf der Farm des Landbesitzers Mohammed Idrees. Ihre Familie bildet mit zwei anderen die christliche Minderheit im Dorf, das von etwa 1500 Familien bewohnt wird.

September 2009. Nach eigener Aussage berichtet ein christlich orientiertes Blog erstmals über den Vorfall. Laut Spiegel Online sind mehrere christliche Organisationen während des Prozesses in das Geschehen involviert.

14. Oktober 2009. Eine erste Anhörung findet statt.

8. November 2010. Asia Bibi wird von einem Gericht in Nankana als erste Frau in der Geschichte Pakistans wegen Gotteslästerung zum Tod durch den Strang und zur Zahlung einer Geldstrafe von zweieinhalb Jahresgehältern, etwa 850 Euro, verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Christin den Propheten Mohammed beleidigt habe, womit sie gegen die Paragraphen 295 B und C des pakistanischen Strafgesetzbuches verstoßen habe. In seinem Urteil spricht der Richter Naveed Iqbal von einer unzweifelhaften Schuld und schließt mildernde Umstände aus.

Bibis Ehemann kündigt an, in Berufung gehen zu wollen.

In zahlreichen internationalen Protesten wird ihre Freilassung oder Begnadigung gefordert. Ihre Familie taucht ist wegen mehrerer Drohungen unter.

9. November 2010. Einer breiteren Öffentlichkeit wird der Fall erst nach der Urteilsverkündigung durch einen Bericht des Daily Telegraph bekannt. Human Rights Watch fordert, den Paragraphen, auf dessen Basis Asia Bibi verurteilt wurde, abzuschaffen.

Markus Löning, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, sagt: „Wir beobachten das Verfahren gegen Asia Bibi sehr genau. Ihre Verurteilung in erster Instanz macht uns große Sorgen. Menschen aufgrund ihres Glaubens strafrechtlich zu verfolgen, sie gar zum Tode zu verurteilen, ist keinesfalls hinnehmbar.“

17. November 2010. Papst Benedikt XVI. appellierteam Ende der Generalaudienz an die pakistanische Regierung: „In diesen Tagen verfolgt die internationale Gemeinschaft mit großer Sorge die schwierige Lage der Christen in Pakistan, die oft Opfer von Gewalt und Diskriminierungen sind […] Heute bringe ich meine geistliche Nähe besonders Frau Asia Bibi und ihren Familienangehörigen zum Ausdruck, während ich darum bitte, dass ihr so bald wie möglich wieder ihre volle Freiheit zurückerstattet wird.“

4. Januar 2011. Auf dem Kohsar-Markt von Islamabad wird der Gouverneur von Punjab, Salman Taseer, durch einen Angehörigen seiner Leibgarde namens Malik Mumtaz Hussein Qadri ermordet. Wie berichtet wird, erschießt der Attentäter den Gouverneur wegen dessen Kommentaren zum Fall Asia Bibi und dessen Opposition gegen das Blasphemiegesetz. Gegen die Verurteilung des Mörders und den Freispruch Bibis protestiert die Tehreek-e-Labbaik Pakistan, eine islamistische Partei aus der Barelwi-Bewegung.

2. März 2011. Der Minister für religiöse Minderheiten in Pakistan, Shahbaz Bhatti, wird auf dem Weg zu seinem Ministerium von drei bewaffneten Männern überfallen und getötet. Den Attentätern ist es gelungen, den Wagen des Ministers zum Halten zu bringen, woraufhin sie das Feuer eröffnen. Mindestens acht Kugeln treffen Bhatti, er stirbt kurz darauf im Krankenhaus. Zu dem Anschlag bekennen sich die Taliban, die in einem Schreiben Gegnern des pakistanischen Blasphemiegesetzes mit dem Tod drohen. „Wenn ich für meine Haltung sterben muss, dann ist das eben so“, hat der Minister gesagt, der sich in der Vergangenheit für Asia Bibi ausgesprochen hat. Asif Ali Zardari, Präsident Pakistans, verurteilt den Anschlag. Bhatti war der einzige Christ in der pakistanischen Regierung.

2013. Volker Kauder fordert in der Diskussion um Asia Bibi: „Die dem Gerechtigkeitsempfinden widersprechenden Blasphemiegesetze müssen schnellstmöglich aus den Gesetzbüchern des Landes gestrichen werden.“

Oktober 2014. Die Berufung wird durch den Lahore High Court zurückgewiesen, wogegen nur noch eine Berufungsmöglichkeit besteht. Der oberste Gerichtshof lässt die Berufung zu.

Presseberichten zufolge soll in Pakistan noch nie ein Todesurteil wegen Blasphemie vollstreckt worden sein, viele der Verurteilten würden von Appellationsgerichten freigelassen.

2015. Ein weiteres Gericht ordnet die vorläufige Aussetzung der Hinrichtung an.

Oktober 2016. Der Fall steht erstmals auf der Liste der zu behandelnden Fälle des obersten Gerichtshofs, doch weil einer der Richter es wegen Befangenheit ablehnt, den Fall zu hören, musst ein neues Richtergremium eingesetzt werden.

31. Oktober 2018. Asia Bibi wird vom Obersten Gerichtshof Pakistans freigesprochen. Richter Asif Said Khosa führt in einer Erläuterung zum Urteil an, dass Jesus im Islam auch ein heiliger Prophet sei und die heilige Bibel ein Buch, das vom Allmächtigen Allah offenbart worden sei. Insofern seien die Handlungen der anderen Frauen, die Jesus Christus nicht anerkennen wollten, nicht weniger blasphemisch gewesen. Der heilige Prophet Mohammed habe deklariert, dass Christen die Verbündeten des Islam seien. Die entsprechende ungefähr im Jahr 628 an die Mönche im Kloster Sankt Katharina am Sinai getätigte Aussage Mohammeds (siehe Schutzbrief des Mohammed) habe sich nicht nur auf diese, sondern alle Christen bezogen.

Religiöse Hardliner rufen daraufhin zur Rebellion gegen den Staat auf und fordern die Tötung Bibis sowie der drei Richter des Obersten Gerichtshofs. Radikale Islamisten um die Partei Tehreek-e-Labaik organisieren Massenproteste gegen den Freispruch von Bibi und forderen eine Revision des Falls. Dieser Forderung gibt die Regierung nach Verhandlungen mit der Tehreek-e-Labaik nach. Des Weiteren wird Bibi die Ausreise aus Pakistan verboten.

3. November 2018. Drei Tage nach dem Freispruch haben Islamisten ihre landesweiten Proteste aufgrund eines Abkommens mit der Regierung eingestellt. Die radikalislamische Gruppe Tehreek-e-Labaik Pakistan (TLP) einigte sich am Freitagabend mit der Regierung, wie TLP-Sprecher Pir Zubair Kasuri der Deutschen Presse-Agentur sagt. Laut der Vereinbarung „wird die Regierung sich einem Revisionsantrag gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts zum Freispruch Asia Bibis nicht widersetzen“. Zudem würden Schritte eingeleitet, „Bibi am Verlassen des Landes zu hindern“.

Menschenrechtler kritisieren die Vereinbarung zwischen Regierung und Islamisten in Pakistan als „Bankrott-Erklärung des Rechtsstaates“. „Der Deal macht Pakistans Rechtssystem zur Beute des islamistischen Mobs.“ Wenn das Oberste Gericht Recht gesprochen habe, dürfe die Regierung nicht zulassen, dass Islamisten die Rechtsprechung aushebelten, sagt der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, in Göttingen.

6. November 2018. Die Familie bittet in Italien um Asyl. Das teilt das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ in Rom unter Berufung auf ein Telefonat mit Bibis Ehemann Ashiq Masih mit. Aus Angst um ihr Leben halte sich die Familie versteckt,

Pakistan hält an dem Blasphemie-Gesetzen fest.

Der CDU-Menschenrechtsexperte Michael Brand fordert derweil für Asia Bibi Schutz in Deutschland. „Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, dass Asia Bibi in Freiheit und in Sicherheit leben kann. „Als verfolgte Christin muss diese mutige Frau zum Schutz auch einen Platz in Deutschland finden können.“

Brand sagt, obwohl die obersten Richter Asia Bibi Freiheit zugesprochen hätten, sei ihr Leben jetzt auf das Höchste bedroht: „Es ist Gefahr in Verzug ... Aus dem hoffnungsvollen Richterurteil für mehr Religionsfreiheit ist jetzt eine dramatische Hiobsbotschaft geworden: Trotz Aufhebung des Todesurteils wollen radikale Islamisten diese mutige Christin wieder in der Todeszelle sehen.“

7. November 2018. Im Gefängnis in der Stadt Multan, in dem Asia Bibi festgehalten wird geht eine Entlassungsanordnung ein. Bibi wird aus dem Gefängnis entlassen und mit einem Flugzeug an einen unbekannten Ort gebracht.

Bibis Ehemann Ashiq Masih bittet die USA, Großbritannien und Kanada darum, seiner Frau und der Familie zur Ausreise aus Pakistan zu verhelfen und ihnen Asyl zu gewähren. Er fürchtet demnach um das Leben der gesamten Familie. Ihr Anwalt Saif-ul-Malook flieht in die Niederlande.

Geplant ist die Ausreise von vier Personen, von Asia Bibi, ihren zwei Töchtern und ihrem Mann. Ihrem Anwalt zufolge hat ihr Mann drei weitere Kinder mit einer anderen Frau, die aber in Pakistan bleiben wollen. 

11. November 2018. Ihr Anwalt Saif-ul-Malook hat in der Zwischenzeit deutlich gemacht, dass Bibi nach Deutschland kommen möchte: "Meine Mandantin wäre glücklich, wenn sie mit ihrer Familie nach Deutschland ausreisen könnte". Er mahnt zur Eile, einen sicheren Aufenthaltsort für Bibi zu finden und ihre Ausreise zu ermöglichen: "Es gibt für meine Mandantin keine gerichtlichen Auflagen. Sie kann gehen, wohin sie will. Aber die Zeit wird knapp"

Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland steht mit der pakistanischen Regierung in Kontakt und erklärt sich bereit, Asia Bibi und ihrer Familie zur Asylantragstellung eine Einreise nach Deutschland zu erlauben. "Eine Reihe von europäischen Ländern wäre sicherlich gegenüber einer Aufnahme (...) aufgeschlossen, sollte sie Pakistan verlassen können und wollen. Dazu gehört selbstverständlich auch Deutschland", heißt es ergänzend.

24. November 2018. Chadim Hussain Rizvi (Chef der Islamistenpartei Tehreek-e-Labaik (TLP)) wird festgenommen. Es kommt zu neuen Protesten. Die Polizei nimmt nach eigenen Angaben in der Region Punjab rund 300 Unterstützer Rizvis fest. In Video ruft ein TLP-Vertreter erneut zu Protesten auf. Der Regierung zufolge steht die Festnahme aber in keinem Zusammenhang mit dem Fall Bibis.

Rizvi sei von der Polizei vor einer für Samstag in Islamabad geplanten Kundgebung in "Schutzhaft" genommen und in ein "Gästehaus" gebracht worden, erklärt der pakistanische Informationsminister Fawad Chaudhry auf Twitter.. Es handle sich dabei um eine Maßnahme zur "Sicherung des öffentlichen Lebens, Eigentums und der Ordnung".

29. Januar 2019. Das Oberste Gericht Pakistans erklärt einen Berufungsantrag gegen den Freispruch der Christin Asia Bibi für unzulässig. "Der Berufungsantrag ist abgelehnt", sagt Richter Asif Saeed Khosa in Islamabad. Das Gericht ordnet gleichzeitig die sofortige Freilassung Bibis an.

Seit November geht die Regierung von Ministerpräsident Imran Khan vermehrt gegen die TLP vor. Laut Behördenangaben wurden mehr als 3000 Mitglieder und Funktionäre der Partei festgenommen. TLP-Chef Khadim Rizvi und weitere Parteimitglieder wurden wegen Aufwiegelung zum Aufruhr angeklagt.

1. Januar 2019. Asia Bibi hat Pakistan laut einem Bericht der FAZ offenbar verlassen. Demnach befindet sich Bibi nun zusammen mit ihrer Familie in Kanada.

Bilder aus Wikimedia Commons
Der Ehemann und eine Tochter von Asia Bibi mit Papst Franziskus in Vatikanstadt, April 2015, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic, Urheber: HazteOir.org

Quellen
01.02.2019, Spiegel, Freigesprochene Christin, Asia Bibi hat Pakistan offenbar verlassen
29.01.2019, Tagesspiegel, Weltweite Christenverfolgung, Asia Bibi - ein Freispruch, der auch Bitternis enthält
29.01.2019, n-tv, Gericht lehnt Revision ab, Asia Bibi darf Pakistan verlassen
24.12.2018, n-tv, Bedrohte Christin, Asia Bibi kann Pakistan schnell verlassen
24.11.2018, Spiegel, Verfolgte Christin, Pakistan setzt Anführer von Protesten gegen Asia Bibi fest
21.11.2018, Welt, HILFSWERK MISSIO, „Asia Bibi kann nach Deutschland einreisen, das ist geklärt“
20.11.2018, FAZ, PAKISTANISCHE CHRISTIN, Asia Bibi wartet auf Visum für Ausreise
11.11.2018, Tagesspiegel, Freigesprochene Christin, Anwalt: Asia Bibi würde gerne nach Deutschland ausreisen