Computersimulation der Strömung um die X-43 bei Mach 7 und laufendem Triebwerk |
Hyperschallgeschwindigkeit oder kurz Hyperschall (griechisch ὑπέρ hyper, deutsch ‚über‘) bezeichnet in der Luft- und Raumfahrt Überschallgeschwindigkeiten oberhalb der fünffachen Schallgeschwindigkeit (über Mach 5).
Hyperschallflugkörper müssen vor allen Dingen so gebaut werden, dass sie die große Wärme mit auftretenden Temperaturen von über 1000 °C aushalten. Ebenfalls verändern sich die Eigenschaften der Luft bei diesen Temperaturen.
Beispiele für Flugobjekte im Hyperschallbereich sind Objekte, die in die Atmosphäre der Erde eindringen wie Asteroiden, das Versuchsflugzeug North American X-15 oder Raumfahrzeuge beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.
Hyperschallgeschwindigkeiten sind bei Interkontinentalraketen üblich, weil die Raketen durch den luftleeren Weltraum auf ihr Ziel zufliegen. Die eigentliche technische Herausforderung ist dann der Eintritt in die Erdatmosphäre. Dabei müssen extreme Temperaturen bewältigt werden und das Vehikel muss auf Kurs bleiben. Unbemannte Experimentalflugzeuge erreichen bis zu 9,6-fache Schallgeschwindigkeit (Boeing X-43A, 2004). Die Falcon HTV-2 soll am Ende sogar bis Mach 20 erreichen.
Die Entwicklung von Hyperschallprojektilen wird in Militärkreisen diskutiert, etwa im Zusammenhang mit Railguns. Kritiker bemängeln, mit der Entwicklung der Waffen könnte die US-Regierung ein neues Rüstungswettrennen auslösen. Hyperschall-Waffen gelten als destabilisierende Systeme, weil Raketenabwehrsysteme nichts gegen sie ausrichten können.
China
China soll sieben erfolgreiche Tests des Überschallgleiters WU-14 durchgeführt haben, der eine Geschwindigkeit zwischen Mach 5 und 10 erreicht hat. Die South China Morning Post berichtet dass dort der schnellste Windkanal auf der Welt gebaut werde, um Simulationen von Überschallgeschwindigkeiten bis 12 km/s, also von 35 Mach, durchzuführen.
Die jüngste ballistische Rakete der Chinesischen Militärs, die Dong Feng 21D, lässt sich nach dem Wiedereintritt lenken, und trifft so auch kleine bewegliche Ziele wie einen Flugzeugträger.
Deutschland
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet am Shefex-Projekt. Mit dem Shefex-Programm sollen Technologien für ein künftiges hyperschallschnelles Passagier-Transportsystem mit dem Namen SpaceLiner erprobt werden. Mit dem schnellen Gleiter könnten dann Passagiere beispielsweise die Distanz zwischen Europa und Australien in nur 90 Minuten zurücklegen.
Deutschlands stärkster Windtunnel ist der H2K der DLR, der knapp über 11 Mach schafft.
Europa
Die Europäische Weltraumorganisation ESA koordiniert das Projekt Long-Term Advanced Propulsion Concepts and Technologies, das ein europäisches Hyperschall-Passagierflugzeug namens Reaction Engines A2 entwerfen soll.
Japan
Forscher der Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) entwickeln ein Hypersonic Passenger Aircraft (dt.: Hyperschall-Passagierflugzeug), welches Mach 5 (ca. 6125 km/h) erreichen soll. Damit beträgt die Flugzeit von Paris nach Tokio 2 Stunden.
Russland / Sowjetunion
Die Sowjetunion plante die Tu-2000, Russland das Nachfolgeprojekt Tupolew PAK-DA. Russland unternahm Tests mit dem Hyperschallgleitfahrzeug Yu-71, in russischen Medien die ballistische Interkontinentalrakete RS-28 Sarmat. Sie soll mit Mach 15 geflogen sein. Angestrebt werden 20 Mach und eine Reichweite von 20.000km. Zudem wird der Hyperschall-Seezielflugkörper Zirkon entwickelt, der mit Mach 8 fliegen soll und von U-Booten abgefeuert wird.
USA
Die USA arbeiten an einem Projekt mit dem Namen „Prompt Global Strike“. Sollte die Forschung in diesem Feld erfolgreich sein, könnten die Vereinigten Staaten jeden Punkt dieser Erde innerhalb von 60 Minuten angreifen. Im Rahmen der Forschung an Hyperwaffen ist es den USA angeblich gelungen, einen Flugkörper auf 20-fache Schallgeschwindigkeit zu bringen – 6400 Kilometer in neun Minuten.
Die sogenannte Falcon Advanced Hypersonic Weapon (HTV) wird von den Sandia National Laboratories und der US-Armee entwickelt. Sie wird mit einer dreistufigen Feststoffrakete, dem "Strategic Target System" ("Stars"), gestartet. Die Waffe, die mindestens fünffache Schallgeschwindigkeit - also mehr als 6000 km/h - erreichen soll, könnte Teil des "Prompt Global Strike"-Programms werden. Es soll den USA ermöglichen, jedes Ziel der Welt innerhalb einer Stunde zu treffen.
Bislang befindet sich der leistungsstärkste Windkanal in den USA. Er kann mit 10 km/s oder 30 Mach operieren.
Geschichte
2003. Die USA arbeiten den Plan eines Global Strike bzw. "Prompt Global Strike" (CONPLAN 8022) aus. Primäres Ziel ist mit Interkontinentalraketen mit konventionellen oder atomaren Sprengladungen, ballistischen Raketen oder Hyperschallgeschwindigkeits-Gleitfluggeräten ein beliebiges lokales Ziel irgendwo auf der Erde innerhalb einer Stunde zu treffen. Beispielsweise wird daran gedacht so die gegnerische Regierung oder militärische Führung ausschalten (decapitation) zu können.
Ebenfalls spätestens seit diesem Jahr entwickelt die US-amerikanische Marine mindestens eine Abwehrwaffe gegen konventionelle ballistische Raketenangriffe, der aktuell noch größten Bedrohung für Flugzeugträgerverbände.
Die Standard Missile 3 (SM3) von Raytheon beweist in Tests unter anderem gegen ausgediente Satelliten, dass sie Flugkörper auf einer ballistischen Flugbahn beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zerstören kann. Die SM3 ist auf Flugabwehrkreuzern der US-Marine bereits im Einsatz. Ballistische Raketen fliegen in einer Kurve. Auf dem höchsten Punkt lassen sie die Erdatmosphäre hinter sich. Beim Wiedereintritt erreichen sie Geschwindigkeiten von über 25.000 Kilometern pro Stunde – weit schneller als ein Hyperschallgleiter.
Doch ballistische Kurven sind relativ einfach berechenbar, die Flugkörper zudem leicht per Radar erfassbar – die SM3 kann deswegen eine ballistische Rakete erreichen und zerstören, noch bevor sie nach dem Wiedereintritt manövriert.
August 2004. Der US-Konzern Lockheed Martin erhält den Zuschlag, HTVs für das FALCON-Programm von US Air Force und DARPA zu bauen. Die ursprüngliche HTV-Konstruktion (HTV-1) soll eigentlich schon im September 2007 Flugtests absolvieren, noch unterstützt von Booster-Raketen, wobei man eine Geschwindigkeit von Mach 19 in einer Höhe von 30 bis 45 Kilometer anstrebt (in dieser Höhe wären das knapp 20.000 Kilometer pro Stunde).
Mai 2006. Der Bau von zwei HTV-1-Flugzeugen wird abgebrochen, weil der Zulieferer C-CAT Probleme offenbar Probleme mit der Delaminierung der kurvenförmigen Anströmkanten der Außenhaut der Maschinen hat. Stattdessen wird direkt zum Projekt HTV-2 übergegangen, dessen erste Testflüge im April 2010 und August 2011 stattfinden.
April 2010. Ein Test mit der Weltraumdrohne Falcon Hypersonic Technology Vehicle 2 (HTV-2) nachdem sie, mit der Hilfe einer Trägerrakete auf eine Höhe von 100 km gebracht wird und dann mit Mach 20 ein Ziel auf der Erde ansteuern soll.
28. Mai 2010. Die US-amerikanische Luftwaffe testet erstmals die Boeing Scramjet X-51A (WaveRider). Dazu wird der Hyperschall-Flugkörper zunächst mit einer Boeing B-52 Stratofortress in eine Höhe von 15 Kilometern gebracht. Dort ausgeklinkt und anschließend von einer Feststoffrakete auf 4,8fache Schallgeschwindigkeit beschleunigt. Schließlich wird der herkömmliche Treibsatz abgeworfen und der sogenannte Scramjet der X-51A gezündet.
Die X-51A fliegt bei dem Test etwa 200 Sekunden lang und erreicht Mach 5. Dann ereignet sich eine "Anomalie". Der Test wird abgebrochen, die X-51A stürzt vorzeitig in den Pazifik.
November 2011. Die Falcon erreicht kurzzeitig 20.900 Stundenkilometer. In neun Minuten werden bei der Gesamtmission 6400 Kilometer zurückgelegt. Die Außentemperatur erreicht über 1900 Grad Celsius. Stahl würde schmelzen. Der Flugkörper stürzt in den Pazifik.
Juni 2012. Im Rahmen des deutschen Shefex-Projekts werden bei einem Testflug in Norwegen an einem zwei Meter langen Raumgleiter neuartige Technologien für ein Hitzeschutzschild und die Steuerung erprobt. Die Gesamtmission einschließlich Aufstieg mit der Rakete dauert rund zehn Minuten. Die Mission verläuft erfolgreich, allerdings versinkt der Flugkörper im Meer.
2013. Die Darpa startet das Projekt XS-1. Dabei handelt es sich um die Entwicklung eines unbemannten Hyperschallflugzeugs das Satelliten mit einem Gewicht von 1,3 Tonnen bis 2,3 Tonnen ins All transportieren soll. Nach der Landung soll es innerhalb von 24 Stunden wieder startbereit sein. Zehn Starts in zehn Tagen ist das Ziel der Darpa. Schnelligkeit ist aber nicht die einzige Vorgabe: XS-1 soll Satelliten deutlich günstiger in den Orbit transportieren als heute die Raketen. Fünf Millionen US-Dollar soll ein Satellitenstart kosten - das ist etwa ein Zehntel des heutigen Preises.
Die XS-1 soll mit einer Rakete huckepack starten - unklar ist, ob senkrecht von einer Startrampe oder wie ein Flugzeug von einer Startbahn aus. Mit Hyperschallgeschwindigkeit (Mach 10) soll es bis unterhalb des Orbits aufsteigen. Dort wird die Rakete ausgeklinkt und gezündet. Sie bringt den Satelliten dann in eine niedrige Erdumlaufbahn (Low Earth Orbit, Leo). Währenddessen kehrt das XS-1 dann zur Erde zurück und landet wie ein Flugzeug. Drei Konsortien arbeiten an diesem Projekt.
Drei Unternehmen entwickeln Konzepte für XS-1: Boeing, Northrop Grumman und Masten Space Science Systems. Jedes der drei arbeitet wiederum mit Partnern aus der Branche zusammen: Boeing kooperiert mit Blue Origin, dem Raumfahrtunternehmen von Amazon-Gründer Jeff Bezos, Masten mit XCOR Aerospace. Northrop Grumman hat zwei Partner: Virgin Galactic und Scaled Composites.
1. Mai 2013. Die X-51A erreicht bei ihrem vierten Testflug, nach zwei erlittenen Fehlschlägen, eine Geschwindigkeit von Mach 5,1 und fliegt in etwas über sechs Minuten rund 426 Kilometer weit.
2. November 2013. Offenbar entwickelt Lockheed Martin mit der SR-72 einen Nachfolger der SR-71 der mit seinen zwei Triebwerken auf sechsfache Schallgeschwindigkeit beschleunigen kann. Möglich machen soll das ein technischer Durchbruch. Im Gegensatz zur X-51A soll die SR-72 eigenständig vom Boden starten und beschleunigen können.
Herkömmliche Triebwerke mit Schaufelrädern können ein Flugzeug nur auf Mach 2,5 beschleunigen. Die sogenannten Scramjet-Triebwerke, die Flugzeuge schon auf mehr als zehnfache Schallgeschwindigkeit katapultiert haben, funktionieren aber erst zwischen Mach 3 und 3,5. Dabei nutzen sie den Effekt, dass die Luft bei hohem Tempo mit enormen Druck in den Einlass gepresst wird.
Die Kombination beider Antriebstypen will Lockheed Martin nun zusammen mit dem Antriebshersteller Rocketdyne nach sieben Jahren Forschungsarbeit gelöst haben. Ein erster Prototyp könnte 2018 fertig sein, eine kleine Testversion mit einem Triebwerk 2023 abheben. Ein Erstflug einer SR-72 könnte der Planung nach im Jahr 2030 stattfinden.
2014. Ein weiterer Test mit der Weltraumdrohne Falcon scheitert.
9. Januar 2014. China testet einen Flugkörper mit der Bezeichnung WU-14 (DF-ZF). Bei der experimentellen Waffe soll es sich nach amerikanischen Berichten um einen Hyperschallgleiter handeln, der von einer Interkontinentalrakete gestartet worden sei. Behörden sprechen von einer Geschwindigkeit von Mach 10. Es handelt sich um Chinas ersten Körper, der die Hyperschallgeschwindigkeit erreicht. Das Fluggerät hält der Belastung aber nicht stand.
Chinesische Experten verteidigen den Test. China habe einen Rückstand bei High-Tech-Waffensystemen gegenüber den USA. Nach den Enthüllungen in US-amerikanischen Medien sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking, der Versuch habe „wissenschaftlichen Zwecken“ gedient. Es sei nur „normal“, dass China solche Experimente ausführe. „Diese Tests richten sich nicht gegen irgendein Land oder spezielles Ziel.“
7. August 2014. China testet zum zweiten Mal eine Hyperschall-Waffe. Dieses Mal erfolglos. Der Raketenträger mit dem Gleiter zerbricht offenbar kurz nach dem Start von der Raketentest-Basis Jiuquan in der Luft über der Wüste Gobi. Im chinesischen Internet kursieren danach Amateurbilder von Trümmern einer Raketenstufe.
26. August 2014. Die Falcon Advanced Hypersonic Weapon wird auf dem Militärgelände „Kodiak Launch Complex“ auf den Kodiak-Inseln in Alaska gestartet. Nur vier Sekunde nach dem Start wird die Startrakete aus Sicherheitsgründen gesprengt ehe der eigentliche Test beginnt. Die Abschussrampe wird durch herunterfallende Teile der Waffe beschädigt. Die Waffe landet danach wieder auf dem Abschussgelände. Die Rakete soll keinen Sprengkopf getragen haben und von den herabstürzenden Teilen soll niemand verletzt worden sein.
13. August 2015. Die Darpa knapp 20 Millionen US-Dollar für die zweite Entwicklungsphase des unbemannten Hyperschallflugzeugs XS-1 bereit. Jedes der drei Konsortien erhält rund 6,5 Millionen US-Dollar. Bis 2016 haben die drei Unternehmen Zeit, ein finales Design zu entwickeln. Nach den Vorstellungen der Darpa soll XS-1 den Erstflug 2018 absolvieren.
Ab 2016. Eine internationale Forschergruppe in Australien testet im Rahmen des HiFiRE-Programms die grundlegenden Technologien für Hyperschallflüge.
27. Oktober 2016. Russland testet mit dem Start einer RS-18 Interkontinentalrakete einen neuartigen hypersonischen Gefechtskopf („Objekt 4202“), der auch mit Atomwaffen bestückt werden kann. Trotz Hochgeschwindigkeit soll „Objekt 4202“ seine Richtung im Flug verändern können. Die britische DailyMail geht davon aus, dass der Sprengkopf bei der neuen Satan-2-Rakete eingesetzt werden könnte, die sich derzeit ebenfalls in der Entwicklung befindet.
2. März 2018. Russland verkündet, erfolgreich eine Hyperschallrakete getestet zu haben. Nach Angaben von Wladimir Putin (Präsident der russischen Föderation) kann die Präzisionsrakete vom Typ Kinschal (Dolch) zehnfache Schallgeschwindigkeit erreichen und demnach alle existierenden Abwehrsysteme überwinden.
20. April 2018. Die US-amerikanische Luftwaffe stellt dem Rüstungshersteller Lockheed Martin 928 Millionen US-Dollar (748 Millionen Euro) für die Entwicklung einer Hyperschallrakete zur Verfügung. Der Vertrag umfasse alle Elemente einer konventionellen Hyperschall-Langstreckenrakete, die von einem Kampfflugzeug aus abgeschossen werden kann, erklärte das Pentagon. Die USA reagieren damit auf die schnell fortschreitende Entwicklung ähnlicher Waffen in Russland und China.
Bilder aus Wikimedia Commons
Computersimulation der Strömung um die X-43 bei Mach 7 und laufendem Triebwerk, Lizenz: Public Domain, Urheber: NASA
Quellen