John von Neumann |
Der österreichisch-ungarische Mathematiker John von Neumann (ungarisch margittai Neumann János) wurde am 28. Dezember 1903 in Budapest (Österreich-Ungarn) als János Lajos Neumann geboren († 8. Februar 1957 in Washington, D.C.). Er gilt als einer der genialsten und vielseitigsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts.
Er leistete bedeutende Beiträge zur mathematischen Logik, Funktionalanalysis, Quantenmechanik und Spieltheorie und gilt als einer der Väter der Informatik. Später nannte er sich Johann von Neumann (von Margitta); heutzutage ist er vor allem unter seinem in den USA gewählten Namen John von Neumann bekannt.
Von Neumann war einerseits geschätzt, weil er seine Ideen freigiebig weitergab und Kollegen weiterhalf (bei Besuchen in Los Alamos war er oft von einer Traube von Wissenschaftlern umgeben, die schnellen Rat wollten), andererseits gefürchtet, da er Ideen schnell aufgriff und mit atemberaubender Geschwindigkeit eigene Theorien daraus entwickelte.
Über von Neumann kursierten zahlreiche Anekdoten. Beispielsweise versuchte jemand ihn durch folgendes Rätsel zu testen: „Die Endpunkte einer Strecke s bewegen sich mit der Geschwindigkeit v aufeinander zu, ein Läufer flitzt zwischen den beiden Endpunkten mit einer Geschwindigkeit w > v hin und her. Welche Strecke legt er zurück?“ Es gibt eine einfache und eine etwas kompliziertere Lösungsmethode (Summation der Teilstrecken). Von Neumann gab die Antwort blitzschnell und erklärte auf Nachfrage, die Reihe summiert zu haben – er hatte also den komplizierten Weg gewählt, was für ihn jedoch keinen höheren Zeitaufwand bedeutete.
Wegen seiner Fähigkeit, komplexe Sachverhalte schnell in einfache Fragestellungen zu zergliedern und oft aus dem Stand einer Lösung zuzuführen, sowie seiner streng sachbezogenen, jeden unnötigen Streit vermeidenden Haltung wurde von Neumann gerne als technischer Berater engagiert (so von IBM, Standard Oil, RAND Corporation u. a.), sodass sein Name in zahlreichen Anwendungsgebieten ein Begriff ist. Beispielsweise veröffentlichte er 1952 das Von-Neumann-Gesetz, das die zeitliche Änderung der Größe von Zellen zweidimensionalen Schaumes beschreibt. Für Standard Oil half er Methoden zu entwickeln, Öl-Lagerstätten besser auszunutzen. Sein Tod verhinderte eine geplante größere Zusammenarbeit mit IBM. Für die RAND Corporation wandte er die Spieltheorie auf strategische Denkspiele an, wie auch gleichzeitig andere Mathematiker wie John Nash und John Milnor. In einer unveröffentlichten Arbeit 1953 legte er auch die Prinzipien des Halbleiterlasers dar.
John von Neumann war ein lebenslustiger und geselliger Mensch (Spitzname „Good Time Johnny“); er war zweimal verheiratet (Marietta Kövesi und Klára Dán) und hatte eine Tochter (Marina). Sein Haus in Princeton war Mittelpunkt der akademischen Kreise auf den legendären Princeton-Partys. Von Neumann liebte auch schnelle Wagen (Cadillac, Studebaker), sein Fahrstil war aber gefürchtet, da er sich bei ruhigem Verkehr schnell langweilte und dann in Geistesabwesenheit verfiel. Auch mitten aus einer Party konnte er sich plötzlich verabschieden, um ein mathematisches Problem zu durchdenken. Sein Alkoholkonsum war teilweise nur vorgetäuscht, wie das Kind eines Gastes einmal überrascht feststellte. Ein weiterer Aspekt des „Unterhaltungskünstlers“ von Neumann war sein unerschöpfliches Reservoir oft schlüpfriger Witze und seine Vorliebe für Limericks.
Er war Mitglied der Accademia dei Lincei, der American Academy of Arts and Sciences, der National Academy of Sciences, der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften, des Istituto Lombardo in Mailand, der American Philosophical Society, der peruanischen Akademie der Wissenschaften.
Nach Neumann ist die John-von-Neumann-Medaille der IEEE, der John-von-Neumann-Theorie-Preis in Operations Research, die John von Neumann Lecture der SIAM sowie der Von-Neumann-Mondkrater benannt. Die Institute für Informatik und Mathematik der Humboldt-Universität zu Berlin sitzen im John-von-Neumann-Haus.
Leben
28. Dezember 1903. John von Neumann wird in eine jüdische Bankiersfamilie geboren. Schon als Kind zeigte John Neumann jene überdurchschnittliche Intelligenz, die später selbst Nobelpreisträger – zum Beispiel Eugene Paul Wigner – zum Staunen brachte.
1909. Als Sechsjähriger kann er mit hoher Geschwindigkeit achtstellige Zahlen im Kopf dividieren. Er besitzt ein außergewöhnliches Gedächtnis, das ihm beispielsweise erlaubt, den Inhalt einer Buchseite nach einem kurzen Blick darauf präzise wiederzugeben. Später kann er ganze Bücher wie Goethes Faust auswendig und so zum Beispiel auch durch detailliertes historisches Wissen glänzen. Er besucht in Budapest das humanistische deutschsprachige Lutheraner-Gymnasium, wie auch gleichzeitig Eugene Paul Wigner.
1. Juli 1913. Sein Vater, der königlich ungarische Regierungsrat Max Neumann, wird in den ungarischen Adelsstand erhoben.
1920. Schon als Gymnasiast glänzt er durch mathematische Leistungen und veröffentlicht mit 17 Jahren seinen ersten mathematischen Artikel.
1921 bis 1923. Dem Wunsch seiner Eltern folgend, studiert er jedoch zunächst Chemieingenieurwesen in Berlin und dann bis zu seinem Diplom an der ETH Zürich. Sein eigentliches Interesse gilt allerdings immer der Mathematik, der er sich gewissermaßen als „Hobby“ widmet. Er besucht, da er in Budapest zunächst nicht zugelassen wird (Kontingentierung für Juden), Mathematikkurse von Hermann Weyl und George Pólya an der ETH und macht schon bald auf sich aufmerksam.
1926/1927. Er arbeitet in Göttingen mit David Hilbert zusammen.
1927. Von Neumann ist ebenfalls Verfasser des ersten mathematisch durchdachten Buches zur Quantenmechanik, in dem er den Messprozess und die Thermodynamik der Quantenmechanik behandelt. Das "heiße" Thema der sich stürmisch entwickelnden Quantenmechanik ist auch der Hauptgrund, warum er sich der Funktionalanalysis zuwendet und die Theorie linearer Operatoren in Hilberträumen entwickelt, genauer die der unbeschränkten selbstadjungierten Operatoren. Die Mathematiker in Göttingen wenden gegen die neue Quantenmechanik ein, dass mit den bis dahin untersuchten linearen beschränkten Operatoren die kanonischen Vertauschungsrelationen nicht zu erfüllen sind. Von Neumann klärt das und liefert gleichzeitig zahlreiche weitere Beiträge zu diesem Gebiet.
Als man allerdings später Werner Heisenberg fragt, ob er von Neumann deswegen nicht dankbar sei, stellte er nur die Gegenfrage, wo denn der Unterschied zwischen beschränkt und unbeschränkt liege. Von Neumanns Buch über Quantenmechanik geniesst einen derartigen Ruf, dass selbst sein "Beweis" der Unmöglichkeit von Hidden-Variable-Theorien, der zwar korrekt ist, aber von falschen Voraussetzungen ausgeht, lange nicht hinterfragt wird. Die Physiker bevorzugen jedoch zu von Neumanns Leidwesen die fast gleichzeitig veröffentlichten Principles of Quantum mechanics von Paul Dirac, in der das angesprochene mathematische Problem durch Einführung von Distributionen umgangen wird, die bei den Mathematikern zunächst verpönt sind, ehe sie auch dort Ende der 1940er Jahre ihren Siegeszug antreten.
1928. Ein Aufsatz des Mathematikers Émile Borel über Minimax-Eigenschaften führt ihn zu Ideen, die später auf einen seiner originellsten Entwürfe hinauslaufen, die Spieltheorie. Von Neumann beweist in diesem Jahr das Min-Max-Theorem für die Existenz einer optimalen Strategie in "Nullsummenspielen".
1928/1929. Mit Eugene Wigner veröffentlicht von Neumann eine Reihe von Arbeiten über die Anwendung der Gruppentheorie in den Atomspektren. Auch hier ist die Begeisterung der Physiker gedämpft, es wird sogar von "Gruppenpest" gesprochen, die sich von Seiten der Mathematiker in der Quantenmechanik breitzumachen versucht.
Das Stone-von Neumann-Theorem drückt die Eindeutigkeit der kanonischen Kommutatoren von zum Beispiel Orts- und Impulsoperatoren in der Quantenmechanik aus und zeigt die Äquivalenz von deren beiden grundlegenden Formulierungen von Schrödinger (Wellenfunktion) und Heisenberg (Matrizen).
Seine Arbeiten über Quantenmechanik begründen seinen Ruf in Amerika – und nicht zuletzt im Hinblick auf einen Wechsel auf besser bezahlte Positionen in den USA beschäftigt er sich so intensiv mit ihr.
1928 bis 1932. Von Neumann ist von 1928 bis 1932 (jüngster) Privatdozent der Berliner Universität und im Sommersemester 1929 an der Universität Hamburg. Am Anfang seiner Karriere als Mathematiker beschäftigt sich von Neumann unter anderem mit der Entwicklung der axiomatischen Mengenlehre, für die er noch als Student einen neuen Ansatz findet und mit der Hilbertschen Beweistheorie. Diese Themen sind derzeit das aktuelle Forschungsgebiet der Gruppe um Hilbert in Göttingen, im Moment noch eines der Weltzentren der Mathematik. Seine Definition der Ordinalzahlen ist später ein Standard: Eine neue Ordinalzahl wird durch die Menge der bereits eingeführten definiert. Die Phase seiner Beschäftigung mit mathematischer Logik endet mit dem Bekanntwerden von Gödels Unvollständigkeitssatz, der Hilberts Programm einen schweren Schlag versetzt. Gödel ist später ein enger Freund und Kollege von Neumann und Albert Einstein in Princeton.
Herbst 1929. Er wird von Oswald Veblen eingeladen, an die Princeton University in New Jersey zu kommen und Vorträge über Quantenmechanik zu halten, und er wechselte auch in den folgenden Jahren zwischen Princeton und Deutschland.
1930er Jahre. Von Neumann entwickelt in einer Serie von Arbeiten mit Francis Murray eine Theorie von Algebren beschränkter Operatoren in Hilberträumen, die Jacques Dixmier später von-Neumann-Algebren nennt. Diese sind spter ein Forschungsgebiet (zum Beispiel Alain Connes, Vaughan F. R. Jones), das auch – wie von Neumann vorhersieht – Anwendungen in der Physik hat, allerdings weniger in der Quantenmechanik als in der Quantenfeldtheorie und Quantenstatistik. Von Neumann und Murray beweisen ein Klassifikationstheorem für Operatoralgebren als direkte Summe von "Faktoren" (mit trivialem Zentrum) vom Typ I, II, III, jeweils mit Unterteilungen.
Operatoralgebren sind Teil seiner Suche nach einer Verallgemeinerung des quantenmechanischen Formalismus, denn er sagt in einem Brief an Birkhoff 1935, er würde nicht mehr an Hilberträume glauben. Weitere Versuche in dieser Richtung sind die Untersuchung der „lattice theory“ (Theorie der Verbände), zunächst als Algebra von Projektionsoperatoren im Hilbertraum (an der auch Birkhoff beteiligt war), später als Erweiterung der Logik zur „Quantenlogik“ interpretiert, und kontinuierliche Geometrien, die sich aber am Ende als kein Fortschritt gegenüber Operatoralgebren erweisen.
Ein weiteres Arbeitsfeld der 1930er Jahre in Princeton ist das berühmte Ergodenproblem, bei dem es um die mathematische Grundlegung der statistischen Mechanik in klassischen Systemen geht (Gleichverteilung der Bahnen im Phasenraum). Von Neumann hat in Deutschland diese Fragen schon von quantenmechanischer Seite behandelt. Nachdem Bernard Koopman das Problem in Operator-Form gebracht hat, greift von Neumann es auf und liefert sich unfreiwillig ein „Duell“ mit dem bekannten US-amerikanischen Mathematiker George David Birkhoff. Wie er später sagt, hätte er eine Zusammenarbeit vorgezogen.
Ab 1933. Er wirkt am neu gegründeten, anspruchsvollen Institute for Advanced Study in Princeton als Professor für Mathematik. Einige seiner Kollegen dort sind Albert Einstein und Hermann Weyl. Wie diese emigriert auch von Neumann nach der Machtergreifung Hitlers dauerhaft in die USA.
1936. In den Wirtschaftswissenschaften wird später ein Seminarvortrag von diesem Jahr zur mathematischen Modellierung expandierender Wirtschaften häufig zitiert.
1937. Colloquium Lecturer der American Mathematical Society.
1938. Bôcher Memorial Prize.
1943. Von Neumann sagt in einer Diskussion mit Jacob Bronowski beim Studium von Bombenkratern auf Luftbildern:
"Nein, nein, du siehst das nicht richtig. Dein visualisierender Verstand kann das nicht richtig sehen. Du musst abstrakt denken. Was passiert, ist, dass der erste Differentialquotient identisch verschwindet und daher das, was sichtbar wird, die Spur des zweiten Differentialquotienten ist."
Bronowski berichtet später, dass er auf diesen Rat hin das besprochene Problem neu durchdachte und spät in der Nacht von Neumanns Sicht bestätigt fand – als er ihm dies am nächsten Morgen mitteilt, bittet ihn von Neumann nur, ihn doch bitte das nächste Mal zu so einer für von Neumann frühen Stunde nur zu stören, falls er falsch läge, und nicht falls er recht habe.
Ab 1943. Von Neumann arbeitet am Manhattan-Projekt in Los Alamos. Er war schon in den Jahren zuvor bei der Army und Navy ein gefragter Berater (Ballistikfragen aller Art, Hohlladungen, operations research, Bekämpfung deutscher Magnetminen, Optimierung der Wirkung von Bomben mit „schrägen Stoßwellen“ usw.). Eines seiner Hauptarbeitsgebiete ist denn auch die Theorie der Stoßwellen, die in den 50er Jahren für den Überschallflug aktuell wird und die er unter anderem für die Entwicklung von Sprengstofflinsen für den Implosionsmechanismus der Plutoniumbombe nutzt. In diesen Zusammenhang gehört auch seine Entwicklung des ersten numerischen Verfahrens zur Lösung von hyperbolischen partiellen Differentialgleichungen, des Monte-Carlo-Verfahrens mit Stanislaw Ulam, die von-Neumann-Stabilitätsanalyse sowie seine Pionierleistungen in der Rechnerarchitektur. Übrigens optimiert er mit seiner Expertise in der Theorie der Stoßwellen während des Zweiten Weltkriegs auch englische Luftminen über Deutschland. Auch an der Weiterentwicklung des US-amerikanischen Atombomben-Programms bis hin zur Wasserstoffbombe ist von Neumann beteiligt.
Neben seinen mathematischen Leistungen ist von Neumann als Regierungsberater auch politisch einflussreich. Vor dem Abwurf der Atombomben auf Japan ist er ein Mitglied des Target Committee, das die genauen Ziele der Bomben mitbestimmt. Er berechnet dabei auch die optimale Detonationshöhe der Atombomben, um einen möglichst großen Schaden durch die Explosion am Boden zu erzielen. Mit dem Namen John von Neumann ist angeblich auch die Idee verbunden, die Ost-West-Konfrontation durch die Explosion einer Wasserstoffbombe über unbewohntem sowjetischem Gebiet zu beenden, die Sowjetunion von der Entwicklung einer eigenen Bombe abzuhalten und dauerhaft einzuschüchtern. Ob US-Präsident Eisenhower allerdings tatsächlich durch von Neumann zu einem solchen Schritt gedrängt wird, ist später umstritten. Er ist auch wesentlich daran beteiligt, das militärische Raketenprogramm der USA auf den Weg zu bringen.
1944. Mit dem Wirtschaftswissenschaftler Oskar Morgenstern schreibt das Buch The Theory of Games and Economic Behavior (3. Auflage 1953), wo auch die für die Ökonomie wichtige Verallgemeinerung auf n-Personen Spiele behandelt wird. Er wird damit zum Begründer der Spieltheorie, die er allerdings weniger auf klassische Spiele anwendet, als auf alltägliche Konflikt- und Entscheidungssituationen bei unvollkommener Kenntnis der Absichten des Gegenspielers (wie beim Pokern).
August 1944. Von Neumann stößt durch eine zufällige Begegnung auf einem Bahnsteig mit dem ihm zuvor nicht bekannten Mathematiker Goldstine zu den Computerentwicklern der Moore School, wo Goldstine Verbindungsoffizier der US-Army ist.
1945. Er beschreibt im First Draft of a Report on the EDVAC die Von-Neumann-Architektur (auch Von-Neumann-Rechner) benannt, ein Computer, in dem Daten und Programm binär codiert im selben Speicher liegen. Das Programm selbst kann somit im laufenden Rechenvorgang verändert werden und durch bedingte Sprungbefehle von der festgelegten Reihenfolge der gespeicherten Anweisungen abgewichen werden. Es definiert in loser Analogie zum menschlichen Hirn (wie er im Report schreibt) eine Rechnerarchitektur aus Steuereinheit und arithmetischer Einheit sowie eine Speichereinheit. Die Befehle werden seriell abgearbeitet.
Damit wird er einer der "Väter der Informatik". Der Bericht ist als Diskussionsbericht mit der ENIAC-Gruppe gedacht und bleibt zunächst unveröffentlicht, kursiert jedoch schnell in wissenschaftlichen Kreisen. So gut wie alle modernen Rechner beruhen später auf von Neumanns Idee.
Von Neumanns Rolle als alleiniger Erfinder der nach ihm benannten modernen Rechnerarchitektur wird bestritten ist und seit längerem Gegenstand von Auseinandersetzungen. später wird deshalb vorzugsweise statt „Von-Neumann-Rechner“ die Bezeichnung „speicherprogrammierter Rechner“ (stored program computer) verwendet. Insbesondere betrifft das die Ansprüche der eigentlichen Erbauer des ersten Röhrencomputers ENIAC und dessen Nachfolgemodells EDVAC, John Presper Eckert und John William Mauchly von der Moore School der University of Pennsylvania in Philadelphia, mit denen von Neumann und Herman Goldstine anfangs eng zusammenarbeiteten.
1946. Wie Goldstine berichtet, beendet die von ihm selbst betriebene freizügige Verbreitung des Edvac-Reports die enge Beziehung von ihm und von Neumann zu Eckert und Mauchly, die ihren Beitrag in dem (eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmten) Edvac-Report nicht gewürdigt sehen und für wesentliche Teile des Von-Neumann-Rechners Prioritätsansprüche geltend machen. Bei Eckert und Mauchly stehen Patentüberlegungen im Vordergrund, die dazu führten, dass sie die Moore School verlassen, um eine eigene Firma zu gründen, und die später zu einem jahrzehntelangen Streit vor Gericht führen (sie schalteten schon 1945 Patentanwälte ein).
Von Neumann sieht dagegen zunächst Bedarf für weitere Forschung und Entwicklung und tritt für eine offene Diskussion und weite Verbreitung der Ergebnisse ein. Teile des Konzepts werden unabhängig auch von anderen Computerpionieren – darunter Konrad Zuse in Deutschland – entwickelt, u. a. die Idee der Trennung von Speicher und Prozessor, die schon in Zuses noch rein mechanischen Z1 im Jahr 1938 erfolgt. Zuses frühen Rechnern, die für Spezialaufgaben ausgelegt waren, fehlte jedoch das wesentliche Konzept der bedingten Verzweigung, obwohl es ihm bekannt war und er es in seinem Plankalkül verwendete. Von Neumann setzt sich seinerzeit vehement für die weitere Entwicklung der Rechenmaschinen ein. Die Verdienste von Neumanns beruhen insbesondere auf der Mathematisierung und Verwissenschaftlichung der Rechenmaschinen.
1947. In der zweiten Auflage von The Theory of Games and Economic Behavior präsentieren Morgenstern und von Neumann den Von-Neumann-Morgenstern-Erwartungsnutzen und leisten damit bedeutende Beiträge zur Nutzentheorie.
1947. Gibbs Lecturer der American Mathematical Society. Er erhält in diesem Jahr auch die Verdienstmedaille des US-Präsidenten (Medal for Merit).
Ab 1949. Von Neumann leitet am Institute for Advanced Study schließlich ein eigenes Computerprojekt, den IAS-Computer, in dem er seine Ideen verwirklichen kann, darunter auch viele Programmierkonzepte. Auf ihn gehen Unterprogramme mit Parameterübergabe über einen Verweis auf eine Speicherstelle, verschiedene Verfahren zur Erzeugung von Zufallszahlen (unter anderem die Mittquadratmethode und die Verwerfungsmethode) und der Mergesort zurück. Er trägt maßgeblich zur Verwendung von Binärcodes in den Rechnersystemen bei und propagiert die Verwendung von Flussdiagrammen, in denen er auch eine Art von Assertions vorsieht, die als Vorläufer für Schleifeninvarianten im Hoare-Kalkül angesehen werden können. Ein enger Mitarbeiter wird Goldstine, den er aus der ENIAC-Gruppe übernimmt.
Auch die Reports aus Princeton ab 1949 lässt er frei zirkulieren, und schon bald entstehen überall in den USA und England Rechner nach diesen Vorbildern. Genutzt wird der IAS-Rechner und der nach von Neumanns Ideen umgebaute ENIAC vor allem für militärische Berechnungen (Ballistik). Von Neumann nutzt den Princeton-Rechner allerdings auch für Pionierarbeiten in der numerischen Wettervorhersage, wie die erste rechnergestützte 24-Stunden-Wetterprognose.
1950. Er hält einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Cambridge (Massachusetts) (Shock interaction and its mathematical aspects).
1951 bis 1953. Präsident der American Mathematical Society.
1953. Er entwickelt auch die Theorie selbstreproduzierender Automaten (von Burks 1966 als Theory of self reproducing automata herausgegeben), für die er ein kompliziertes Beispiel angibt (heute ergeben sich viel einfachere aus der Theorie der zellulären Automaten, zum Beispiel John Horton Conways Spiel des Lebens). Ideen dafür hat er offenbar auch beim Spielen mit einem Bauklötzchen-Spiel (Tinkertoy) ausprobiert. Science-Fiction-Autoren stellen sich die Besiedlung unserer Galaxie mit solchen Automaten vor und prägen dafür den Namen Von-Neumann-Sonden.
1954. Er hält einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Amsterdam (On unsolved problems in mathematics).
1956. Er erhält die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten (Medal of Freedom), den Albert Einstein Commemorative Award und den Enrico-Fermi-Preis.
8. Februar 1957. Von Neumann stirbt in Washington, D.C nach einem qualvollen Krebsleiden, das möglicherweise durch seine Teilnahme an Atomtests verursacht worden ist, im Washingtoner Walter-Reed-Militärkrankenhaus. Ein Soldat hielt vor dem Zimmer Wache, damit er im Delirium (der Krebs griff am Ende auch sein Gehirn an) keine Staatsgeheimnisse weitergab. Noch auf dem Totenbett schrieb er an seinem Buch "Die Rechenmaschine und das Gehirn", in dem er den Besonderheiten des "Computers" im menschlichen Kopf nachging.
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John von Neumann, Lizenz: Public Domain, Urheber: LANL
Quellen