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Der
Atomwaffensperrvertrag oder Vertrag über die Nichtverbreitung von
Atomwaffen (NVV bzw. englisch Treaty on the Non-Proliferation of
Nuclear Weapons, kurz Non-Proliferation Treaty oder NPT) ist ein
internationaler Vertrag, der das Verbot der Verbreitung und die
Verpflichtung zur Abrüstung von Kernwaffen sowie das Recht auf die
„friedliche Nutzung“ der Atomenergie zum Gegenstand hat.
Der
Atomwaffensperrvertrag wurde von den fünf Atommächten Russland
(Sowjetunion), USA, Frankreich, Volksrepublik China und
Großbritannien initiiert und mittlerweile von 190 Staaten
unterzeichnet bzw. ratifiziert. Nur vier Nationen gehören zu den
nicht unterzeichnenden Staaten. Neben Indien und Pakistan, die
mittlerweile Atomwaffen entwickelt und getestet haben, auch Israel,
das mutmaßlich ebenfalls über Atomwaffen verfügt, dies aber weder
bestätigt noch dementiert. Nordkorea ist dem Atomwaffensperrvertrag
1985 beigetreten, hat aber am 10. Januar 2003 den Austritt erklärt
und – nach eigenen Angaben – seit dem 29. Oktober 2006 drei
Atomwaffen erfolgreich getestet.
Inhalt
Im
Atomwaffensperrvertrag verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht
im Besitz von Atomwaffen sind, auf den Erwerb von Atomwaffen (siehe
Artikel I bis III). Die fünf offiziellen Atommächte, die diesen
Status dadurch erlangten, dass sie vor dem 1. Januar 1967 eine
Atomwaffe gezündet haben (s. Artikel IX), verpflichten sich im
Gegenzug, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen […] über
einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter
strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ (s. Artikel VI).
Dies ist die einzige bindende Verpflichtung zur vollständigen
Abrüstung der Atomwaffenstaaten in einem multilateralen Vertrag.
Außerdem steht laut
Vertrag jedem Mitgliedstaat das „unveräußerliche Recht“ auf ein
ziviles Atomprogramm zu. Alle Vertragsunterzeichner verpflichten
sich, „den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material
und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur
friedlichen Nutzung derAtomenergie zu erleichtern“ (s. Artikel IV).
Jeder Staat darf den
Vertrag kündigen, muss dies jedoch drei Monate zuvor bekanntgeben
(s. Artikel X).
Kritik am Vertrag
Kritiker bemängeln,
der Atomwaffensperrvertrag schreibe eine Ungleichheit zwischen den
offiziellen Atommächten und den atomwaffenfreien Staaten fest:
Während letzteren der Besitz dieser Waffen verboten ist, würden die
Atommächte keine Bestrebungen machen, ihre Abrüstungsverpflichtung
umzusetzen. Verstärkt werde diese Ungleichheit dadurch, dass die im
Vertrag festgelegten Atomwaffenstaaten zugleich die ständigen
Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat sind, die dort ein Vetorecht haben
und völkerrechtliche Versuche, sie zur Abrüstung zu bewegen,
blockieren können. Es wird in Frage gestellt, ob die Atommächte,
die alle schon Angriffskriege geführt haben, die moralische
Berechtigung haben, anderen Staaten Vorschriften über ihre
Bewaffnung zu machen.
Auch wird
kritisiert, dass der Vertrag die Ausbreitung von Atomwaffen nicht
umfassend begrenzen konnte. Seit geraumer Zeit wird angenommen, dass
Israel – vermutlich bereits seit 1967 – über Atomwaffen verfügt,
wenngleich dies von israelischer Seite weder bestätigt noch
dementiert wird. Indien und Pakistan haben offiziell bestätigt,
solche Waffen zu besitzen, und haben sie getestet; Nordkorea hat 2006
und 2009 vermutlich Atombomben getestet, auch wenn diese Tests nicht
einwandfrei funktioniert haben. Auch Südafrika hat während der
Apartheid ein Atomwaffenprogramm verfolgt, dieses Anfang der 1990er
aber freiwillig aufgedeckt und beendet. Südafrika gilt daher als
Musterbeispiel, wie UN-Embargos von Staaten unterlaufen werden
können. Derzeit werden dem Iran von manchen – darunter von Seiten
der USA und der EU – Bestrebungen vorgeworfen, Atomwaffen zu
entwickeln.
Kritik an der
Umsetzung des Vertrags
- Viele Kritiker werfen den offiziellen Atommächten vor, ihrer Verpflichtung zur Abrüstung nach Artikel VI nicht nachzukommen. Einige Atommächte modernisieren ihre Arsenale und entwickeln neue Waffen und Trägersysteme, statt abzurüsten. So forschten z. B. die USA unter George W. Bush an kleineren, zielgenaueren Atomwaffen, sogenannten Mini-Nukes und Bunkerbrechern, die tatsächlich eingesetzt hätten werden können und so die Grenze zwischen konventionellen und atomaren Waffen hätten verschwimmen lassen. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen fordern die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen durch eine Atomwaffenkonvention.
- Manche Beobachter sehen in der Atomaren Teilhabe, in deren Rahmen Atomwaffen der USA in europäischen NATO-Ländern, einschließlich Deutschland, stationiert sind, einen Verstoß gegen das Verbot des Vertrages, diese Waffen an Nichtatomwaffenstaaten weiterzugeben.
- Jeder Mitgliedstaat hat das Recht zur zivilen Nutzung (laut Vertragstext: „peaceful use“ – „friedliche Nutzung“) der Atomenergie. Im Konflikt um das iranische Atomprogramm will der Iran dieses Recht verteidigen und wehrt sich gegen die Forderung, die Urananreicherung einzustellen. Im Artikel III des Vertrags verpflichtet sich jeder Nichtkernwaffenstaat zu Sicherungsmaßnahmen für spaltbares Material und für Ausgangsmaterial zur Herstellung von spaltbarem Material, die Herstellung an sich ist zu zivilen Zwecken nicht verboten.
- Jede „Vertragspartei ist in Ausübung ihrer staatlichen Souveränität berechtigt, von diesem Vertrag zurückzutreten“ (Artikel X), Sanktionsinstrumente sind nicht Vertragsbestandteil. Nordkorea machte von diesem Artikel Gebrauch und kündigte den Vertrag mit Brief vom 10. Januar 2003 an den UN-Sicherheitsrat. Kritiker werfen Nordkorea vor, sich nicht an die Provisionen aus Artikel X gehalten zu haben, welcher vorsieht, dass der austretende Staat seine Kündigung nicht nur dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sondern auch allen anderen Staaten mitteilen muss. Dies tat Nordkorea nicht; daraus ist für Kritiker nun völkerrechtlich unklar, ob das Land noch stets Vertragsmitglied ist oder nicht.
- Anhand der Beispiele Irans und Nordkoreas wird deutlich, dass der Atomwaffensperrvertrag über keine eigenen Sanktionsinstrumente verfügt, um gegen Vertragsbruch oder Kündigung vorgehen zu können. Es besteht einzig die Möglichkeit, dass die IAEO einen Vertragsbruch feststellt und gemäß Artikel XII.7.B ihres Statuts den entsprechenden Fall an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überweist. Dies hat sie im Falle Irans im Jahr 2006 vollzogen. Im Falle Nordkoreas wurde der Sicherheitsrat eigenständig tätig.
- Es wird spekuliert, Verstöße gegen das Verbot der Weitergabe von Kernwaffentechnologie seien nicht aufgedeckt worden. Hierbei ist insbesondere ein Fall bekannt geworden: Abdul Qadir Khan, der Vater der pakistanischen Atombombe, hat zugegeben, er habe geheime Informationen über den Bau von Atombomben, an die er während seiner Beschäftigung in einem Urananreicherungsunternehmen der Urenco-Gruppe in den Niederlanden gelangte, an Pakistan weitergegeben und später auch an den Iran verkauft. Zumindest die pakistanische Regierung hat dies bestätigt. Demnach hätte sich der Unterzeichnerstaat Iran eines Verstoßes gegen den Atomwaffensperrvertrag schuldig gemacht.
Überprüfung
Die Internationale
Atomenergie-Organisation (IAEO) kontrolliert die Einhaltung des
Vertrags, unter anderem durch Vor-Ort-Inspektionen in kerntechnischen
Anlagen (s. Artikel III). Da diese Kontrollen aber angemeldet werden
und sich zudem nur auf solche Anlagen richten, die die
Vertragsstaaten freiwillig zur Kontrolle anbieten, bieten sie kaum
Möglichkeiten, Verstöße gegen den Vertrag aufzudecken. Um ein
wirksameres Mittel der Überprüfung zu erhalten, hat die IAEO daher
ein Zusatzprotokoll zum Kernwaffensperrvertrag verfasst, das den
Inspektoren die Möglichkeit gibt, unangemeldete Kontrollen in
beliebigen Anlagen durchzuführen. Dieses Protokoll ist bisher in 139
Staaten in Kraft (Stand: 20. Dezember 2010). Um die Einhaltung des
NVV sicherzustellen, halten die Mitgliedstaaten alle fünf Jahre eine
Überprüfungskonferenz (englisch Nuclear Non-Proliferation Treaty
Review Conference) ab (siehe Artikel VIII):
- Überprüfungskonferenz, 1975, 91 Staaten
- Überprüfungskonferenz, 1980, 112 Staaten
- Überprüfungskonferenz, 1985, 131 Staaten
- Überprüfungskonferenz, 1990, 140 Staaten
- Überprüfungskonferenz, 17. April – 12. Mai 1995
- Überprüfungskonferenz, 24. April – 19. Mai 2000 in New York
- Überprüfungskonferenz, 2.–27. Mai 2005 in New York, 188 Staaten
- Überprüfungskonferenz, 3.–28. Mai 2010 in New York, 172 Staaten (130 Staaten waren erwartet worden)
Geschichte
1. Juli 1968. Der
Vertrag wird von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien
unterzeichnet. Noch im selben Jahr unterzeichnet auch der Iran unter
Schah Mohammad Reza Pahlavi als einer der ersten Vertragsstaaten.
28. November 1969.
Die Bundesrepubik Deutschland unterzeichnet den Vertrag.
1970. Der Iran
ratifiziert den Atomwaffensperrvertrag.
5. März 1970. Der
Atomwaffensperrvertrag tritt in Kraft.
1985. Nordkorea
tritt dem Atomwaffensperrvertrag bei.
1992. Die
Volksrepublik China und Frankreich unterzeichnen den
Atomwaffensperrvertrag.
1995. Der
Atomwaffensperrvertrag wird bei der Überprüfungskonferenz in Genf
auf unbestimmte Zeit verlängert. Zuvor hatte er nur eine
Gültigkeitsdauer von 25 Jahren.
2000. Auf Druck der
New Agenda Coalition, einer Gruppe von Nichtatomwaffenstaaten, die
die schnelle Abrüstung fordern, werden in New York 13 Schritte zur
vollständigen atomaren Abrüstung beschlossen.
10. Januar 2003.
Nordkorea tritt aus dem Atomwaffensperrvertrag aus.
2005. Bei der
Überprüfungskonferenz in New York scheitert die Weiterführung zur
vollständigen atomaren Abrüstung aufgrund der Blockadehaltung der
USA und bleibt ohne Ergebnis.
April 2010. Die USA
und Russland einigen sich im neuen Strategic Arms Reduction Treaty
darauf, ihre Bestände von strategischen Atomsprengköpfen und
Trägersystemen zu verkleinern.
Mai 2010. Die 189
Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrag versammeln sich in New
York abermals zur fünfjährig stattfindenden Überprüfungskonferenz.
Auf der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags wird
beschlossen, dass im Jahr 2012 eine internationale Konferenz über
die Möglichkeit eines grundsätzlichen Verbots von
Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten erörtern soll. „Damit wird
zum Abschluss der alle fünf Jahre stattfindenden Folgekonferenz zur
Überprüfung des Sperrvertrags der Druck auf Israel erhöht.
Juni 2010. Experten
diskutieren über den Vertrag und den Weg zu einer kompletten
Abrüstung auf dem „26. Forum Globale Fragen“ im Auswärtigen Amt
in Berlin.
Bilder aus Wikimedia Commons
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Quellen