Sonntag, 3. Februar 2019

Atomwaffensperrvertrag

Trinity-Test - Feuerball nach 15 ms
Der Atomwaffensperrvertrag oder Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen (NVV bzw. englisch Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, kurz Non-Proliferation Treaty oder NPT) ist ein internationaler Vertrag, der das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von Kernwaffen sowie das Recht auf die „friedliche Nutzung“ der Atomenergie zum Gegenstand hat.

Der Atomwaffensperrvertrag wurde von den fünf Atommächten Russland (Sowjetunion), USA, Frankreich, Volksrepublik China und Großbritannien initiiert und mittlerweile von 190 Staaten unterzeichnet bzw. ratifiziert. Nur vier Nationen gehören zu den nicht unterzeichnenden Staaten. Neben Indien und Pakistan, die mittlerweile Atomwaffen entwickelt und getestet haben, auch Israel, das mutmaßlich ebenfalls über Atomwaffen verfügt, dies aber weder bestätigt noch dementiert. Nordkorea ist dem Atomwaffensperrvertrag 1985 beigetreten, hat aber am 10. Januar 2003 den Austritt erklärt und – nach eigenen Angaben – seit dem 29. Oktober 2006 drei Atomwaffen erfolgreich getestet.

Inhalt

Im Atomwaffensperrvertrag verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im Besitz von Atomwaffen sind, auf den Erwerb von Atomwaffen (siehe Artikel I bis III). Die fünf offiziellen Atommächte, die diesen Status dadurch erlangten, dass sie vor dem 1. Januar 1967 eine Atomwaffe gezündet haben (s. Artikel IX), verpflichten sich im Gegenzug, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen […] über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ (s. Artikel VI). Dies ist die einzige bindende Verpflichtung zur vollständigen Abrüstung der Atomwaffenstaaten in einem multilateralen Vertrag.
Außerdem steht laut Vertrag jedem Mitgliedstaat das „unveräußerliche Recht“ auf ein ziviles Atomprogramm zu. Alle Vertragsunterzeichner verpflichten sich, „den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur friedlichen Nutzung derAtomenergie zu erleichtern“ (s. Artikel IV).
Jeder Staat darf den Vertrag kündigen, muss dies jedoch drei Monate zuvor bekanntgeben (s. Artikel X).

Kritik am Vertrag

Kritiker bemängeln, der Atomwaffensperrvertrag schreibe eine Ungleichheit zwischen den offiziellen Atommächten und den atomwaffenfreien Staaten fest: Während letzteren der Besitz dieser Waffen verboten ist, würden die Atommächte keine Bestrebungen machen, ihre Abrüstungsverpflichtung umzusetzen. Verstärkt werde diese Ungleichheit dadurch, dass die im Vertrag festgelegten Atomwaffenstaaten zugleich die ständigen Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat sind, die dort ein Vetorecht haben und völkerrechtliche Versuche, sie zur Abrüstung zu bewegen, blockieren können. Es wird in Frage gestellt, ob die Atommächte, die alle schon Angriffskriege geführt haben, die moralische Berechtigung haben, anderen Staaten Vorschriften über ihre Bewaffnung zu machen.
Auch wird kritisiert, dass der Vertrag die Ausbreitung von Atomwaffen nicht umfassend begrenzen konnte. Seit geraumer Zeit wird angenommen, dass Israel – vermutlich bereits seit 1967 – über Atomwaffen verfügt, wenngleich dies von israelischer Seite weder bestätigt noch dementiert wird. Indien und Pakistan haben offiziell bestätigt, solche Waffen zu besitzen, und haben sie getestet; Nordkorea hat 2006 und 2009 vermutlich Atombomben getestet, auch wenn diese Tests nicht einwandfrei funktioniert haben. Auch Südafrika hat während der Apartheid ein Atomwaffenprogramm verfolgt, dieses Anfang der 1990er aber freiwillig aufgedeckt und beendet. Südafrika gilt daher als Musterbeispiel, wie UN-Embargos von Staaten unterlaufen werden können. Derzeit werden dem Iran von manchen – darunter von Seiten der USA und der EU – Bestrebungen vorgeworfen, Atomwaffen zu entwickeln.

Kritik an der Umsetzung des Vertrags

  • Viele Kritiker werfen den offiziellen Atommächten vor, ihrer Verpflichtung zur Abrüstung nach Artikel VI nicht nachzukommen. Einige Atommächte modernisieren ihre Arsenale und entwickeln neue Waffen und Trägersysteme, statt abzurüsten. So forschten z. B. die USA unter George W. Bush an kleineren, zielgenaueren Atomwaffen, sogenannten Mini-Nukes und Bunkerbrechern, die tatsächlich eingesetzt hätten werden können und so die Grenze zwischen konventionellen und atomaren Waffen hätten verschwimmen lassen. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen fordern die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen durch eine Atomwaffenkonvention.
  • Manche Beobachter sehen in der Atomaren Teilhabe, in deren Rahmen Atomwaffen der USA in europäischen NATO-Ländern, einschließlich Deutschland, stationiert sind, einen Verstoß gegen das Verbot des Vertrages, diese Waffen an Nichtatomwaffenstaaten weiterzugeben.
  • Jeder Mitgliedstaat hat das Recht zur zivilen Nutzung (laut Vertragstext: „peaceful use“ – „friedliche Nutzung“) der Atomenergie. Im Konflikt um das iranische Atomprogramm will der Iran dieses Recht verteidigen und wehrt sich gegen die Forderung, die Urananreicherung einzustellen. Im Artikel III des Vertrags verpflichtet sich jeder Nichtkernwaffenstaat zu Sicherungsmaßnahmen für spaltbares Material und für Ausgangsmaterial zur Herstellung von spaltbarem Material, die Herstellung an sich ist zu zivilen Zwecken nicht verboten.
  • Jede „Vertragspartei ist in Ausübung ihrer staatlichen Souveränität berechtigt, von diesem Vertrag zurückzutreten“ (Artikel X), Sanktionsinstrumente sind nicht Vertragsbestandteil. Nordkorea machte von diesem Artikel Gebrauch und kündigte den Vertrag mit Brief vom 10. Januar 2003 an den UN-Sicherheitsrat. Kritiker werfen Nordkorea vor, sich nicht an die Provisionen aus Artikel X gehalten zu haben, welcher vorsieht, dass der austretende Staat seine Kündigung nicht nur dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sondern auch allen anderen Staaten mitteilen muss. Dies tat Nordkorea nicht; daraus ist für Kritiker nun völkerrechtlich unklar, ob das Land noch stets Vertragsmitglied ist oder nicht.
  • Anhand der Beispiele Irans und Nordkoreas wird deutlich, dass der Atomwaffensperrvertrag über keine eigenen Sanktionsinstrumente verfügt, um gegen Vertragsbruch oder Kündigung vorgehen zu können. Es besteht einzig die Möglichkeit, dass die IAEO einen Vertragsbruch feststellt und gemäß Artikel XII.7.B ihres Statuts den entsprechenden Fall an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überweist. Dies hat sie im Falle Irans im Jahr 2006 vollzogen. Im Falle Nordkoreas wurde der Sicherheitsrat eigenständig tätig.
  • Es wird spekuliert, Verstöße gegen das Verbot der Weitergabe von Kernwaffentechnologie seien nicht aufgedeckt worden. Hierbei ist insbesondere ein Fall bekannt geworden: Abdul Qadir Khan, der Vater der pakistanischen Atombombe, hat zugegeben, er habe geheime Informationen über den Bau von Atombomben, an die er während seiner Beschäftigung in einem Urananreicherungsunternehmen der Urenco-Gruppe in den Niederlanden gelangte, an Pakistan weitergegeben und später auch an den Iran verkauft. Zumindest die pakistanische Regierung hat dies bestätigt. Demnach hätte sich der Unterzeichnerstaat Iran eines Verstoßes gegen den Atomwaffensperrvertrag schuldig gemacht.

Überprüfung

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) kontrolliert die Einhaltung des Vertrags, unter anderem durch Vor-Ort-Inspektionen in kerntechnischen Anlagen (s. Artikel III). Da diese Kontrollen aber angemeldet werden und sich zudem nur auf solche Anlagen richten, die die Vertragsstaaten freiwillig zur Kontrolle anbieten, bieten sie kaum Möglichkeiten, Verstöße gegen den Vertrag aufzudecken. Um ein wirksameres Mittel der Überprüfung zu erhalten, hat die IAEO daher ein Zusatzprotokoll zum Kernwaffensperrvertrag verfasst, das den Inspektoren die Möglichkeit gibt, unangemeldete Kontrollen in beliebigen Anlagen durchzuführen. Dieses Protokoll ist bisher in 139 Staaten in Kraft (Stand: 20. Dezember 2010). Um die Einhaltung des NVV sicherzustellen, halten die Mitgliedstaaten alle fünf Jahre eine Überprüfungskonferenz (englisch Nuclear Non-Proliferation Treaty Review Conference) ab (siehe Artikel VIII):
  • Überprüfungskonferenz, 1975, 91 Staaten
  • Überprüfungskonferenz, 1980, 112 Staaten
  • Überprüfungskonferenz, 1985, 131 Staaten
  • Überprüfungskonferenz, 1990, 140 Staaten
  • Überprüfungskonferenz, 17. April – 12. Mai 1995
  • Überprüfungskonferenz, 24. April – 19. Mai 2000 in New York
  • Überprüfungskonferenz, 2.–27. Mai 2005 in New York, 188 Staaten
  • Überprüfungskonferenz, 3.–28. Mai 2010 in New York, 172 Staaten (130 Staaten waren erwartet worden)

Geschichte

1. Juli 1968. Der Vertrag wird von den USA, der Sowjetunion und Großbritannien unterzeichnet. Noch im selben Jahr unterzeichnet auch der Iran unter Schah Mohammad Reza Pahlavi als einer der ersten Vertragsstaaten.

28. November 1969. Die Bundesrepubik Deutschland unterzeichnet den Vertrag.

1970. Der Iran ratifiziert den Atomwaffensperrvertrag.

5. März 1970. Der Atomwaffensperrvertrag tritt in Kraft.

1985. Nordkorea tritt dem Atomwaffensperrvertrag bei.

1992. Die Volksrepublik China und Frankreich unterzeichnen den Atomwaffensperrvertrag.

1995. Der Atomwaffensperrvertrag wird bei der Überprüfungskonferenz in Genf auf unbestimmte Zeit verlängert. Zuvor hatte er nur eine Gültigkeitsdauer von 25 Jahren.

2000. Auf Druck der New Agenda Coalition, einer Gruppe von Nichtatomwaffenstaaten, die die schnelle Abrüstung fordern, werden in New York 13 Schritte zur vollständigen atomaren Abrüstung beschlossen.

10. Januar 2003. Nordkorea tritt aus dem Atomwaffensperrvertrag aus.

2005. Bei der Überprüfungskonferenz in New York scheitert die Weiterführung zur vollständigen atomaren Abrüstung aufgrund der Blockadehaltung der USA und bleibt ohne Ergebnis.

April 2010. Die USA und Russland einigen sich im neuen Strategic Arms Reduction Treaty darauf, ihre Bestände von strategischen Atomsprengköpfen und Trägersystemen zu verkleinern.

Mai 2010. Die 189 Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrag versammeln sich in New York abermals zur fünfjährig stattfindenden Überprüfungskonferenz. Auf der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags wird beschlossen, dass im Jahr 2012 eine internationale Konferenz über die Möglichkeit eines grundsätzlichen Verbots von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten erörtern soll. „Damit wird zum Abschluss der alle fünf Jahre stattfindenden Folgekonferenz zur Überprüfung des Sperrvertrags der Druck auf Israel erhöht.


Juni 2010. Experten diskutieren über den Vertrag und den Weg zu einer kompletten Abrüstung auf dem „26. Forum Globale Fragen“ im Auswärtigen Amt in Berlin.

Bilder aus Wikimedia Commons
Trinity-Test - Feuerball nach 15 ms, Lizenz: Gemeinfrei, Urheber: Berlyn Brixner

Quellen