Freitag, 5. September 2014

Atomkraftwerk Olkiluoto

Atomkraftwerk Olkiluoto
Das finnische Atomkraftwerk Olkiluoto [ˈɔlkiluɔtɔ] steht auf der Halbinsel Olkiluoto an der Westküste Finnlands in der Gemeinde Eurajoki rund 25 Kilometer nördlich der Stadt Rauma. Eurajoki hat etwa 6000 Einwohner.

Das AKW Olkiluoto verfügt über zwei Siedewasserreaktoren (SWR) vom Typ BWR-2500 mit einer elektrischen Bruttoleistung von 890 MW und einer elektrischen Nettoleistung von 860 MW. Zudem wird dort der erste sogenannte Europäischer Druckwasserreaktor (EPR), ein Reaktor der sogenannten dritten Generation, mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1720 MW und einer elektrischen Nettoleistung von 1600 MW gebaut. Dessen Fertigstellung verschiebt sich jedoch fast noch öfter als derjenige des Berliner Flughafens.

Für den Standort Olkiluoto gibt es offenbar selbst nach dem Debakel von Block 3 immer noch feuchte Träume für einen vierten Block. Die Leistung des Reaktors soll zwischen 1.000 MW und 1.800 MW liegen. In Frage kommen unter anderem ein EPR oder ein KERENA (bis März 2009 als SWR 1000 bezeichnet) von Areva, ein Advanced Boiling Water Reactor von Toshiba, ein ESBWR von General Electric, ein APWR von Mitsubishi, ein koreanischer APR-1400 und ein russischer WWER-1200/491 (AES-2006). Ursprünglich war geplant, den Reaktor zwischen 2016 und 2018 in Betrieb zu nehmen, im Jahr 2012 wurde 2020 angestrebt. Mitte 2014 beantragte der zukünftige Betreiber die Frist für eine Baugenehmigung in das Jahr 2020 zu verschieben. Der Betriebsbeginn ist nun für die Mitte der 2020er Jahre geplant.

Sechs Anteilseigner der TVO tragen 25 % der Kosten des Kernreaktors. Neben dem Exportkredit der französischen Regierung wurde ein Kredit eines Bankenkonsortiums, angeführt von der BayernLB, in Höhe von 1,95 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von nur 2,6 Prozent Zinsen aufgenommen. Dafür wurden die BayernLB kritisiert sowie die bayerische Landesregierung, weil der Freistaat Bayern die Hälfte des Eigenkapitals der Bank hält.

Betreiber des AKWs ist die Gesellschaft Teollisuuden Voima Oyj (TVO).

Neben dem Atomkraftwerk Olkiluoto gibt es in Finnland "nur" noch das AKW Loviisa. Auf der Insel Olkiluoto wird ein Endlager für schwach- bis mittelradioaktiven Müll gebaut. Derzeit wird untersucht ob sich das Granitgestein für die Entsorgung abgebrannter Brennstäbe eignet. 2015 will man dort mit dem Bau eines Endlagers beginnen. Die Bevölkerung leistet kaum Widerstand. Der Gemeinderat hat mit großer Mehrheit für das Projekt gestimmt.

Geschichte

1. Februar 1974. Baubeginn Block 1.

1. August 1975. Baubeginn Block 2.

21. Juli 1978. Reaktor 1 wird erstmals kritisch.

2. September 1978. Reaktor 1 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.

10. Oktober 1979. Reaktor 1 geht in den kommerziellen Leistungsbetrieb.

13. Oktober 1979. Reaktor 2 wird erstmals kritisch.

18. Februar 1980. Reaktor 2 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.

10. Juli 1982. Reaktor 2 geht in den kommerziellen Leistungsbetrieb.

2003. Es beginnt die Ausschreibung für Reaktorblock 3. Unter anderem sind die französische Areva und auch das russische Unternehmen Atomstroiexport an der Ausschreibung beteiligt. Atomstroiexport legt Pläne für einen WWER-1000/466 in Form eines AES-91 mit erweiterter Sicherheitseinrichtung für etwa 800 bis 900 Millionen US-Dollar vor. Die französische Areva jedoch bringt einen 1600 MW starken Reaktor vom Typ EPR zum Angebot. Ende 2003 wird der Auftrag für Block 3 dann an Areva vergeben. Der Kaufpreis wird schlüsselfertig auf etwa 3 Milliarden Euro angesetzt. 
Bevor sie bei Siemens und dem Nuklearkonzern Areva den leistungsfähigsten Atomreaktor der Welt bestellen haben die Manager des finnischen Stromkonzerns TVO noch einen Wunsch: Der Block sollte doch bitte möglichst einen ochsenblutroten und weißen Anstrich bekommen. Genauso sehen die niedlichen Sommerhäuser an der Küste Westfinnlands aus.

2004. Die Europäische Kommission leitet mit Anstoß von Greenpeace eine eingehende Untersuchung ein, um zu prüfen, ob die Bürgschaft Frankreichs für das von einem Bankenkonsortium gewährte Darlehen von 570 Millionen Euro an den Stromerzeuger TVO mit den Beihilfevorschriften des EG-Vertrags vereinbar ist. Die Kommission untersucht dabei auch, ob die Bürgschaft für das vom Areva/Siemens-Konsortium unterbreitete Angebot Einsparungen für TVO ermöglicht hat, so dass Areva/Siemens den Zuschlag für den Bau des neuen Atomkraftwerks erhielt. 

12. August 2005. Baubeginn Block 3 durch die Firma Areva NP und die Siemens AG (konventioneller Kraftwerksteil). Es handelt sich um den ersten Reaktor dieses Typs. Bereits im ersten Baujahr kommt es jedoch zu erheblichen Verzögerungen (u. a. wird beim Herstellen der Fundamente zu schwacher Beton verarbeitet).

2006. Die Betreiberfirma prognostiziert eine Betriebsaufnahme für Block 3 frühestens im Jahr 2011.

September 2007. Die Europäische Kommission schliesst den Fall ab, nachdem die Untersuchung zu dem Schluss gekommen ist, dass TVO die 570 Millionen Euro auch auf dem privaten Kapitalmarkt hätte aufbringen können. Ein Wettbewerbsvorteil sei durch die subventionierten Kredite nicht entstanden, weil solche auch in gleicher Weise bei den Angeboten der Wettbewerber von Areva/Siemens enthalten waren. Auch zu allen anderen Vorwürfen wurde kein Beweis gefunden.

2008. Die Baukosten für Block 3 werden nun auf 4,5 Mrd. Euro geschätzt. Im Oktober wird ein Betriebsbeginn im Jahr 2012 angestrebt.

Dezember 2008. Der Generaldirektor der Aufsichtsbehörde schickt einen Protestbrief an Anne Lauvergeon (Chefin von Areva). Er würde einen "wirklichen Fortschritt" beim "Design der Kontrollsysteme" vermissen. Er bemängelt auch dass "Designfehler nicht korrigiert werden". Die "Einstellung oder das fehlende Fachwissen" von Areva-Vertretern würde Fortschritte behindern. Leider müsste man man immer noch auf "ein anständiges Design, welches den Grundprinzipien der nuklearen Sicherheit entspricht" warten. Areva erklärt dazu, der geharnischte Brief wäre nur Teil eines normalen Dialogs über Sicherheitsfragen.

2009. Die Baukosten für Block 3 werden nun auf 5,47 Mrd. Euro geschätzt. Um diese Mehrkosten entsteht ein juristischer Streit. Areva verklat TVA auf eine Entschädigung in Höhe von 1 Mrd. Euro weil TVO viel zu lange gebraucht habe, um Blaupausen und andere Dokumente zu bearbeiten. TVO reagiert mit einer Gegenklage und verlangt nun 2,4 Mrd. Euro als Ausgleich für entgangene Gewinne wegen der verspäteten Fertigstellung. 
Auf der Baustelle arbeiten 4000 Menschen aus 60 Ländern und 700 Subunternehmen. Nur die wenigsten haben Erfahrungen beim Bau eines Atomkraftwerks. Bisher soll es auf der Baustelle mehr als 3000 Fehler gegeben haben. Eine Firma hatte offenbar die Rohre des Hauptkühlkreislaufs, die direkt zum Reaktor führen, falsch verarbeitet - sie ließen sich deshalb nicht mit Ultraschall testen. Areva musste deshalb die Rohre austauschen. Die neuen Rohre ließen sich zwar testen; dafür waren sie jedoch an der Oberfläche rissig.
Für das Fundament des Reaktors wurde von der zuständigen Firma ein anderer Beton als vorgeschrieben; verwendet. Dieser ließ sich zwar besser verarbeiten, war aber poröser und musste deshalb extra versiegelt werden. Der Stahl, der die Betonhülle von innen verstärkt, hat Schweißmängel. Eine polnische Firma schnitt Löcher an den falschen Stellen, die sie anschließend wieder zuschweißen musste.

Juni 2010. Die Netzsynchronisation für Reaktor 3 wird für 2013 angestrebt.

2011. Der Haushaltsausschuss der Französischen Nationalversammlung (Assemblée nationale) setzt einen Ausschuss ein, der sich mit den massiven Kostenüberschreitungen beschäftigt.

Oktober 2011. Der Termin für die Fertigstellung von Block 3 wird auf das Jahr 2014 verschoben. Die prognostizierten Baukosten von nunmehr 6,6 Milliarden Euro sind mittlerweile mehr als doppelt so hoch wie die ursprünglich veranschlagten 3 Milliarden Euro.

5. Juli 2012. Bei dem Streit um die Verzögerungen beim Bau des AKW Olkiluoto in Finnland wurde Siemens und Areva von einem internationalen Schiedsgericht eine Zahlung von 125 Mio. Euro durch den Auftraggeber TVO zugesprochen. Die Aussage des Artikels im Handelsblatt vom angeblich derzeit einzigen Neubau eines AKWs in Europa ist allerdings falsch. Auch in Frankreich in Flamanville wird derzeit ein EPR aufgebaut mit genau der selben miesen Bilanz bezüglich Verzögerungen und Kostensteigerungen.
Die Betreiberfirma gibt in diesem Monat auch bekannt, dass auch im Jahr 2014 nicht mit einer Fertigstellung gerechnet werden kann. Ein neuer Termin wird zunächst jedoch nicht genannt.

30. August 2012. In Finnland steigen 6 Firmen aus dem AKW Projekt Fennovoima offenbar wegen der hohen Risiken aus. Der größte Eigner an dem Projekt ist bisher E.on. Der Anteil der "Aussteiger" beträgt etwa 10% die nun von anderen geschultert werden müssten. Neben Stromversorgern haben der Lebensmittelkonzern Atria und die Supermarktkette S-ryhmä ihre Beteiligung aufgegeben.
Reaktor 3 im finnischen AKW Olkiluoto hat zwischenzeitlich  5 Jahre Verspätung und wird wohl nicht vor 2015 Strom liefern während die Kosten auf 9 Mrd. Euro angestiegen sind.

Oktober 2012. Es werden Ergebnisse aus einem sogenannten "Stresstest" bei dem nix getestet wird bekannt. Diesen hatte die Europäische Union (EU) nach Beginn der Katastrophe von Fukushima durchführen lassen. Zu den besonders kritisierten Atomkraftwerken zählte dabei neben dem AKW Olkiluoto in Finnland auch das schwedische AKW Forsmark. Den Bedienungsmannschaften bliebe in diesen AKWs demnach weniger als eine Stunde Zeit, um eine unterbrochene Stromversorgung wieder herzustellen. In Forsmark waren es gerade mal 35 Minuten.

Dezember 2012. Areva gibt einen Inbetriebnahmetermin für Reaktor 3 für das Jahr 2015 an. Gleichzeitig werden vom Areva-Vertreter die Gesamtkosten mit 8,5 Milliarden Euro angegeben.

Anfang 2013. Es wird erklärt, dass sich die Inbetriebnahme von Reaktor 3 auf 2016 verschieben soll.

Anfang 2014. Der Areva-Konzern lässt einen Termin verstreichen, an dem die neue Fertigstellungsprognose  für Reaktor 3 veröffentlicht werden sollte.

September 2014. Areva gibt bekannt, dass Reaktor 3 erst Ende 2018 den Betrieb aufnehmen könnte.

Ende 2018. Block 3 soll fertiggestellt werden.

2039. Block 1 wird vielleicht eventuell möglicherweise abgeschaltet.

2042. Block 2 wird vielleicht eventuell möglicherweise abgeschaltet.

Atomkraftwerke in Finnland

LoviisaOlkiluoto

Bilder aus Wikimedia Commons
Atomkraftwerk Olkiluoto, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, Urheber: Unbekannt

Quellen