Samstag, 9. März 2019

Atomkraftwerk Grohnde

Atomkraftwerk Grohnde
Das deutsche Atomkraftwerk Grohnde (KWG) befindet sich nördlich von Grohnde an der Weser in der Gemeinde Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont in Niedersachsen. 

Es verfügt über einen Druckwasserreaktor (DWR/PWR) der 1.300-MW-Baulinie, der von der Firma Siemens (Kraftwerk Union) errichtet wurde mit einer Nennleistung von 3.900 Megawatt (thermisch). Die elektrische Bruttoleistung liegt bei etwa 1.430 Megawatt. 

Zum Einsatz kommen 193 UO2-Brennelemente mit einer Anreicherung bis zu 4 % Uran-235, sowie MOX-Brennelemente mit Plutonium. Eine Erhöhung der Anfangsanreicherung auf 4,4 % wurde beantragt. Der Druckwasserreaktor gehört zur dritten Generation in Deutschland, den sogenannten Vor-Konvoi-Anlagen. 

Betreiber ist die Gemeinschaftskernkraftwerk Grohnde GmbH & Co. oHG mit den jeweils beteiligten Gesellschaftern E.ON Kernkraft GmbH zu 83,3 % und die Stadtwerke Bielefeld zu 16,7 %.
Die Partner des AWW Grohnde sind die Atomkraftwerke Süd-Ukraine in der Ukraine, Bohunice in der Slowakei und Trillo in Spanien.

Seit 1985 wurden über 200 meldepflichtige Ereignisse bekannt.

Mit Inkrafttreten des neuen Atomgesetzes soll die endgültige Abschaltung des Kernkraftwerks Grohnde nach dem Erreichen einer festgelegten Restelektrizitätsmenge, spätestens jedoch zum 31. Dezember 2021 erfolgen.

Geschichte

1. September 1984. Der Reaktor wird erstmals kritisch.

1. Februar 1985. Das AKW geht in den kommerziellen Leistungsbetrieb nach dem Atomgesetz.

1985. Bei einer Revision fällt auf, dass das Hochdruck-Notkühlsystem nicht funktionsfähig ist, weil eine der vier Pumpen Gas statt Wasser enthält. Auch die anderen drei Pumpen enthalten in ihren Zuleitungen eine unzulässige Menge an Gasen. Ein Leck im Primärkühlkreislauf könnte somit zur Kernschmelze führen.

1996. Es kommt kurzzeitig zu einem unvorhergesehenen Öffnen des Druckhalter-Abblaseventils am Primärkreislauf durch eine fehlerhafte Bedienung während der Durchführung einer Prüfung. Wegen der Mängel in der Prüfprozedur wurde die Störung als meldepflichtiges Ereignis der INES-Stufe 1 eingestuft.

1997. Das AKW erziehlt mit einer Bruttostromerzeugung von 12.528.660 MWh seinen Spitzenwert.

11. Juli 2005. Es kommt durch eine Störung zu einer Abschaltung mehrerer Komponenten. Durch das weitere Öffnen der Mindestmengenventile der Speisewasserpumpen wird eine Unterspeisungstransiente ausgelöst, die zur Folge hat, dass der Dampferzeugerfüllstand unter 8,5 Meter fällt und es zu einer Turbinen- und Reaktorschnellabschaltung kommt.

12. Juli 2005. Nachdem die Ursache für die Störung geklärt ist nimmt der Reaktor um 0:32 Uhr den Leistungsbetrieb wieder auf.

24. Juli 2005. Es kommt um 9:16 Uhr zu einer Turbinenregelstörung, was einen Lastabwurf von 240 MW verursacht. Dies führt zu einer Reaktorschnellabschaltung. Nachdem der Fehler behoben ist, wird der Reaktor zirka 12 Stunden später wieder in den Leistungsbetrieb hochgefahren.

2009. E.on feiert mit Sekt, Musik und launigen Reden das 25-jährige Betriebsjubiläum seines AKW Grohnde. Als Gasredner würdigt Christian Wulff (CDU - Ministerpräsident von Niedersachsen) den "erfolgreichen und störfallfreien Betrieb des AKWs.

2011. Im AKW sind 345 Mitarbeiter beschäftigt.

30. März 2011. Es kommt das Gerücht auf, dass die thermische Leistung des Kraftwerks von 3.900 auf 4.000 Megawatt bei einer Revision 2009 erhöht wurde. Hier sollen die Turbinenschaufeln vom Betreiber ausgetauscht worden sein. Laut Pressemeldungen lag zu dem Zeitpunkt noch keine Genehmigung des Ministeriums vor. Im Nachhinein stellte sich die Behauptung als haltlos heraus. Die am Hochdruckteil der Turbine vorgenommenen Änderungen unterlagen nicht der atomrechtlichen Aufsicht, und eine Erhöhung der thermischen Leistung hat es nie gegeben.

Anfang 2013. Es kommt zur Diskussion über den Einsatz der MOX Brennelemente. Verschiedene Bürgerinitiativen äußerten sich sehr kritisch über den geplanten Einsatz von acht MOX-Brennelementen. Am 13. Mai 2013 gab der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) nach eingehender Diskussion mit verschiedenen Umweltverbänden mit der Zustimmung zum Wiederanfahren grünes Licht für den Einsatz dieser MOX-Brennelemente in KKW Grohnde.

Ende April 2014. Bei der jährlichen Revision entdecken Techniker der Betreiberfirma E.on einen Millionenschaden im nichtnuklearen Teil des AKWs. Der etwa 600 Tonnen schwere Generator, der den Wasserdampf in Elektrizität verwandelt muss ersetzt werden.

16. Mai 2014. Das niedersächsische Umweltministerium unter Stefan Wenzel (Die Grünen) teilt mit dass im Reaktorkern Teile eines "Drosselkörpers" gefunden worden sind. Dies ist ein "Bauteil welches zur Strömungseinstellung im Reaktorkern erforderlich" sein soll um dafür zu sorgen, dass der Kühlwasserstrom an den Brennelementen gleichmäßig fließt. Zur weiteren Untersuchung müsste der Reaktordruckbehälter geöffnet werden.
Der Reaktor wurde unmittelbar vor der Entdeckung mit neuem atomaren Brennstoff befüllt. Dabei auch 8 MOX-Brennelemente (oder Brennstäbe) die bekanntlicherweise hochgiftiges Plutonium enthalten.

27. Mai 2014. Inspektionen ergaben zwischenzeitlich dass an neun von 132 Drosselkörpern Druckfedern gebrochen sind. E.on betrachtet die Drosselkörper als nicht Sicherheitsrelevant. Stefan Wenzel (Landesumweltminister) hat jedoch für heute Vertreter des Unternehmens einbestellt. Neben Experten des Ministeriums und dem TÜV soll ein weiterer externer Gutachter das AKW in Augenschein nehmen.
Ein gebrauchter, 400 Tonnen schwerer Ersatzgenerator wurde in der Zwischenzeit mit einem Spezialschiff auf der Weser nach Grohnde gebracht. Während eines Halts in Hameln konnte das Schiff von Atomkraftgegnern betrachtet werden. Er soll laut deren Aussage an etlichen Stellen angerostet sein. Laut E.on soll es sich jedoch nur um "Flugrostspuren" an der Außenhülle infolge der Lagerung handeln.
Auch an der Börse werden die Ereignisse beobachtet. Analysten der französischen Großbank Société Générale raten unter ausdrücklichem Verweis auf die Probleme in Grohnde zum Verkauf von E.on-Aktien.

19. Juni 2014. Vom niedersächsischen Umweltministerium unter Stefan Wenzel (Die Grünen) wurde die Staatsanwaltschaft Hannover eingeschaltet, um überprüfen zu lassen ob die Reparaturarbeiten am AKW richtig durchgeführt wurden. Vorerst geht das AKW deshalb nicht wieder ans Netz. Die Umsatzausfälle werden auf etwa 1 Mio. Euro pro Tag geschätzt.
Laut Umweltschützern der Anti-Atom-Initiative Ostwestfalen-Lippe, die sich auf Techniker die im AKW tätig sein sollen berufen, wurden rissige Sitzpanzerungen im 30 Jahre alten Rohrleistungssystem des Atomreaktors entdeckt und diese unter Zeitdruck nur notdürftig zuammengeschweißt um Grohnde an diesem Wochenende schnell wieder hochzufahren. Ein Austausch des Teils wäre ihrer Meinung nach sicherer gewesen.
Die mit der Reparatur beauftragte Firma wollte sich offenbar zunächst weigern, soll aber von E.on unter Druck gesetzt worden sein. Auch verantwortliche Fachleute vom TÜV sollen skeptlisch gewesen sein.
E.on soll laut Wenzel bereits jetzt "sehr, sehr ungeduldig" sein und ihm eine Schadensersatzklage in Aussicht gestellt haben. Dabei soll es um sechsstellige Beträge gehen.

Freitag, 20. Juni 2014. Wenzel ist offenbar bereits jetzt eingeknickt. Er hat seine Zusage, bis zu einem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen die Rückkehr Grohndes ans Netzt nicht zu genehmigen heute wieder zurückgezogen.
Björn Thümler (CDU) und Stefan Birkner (Mövenpickpartei) werfen Wenzel vor, Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe zulasten der Steuerzahler zu riskieren. Das ist natürlich deutlich wichtiger als eine Katastrophe die durch Schlamperei in einem Atomkraftwerk entstehen könnte.
Zudem soll E.on einen Eilantrag auf den Weg gebracht haben, über den das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entscheiden soll. Der Konzern hätte den Nachweis erbracht, dass die Arbeiten im AKW ordnungsgemäß erfolgt wären.

Samstag, 21. Juni 2014. Der Betriebsleiter des AKWs soll in einer eidesstattlichen Versicherung die Vorwürfe unzulässiger Reparaturen zurückgewiesen haben. Zudem hat der TÜV laut Umweltministerium bestätigt, dass alle Reparaturen und qualitätssichernden Maßnahmen sachgerecht ausgeführt wurden.
Der Eilantrag von E.on ist damit hinfällig. Auch die Staatsanwaltschaft "sieht" keinen Anfangsverdacht und traut sich offenbar nicht zu ermitteln. E.on hat umgehend mit den Arbeiten zum Hochfahren des Atomreaktors begonnen.

Sonntag, 22. Juni 2014. Das AKW Grohnde ist wieder am Netz.

31. Dezember 2021. Laut dem Atomgesetz von 2011 soll spätestens heute die Abschaltung des letzten AKWs in Niedersachsen erfolgen.

Bilder aus Wikimedia Commons
Atomkraftwerk Grohnde, Lizenz: Gemeinfrei, Urheber: AxelHH

Quellen
24.06.2014, Telepolis, Grohnde ist wieder am Netz
22.06.2014, Tagesspiegel, Atomenergie, Eon gewinnt im Poker um Grohnde
22.06.2014, taz, Doch kein teurer Rechtsstreit, AKW Grohnde wieder am Netz
21.06.2014, FAZ, Eon setzt sich durch, Kernkraftwerk Grohnde geht wieder ans Netz
20.06.2014, FAZ, Unzureichende Reparatur? Reaktor Grohnde bleibt abgeschaltet
20.06.2014, Focus, Atomkraft, Streit um AKW Grohnde spitzt sich zu
20.06.2014, taz, Sicherheit von Atomkraftwerken, Neustart in Grohnde
19.06.2014, taz, Sicherheitsbedenken, AKW Grohnde weiter außer Betrieb
19.06.2014, Spiegel, Umstrittene Reparatur, Atomkraftwerk Grohnde wird Fall für den Staatsanwalt
28.05.2014, taz, Jede Menge Probleme beim E.ON-Meiler, AKW Grohnde bröselt weiter
18.05.2014, taz, Havarie im AKW Grohnde, Fremdkörper im Reaktorkern