Montag, 9. März 2020

Thomas Piketty

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Thomas Piketty
Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty wurde am 7. Mai 1971 in Clichy, Département Hauts-de-Seine geboren.

Er ist Professor an der École d’Économie de Paris und der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS).

Piketty forscht insbesondere zu den Themen Einkommensverteilung, Vermögensverteilung und soziale Ungleichheit. Er versteht, laut FAZ, die Wirtschaftswissenschaft als Sozialwissenschaft, der es darum gehen sollte, mit realen Daten reale Probleme zu erörtern oder gar zu lösen. Sein Ansatz sei eine sozialdemokratisch-popperianische Anthropologie des Kapitals.

Er ist seit 2014 mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Cagé verheiratet.

Forschung

Langjährige Forschungen in Zusammenarbeit mit Kollegen (insbesondere Anthony Atkinson und Emmanuel Saez) zur Einkommensverteilung zeigen, dass nach einem Rückgang der ökonomischen Ungleichheit in den westlichen Industrienationen zwischen den 1940er und 1970er Jahren die soziale Ungleichheit wieder zugenommen hat.

Piketty zeigte mithilfe der Untersuchung von Einkommensteuern, dass in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg die Einkommensungleichheit abnahm. Er führt dies auf den Anstieg der Steuerprogression in Frankreich in der damaligen Phase zurück.

Die Zunahme der Einkommensungleichheit nach den 1970er Jahren erklärt nach Piketty auch einen Teil der Finanzkrise ab 2007: „Wenn die Finanzbranche zu stark wachse, fördere dies das Einkommensgefälle, weil entsprechende Vermögensgewinne vor allem den obersten Einkommen zugutekämen“.

Die Daten von Piketty und seinen Kollegen zur Einkommensverteilung und insbesondere zu Top-Vermögen in verschiedenen Ländern führten zur Datenbank World Top Income Database, die seit 2011 online zugänglich ist.

Das Kapital im 21. Jahrhundert

2014 sorgte seine Veröffentlichung Das Kapital im 21. Jahrhundert (französisch 2013: Le Capital au XXIe siècle) weltweit, besonders in den USA, für sehr große Aufmerksamkeit.

In seinem Werk verknüpft Piketty seine vorangehenden historischen Forschungen zur Einkommensverteilung und Vermögensverteilung mit einer Theorie des Kapitalismus. Er argumentiert, dass unregulierter Kapitalismus unweigerlich zu steigender Vermögenskonzentration führt. Starke Vermögenskonzentration führe zu einer stagnierenden Wirtschaft und sei eine Bedrohung für die Demokratie.

Sobald die Kapitalrendite („r“) größer als das Wirtschaftswachstum („g“) sei, also „r > g“, trete diese Entwicklung ein. In der Geschichte sei r in der Regel größer gewesen als g, im 19. Jahrhundert sei dann erstmals g > r gewesen. Allerdings hätten Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Zeit des Ersten Weltkriegs die Kapitaleinkünfte gegenüber dem Wirtschaftswachstum stark zugenommen. Die starke Ungleichheit dieser (in Europa Belle Époque und in den USA Gilded Age genannten) Ära sei dann durch den Ersten Weltkrieg vorerst beendet worden. Dieser sowie die Great Depression und der Zweite Weltkrieg hätten zu einem Abbau der Vermögenskonzentration geführt und somit dazu, dass das Wirtschaftswachstum größer als die Kapitaleinkünfte gewesen sei (g > r). Diese Entwicklung habe Ende des 20. Jahrhunderts aufgehört.

In einem Interview mit der ZEIT behauptete Piketty, dass Deutschland das Land sei, das nie seine Schulden aus den Weltkriegen bezahlt habe. In einem Gastbeitrag in derselben Zeitung warf ihm Historiker Christopher Kopper daraufhin einen Irrtum bei der Analyse der historischen Präzedenzfälle vor.

In Le Monde machte Piketty die ungleiche Verteilung von Reichtum auch für Terrorismus verantwortlich.

Kritik

Eine umfassende kapitalismuskritische Kommentierung des Hauptwerks von Piketty wurde von Stephan Kaufmann und Ingo Stützle vorgelegt. Richard Sutch bemängelt, dass Piketty viele der zugrundeliegenden historischen Daten unvollständig und fehlerhaft interpoliert habe. Auch die Wirtschaftshistorikerin Mary O’Sullivan kritisiert Piketty: «Er kann den Trend der Ungleichheit nicht erklären – weil er die Profitfrage ausblendet.»

Leben

7. Mai 1971. Thomas Piketty wird in Clichy, Département Hauts-de-Seine geboren.

1987. Piketty macht mit sechzehn Jahren sein Baccalauréat (etwa Abitur/Matura).

1987 bis 1989. Er arbeitet die üblichen zwei Jahren in einer Classe préparatoire (Vorbereitungsklasse).

1989. Im Alter von achtzehn Jahren beginnt er Ökonomie an der École normale supérieure (ENS) zu studieren.

1993. Mit 22 Jahren wird Piketty mit einer Arbeit über Umverteilung promoviert, die er an der École des Hautes Études en Sciences Sociales und der London School of Economics geschrieben hat, und die im European Doctoral Program in Quantitative Economics gefördert wurde.

1993 bis 1995. Er lehrt als Assistant Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

1995. Er wird Mitglied des Centre national de la recherche scientifique (CNRS).

2000. ER wird Direktor der École des hautes études en sciences sociales (kurz EHESS). Das ist eine französische Elite-Hochschule für Sozialwissenschaften in Paris.

2002. Er erhält den Prix du meilleur jeune économiste de France.

2007. Während des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl in Frankreich ist Piketty wirtschaftspolitischer Berater der sozialistischen Kandidatin Ségolène Royal, die schließlich mit 46,94 Prozent der Stimmen dem Konservativen Nicolas Sarkozy unterliegt.

Ab 2007. Er unterrichtet auch an der Paris School of Economics.

2013. Er erhält den Yrjö-Jahnsson-Preis.

2014. Der breiten Öffentlichkeit wird Piketty mit der englischsprachigen Ausgabe seines Werkes Capital in the Twenty-First Century bekannt, das bei seinem Erscheinen sowohl innerhalb von Fachkreisen als auch in den allgemeinen Medien für ein Ökonomiebuch außergewöhnlich viel diskutiert wird.

 Er kommt in die proZukunft Top Ten der Zukunftsliteratur 2014 für Das Kapital im 21. Jahrhundert-

1. Januar 2015. Es wird bekannt, dass Piketty die Nominierung für die Ehrenlegion abgelehnt hat.

2015. Er erhält Das politische Buch der Friedrich-Ebert-Stiftung für Das Kapital im 21. Jahrhundert und wird Mitglied der American Philosophical Society.

Bilder aus Wikimedia Commons
Thomas Piketty, Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch), Urheber: Gobierno de Chile

Quellen