Freitag, 24. Januar 2020

Erika Steinbach

Erika Steinbach
Die deutsche Politikerin Erika Steinbach wurde am 25. Juli 1943 als Erika Hermann in Rahmel, Danzig-Westpreußen; heute Rumia, Woiwodschaft Pommern, Polen geboren.

Sie ist parteilos. Bis Januar 2017 war sie Mitglied der CDU.

Von 1998 bis 2014 war sie Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV). 

Sie war Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und gehörte dem Fraktionsvorstand an.

Steinbach war Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Westpreußen. 

Eines der politischen Ziele Steinbachs war die Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin, das auch dem Schicksal der deutschen Vertriebenen gewidmet sein soll. Sie war (bis August 2005 gemeinsam mit Peter Glotz) die Vorsitzende der zu diesem Zweck im September 2000 gegründeten Stiftung.

Sie ist Vorsitzende der Jury zur Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen. Der Preis wird seit 2003 verliehen.

Des Weiteren ist sie im Ehrenamtlichen Rat des Komitees des Gedenk- und Versöhnungshügels in Oświęcim (Auschwitz) vertreten.

Über die Hintergründe ihres Engagements für den BdV und für eine zentrale Erinnerungsstätte für die Vertriebenen schrieb Steinbach in ihrem Buch Die Macht der Erinnerung, das 2010 erschien.

Steinbach wandte sich mehrfach gegen eine familienrechtliche Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften. Eine steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften homosexueller Paare mit der Ehe lehnt Steinbach ab.

Kritisch wird ihr Einsatz für die Vertriebenen im Zusammenhang mit ihrem Geburtsort bewertet: In einem Artikel der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita wurde sie als „falsche Vertriebene“ dargestellt. Ihre Eltern waren im Reichsgau Danzig-Westpreußen, wo sie geboren wurde, nicht heimisch, sondern erst nach dessen Annexion im Zweiten Weltkrieg aus dem Westen Deutschlands dorthin gezogen. Dies kommentierte sie mit der Aussage, man müsse „kein Wal sein, um sich für Wale einzusetzen“. Der polnische Außenminister Radosław Sikorski sagte über sie: „[…] die mit Hitler in unser Land kam und mit Hitler wieder gehen musste“.

Der Historiker und Journalist Erich Später sieht in Steinbachs Vertriebenenpolitik den Versuch, die Verbrechen der NS-Zeit durch die Fokussierung auf die deutschen Vertriebenen zu relativieren: Das Zentrum gegen Vertreibungen unter Federführung des BdV solle „die Sicht der deutschen Rechten manifestieren“. Später kritisierte er Steinbachs „Leistung“, den „Diskurs der deutschen Rechten an die internationale Menschenrechtsdebatte angeglichen zu haben“. Die Vertriebenen würden in der Öffentlichkeit durch Steinbachs Engagement „jetzt [als] Opfer der Weltgeschichte, von unmenschlichen Regimes, von einer seit Jahrtausenden stattfindenden Politik der Vertreibung“ erscheinen. Der Zweite Weltkrieg werde „zu einem Ereignis unter vielen in einer Kette von weltgeschichtlichen Verhängnissen“. „Der Massenmord an den Juden“ versinke „im Meer der Geschichte.“

Leben

25. Juli 1943. Erika Steinbach wird als Erika Hermann in Rahmel, Danzig-Westpreußen; heute Rumia, Woiwodschaft Pommern, Polen geboren.

Sie ist die Tochter des im hessischen Hanau geborenen Elektroingenieurs Wilhelm Karl Hermann, der 1941 als Feldwebel der Luftwaffe in das ab 1939 vom Deutschen Reich besetzte Rumia/Rahmel beordert wurde und im Februar 1945 von dort in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet. Ihre Mutter, Erika Hermann geborene Grote, stammte aus Bremen, wuchs in Berlin auf und kam 1943 als Luftwaffenhelferin nach Rumia/Rahmel, wo sie zwei Töchter gebar. Laut Geburtsurkunde ist „Rahmel Fliegerhorst Nr. 102“ der Geburtsort Erika Hermanns.

Januar 1945. Ihre Mutter flüchtet mit der 18 Monate alten Erika und der drei Monate alten zweiten Tochter vor der Roten Armee über die Ostsee nach Schleswig-Holstein, wo die Familie bis 1948 auf Bauernhöfen in Kleinjörl, Großjörl und Stieglund lebt.

1948 bis 1950. Die Familie lebt in Berlin, danach wächst Erika Steinbach in Hanau auf.

1950. Ihr Vater kommt aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück.

Ab 1970. Nach privatem Violinstudium und der Mitwirkung in Orchesterkonzerten erwirbt Steinbach innerhalb eines dualen Studiums, das den Besuch einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und integrierte Praxisblöcke im Kommunalen Gebietsrechenzentrum Frankfurt am Main beinhaltet, den akademischen Grad Diplomverwaltungswirtin (FH).

1972. Sie heiratet den Dirigenten Helmut Steinbach. Zeitweise führt sie daher auch den Namen Steinbach-Hermann.

1974. Steinbach wird Mitglied der CDU.

1974 bis 1977. Sie ist als Informatikerin im Kommunalen Gebietsrechenzentrum Frankfurt am Main Projektleiterin für die Automatisierung der Bibliotheken in Hessen.

1977 bis 1990. Steinbach amtiert als Stadtverordnete und Fraktionsassistentin der CDU-Stadtverordnetenfraktion in Frankfurt am Main.


Ab 1985. Sie ist Mitglied in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.


Ab 1986. Sie ist Mitglied der Lebenshilfe für geistig Behinderte.

1987 bis 1997. Steinbach ist Schirmherrin der Frankfurter Gruppe der Women’s International Zionist Organisation. Mit den beiden weiteren Schirmherrinnen von SPD und FDP demonstriert sie gegen die Aufführung des Fassbinderstückes Der Müll, die Stadt und der Tod im Schauspiel Frankfurt.

1990. Sie wird per Direktmandat im Wahlkreis Frankfurt am Main III das erste Mal in den Deutschen Bundestag gewählt. Sie wird Mitglied im Bundestags-Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien und des Innenausschusses.

1991. Steinbach stimmt im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Sie ist eine der 13 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, die bei der Abstimmung über den deutsch-polnischen Grenzvertrag eine Erklärung abgeben, warum sie nicht zustimmen könnten. Es seien insbesondere Eigentums- und Vermögensfragen offengeblieben. Sie begründet ihr Votum auch mit der Aussage: „Man kann nicht für einen Vertrag stimmen, der einen Teil unserer Heimat abtrennt.“ Dem deutsch-polnischen Vertrag über gute Nachbarschaft stimmt sie zu.

Ab 1994. Sie ist Mitglied des Bundes der Vertriebenen (BdV).

1997. Steinbach bezeichnet die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung als „eine Schlussstricherklärung“, die dazu führe, dass menschenrechtsfeindliche Gesetze nach wie vor Gültigkeit haben.

15. Mai 1997. Folgende Abgeordnete stimmen gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe: 

CDU

Brigitte Baumeister, Meinrad Belle, Joseph-Theodor Blank, Norbert Blüm, Wolfgang Bötsch, Klaus Brähmig, Rudolf Braun (Auerbach), Georg Brunnhuber, Manfred Carstens (Emstek), Hubert Deittert, Albert Deß, Wilhelm Dietzel, Hansjürgen Doss, Maria Eichhorn, Wolfgang Engelmann, Heinz Dieter Eßmann, Anke Eymer, Klaus Francke (Hamburg), Gerhard Friedrich, Hans-Joachim Fuchtel, Norbert Geis, Reinhard Göhner, Wolfgang Götzer, Joachim Gres, Kurt-Dieter Grill, Wolfgang Gröbl, Manfred Grund, Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein, Gottfried Haschke (Großhennersdorf), Gerda Hasselfeldt, Otto Hauser (Esslingen), Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Klaus-Jürgen Hedrich, Helmut Heiderich, Detlef Helling, Ernst Hinsken, Josef Hollerith, Karl-Heinz Hornhues, Siegfried Hornung, Joachim Hörster, Georg Janovsky, Helmut Jawurek, Dionys Jobst, Ing. Rainer Jork, Bartholomäus Kalb, Volker Kauder, Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz), Manfred Kolbe, Rudolf Kraus,Wolfgang Krause (Dessau), Reiner Krziskewitz, Hermann Kues, Karl A. Lamers (Heidelberg), Helmut Lamp, Paul Laufs, Karl-Josef Laumann, Klaus W. Lippold (Offenbach), Heinrich Lummer, Michael Luther, Erwin Marschewski, Martin Mayer (Siegertsbrunn), Michael Meister, Friedrich Merz, Elmar Müller (Kirchheim), Engelbert Nelle, Bernd Neumann (Bremen), Friedhelm Ost, Eduard Oswald, Peter Paziorek, Angelika Pfeiffer, Gero Pfennig, Winfried Pinger, Hermann Pohler, Bernd Protzner, Dieter Pützhofen, Hans Raidel, Peter Ramsauer, Peter Rauen, Otto Regenspurger, Klaus Dieter Reichardt (Mannheim), Hans-Peter Repnik, Roland Richter, Roland Richwien, Erich Riedl (München), Klaus Riegert, Franz Romer, Hannelore Rönsch (Wiesbaden), Klaus Rose, Kurt J. Rossmanith, Adolf Roth (Gießen), Christian Ruck, Roland Sauer (Stuttgart), Hartmut Schauerte, Karl-Heinz Scherhag, Gerhard Scheu, Norbert Schindler, Dietmar Schlee, Christian Schmidt (Fürth), Hans-Otto Schmiedeberg, Hans Peter Schmitz (Baesweiler), Michael von Schmude, Wolfgang Schulhoff, Dieter Schulte (Schwäbisch Gmünd), Clemens Schwalbe, Wilhelm Josef Sebastian, Horst Seehofer, Heinz-Georg Seiffert, Johannes Selle, Jürgen Sikora, Johannes Singhammer, Wolfgang SteigerErika Steinbach, Wolfgang Freiherr von Stetten, Gerhard Stoltenberg, Max Straubinger, Matthäus Strebl, Michael Stübgen, Egon Susset, Michael Teiser, Klaus-Dieter Uelhoff, Gunnar Uldall, Theodor Waigel, Jürgen Warnke, Hans-Otto Wilhelm (Mainz), Fritz Wittmann, Dagmar Wöhrl, Peter Kurt Würzbach, Wolgang Zeitlmann, Benno Zierer, Wolfgang Zöller.

Mövernpickpartei (FDP)

Hildebrecht Braun (Augsburg), Karlheinz Guttmacher, Burkhard Hirsch, Roland Kohn, Uwe Lühr, Günther Friedrich Nolting, Rainer Ortleb

1998. Steinbach fordert bei einem Pommerntreffen in Greifswald, die EU-Osterweiterung dürfe es nicht „ohne Heilung des Vertriebenenunrechts“ geben.

Ab 2. Mai 1998. Sie ist Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV).

1999. Sie betont vor Studenten der Karlsuniversität in Prag, dass Deutsche und Tschechen durch die Jahrhunderte mehr verbindet als trennt und dass es vor diesem Hintergrund heute möglich sein müsse, die Schatten der Vergangenheit zu überwinden.

20. Oktober 1999. In ihrem Vortrag an der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität Warschau betont sie die kulturellen Gemeinsamkeiten von Deutschen und Polen und wirbt für einen offenen Dialog. Gleichzeitig erinnert sie an die Botschaft der polnischen Bischöfe von 1965 und deren Aussage „wir vergeben und bitten um Vergebung“.

Ab 2000. Sie sitzt im ZDF-Fernsehrat. 

2002. Sie verfehlt bei er Bundestagswahl ein Direktmandat und zieht über die Landesliste in den Bundestag ein.


2003. Steinbach tritt aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit der Begründung aus, dass „sich die evangelische Kirche in Teilen aufführt wie eine Ersatzpartei, statt Geborgenheit und Orientierung im Glauben zu geben“, und „ziemlich platt und unverblümt weltliche Politik“ betreibe. Sie wechselt in die altkonfessionelle Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche.

Im selben Jahr zeichnet sie gemeinsam mit Peter Glotz die tschechische Jugendinitiative für das „Kreuz der Versöhnung“ im tschechischen Teplice nad Metují (deutsch Weckelsdorf) und die Bürgermeisterin Vera Vitova mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis für das Engagement aus, an ermordete Sudetendeutsche „und alle Opfer nationaler Konflikte dieser Region [zu erinnern] und für ein mutiges Zeichen des Dialogs zwischen Deutschen und Tschechen“.

Als die EU-Erweiterung bevorsteht, bedauert sie in einer Presseerklärung zur Abstimmung des Europäischen Parlaments, dass Europa es versäumt habe, gegenüber den entsprechenden Beitrittsländern, insbesondere Tschechien, „die Heilung der Folgen menschenrechtswidriger Vertreibungen anzumahnen und durchzusetzen“.

2004. Steinbach schlägt für die Entschädigungsansprüche der Vertriebenen eine innerstaatliche Regelung vor, um die außenpolitische Konfliktlage zu beenden. Der Vorschlag stößt auf Widerstand im Präsidium des BdV. Sie wirft der rot-grünen Bundesregierung vor, in Antwortschreiben an enteignete Vertriebene diese an Polen verwiesen zu haben und ihr Recht dort einzuklagen, gleichzeitig aber öffentlich in Deutschland die Rechtsansprüche zu bestreiten. Die Linie einer innerstaatlichen Regelung verfolgt sie weiter. So distanziert Steinbach sich gemeinsam mit dem BdV-Präsidium von den Entschädigungsforderungen der Preußischen Treuhand, deren Klage der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Oktober 2008 zurückweist.

Sie stimmt für die Aufnahme osteuropäischer Länder in die Europäische Union und schließt mit dem Hinweis „Die Menschen unserer Nachbarländer sind mir herzlich willkommen“.

19. Juli 2004. Die Veranstaltung des BdV, der auf Steinbachs Initiative hin, in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin eine Erinnerungsveranstaltung zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes mit dem Leitsatz „Empathie – der Weg zum Miteinander“ durchführt, an der neben Erika Steinbach Kardinal Karl Lehmann, Ralph Giordano, Hans Maier und Bogdan Musiał mitwirken, stößt in Polen auf Ablehnung und bei dem polnischen Historiker Władysław Bartoszewski sogar auf Empörung.

November 2005 bis Januar 2017. Sie ist im Bundestag Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

2006. Polen reagiert verschnupft  auf die Ausstellung des Zentrums gegen Vertreibungen „Erzwungene Wege“ 2006 im Berliner Kronprinzenpalais. Erstmals wird darin in Deutschland öffentlich auch an die Vertreibung von Polen erinnert. Bei einer von der Rzeczpospolita durchgeführten Umfrage, welche Person bei den Polen am meisten Angst auslöse, wird Erika Steinbach von 38 % der Befragten genannt und kommt damit auf Platz 2. Mehr Ängste würde nur Wladimir Putin mit 56 % auslösen.

2007. Über die polnische Regierung von Kaczyński sagt Steinbach: „Die Parteien, die in Polen regieren, sind mit den deutschen Parteien Republikaner, DVU und NPD vergleichbar“. Aus polnischer Sicht verstärkt dies den Eindruck, dass Steinbach den Nationalsozialismus verharmlose. Wiederholt wird Steinbach Gegenstand auch polnischer Satire, wie im Fall einer auch in Deutschland nachgedruckten Fotomontage des polnischen Nachrichtenmagazins Wprost, die sie in SS-Uniform auf Bundeskanzler Gerhard Schröder reitend darstellt. Die Internetseite und Flugblätter des Vereins Powiernictwo polskie („Polnische Treuhand“) zeigen Erika Steinbach 2007 in einer Reihe mit einem Offizier der Waffen-SS und einem Ritter des Deutschen Ordens, ergänzt mit einem Zitat Hitlers. Durch alle deutschen Gerichtsinstanzen wird dem polnischen Verein untersagt, diese Diffamierung weiter zu veröffentlichen.

September 2008. Sie äußert, nach dem Zweiten Weltkrieg seien die Deutschen beispielsweise in Jugoslawien einem Völkermord ausgesetzt gewesen. In mehreren Veröffentlichungen weist Steinbach darauf hin, dass – in Zusammenarbeit von postjugoslawischen Regierungen mit der Landsmannschaft der Donauschwaben – große Gedenkeinrichtungen an den Massengräbern eingeweiht werden konnten.

Februar 2009. Der Bund der Vertriebenen schlägt neben zwei weiteren Vertretern Erika Steinbach für einen Sitz im Beirat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung vor. Diese Stiftung soll ein Dokumentationszentrum der Bundesrepublik Deutschland mit dem Arbeitstitel Sichtbares Zeichen initiieren. Die Nominierung Steinbachs ist politisch umstritten, sie wird vor allem von polnischer Seite kritisiert. SPD und Oppositionsparteien in Deutschland sprechen sich gegen die Mitwirkung Steinbachs im Stiftungsbeirat aus.

Ralph Giordano (Journalist, Schriftsteller und Regisseur) schreibt in diesem Monat: 

„Ein persönliches Wort zu der deutsch-polnischen Auseinandersetzung um den Beirat der ‚Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘: Wer in diesem Zusammenhang Erika Steinbach eine Revanchistin nennt, begeht Rufmord! Mehr als einmal hat sie die Vertriebenen bezeichnet als ‚Opfer der Politik Hitlers‘, der ‚die Büchse der Pandora geöffnet‘ habe; sie hat sich unmissverständlich von der in der Tat revanchistischen Rechtsberatungsfirma ‚Preußische Treuhand‘ distanziert und ausdrücklich betont, dass der Bund der Vertriebenen (BdV) keine Forderungen mehr an Polen stellt. Sie war es, die die Gleichsetzung von Vertreibung und Holocaust zurückwies und den Völkermord an den Juden im deutsch besetzten Europa während des Zweiten Weltkriegs als das bezeichnete, was er ist: ein singuläres Verbrechen. Und sie war es auch, die verantwortlich zeichnete für die erste Ausstellung über das Schicksal der polnischen Vertriebenen.“

4. März 2009. Der BdV zieht die Nominierung Steinbachs zurück. Man wolle so „die nicht durch uns verursachte Blockade auflösen [und] nicht der billige Vorwand dafür sein, das Stiftungsgesetz nicht in die Tat umzusetzen und so die Stiftung auf den letzten Metern noch zu verhindern“.

Das Präsidium des BdV kündigt an, keinen anderen Vertreter an der Stelle Steinbachs zu benennen: „Es will diese Position demonstrativ unbesetzt lassen, um deutlich zu machen, dass es sich sein originäres Besetzungsrecht von niemandem vorschreiben lässt“, heißt es in einer Erklärung des BdV. Die deutsche Bundesregierung stellt dazu klar, dass der Vertriebenenverband zwar das Recht auf eine Vorschlagsliste hat, die Beiratsmitglieder jedoch nicht von ihm, sondern vom Kabinett bestellt werden. So ist es im Gesetz zur Errichtung der Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ (DHMG) festgelegt.

Nach dem Wechsel der Regierungskoalition 2009 wird Steinbach wieder für einen Sitz im Beirat ins Gespräch gebracht. Im Februar 2010 verzichtet Steinbach darauf jedoch endgültig. Über die Besetzung des Beirats entscheidet künftig der Bundestag.


Bis Ende 2009. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung in der CDU.

9. September 2010. An einer Sitzung des CDU-Vorstands distanziert sich Kulturstaatsminister Bernd Neumann von Äußerungen der BdV-Funktionäre Arnold Tölg und Hartmut Saenger. Tölg hat im Januar 2000 in einem Interview mit der Jungen Freiheit gesagt, dass „gerade die Länder, die am massivsten Forderungen gegen uns richten“, genügend „Dreck am Stecken“ hätten; Saenger hat im August 2009 in der Pommerschen Zeitung einen Artikel veröffentlicht, in dem er Polen vorwarf, nach dem Ersten Weltkrieg „besonders kriegerisch“ aufgetreten zu sein und Deutschland im Danzig-Konflikt „sogar mit Krieg“ gedroht zu haben. Anlässlich der Aufnahme Tölgs und Saengers als stellvertretende Mitglieder in den Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung kritisiert der Mannheimer Historiker Peter Steinbach, beide würden versuchen, deutsche Verbrechen zu relativieren, und Thesen vertreten, „die vor allen Dingen innerhalb einer rechten Geschichtsbetrachtung gang und gäbe“ seien. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, wirft Tölg und Saenger in einem Brief an Neumann „revanchistische Positionen“ vor und kündigt an, seine Mitgliedschaft im Stiftungsrat ruhen zu lassen.

Steinbach soll die beiden Funktionäre daraufhin verteidigt und argumentiert haben, dass Polen bereits im März 1939 mobilgemacht habe. Diese Bemerkung wirde als Relativierung des deutschen Überfalls auf Polen und der deutschen Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg aufgefasst und löst in der Sitzung Empörung aus. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff bezeichnet die Äußerungen als „absurd“ und „Geschichtsklitterung“. Steinbach weist die Vorwürfe zurück, kündigt aber ihren Rückzug aus dem CDU-Vorstand an, da sie keinen Rückhalt in der Partei mehr habe und keine offenen Debatten möglich seien.

November 2010. Der tschechische Filmemacher David Vondráček erhält aus Steinbachs Hand den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis für seinen umstrittenen Film Töten auf tschechische Art. Bei der Preisverleihung weist Steinbach auf die „Notwendigkeit von deutsch-tschechischer Wahrhaftigkeit“ hin.

26. September 2011. Im Anschluss an eine Sitzung der CDU-Landesgruppe von Nordrhein-Westfalen greift Ronald Pofalla seinen Parteikollegen Wolfgang Bosbach verbal an, weil dieser nicht der CDU-Parteilinie folgen möchte und dem "Erweiterten europäischen Rettungsschirm" (EFSF) seine Zustimmung verweigert. Er sagt offenbar: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen".

Nachdem Bosbach auf die im Grundgesetz garantierte Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten hinweist, erwidert er: "Ich kann den Scheiß nicht mehr hören".

Pofalla sieht sich daraufhin heftiger Kritik ausgesetzt, sowohl von Seiten der Medien als auch von Politikern aus den eigenen Reihen. Erika Steinbach (Abgeordnete der CDU) bezeichnet Pofallas Äußerungen als "Mobbing", Erwin Lotter (Abgeordneter der Mövenpickpartei) bezeichnet es als einen "Ausraster", der das Klima in der schwarzgelden Koalition vergiftte.

Schließlich entschuldigt sich Pofalla für seine Pöbeleien gegenüber Bosbach und erklärt: "Ich ärgere mich selbst über das, was vorgefallen ist, und es tut mir außerordentlich leid". Daraufhin erklärt Bosbach den Streit für beendet.

Ab 2012. Sie ist Mitglied im Berliner Kreis, einer informellen CDU-internen konservativen Gruppe aus Modernisierungs- und Merkel-Skeptikern.

2012. Sie wird als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) durch die Bundesversammlung mit 97,5 % der Stimmen bestätigt.

1. Februar 2012. Sie löst durch einen Tweet einen Eklat aus, als sie die NSDAP als linke Partei bezeichnet:

„Die NAZIS waren eine linke Partei. Vergessen? NationalSOZIALISTISCHE deutsche ARBEITERPARTEI“.

Im Nachhinein bezeichnet sie dies als „gezielte Provokation“. Ihre Grundbotschaft sei, dass jede Form von Extremismus indiskutabel sei. Steinbachs Äußerungen werden von Wissenschaftlern wie Herfried Münkler zurückgewiesen, der sie als „schief“ bezeichnet. Obwohl es auch einen linken Flügel der NSDAP gegeben habe, könne es „keinen Zweifel geben, dass die NSDAP zur Rechten gehörte.“

22. Oktober 2013 bis zum 24. Oktober 2017.  Im 18. Bundestag ist Steinbach wieder Ordentliches Mitglied im Innenausschuss.

2014. Sie tritt nicht mehr zur Wahl der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) an. Ihr Nachfolger wird ist bisheriger Stellvertreter Bernd Fabritius.


22. bis 25. Mai 2014. Nach dem Erfolg der  politischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) bei der Europawahl 2014 äußert Steinbach, diese Partei sei nach ihrer Beobachtung „eine rechtsstaatliche, demokratische Gruppierung und damit ebenso unser Konkurrent wie unser möglicher Partner.“ Ihre CDU-Parteikollegen sprechen sich gegen eine solche Koalition aus.

15. März 2015. Steinbach vertritt die unrichtige Auffassung dass der Islam nicht zu Deutschland gehören würde.

Sommer 2015.  Steinbach  verkündet die gute Nachricht, dass sie zur Bundestagswahl 2017 nicht mehr kandidieren wird.

Der Regierung wirft sie in der Flüchtlingskrise einen vorsätzlichen Rechtsverstoß vor: „Dass monatelang Menschen unidentifiziert mit Bussen und Zügen über die Grenze geschafft wurden, war keine Ausnahme, sondern eine gewollte Maßnahme entgegen unserer gesetzlichen Regelungen und entgegen EU-Verträgen. (...) Beim Bundesamt für Migration sind tausende von Pässen als gefälscht identifiziert worden, ohne dass die rechtlich vorgesehenen Konsequenzen für die jeweiligen Migranten gezogen worden wären. Ein solches Ignorieren unseres Rechts wagt keine Bundesbehörde auf eigene Verantwortung. Da steht ein politischer Wille dahinter. Am Recht vorbei.“

10. November 2015. Sie twittert zum Tod von Helmut Schmidt (Ex-Bundeskanzler) dessen Zitat „Wir können nicht mehr Ausländer verdauen, das gibt Mord und Totschlag“ von einer DGB-Veranstaltung von 1981. Dies führt zu empörten Medienreaktionen.

27. Februar 2016. Ein auf ihrem Twitter-Account veröffentlichtes Bild, das unter dem Titel „Deutschland 2030“ „ein blondes Mädchen umrundet von dunkelhäutigen Menschen zeigt“, löst Empörung in den sozialen Netzwerken und in der Politik aus. Steinbach verteidigt sich damit, dass „es freundliche Inder seien, die das Kind neugierig und interessiert ansehen“, und betont, dass es in Großstädten schon heute einen großen Anteil „nichtdeutscher Bevölkerung“ gäbe. Das Bild kursiert nach einer Analyse der Rheinischen Post seit Jahren als Mem auf rechtsextremen Internetseiten und stammt vom Besuch einer australischen Familie in einem Kinderheim in Indien. Sowohl die Eltern des abgebildeten Jungen als auch die Leiterin des Kinderheimes sind empört über die spätere Verwendung des Motivs aus dem Jahr 2011.



15. Januar 2017. Erika Steinbach tritt aus Protest gegen eben die Flüchtlingspolitik aus der CDU aus und wird fraktionslose Abgeordnete. Sie begründet ihren Schritt in einer fünfseitigen Erklärung mit der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel insbesondere in der Flüchtlingskrise und deren Entscheidung, „mehr als eine Million Migranten ungesteuert und unüberprüft monatelang nach Deutschland nicht nur einreisen zu lassen, sondern sie auch noch mit Bussen und Zügen hierher zu transportieren“, obwohl viele aus einem sicheren Herkunftsland gekommen und „praktisch alle“ über andere EU-Länder eingereist seien.

Zudem sagt sie, sie würde einen Wechsel zur AfD aktuell nicht vollziehen, hoffe aber, dass die AfD in den Bundestag einziehe, damit „es dort endlich wieder eine Opposition“ gebe.

Daraufhin twittert Andreas Hollstein (Bürgermeister von Altena): "Gut, dass sich die CDU verändert hat. Gut, dass sie unsere CDU nicht mehr belastet. Schade, dass sie ihr Mandat behält!!"

12. Februar 2017. Sie ist Mitglied der 16. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten als fraktionsloses Mitglied des Deutschen Bundestags. Sie fehlt jedoch entschuldigt.

Juli 2017. Sie schreibt die Kolumne „Warum wir wieder eine echte Opposition brauchen“ in der AfD-nahen Wochenzeitschrift Deutschland-Kurier, schließt aber eine Mitgliedschaft in der AfD für sich aus.

September 2017. Sie hält eine fast einstündige Rede auf dem AfD-Wahlkampfabend in Pforzheim.

24. September 2017. Bei der Bundestagswahl unterstützt sie die politische Partei Alternative für Deutschland (AfD), ohne Mitglied der Partei zu sein.

November 2017. Erika Steinbach veröffentlicht auf Facebook und Twitter ein Werbeplakat des Elmshorner Lichtermarktes nebst der Bemerkung „Ich kenne kein Land außer Deutschland, das seine eigene Kultur und Tradition so über Bord wirft“. Insbesondere die Hautfarbe eines als Engel verkleideten 4-jährigen Mädchens, mit deren Foto für den Lichtermarkt geworben wird, ist danach Trigger für rechte Trolle.

Volker Hatje (Parteiloser Bürgermeister von Elmshorn bekommt daraufhin massive Beschimpfungen und Drohungen von Rechten. Der Weihnachtsmarkt der Stadt Elmshorn wurde jedoch bereits im Jahr 2007 in Lichtermarkt umbenannt, nachdem er mangels Besuchern mit zahlreichen Lichtern aufgepeppt wurde. Zudem ist es seltsam wenn sich Rechte auf einmal für den Geburtstag eines linksversifften Gutmenschen interessieren. Fakten interessieren aber rechte Vollpfosten bekanntlich leider absolut nicht.

23. Februar 2018. Steinbach postet bei Twitter einen Screenhot, auf dem folgende Schlagzeile zu lesen ist: „Verletzt seine religiösen Gefühle: Muslim will wegen Kreuz im Logo keinen ,Jägermeister' mehr trinken“. Auf dem Bild dazu ist ein junger Mann mit dunklen Haaren, dunklem Bart und Sonnenbrille zu sehen.

Dazu schreibt sie auf Twitter: „Hoppla, ich dachte Muslime dürfen keinen Alkohol trinken. Also kann Jägermeister diese Drohung gelassen hinnehmen. Aber es ist schon dreist, was hier in Deutschland abgeht.“

Sie hat jedoch übersehen dass diese "Schlagzeile" von der Satire-Website "Der Postillion" stammt.

28. März 2018. Steinbach twittert mal wieder aufgeregt und dekoriert das mit einem Kassenbon: "Bei Karstadt gibt es keine Osterhasen mehr, sondern Traditionshasen. Wer mir keine Osterhasen mehr verkaufen will, der kann auch sonst auf mich verzichten........"

Dumm ist nur, dass der Hause seit mindestens 26 Jahren so heißt. Viele Hersteller geben ihren Schoko-Osterhasen Eigennamen, sie sollen sich vom übrigen Sortiment abheben. Bei Milka heißen sie "Schmunzelhasen" und bei Lindt heißen sie "Goldhasen" oder "Traditionshasen". Mit muslimischen Zuwanderern, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, hat das nichts zu tun.

Leider aber muss Gar Nix davon ausgehen dass er nicht in den Genuss kommen wird dass sie ihre Drohung wahr macht.

12. Mai 2018. Markus Blume (CSU-Generalsekretär) legt auf einer Vorstandsklausur in München ein Strategieprogramm vor. Darin heißt es: "Die AfD ist ein Feind von allem, für das Bayern steht ... Brauner Schmutz hat in Bayern nichts verloren!" Ministerpräsident Markus Söder betont, die CSU wolle "zeigen, dass die AfD unbayerisch ist, dass sie mit Bayern überhaupt nichts zu tun hat".

15. Mai 2018. Steinbach kündigt an, den Bayerischen Verdienstorden per Post an die Münchner Staatskanzlei zurückzuschicken. Als Grund nennt sie das jüngst öffentlich gewordene Strategiepapier der CSU zur bayerischen Landtagswahl, das in schärfsten Worten die AfD abkanzelt.

Sie schreibt: "Wer bezogen auf die AfD verkündet 'Brauner Schmutz hat in Bayern nichts verloren', der unterbietet sein eigenes Niveau und stigmatisiert im Stile von Nazi-Jargon die Überzeugung sehr vieler Wähler, die sich aus Sorge um Deutschland der AfD zugewandt haben".

Dagegen habe die CSU, von der sie sich früher oftmals gewünscht habe, sie sei bundesweit wählbar, kein Problem damit, auch der Grünen-Politikerin Claudia Roth den Verdienstorden zu verleihen, obwohl sich diese angeblich mit dem Spruch "Deutschland, du mieses Stück Scheiße" solidarisiert habe.

Den Christsozialen, denen aus vielen Gründen vorgeworfen wird, die AfD "rechts überholen zu wollen", schreibt sie ins Stammbuch: "Leider besitzt ihre Partei nicht die Hellsicht, zu erkennen, dass es mit der AfD eine zutiefst bürgerliche Partei nur deshalb gibt, weil die CDU und CSU eklatant versagt haben. Sie ist Fleisch von Ihrem Fleische." Und schiebt noch hinterher: "Mit Ihrer schwer erträglichen Beschreibung der AfD beschmutzen Sie sich damit selbst."

Fremdenfeindliche und rechtsnationale Tendenzen in großen Teilen der rechtsradikalen AfD erwähnt Steinbach nicht.

Bilder aus Wikimedia Commons
Erika Steinbach, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany, Attribution: Deutscher Bundestag

Quellen