Samstag, 13. Februar 2016

Abram Fjodorowitsch Joffe

Abram Fjodorowitsch Joffe
Der sowjetische Physiker Abram Fjodorowitsch Joffe (russisch Абрам Фёдорович Иоффе), auch Ioffe, oder Joffé wurde am 17. Oktober (jul.) / 29. Oktober 1880 (greg.) in Romny, Gouvernement Poltawa, Russisches Kaiserreich, heute Oblast Sumy, Ukraine geboren († 14. Oktober 1960 in Leningrad). Er gilt als einer der Begründer der modernen Physik in Russland. 

In der experimentellen Festkörperphysik war er einer der führenden Wissenschaftler der Sowjetunion. Dabei beschäftigte er sich vor allem mit Dielektrika und Physik von Kristallen. Er initiierte aber auch später Forschungen zu Halbleitern (weswegen er auch als Vater der sowjetischen Halbleiterphysik bezeichnet wird) und in der Atomphysik (ab 1932, wobei er die Leitung der Abteilung Igor Kurtschatow anvertraute).  Joffe wurde in den 1940er Jahren gefragt, ob er das Atombombenprojekt leiten wollte, er verwies aber lieber auf seinen Schüler Kurtschatow.

Joffe galt für Generationen von russischen Physikern als Leitfigur, bekannt als Papa Joffe. Zu den Schülern Joffes gehören unter anderem Igor Kurtschatow (Leiter des sowjetischen Atombombenprojektes), Nikolai Nikolajewitsch Semjonow (Nobelpreis für Chemie 1956), Igor Tamm (Nobelpreis für Physik 1958), Isaak Kikoin, Lew Landau (Nobelpreis für Physik 1962), Pjotr Kapiza (Nobelpreis für Physik 1978), Lew Andrejewitsch Arzimowitsch, Juli Chariton, Abram Isaakowitsch Alichanow, Jakow Borissowitsch Seldowitsch, Jakow Frenkel und Schores Alfjorow (Nobelpreis für Physik 2000). Viele seiner Schüler waren am sowjetischen Atombomben- und Wasserstoffbombenprojekt in den 1950er Jahren beteiligt.

Ein sowjetisches Forschungsschiff (Akademik Joffe), ein Krater auf dem Mond und eine Straße im Forschungs- und Technologiepark WISTA in Berlin-Adlershof sind nach ihm benannt. Ein geplantes deutsch-russisches Forschungsinstitut, an dem unter anderem an Beschleunigertechnologie gearbeitet werden soll, wird nach Röntgen und Joffe benannt (2011).

Leben

29. Oktober 1880. Abram Fjodorowitsch Joffe wird in Romny, Gouvernement Poltawa, Russisches Kaiserreich, heute Oblast Sumy, Ukraine als Sohn eines Kaufmanns geboren.

Ab 1897. Er studiert am Kaiserlichen Polytechnischen Institut in Sankt Petersburg.

1902 bis 1905. Nach seinem Abschluss am Kaiserlichen Polytechnischen Institut geht er an die Ludwig-Maximilians-Universität München, um bis 1905 bei Conrad Röntgen zu studieren.

1905. Er promoviert bei Röntgen summa cum laude, seine Dissertation trägt den Titel Elastische Nachwirkung im kristallinischen Quarz. Er befasst sich auch mit dem photoelektrischen Effekt und Ablenkung von Kathodenstrahlen (Elektronen) in Magnetfeldern (beides später Gegenstand seiner Magisterarbeit).

1906. Er ist Assistent von Röntgen und erhält von diesem ein Angebot in sein Labor einzutreten, zieht es aber vor, nach Sankt Petersburg zurückzukehren.

1911. Um seine erste Frau zu heiraten konvertiert Joffe vom Jüdischen zum Lutheranischen Glauben, wird aber wegen seiner internationalen Kontakte des (jüdischen) Kosmopolitismus verdächtigt.

1911. Er bestimmt er unabhängig von Robert Millikan die Elektronladung, mit einer ähnlichen experimentellen Methode wie Millikan, die Arbeit wird aber erst 1913 veröffentlicht.

1913. Er fertigt seine Magisterarbeit an und erhält eine Professur am Polytechnikum.

1914. Er erhält auch eine Professur an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg.

1915. Er erwirbt am Polytechnischen Institut den russischen Doktortitel (Die elastischen und elektrischen Eigenschaften von Quarz).

1916. Er begründet  sein berühmtes physikalisches Seminar, an dem Physiker aus ganz Sankt Petersburg teilnehmen. 

1918. Er ist an der Gründung des Röntgen- und Radiologischen Instituts beteiligt. Aus dessen Physik-Abteilung geht später das Physikalisch-Technologische Institut (LPTI) in Leningrad hervor, das spätere Joffe-Institut (so benannt nach seinem Tod). Er bleibt dessen Direktor bis 1950, als er aufgrund der damaligen antisemitischen Kampagnen aus dem Amt gedrängt wird.

1918.  Joffe wird korrespondierendes Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften.

1919. Er gründet die Fakultät für Physik und Mechanik am Polytechnischen Institut, deren Dekan er bis 1948 ist. Er lehrt aber auch an anderen Instituten in Sankt Petersburg, an denen er teilweise selbst physikalische Abteilungen gründet.

1920. Joffe wird volles Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften.

1924. Er entdeckt die Erhöhung der Plastizität und Festigkeit von Ionenkristallen bei Einwirkung eines Lösungsmittels - heute als Joffe-Effekt bezeichnet.

1926. Er wird Fellow der American Physical Society.

1926 bis 1929. Er ist Vizepräsident der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften.

1927. Er wird Ehrendoktor der University of California-

1928. Er wird korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, aus der er als Jude jedoch nach der Programnacht 1938 mit Schreiben vom 15. November 1938 austritt. 

1929. Er wird Ehren-Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

1939 bis 1945. Während des Zweiten Weltkriegs ist er am Aufbau eines Radarsystems um Leningrad beteiligt.

1942 bis 1945. Er ist Vizepräsident der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften.

1946. Er wird Ehrenmitglied der Universität Paris.

1947. Er wird Ehrenmitglied der Universität Bukarest.

1952 bis 1954. Er ist  Direktor des von ihm gegründeten Instituts für Halbleiterphysik der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Auch in anderen Städten der Sowjetunion führt seine Initiative zur Gründung Physikalisch-Technischer Institute, in denen Laborarbeit und Lehre Hand in Hand gehen, so in Tomsk, Swerdlowsk und Charkiw und auch in Moskau (Institut für Chemische Physik der Akademie der Wissenschaften). 

1956. Ein Treffen mit Robert Rompe führt  zu einer Erneuerung der Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

Ab 1958. Er ist Mitglied der Leopoldina und der National Academy of Sciences of India.

1959. Er wird Mitglied der Accademia dei Lincei.

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Bilder aus Wikimedia Commons
Abram Fjodorowitsch Joffe, Lizenz: This work is not an object of copyright according to Part IV of Civil Code No. 230-FZ of the Russian Federation of December 18, 2006. Article 1259, Urheber: Author Unknown

Quellen