Donnerstag, 5. November 2015

Manfred von Ardenne

Manfred von Ardenne
Der deutsche Naturwissenschaftler Manfred Baron von Ardenne wurde am 20. Januar 1907 in Hamburg geboren († 26. Mai 1997 in Dresden-Weißer Hirsch).

Er war als Forscher vor allem in der angewandten Physik tätig und hielt am Ende rund 600 Erfindungen und Patente in der Funk- und Fernsehtechnik, Elektronenmikroskopie, Atom-, Plasma- und Medizintechnik.

Der parteilose Ardenne war Volkskammerabgeordneter der DDR.

Leben

20. Januar 1907. Manfred von Ardenne kommt in Hamburg als Sohn des Regierungsrates Baron Egmont von Ardenne und dessen Frau Adela zur Welt. Die Scheidungsaffäre seiner Großeltern Armand von Ardenne und Elisabeth von Plotho ist das Vorbild für Theodor Fontanes Roman Effi Briest. Sein Urgroßvater ist der Kaufmann und Guano-Importeur Heinrich Ohlendorff.

1913. Als sein Vater 1913 ins Kriegsministerium versetzt wird, zieht die Familie nach Berlin-Neukölln. Nach zwei Jahren Privatunterricht besucht Ardenne für die nächsten drei Jahre das Friedrichs-Realgymnasium, die heutige Leibniz-Schule in Berlin-Kreuzberg.

1922. Schon als Schüler (1922) interessiert sich Ardenne sehr für die Naturwissenschaften, insbesondere für die Elektrophysik. Er konstruiert Modelle eines Fotoapparats und einer elektrischen Alarmanlage, beschäftigt sich mit Problemen der Rundfunktechnik und erhält im Alter von 16 Jahren sein erstes Patent über ein "Verfahren zur Erzielung einer Tonselektion, insbesondere für die Zwecke der drahtlosen Telegraphie".

1923. Schule im klassischen Sinn passt nicht zu Manfred von Ardenne. Er braucht sie einfach nicht. Deshalb verlässt er vorzeitig das Gymnasium und widmet sich der Weiterentwicklung der Radiotechnik. Siegmund Loewe, der Gründer der Loewe Radio GmbH, wird zu seinem Förderer.

1925.  Mit den Honoraren für seine Veröffentlichungen und den Geldern aus dem Patentverkauf verbessert Ardenne den Breitbandverstärker (widerstandsgekoppelter Verstärker) erheblich, der u. a. die Entwicklung des Fernsehens und Radars entscheidend voranbringt. Ein Patent auf diese Verbesserung wird ihm wegen Vorveröffentlichung jedoch aberkannt. Obwohl er kein Abitur vorweisen kann, schreibt er sich dank der Fürsprache des Nobelpreisträgers Walther Nernst sowie Georg Graf von Arco, dem Technischen Direktor von Telefunken, an der Universität in Berlin ein und beginnt Physik, Chemie und Mathematik zu studieren. Nach vier Semestern bricht er das Studium jedoch wieder ab und widmet sich ganz seinen Forschungen auf dem Gebiet der angewandten Physik.

1928. Manfred von Ardenne wird volljährig und gründet das Forschungslaboratorium für Elektronenphysik in Berlin-Lichterfelde (heute: Villa Folke Bernadotte), das er bis 1945 leitet. In dieser Zeit ist Ardenne u. a. an der Entwicklung des Fernsehens mit Leuchtfleck-Zeilenabtastung und zeilenweiser Wiedergabe mit einer Braunschen Röhre beteiligt.

14. Dezember 1930. Die weltweit erste Fernsehübertragung mit Kathodenstrahlröhre gelingt Manfred von Ardenne in seinem Lichterfelder Laboratorium.

Ab 21. August 1931. Zur Funkausstellung in Berlin führt er das erste elektronische Fernsehen vor, mit dem er auf dem Titelblatt der New York Times international bekannt wird. Mitte des 20. Jahrhunderts gehen eine Vielzahl bedeutender Erfindungen auf den Gebieten der Funk- und Fernsehtechnik und der Elektronenmikroskopie auf die Arbeit seines privaten Forschungsinstituts zurück. Wichtigster Geldgeber ist das von dem Physiker Wilhelm Ohnesorge, einem Kriegskameraden seines Vaters aus dem Ersten Weltkrieg, geführte Reichspostministerium.

Februar 1937. Er erfindet das Rasterelektronenmikroskop, das er nun zum Patent anmeldet.

1938/39. Nach der Entdeckung der Atomspaltung durch Otto Hahn, deren militärisches Potenzial er rasch erkennt und auch Ohnesorge darüber informiert, wendet er sich sofort der experimentellen Atomphysik zu. Er baut Linear- und Zirkularbeschleuniger zur Isotopentrennung (1-Millionen-Volt-van-de-Graff-Anlage, 60-Tonnen-Zyklotron). Initiativen in Richtung einer deutschen Atombombe gehen von ihm nicht aus. Der theoretische Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker, einer der bedeutendsten Mitarbeiter des „Uranprojekts“, erklärt ihm, dass eine explosionsartig ablaufende Kettenreaktion, wie sie in einer Bombe ablaufen müsste, physikalisch unmöglich sei. Dennoch finanziert Ohnesorge ein Kernphysikalisches Institut in unmittelbarer Nähe des Ardenne-Laboratoriums.

1938. Ardenne heiratet Bettina Bergengruen, eine Nichte des Schriftstellers Werner Bergengruen.

1940. Nach zwei Jahren Haft wird Friedrich Georg Houtermans von der Sowjetunion aufgrund des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes an Deutschland ausgeliefert, wo er von der Gestapo erneut inhaftiert wird. Der Physiker Max von Laue kann jedoch seinen Einfluss geltend machen, seine Freilassung bewirken und ihm eine Anstellung an Manfred von Ardennes privatem Forschungsinstitut in Berlin verschaffen.

1941. Er erhält die Silberne Leibniz-Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften.

Januar 1941. Getreu seinem Prinzip, ein physikalisches Problem in aller nur möglichen Breite zu bearbeiten, beauftragte Ardenne den jetzt bei ihm beschäftigten Theoretiker Friedrich Georg Houtermans, auch die Isotopentrennung von Uran mit einer Ultrazentrifuge durchzurechnen.

August 1941.  Ein bereits jetzt von Houtermans vorgelegter Bericht "Zur Auslösung von Kern-Kettenreaktionen" sorgt nach Kriegsende für Zweifel an der ausschließlich friedlichen Zielen dienenden Atomforschung in den von Ardenne geleiteten Einrichtungen. Denn Ardenne klassifiziert den Houtermans-Bericht, in dem der Autor zeigt, dass ein Element mit der Massenzahl 239 (später Plutonium genannt) ebenfalls als Brennstoff und Explosivstoff genutzt werden könne, als Geheimbericht klassifiziert, der Creme der deutschen Atomphysiker zur Kenntnis. Nahezu zeitgleich meldet Carl Friedrich von Weizsäcker eine Plutoniumbombe zum Patent an.

1942. Heinz Ewald (Physiker am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie) schlägt zur Erhöhung des Anteils des spaltbaren Uranisotops U-235  eine als "Atomumwandlungsanlage", eine Art Massespektrometer, vor in welchem ionisierte Uranatome in einem elektrischen Feld beschleunigt und anschließend in einem ringförmigen magnetischen Feld anhand der unterschiedlichen Massen getrennt werden. 
Manfred von Ardenne (Leiter des Forschungslaboratoriums für Elektronenphysik in Berlin) greift die Idee auf und verfasst einen Geheimbericht "Über einen neuen magnetischen Isotopentrenner" für hohen Massentransport. 
Die Entwicklung des Lithium-Trenners wurde noch nicht umfassend erforscht. Sie könnte allerdings auf die von Historikern bislang noch kontrovers diskutierte Entwicklung einer thermonuklearen Bombe in der Zeit des Nationalsozialismus hinweisen, für die 6Li ein Grundstoff ist. 

1943. Es wird möglicherweise ein Prototyp des Isotopentrenners auf einem Luftwaffenstützpunkt in Bad Saarow aufgebaut.

Anfang 1945. Mit einem Labormuster des Isotopentrenners werden erste Versuche zur Trennung von Lithiumisotopen durchgeführt.

1945. Er wird in den Reichsforschungsrat berufen.

9. Juli 1945 bis 1954. Nach Gesprächen mit dem russischen Physiker Juli Borissowitsch Chariton in Berlin wird eine Reihe deutscher Wissenschaftler mit ihren Familien in die UdSSR ausgeflogen, auch Nikolaus Riehl. Zusätzlich „rekrutiert“ der NKWD unter anderem Manfred von Ardenne, Gustav Hertz, Peter Adolf Thiessen und Max Volmer für Forschungsaufgaben in der Sowjetunion. 
Ardenne arbeitet, gemeinsam mit anderen deutschen Technikern und Wissenschaftlern zwangsverpflichtet, an der Entwicklung der sowjetischen Atombombe mit. Sein Forschungslaboratorium für Elektronenphysik wird nach Sochumi in der ehemaligen AbASSR (im heutigen Abchasien/Georgien) verbracht, wo das NKWD am 27. Juli 1945 das Physikalisch-Mathematische Institut eröffnet hat. Das von ihm bearbeitete Verfahren der elektromagnetischen Trennung von Uranisotopen kommt bei der Produktion der ersten einsatzfähigen Atombomben nicht zum Einsatz. Bei der Entwicklung der Wasserstoffbombe gelingt es den Sowjets aufgrund der Ardenne’schen Vorarbeiten zur industriellen Trennung von Lithiumisotopen, die USA im atomaren Wettrüsten zu überholen.

1947. Für Entwicklung und Bau eines Elektronenmikroskops erhält Ardenne eine Prämie in Höhe von 50.000 Rubel.

1948. Er entwickelt die Duoplasmatron-Ionenquelle für den Einsatz in großen Teilchenbeschleunigern und in kosmischen Raketen mit Ionenantrieb.

Dezember 1953. Für seinen Beitrag erhält Ardenne den Stalinpreis 2. Klasse.

1954. Nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion baut Ardenne in der DDR das seinen Namen tragende Forschungsinstitut auf dem Weißen Hirsch in Dresden auf, das sich durch eine anwendungsorientierte, industrienahe Forschung auszeichnet. Wie bereits in Berlin praktiziert, verwirklicht Ardenne auch in Dresden das Prinzip des Wohnens und Arbeitens unter einem Dach. Die kommunalen Behörden sorgen dafür, dass auch seine Mitarbeiter Wohneigentum erwerben können. Das Institut entwickelte sich zum größten privaten Forschungsinstitut des gesamten Ostblocks – mit rund 500 Mitarbeitern.

1956. Als Liebhaberastronom baute er an der Plattleite die „Volkssternwarte M. v. Ardenne“.

1958. Er erhält in diesem Jahr den Nationalpreis 1. Klasse und den Dr. rer. nat. h. c. der Universität Greifswald

Anfang der 1960er Jahre. Ardenne wendet sich medizinischen Fragestellungen zu. Er entwickelt zwei verschiedene Therapien: die umstrittene Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie, inzwischen als Naturheilverfahren verbreitet, die den Energiestatus des Organismus und somit das Befinden und die Vitalität verbessern soll, und die sogenannte systemische Krebs-Mehrschritt-Therapie, bei der der Krebs und die Metastasen durch Hyperthermie (Überwärmung), Glukose und Sauerstoff gegebenenfalls in Kombination mit einer Chemotherapie in mehreren Sitzungen bekämpft werden sollen. Ardenne ist der Erste, der eine passive Ganzkörperhyperthermie zur Krebsbekämpfung einsetzt. Da dieses Verfahren sehr anstrengend ist, setzt er zur Unterstützung der Patienten während der Behandlung Sauerstoff ein.

Ab 1965. Stellvertretender Direktor des Instituts ist Siegfried Schiller, der von 1976 an als Inoffizieller Mitarbeiter für die Staatssicherheit spioniert.

1965. Er bekommt den Nationalpreis 2. Klasse und wird Mitglied der Internationalen Astronautischen Akademie Paris.

1966. Er baut neben seinem Wohnschloss am Elbhang ein modernes Privatobservatorium. 

1970. Ardenne setzt den Physiker Peter Lenk als Verwaltungsleiter ein. Ardenne lehrt als Professor für elektronische Sonderprobleme an der Technischen Universität Dresden. Später wird ihm die Ehrendoktorwürde in Physik, Pädagogik und Medizin verliehen. Insgesamt besitzt er etwa 600 Patente.

1978. Er wird Dr. med. h. c. der Medizinischen Akademie Dresden.

1982. Ardenne wird Dr. paed. h. c. der Pädagogischen Hochschule Dresden und erhält die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold.

1983. Er wird Ehrenmitglied der Gesellschaft für Ultraschalltechnik.

1986. Er bekommt die Wilhelm-Ostwald-Medaille der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, die Richard-Theile-Medaille der Deutschen Fernsehtechnischen Gesellschaft und die Ernst-Abbe-Medaille der Kammer der Technik der DDR.

1987. Er bekommt die Medaille für Kunst und Wissenschaft des Senats der Stadt Hamburg und den Ernst-Krokowski-Preis der Gesellschaft für biologische Krebsabwehr.

1988. Er bekommt den Ernst-Haeckel-Medaille der Urania, die Diesel-Medaille in Gold des Deutschen Instituts für Erfindungswesen e. V. in München und den Friedrich-Schiller-Preis der Stadt Hamburg.

1989. Er wird Ehrenbürger von Dresden und bekommt den Colani Design France Preis.

13. November 1989. Bei der Volkskammersitzung erinnert er an die originelle Theorie einer Sozialistischen Marktwirtschaft, die er 1968 gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Frank Rieger aus der Systemtheorie begründete und die mit der Aufforderung zur Dezentralisierung der Wirtschaft begann. Für Reformen im Hochschulbereich setzte er sich seit Anfang der 1970er Jahre immer wieder und sehr dezidiert ein.

1990. Nach dem Zusammenbruch der DDR teilt Ardenne den physikalisch-technischen Bereich seines Instituts in das Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik und die Von Ardenne Anlagentechnik GmbH auf. Einer der Söhne führt das Von Ardenne Institut für Angewandte Medizinische Forschung, ein anderer die Forschungsinstitut von Ardenne OHG zur Verwaltung der gewerblichen und privaten Immobilien.

2. Januar 1997. Er feiert seinen 90. Geburtstag noch mit seiner Ehefrau und im Kreis seiner Kinder und Kindeskinder – eine Tochter, drei Söhne, acht Enkel, drei Urenkel.

26. Mai 1997. Manfred von Ardenne stirbt in Dresden. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch.

Bilder aus Wikimedia Commons
Manfred von Ardenne, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany, Attribution: Bundesarchiv, Bild 183-K0917-500 / CC-BY-SA 3.0

Quellen