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| Arnold Sommerfeld |
Der deutsche Mathematiker und theoretische Physiker Arnold Johannes Wilhelm Sommerfeld wurde am 5. Dezember 1868 in Königsberg, Ostpreußen geboren († 26. April 1951 in München).
Sommerfeld zählt neben Max Planck, Albert Einstein und Niels Bohr zu den Forschern, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die moderne theoretische Physik mit ihren Grundpfeilern Quantenphysik und Relativitätstheorie schufen und zum Fundament der Physik machten. Er war sowohl als Forscher wie auch als akademischer Lehrer bedeutend. Sein Beitrag zur Wissenschaft bestand weniger in der Formulierung neuer, umwälzender physikalischer Theorien als vielmehr in der Anwendung fortschrittlicher mathematischer Methoden auf physikalische und technische Probleme. Ein wichtiger Beitrag zur frühen Quantenphysik war die Erweiterung des bohrschen Atommodells, so dass mit diesem auch die Feinstruktur der Spektrallinien des Wasserstoffs erklärt werden konnte (bohr-sommerfeldsches Atommodell). Er führte die Feinstrukturkonstante α ein. Weiterhin entwickelte er eine Theorie der Röntgenstrahlung, verbesserte die Drude-Theorie der Metallelektronen durch Anwendung der Quantenmechanik (Drude-Sommerfeld-Theorie) und arbeitete zusammen mit Felix Klein eine umfassende Theorie des Kreisels aus. Sommerfeld war auch einer der ersten Physiker, die Albert Einsteins Spezielle Relativitätstheorie akzeptierten, anwendeten und damit durchzusetzen halfen. Weiterhin befasste Sommerfeld sich mit hydrodynamischen Gleitlagern und entwickelte die nach ihm benannte Sommerfeld-Zahl als Maß für die Belastung eines Lagers.
Auch als Verfasser von Fachbüchern nahm Sommerfeld Einfluss auf die Wissenschaft.
Sommerfeld wurde insgesamt 81 Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen (vorschlagsberechtigt sind nur ganz ausgewählte Personen, wie z. B. frühere Nobelpreisträger) – häufiger als jeder andere Physiker vor oder nach ihm. Auch als Hochschullehrer zählten mehr künftige Nobelpreisträger zu seinen Assistenten, Doktoranden oder Hörern, als bei jedem anderen bisherigen Physik-Nobelpreisträger. Die so genannte Sommerfeldschule der Theoretischen Physik hat die Entwicklung ihrer Wissenschaft (insbesondere der Quantentheorie und deren Verbreitung) stark beeinflusst, sowohl wegen der Qualität ihrer Arbeiten wie auch durch viele Lehrstühle, die in Deutschland und den USA durch ihre Vertreter in der Folgezeit besetzt wurden. Mit Werner Heisenberg und Wolfgang Pauli haben zwei der bei der Formulierung der Quantenmechanik maßgeblichen Forscher bei Sommerfeld promoviert. Weitere Doktoranden von Sommerfeld waren u. a. Peter Debye, Hans Bethe, Paul Sophus Epstein, Walter Heitler, Walter Franz, Ludwig Hopf, Herbert Fröhlich, Paul Peter Ewald, Adolf Kratzer, Karl Bechert, Alfred Landé, Wilhelm Lenz, Otto Laporte, Josef Meixner, Albrecht Unsöld, Gregor Wentzel, Ernst Guillemin, Rudolf Seeliger, Helmut Hönl, Fritz Bopp und Heinrich Welker. Ausländische Post-Doktoranden wie Isidor Isaac Rabi und Linus Pauling waren an seinem Institut.
Nach ihm benannt wurden das Arnold Sommerfeld Center, Forschungszentrum für theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Arnold-Sommerfeld-Preis der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Bekannt und mit Schmunzeln weitererzählt wurde eine Anekdote, die von Edward Teller kolportiert wurde: Der junge Amerikaner (und spätere Nobelpreisträger) John Hasbrouck Van Vleck studierte am Münchner Physikalischen Institut. Eines Tages saß Van Vleck in der Bibliothek und Sommerfeld betrat den Raum, worauf sich Van Vleck vom Platz erhob und höflich Guten Morgen Herr Sommerfeld! sagte, von Sommerfeld aber nur mit einem unwilligen Brummen begrüßt wurde. Am nächsten Morgen wiederholte sich die Szene, Van Vleck sprang auf und sagte: Guten Morgen Herr Professor!, woraufhin Sommerfeld etwas lächelte, aber nichts erwiderte. Am dritten Tag begegneten sich die beiden wieder und Van Vleck begrüßte Sommerfeld mit Guten Morgen Herr Doktor!. Sommerfeld antwortete ebenfalls mit Guten Morgen!. Am vierten Tag schließlich betrat Sommerfeld erneut die Bibliothek und wurde von Van Vleck mit Guten Morgen Herr Geheimrat! begrüßt. Daraufhin beugte sich Sommerfeld erstaunt zu seinem Studenten und sagte lobend: Aber Ihr Deutsch wird mit jedem Tag besser!.
Leben
5. Dezember 1868. Arnold Johannes Wilhelm Sommerfeld wird Sohn eines naturwissenschaftlich interessierten praktischen Arztes in Königsberg geboren.
1886. Nach dem Abitur am Altstädtischen Gymnasium beginnt er ein Studium der Mathematik an der Albertina in Königsberg, einer der ersten Hochschulen, an der die theoretische Physik als eigenständiges Fach eingerichtet worden ist mit einem berühmten Seminar geleitet von Franz Ernst Neumann und Carl Gustav Jacobi. Zu seinen akademischen Lehrern zählen so bedeutende Gelehrte wie David Hilbert, Ferdinand von Lindemann und Adolf Hurwitz.
1887. Er wird Mitglied der Burschenschaft Germania Königsberg und bestreitet während seines Studiums zahlreiche Mensuren. Von einem dieser Fechtkämpfe trägt er einen markanten Schmiss auf der Stirn davon.
1891. Er promoviert in Königsberg über Die willkürlichen Functionen in der mathematischen Physik. In seiner Frühzeit wird Sommerfeld entscheidend von Emil Wiechert beeinflusst. Auch später besteht zwischen Sommerfeld und Wiechert eine gute Freundschaft. Der frühe Briefwechsel zwischen Sommerfeld und Wiechert wird von Wilfried Schröder (Arch. Hist. ex. Sci, 1984) herausgegeben.
1893. Sommerfeld geht nach dem Militärdienst an die Universität Göttingen, dem Zentrum der mathematischen Wissenschaft in Deutschland. Er wird dort zunächst Assistent am mineralogischen Institut, sein Hauptinteresse bleiben aber weiterhin die Mathematik und die mathematische Physik.
1894. Er wird Assistent des Mathematikers Felix Klein, der sein wissenschaftliches Vorbild wird.
1895. Sommerfeld verfasst unter Felix Klein seine Habilitationsschrift Mathematische Theorie der Diffraction und wird danach zunächst Privatdozent für Mathematik. Mit Klein verfasst er auch ein Buch über die Theorie des Kreisels und wird von diesem beauftragt, verschiedene Abschnitte über Physik in der Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften zu verfassen.
1897. Sommerfeld heiratet Johanna Höpfner (1874–1955), die Tochter des Literaturhistorikers und Kurators Ernst Höpfner (1836–1915). Er erhält einen Ruf auf eine ordentliche Professur der Mathematik an die Bergakademie Clausthal,
1900. Es folgt der Lehrstuhl für Technische Mechanik an der RWTH Aachen.
1906. Er erhält eine Professur für theoretische Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er ein bedeutendes Zentrum für theoretische Physik aufbaut. Er nimmt seinen ehemaligen Studenten Peter Debye mit. Hier verbringt er, obwohl er Angebote auf andere renommierte Lehrstühle erhält, den Rest seiner Laufbahn.
1908. Sommerfeld wird Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
1917. Ihm wird von der Preußischen Akademie der Wissenschaften die Helmholtz-Medaille überreicht.
1919. Sein in diesem Jahr erstmals publiziertes Buch Atombau und Spektrallinien erscheint in den folgenden Jahren in ständig erweiterten Auflagen, welche die rasche Entwicklung der Atomphysik in dieser Zeit widerspiegeln. Es ist lange Zeit eine der wichtigsten Publikationen, die theoretische Erkenntnisse der jungen Quantenmechanik den Experimentatoren zugänglich machen und auch bei der Ausbildung der Studenten eine herausragende Rolle spielen.
Anfang der 1920er Jahre. Sommerfeld baut das Bohrsche Atommodell nach allen Seiten weiter aus. Bei Arbeiten zur Erklärung des anomalen Zeeman-Effekts führt Heisenberg erstmals halbzahlige Quantenzahlen ein (gleichzeitig mit Alfred Landé), womit das Verhalten der Atome im Bohr-Modell immer verwirrender wird, man spricht schon von der „Zahlenmystik“ der Sommerfeld-Schule.
Ab 1920. Er ist korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
1922/23. Er hat eine Gastprofessur in den USA an der University of Wisconsin.
1922. Niels Bohr gelingt auf der Basis des von Arnold Sommerfeld erweiterten Atommodells eine Erklärung für den Aufbau des Periodensystems der Elemente, bei der er ein Schalenmodell annimmt. In den folgenden Jahren werden das Atommodell Bohrs und die Modifikationen der Atomtheorie Arnold Sommerfelds weiter ausgebaut.
14. Januar 1922. Albert Einstein schreibt in einem Brief an Arnold Sommerfeld: "Was ich an Ihnen besonders bewundere ist, dass Sie eine grosse Zahl junger Talente wie aus dem Boden gestampft haben. Das ist etwas ganz Eigenartiges. Sie müssen eine Gabe haben, die Geister Ihrer Hörer zu veredeln und zu aktivieren."
Juli 1924. Werner Heisenberg habilitiert sich in Göttingen und beeindruckt als Arnold Sommerfelds Musterschüler gleich mit seiner Dissertation, für die ihm sein Lehrer das schwierige Problem von Stabilität und Turbulenz in Flüssigkeitsströmungen gestellt hat. In einer tour de force gelangt er zur Abschätzung der kritischen Reynolds-Zahl. Dabei entwickelt er nebenbei auch die WKB-Methode. Aus dieser Zeit stammt auch sein lebenslanges Interesse für nichtlineare Gleichungen, die trotz scheinbarer Einfachheit der Form zu sehr komplexem Verhalten führen.
Im Rigorosum scheitert Heisenberg beinahe am Mitprüfer, dem Experimentalphysiker Wilhelm Wien, der ihm bodenlose Ignoranz in der Experimentalphysik vorwirft. Nur das energische Eingreifen Sommerfelds läßt Heisenberg die Prüfung gerade noch bestehen. Wien fragt unter anderem nach dem Auflösungsvermögen des Mikroskops. Diese Frage nutzt Heisenberg später in einem Gedankenexperiment zur Illustration der Unschärferelation.
1925. Er wird korrespondierendes Ehrenmitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften.
Ab 1926. Er ist Fellow der Royal Society London.
1926. Rudolf Peierls wechselt an die Universität München zu Arnold Sommerfeld.
1926 bis 1928. Hans Bethe arbeitet in München unter anderem bei Arnold Sommerfeld.
1927. Eugene Paul Wigner erhält eine Anfrage von Arnold Sommerfeld, um an der Universität Göttingen als Assistent des bedeutenden Mathematikers David Hilbert zu arbeiten. Dies erweist sich jedoch als eine große Enttäuschung für ihn, weil Hilbert nicht mehr sehr produktiv ist. Wigner forscht dennoch unabhängig und legt den Grundstein für die Theorie der Symmetrien in der Quantenmechanik. In seiner Göttinger Zeit entwickelt er ein Konzept, das später als Wigners D-Matrix bekannt wird. Wigner und Hermann Weyl sind verantwortlich für die Einführung der Gruppentheorie als mathematische Methode in die Quantenmechanik. Diese bekommt 1928 eine allgemein gültige Formulierung in der Veröffentlichung Gruppentheorie und Quantenmechanik, ist aber nicht leicht zu verstehen, besonders bei jüngeren Physikern. Wigners spätere Veröffentlichung von 1931, Group Theory and its Application to Quantum Mechanics of Atomic Spectra, macht Gruppentheorie eher zugänglich für einen größeren Leserkreis.
1928/29. Eine Reise als akademischer Lehrer führt ihn nach Asien (Indien, China, Japan) und in die USA.
1928. Edward Teller wechselt an die Universität München, um bei Sommerfeld zu studieren. Allerdings zeigt er sich von Sommerfeld nicht sehr angetan. Im selben Jahr wird Fritz Sauter Assistent von Arnold Sommerfeld.
Juli 1928. Hans Bethe wird bei Arnold Sommerfeld promoviert. Seine Doktorarbeit beschäftigt sich mit der Theorie der Elektronenbeugung, sie hat bleibenden Wert für die Analyse von experimentellen Daten.
1929. Er wird Ehrenmitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften.
11. Juni 1929. Walther Bothe wird von Arnold Sommerfeld in einem Brief charakterisiert:
„Bothe, Physikal.-Techn. Reichsanstalt, Charlottenburg, ist ein höchst origineller Kopf und ein vorzüglicher Experimentator. Er hat zusammen mit Geiger berühmte Präzisionsarbeiten gemacht, hat aber auch nach dem Fortgang Geigers selbstständig mit bestem Erfolg geforscht. Ueber seine Lehrbefähigung, die er wohl noch keine Gelegenheit hatte sie zu erproben, bin ich nicht unterrichtet.“
1931. Ihm wird von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft die Max-Planck-Medaille verliehen
1933. Hans Bethe veröffentlicht mit Sommerfeld auch ein Buch über die Elektronentheorie der Metalle, das immer noch Gültigkeit hat.
11. Mai 1933. Bethe schreibt an seinen akademischen Lehrer Arnold Sommerfeld: "Sie werden wahrscheinlich nicht wissen, dass meine Mutter Jüdin ist: Ich bin also nach dem Beamtengesetz 'nicht arischer Abstammung' und folglich nicht würdig, Beamter des Deutschen Reiches zu sein. […] Ich muss also wohl oder übel die Konsequenzen ziehen und versuchen irgendwo im Ausland unterzukommen."
1935. Sommerfeld wird emeritiert, unterrichtet aber noch bis 1940. Ursache dieses langen Übergangs ist die Nachfolgefrage: Sommerfeld favorisiert Werner Heisenberg als seinen Nachfolger, stößt aber auf Widerstand von Vertretern der „Deutschen Physik“, die letztlich ihren – nach Sommerfelds Ansicht schlechtesten aller zur Auswahl stehenden – Kandidaten durchsetzten: Wilhelm Müller.
1936. Das politische Klima verschärft sich weiter. Johannes Stark, Vertreter der "Deutschen Physik" und Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, beschimpft in einer SS-Zeitschrift Planck, Arnold Sommerfeld und Werner Heisenberg als "weiße Juden" und polemisiert gegen die gesamte Theoretische Physik.
1945. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Diktatur vertritt sich Sommerfeld nach der Entlassung von Wilhelm Müller zunächst selbst. Er bemüht sich erneut um einen Nachfolger, der die Tradition seiner Schule würde fortsetzen können, und schlägt unter anderem Werner Heisenberg, Karl Bechert, Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker vor, die aber ablehnen.
1948. Sommerfeld wird in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.
1949. Er erhält er die Oersted Medal der AAPT.
1950. Fritz Bopp wird an der Ludwig-Maximilians-Universität München Nachfolger von Arnold Sommerfeld (1868–1951) als Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik.
Bopp bemüht sich, die Sommerfeldsche Tradition weiterzuführen. Dem Wunsch Sommerfelds entsprechend ist er mit Josef Meixner und Erwin Fues Bearbeiter und Herausgeber (neuerer Auflagen) von Sommerfelds berühmter Buchreihe „Vorlesungen über theoretische Physik“. Trotz mancher Schwierigkeiten ist Bopps Institut einer der führenden Plätze der theoretischen Physik im Nachkriegsdeutschland.
26. April 1951. Arnold Sommerfeld stirbt in München an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Seine Grabstätte liegt auf dem Nordfriedhof in München.
9. März 1963. Nicht jeder kam mit Sommerfelds Persönlichkeit zurecht. Werner Heisenberg meint in einem Interview (durchaus respektvoll) über ihn:
"Er war ein Geheimrat im alten Stil mit sehr entschiedenen Ansichten über Moral, Politik, Benehmen und so weiter. Pauli pflegte von ihm zu sagen: „Er sieht aus wie ein alter Husarenoberst“. Er hatte den Schnurrbart, die Persönlichkeit und entschiedene Ansichten."
1969. Fritz Bopp ist der Herausgeber von Festschriften für Arnold Sommerfeld. Sie enthält auch eine von Bopp verfasste Sommerfeldbiografie.
2002. Der Asteroid (32809) Sommerfeld wird nach ihm benannt.
Bilder aus Wikimedia Commons
Arnold Sommerfeld, Lizenz: Public Domain, Urheber: Unknown
Quellen
