Mittwoch, 21. Oktober 2015

Georg Joos

Graphit aus Ceylon
Der deutsche Physiker Jakob Christoph Georg Joos wird am 25. Mai 1894 in Urach geboren († 20. Mai 1959 in München). 

Joos arbeitete erfolgreich in der Theoretischen und in der Experimentalphysik, speziell mit Atomphysik, Optik (wie der Theorie des Mikroskops von Ernst Abbe) und Festkörperphysik (unter anderem Festkörperoptik, Para- und Diamagnetismus) und verschiedene Anwendungen (fotografischer Elementarprozess, Theorie des Röhrenverstärkers in seiner Habilitation). Bekannt wurde er u.a. durch seine Arbeiten zur Relativitätstheorie.

Das von Joos verfasste "Lehrbuch der Theoretischen Physik" prägte Generationen von Physikstudierenden und auch seine Einführung in die höhere Mathematik für Praktiker war seinerzeit weit verbreitet.

Joos war als ehemaliger Frontkämpfer unter anderem auch organisiert im Stahlhelm.

Leben

25. Mai 1894. Jakob Christoph Georg Joos wird  als Sohn des Notars Georg Joos und dessen Ehefrau Maria (geb. Müller) in Urach (Königreich Württemberg) geboren. Nach dem Abitur studiert er an der Technischen Hochschule Stuttgart Ingenieurwesen.

1914. Der Erste Weltkrieg bricht aus. Deshalb wird das Studium von Georg Joos unterbrochen. Im Krieg dient Joos als Leutnant bei der Artillerie.

1918. Nach dem Krieg studiert Joos Physik an der Universität Tübingen, wo er bei Friedrich Paschen und Christian Füchtbauer lernt.

1920. Bereits jetzt kann er zum Dr. rer. nat. promovieren.

1921 bis 1924. Die Jahre verbringt er als Assistent von Jonathan Zenneck an der Technischen Hochschule München.

1921. Er heiratet Hedwig Brucklacher, mit der er später vier Kinder hat. Der Sohn Peter Joos wird später selbst Physiker.

1922. Er habilitiert sich bei Jonathan Zenneck an der Technischen Hochschule München.

1922 bis 1923. Die Rolle Joos’ in der Zeit des Nationalsozialismus kann in Anbetracht seiner Tätigkeiten zu dieser Zeit als ambivalent beschrieben werden. In der Münchener Zeit engagiert sich Joos politisch erst in der DVP und dann in der NSDAP. 

1923. Joos beendet die Mitgliedschaft in der NSDAP und wird ein offener und scharfer Kritiker der Nationalsozialisten.

1924. Joos wird Dozent unter Max Wien an der Universität Jena, wo er Quanten- und Relativitätstheorie unterrichtet. Schon im Jahr darauf erhält er als Nachfolger Felix Auerbachs die Professur für Theoretische Physik und wird Direktor des Physikalischen Instituts.

1930. Er wiederholt das berühmte Michelson-Morley-Experiment und bestätigt dabei erneut die Einsteinsche Spezielle Relativitätstheorie (Konstanz der Lichtgeschwindigkeit), mit einer Genauigkeit, die einen Rekord darstellt.

1. April 1935. Der jüdische Nobelpreisträger James Franck hat aus Protest gegen die nationalsozialistische Politik seine Professur für Experimentalphysik und die Leitung des II. Physikalischen Instituts an der Universität Göttingen niedergelegt. Joos wird zu dessen Nachfolger berufen. Nach Walther Gerlach geschieht dies zwar gegen Joos’ Wunsch, aber andererseits passt das Thema seiner Antrittsvorlesung, "Die Physik als Waffe im Daseinskampf", in das nationalsozialistische Konzept.

1938. Peter Jensen promoviert 1938 in Göttingen unter Georg Joos. Im selben Jahr wird Joos ehrenamtlich in das Hauptamt für Technik bei der NSDAP-Reichsleitung berufen und betätigt sich in diesem Rahmen auf der Schulungsburg des Nationalsozialistischen Bundes deutscher Technik. In der folgenden Zeit gerät Joos jedoch immer wieder in Konflikt mit dem Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund, was einige Jahre später schließlich zur Aufgabe seiner Professur führt.

1939 bis 1945. Georg Joos publiziert Arbeiten in den streng geheimen Kernphysikalischen Forschungsberichten.

22. April 1939. Mit übergeordneten Dienststellen arbeitet Georg Joos eng zusammen. Er weist zusammen mit Wilhelm Hanle in einem Schreiben an den Reichserziehungsminister Bernhard Rust auf die technischen und militärischen Möglichkeiten der Atomspaltung hin.

29. April 1939. Unter Leitung von Abraham Esau (Leiter der Abteilung Physik im Reichsforschungsrat und ehemaliger Professoren-Kollege von Joos in Jena) wird eine Expertenkonferenz im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung  in Berlin einberufen. Dabei sind neben Wilhelm Hanle und Georg Joos auch die Physiker Walther Bothe, Robert Döpel, Hans Geiger, Wolfgang Gentner und Gerhard Hoffman. Auf der Konferenz wird die Herstellung eines "Uranbrenners" (Atomreaktor) beschlossen. Dazu sollen alle Uran-Vorräte in Deutschland sichergestellt werden. Die führenden Atomphysiker möchte man zu einer "Arbeitsgemeinschaft für Atomphysik", die als erster "Uranverein" bekannt wird, zusammenführen. Die Forschungen sollen vor allem an der Physikalischen-Technischen Reichsanstalt in Berlin und an der Universität in Göttingen vorangetrieben werden. 

1940. Joos forscht auch weiter in Göttingen mit Wilhelm Hanle an der Möglichkeit, Graphit als Moderator bei Reaktoren zu verwenden, wozu sie Graphit in hoher Reinheit herstellen.

Januar 1941. In Heidelberg werden von Walther Bothe Experimente mit Graphit durchgeführt. Er kommt zu einem völlig falschen Resultat für die Diffusionslänge von Neutronen in Graphit. Dadurch kommt es zu der Annahme dass Graphit wegen zu hoher Neutronenabsorbtion nicht sehr geeignet sei, sondern nur zur Not gerade noch verwendet werden könnte. Später wird festgestellt dass der verwendete Graphit mit dem starken Neutronenabsorber Bor verunreinigt war.

März 1941. Werner Heisenberg berechnet in Berlin die Werte für schweres Wasser und findet heraus dass dieses eine noch bessere Wirkung hat als ursprünglich angenommen wurde. Walther Bothe und Georg Joos tragen über Graphit als Moderator am Kaiser-Wilhelm-Institut vor. Georg Joos kann sich nicht durchsetzen. Es fällt die Entscheidung zu einer Entwicklung mit schwerem Wasser.
In der Folge wird in der deutschen atomtechnischen Forschung auf einen Schwerwasserreaktor (HWR) gesetzt, während unter der Leitung von Enrico Fermi beim Manhattan-Projekt, das 3 Jahre nach dem deutschen Uranprojekt in den USA gestartet wurde, der erste Reaktor in Chicago mit Graphit als Moderator zum Laufen gebracht wird. Paul Harteck in Hamburg wird von weiteren Experimenten entmutigt. Der Fehler wird erst 1945 bei Versuchen im Forschungsreaktor Haigerloch erkannt, wo man Graphit als Reflektor verwendet.

1941. Seit Ende der 1920er Jahre arbeitet Joos bei seinen Experimenten eng mit den Carl-Zeiss-Werken zusammen. Diese suchen auch nach seiner Übersiedlung nach Göttingen den Kontakt zu ihm. Die Unternehmensleitung versucht sogar durch eine Intervention beim Waffenamt der Kriegsmarine die Abberufung Joos zu verhindern. In diesem Jahr erhält Joos schließlich ein Angebot in das Unternehmen zu wechseln. Aufgrund „sachlicher und persönlicher Schwierigkeiten mit NS-Instanzen“, so Walther Gerlach später, entscheidet sich Joos die Stelle anzunehmen. Bis 1945 arbeitete er als Chefphysiker und später in der Geschäftsleitung, während er gleichzeitig zum Honorarprofessor der Universität Jena ernannt wird. Er ist auch im wissenschaftlichen Führungsstab der Kriegsmarine.

1945. Nach dem Ende des Krieges wird Joos durch das US-amerikanische Militär zunächst nach Heidenheim an der Brenz gebracht und dann als potentieller Wehrwirtschaftsführer in den Gefangenenlagern im Taunus und in Wimbledon (London) vernommen. Allerdings wird er bald freigelassen.

September 1946. Er folgt einer Berufung an die Technische Universität in München. Dort arbeitet er am den Wiederaufbau des Physikalischen Instituts. Diese Stelle behält er bis zu seinem Tod inne, nur unterbrochen von einem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten.

Ab 1949. Joos ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Mitbegründer der "Zeitschrift für angewandte Physik".

Juni 1947 bis Oktober 1949. Er ist als Gastprofessor am Optical Research Laboratory der Boston University tätig.

1950. Sein ehemaliger Lehrer Zenneck beruft ihn in den Vorstand des Deutschen Museums.

1951. Er übernimmt die Geschäftsführung der "Zeitschrift für angewandte Physik".

20. Mai 1959. Georg Joos stirbt in München.

Bilder aus Wikimedia Commons
Graphit aus Ceylon, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, Urheber: Ra'ike (see also: de:Benutzer:Ra'ike)

Quellen