Mittwoch, 16. September 2015

Hans Bethe

Hans Bethe
Der deutsch-US-amerikanische Physiker Hans Albrecht Bethe wurde am 2. Juli 1906 in Straßburg geboren ( † 6. März 2005 in Ithaca, New York). Er hat den Nobelpreisträger für Physik (1967) bekommen.

Bethe war ein Pionier der Anwendung der Quantenmechanik auf verschiedensten Gebieten der Physik. Er erwarb sich schon in den 1930er Jahren einen Ruf als führender Atomphysiker. 

Dabei fasste er immer wieder ganze Gebiete der Physik in Handbüchern und großen Übersichtsartikeln zusammen, so 1933 die Quantentheorie von Wasserstoff- und Heliumatomen – also den einfachsten Fällen der Atomphysik – in einem Artikel von Buchlänge im Handbuch der Physik, neu bearbeitet 1957 mit Edwin Salpeter, und zuletzt die Theorie der Supernovae in den Reviews of Modern Physics 1990.

Er leitete unter Robert Oppenheimer im Manhattan-Projekt zur Entwicklung der ersten Atombomben in Los Alamos als Direktor die Abteilung für Theoretische Physik. 1952 hat Bethe auch für kurze Zeit an der Entwicklung der US-amerikanischen Wasserstoffbombe mitgearbeitet.

Bei einem so umfangreichen Werk machte Bethe auch einige falsche Vorhersagen, auf die er auch in seinen Selected works eingeht. Beispielsweise meinte er 1935 mit Rudolf Peierls bewiesen zu haben, dass Neutrinos nie beobachtbar wären, oder er gab 1937 eine obere Grenze für die Beschleunigung mit Zyklotronen an, die aber durch die Erfindung frequenzmodulierter Ringbeschleuniger (Synchrotron) schon 1945 (Edwin McMillan, Weksler) überholt war. Experimentatoren wie Edward Mills Purcell war das Anlass genug, in der „Star-wars“-Debatte vor „Unmöglichkeitsargumenten“ Bethes zu warnen. Später wendet er sich der Astrophysik zu.

Er war u. a. Mitglied der National Academy of Sciences (Washington).  Außerdem war er Ehrendoktor der Technischen Universität München und der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. Des Weiteren wurde das Bethe Center for Theoretical Physics der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn nach ihm benannt.

Leben

2. Juli 1906. Hans Bethe wird als erstes von drei Kindern des Physiologen Albrecht Bethe geboren. Sein Vater arbeitet an der Universität Straßburg. Seine Mutter ist jüdischer Herkunft und sein Vater protestantisch. Er wächst in Straßburg und Frankfurt am Main auf

1915 bis 1916. Er besucht in Frankfurt das Goethe-Gymnasium.

1918 bis 1921. Er besucht die Odenwaldschule.

1921 bis 1924. Er besucht wieder das Goethe-Gymnasium.

1924 bis 1926. Er studiert in Frankfurt am Main Physik.

1926 bis 1928. Er arbeitet in München unter anderem bei Arnold Sommerfeld.

Juli 1928. Er wird bei Arnold Sommerfeld promoviert. Seine Doktorarbeit beschäftigt sich mit der Theorie der Elektronenbeugung, sie hat bleibenden Wert für die Analyse von experimentellen Daten.

Herbst 1929 bis Herbst 1933. Er ist wieder in München. Zu der Zeit fertigt er eine Arbeit über die Aufspaltung der Energieniveaus eines Atoms in Kristallen (Kristallfeldtheorie) an.

1930. Bethe untersucht die Bremsung von Elektronen in Materie, was praktische Anwendungen z. B. für Detektoren hat, und die Bremsstrahlung relativistischer Elektronen (Bethe-Heitler-Formel, 1934), eine der frühen Anwendungen der Quantenelektrodynamik (QED).

Ab Mai 1930. Er ist in München Provatdozent.

Herbst 1930. Er reist nach Cambridge.

1931. Er verfasst einen Aufsatz über Spinwellen in einer Dimension, die er mit dem Bethe-Ansatz löst (ein wichtiges Werkzeug in vielen exakt lösbaren Modellen der statistischen Mechanik).
In diesem Jahr verursacht ein Unsinns-Artikel, mit dem Bethe und seine Kollegen Beck und Riezler Arbeiten von Arthur Stanley Eddington parodieren möchten und den sie in einem angesehenen Physik-Journal (Die Naturwissenschaften) unterbringen können, einen kleinen Skandal.

Frühjahr 1931 und Frühjahr 1932. Er reist nach Rom und arbeitet dort Enrico Fermi zusammen.

Wintersemester 1932/33. Er vertritt das Extraordinariat für Theoretische Physik an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Diese Stelle verliert er mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, weil seine Mutter Anna, Tochter des Medizinprofessors Abraham Kuhn, jüdischer Abstammung ist.

Bis 1933. Bethe erhält Lehrpositionen in Frankfurt am Main und Stuttgart jeweils für ein Semester.

1933. Mit Sommerfeld veröffentlicht er auch ein Buch über die Elektronentheorie der Metalle, das immer noch Gültigkeit hat.

11. Mai 1933. Bethe schreibt an seinen akademischen Lehrer Arnold Sommerfeld: "Sie werden wahrscheinlich nicht wissen, dass meine Mutter Jüdin ist: Ich bin also nach dem Beamtengesetz 'nicht arischer Abstammung' und folglich nicht würdig, Beamter des Deutschen Reiches zu sein. […] Ich muss also wohl oder übel die Konsequenzen ziehen und versuchen irgendwo im Ausland unterzukommen."

Oktober 1933. Er emigrierte nach Großbritannien.

1933/34. Er hat zeitweise die Position eines Dozenten an der Universität Manchester inne.

Herbst 1934. Bethe ist akademischer Lehrer an der Universität Bristol.

1935. Er untersucht das zweidimensionale Isingmodell (order-disorder transition).

Februar 1935. Bethe erhält eine Einladung in die USA und wird Assistenzprofessor an der Cornell-Universität in Ithaca.

1936/37. Seine Artikelserie in den Reviews of Modern Physics gilt derzeit als Standardwerk (daraus entwickelt sich später sein Buch Elementary nuclear theory mit Philip Morrison). 

Sommer 1937. Er wird Professor an der Cornell-Universität in Ithaca. Bis zu seinem Lebensende bleibt er mit einigen Unterbrechungen dort. Im Zweiten Weltkrieg geht er zuerst an das Radiation Laboratory am Massachusetts Institute of Technology, um am Mikrowellenradar zu arbeiten. Ein Sommersemester lang ist Bethe an der University of California in Berkeley auf Einladung von Robert Oppenheimer. Anschließend geht Bethe an das Los Alamos Scientific Laboratory, wo er, von Oppenheimer berufen, als Leiter der Theoretischen Abteilung an der Entwicklung der ersten Atombombe mitwirkt. Weitere kurze Abwesenheiten von seiner Universität betreffen die Columbia University, die Universität Cambridge, das CERN und Kopenhagen.

1939. Er identifiziert die in Sternen wie der Sonne ablaufenden Atomkernreaktionsketten, die Wasserstoff zu Helium verschmelzen, wie den in der Sonne ablaufenden Proton-Proton-Zyklus und den in massereicheren Sternen ablaufenden Kohlenstoff-Stickstoff-Zyklus, der in Anerkennung seiner theoretischen Arbeiten Bethe-Weizsäcker-Zyklus genannt wird.

1941. Bethe wird Staatsbürger der USA. Zu der Zeit arbeitet Hans Bethe mit Edward Teller an einer Theorie der Ausbreitung von Stoßwellen. Später soll sich diese Forschung über die Rolle von Gas bei Stoßwellen als sehr hilfreich herausstellen. Seine Arbeiten auf dem Gebiet der Atomkernphysik machen ihn während des Zweiten Weltkrieges zu einem der wichtigsten Mitarbeiter im Manhattan-Projekt, dem Bau der ersten Atombombe in Los Alamos.

1943 bis 1946. Er ist in Los Alamos Direktor der Abteilung für Theoretische Physik. Auch nach dem Krieg behielt er seine führende Position in der Atomkernphysik.

1947. Hans Bethe gibt die erste Erklärung der Lamb-Verschiebung der Spektrallinien des Wasserstoffs in einer ersten groben nicht-relativistischen Näherung der Quantenelektrodynamik, die zeigt, dass das Problem angreifbar ist, und die bald darauf folgende relativistische Behandlung durch Richard Feynman und Julian Schwinger motiviert.

1949. Er entwickelt die Theorie der „effektiven Reichweite“ bei Atomkernreaktionen.

1950er und 1960er Jahren. Er untersucht das kernphysikalische Vielteilchenproblem am Modell der Atomkernmaterie (Brueckner-Bethe-Theorie, Bethe-Goldstone-Gleichung u.a.).

1951. Er beschreibt mit Edwin Salpeter gebundene Zustände in der Quantenfeldtheorie mit der Bethe-Salpeter-Gleichung, wobei er das „Wasserstoffatom“ der QED, das Positronium (Elektron-Positron-Paar), und den einfachsten Kern, das Deuteron (aus Proton und Neutron), im Auge hat.

1952. Bethe kehrt erneut für ein halbes Jahr nach Los Alamos zurück, um (widerstrebend, wie er im Rückblick sagt) an der Wasserstoffbombe mitzuarbeiten. 

1954. Im Gegensatz zu Edward Teller stellt er sich vor dem Oppenheimer-Untersuchungsausschuss  hinter seinen ehemaligen Chef Robert Oppenheimer aus Los Alamos.

1955. Bethe wird die Max-Planck-Medaille verliehen. 

1957. Bethe wird ausländisches Mitglied der Royal Society of London, sowie Mitglied der National Academy of Sciences in Washington, D. C..

1960er Jahre. Er ist ein einflussreicher Regierungsberater, der sich jedoch zunehmend für Abrüstung einsetzt. 

1961. Er erhält er die Eddington-Medaille der Royal Astronomical Society für seine Arbeiten zur Identifizierung der Energiegewinnung in Sternen. Noch im selben Jahr bekommt er ebenfalls den Enrico Fermi Award der U.S. Atomic Energy Commission's (AEC) 

1967. Bethe bekommt  als erster Physiker für ein Thema aus der Astrophysik den Nobelpreis für Physik für seine Arbeit zur Energieumwandlung in Sternen aus dem Jahr 1939.
O. Klein von der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften sagt in seiner Nobelpreisrede:

Sie waren vielleicht überrascht, daß wir aus Ihren zahlreichen Forschungsbeiträgen zur Physik, von denen einige für den Nobelpreis vorgeschlagen wurden, eine ausgewählt haben, die sich weniger auf die Grundlagenphysik bezieht als die anderen und Sie nur eine kurze Zeit Ihres Wissenschaftlerlebens beschäftigt hat. Dies ist aber durchaus in Übereinstimmung mit den Regeln der Nobelpreisvergabe und soll nicht implizieren, daß wir nicht höchst beeindruckt sind von Ihrer Rolle bei so vielen anderen Entwicklungsrichtungen der Physik, seit Sie vor mehr als 40 Jahren mit der Forschung begannen. Auf der anderen Seite ist Ihre Aufklärung über die Energieumwandlung in Sternen eine der wichtigsten Anwendungen der Grundlagenphysik unserer Tage, die uns zu einem tiefen Wissen über unser Universum geführt hat.

1970er Jahre. Er wendet er sich verstärkt der Astrophysik zu und nutzt seine umfangreichen physikalischen Kenntnisse z. B. in der Atomkernphysik, die Theorie der Stoßwellen und die gefundenen Zustandsgleichungen für Atomkernmaterie – die er teilweise schon in Los Alamos bei der Untersuchung des Implosionsmechanismus einer Atombombe erworben hat – zur Untersuchung der Theorie der Supernova-Explosionen (vor der Explosion fällt der Stern in sich zusammen) und Neutronensternen. Sein Interesse verstärkt sich, als die Theorie an der Supernova 1987A überprüft werden kann. In einem einflussreichen Artikel setzt er die Erklärung des „solar neutrino puzzles“ durch russische Physiker (MSW-Effekt) durch (Physical Review Letters. 1986).

1975. Bethe wird emeritiert.

1978. Er wird er zum Mitglied der Gelehrtenakademie Leopoldina gewählt

1980er und 1990er Jahre. Er führt eine Kampagne zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und machte sich auch allgemein Gedanken über alle Aspekte der Energieversorgung. Mit anderen US-amerikanischen Physikern wie Sidney Drell äußert er sich zu der Zeit kritisch zum „star-wars“-Programm, das er für leicht zu umgehen hält.

1984. Er wird Mitglied im „Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste“.

1988. Über Bethe erscheint eine Biographie mit dem Titel Prophet of Energy trägt.

1989. Er bekommt die Lomonossow-Goldmedaille der Russischen Akademie der Wissenschaften.

1993. Er erhält die Oersted Medal der American Association of Physics Teachers. 

1995. Im Alter von 88 Jahren schreibt Bethe einen offenen Brief an seine Kollegen, in dem er sie auffordert, Arbeiten an Atomwaffen einzustellen.

5. Oktober 1995. Er bekommt die Ehrendoktorwürde der Universität Louis Pasteur Strasbourg.

Ab 1998. Zu seinen Ehren vergibt die American Physical Society den Hans-A.-Bethe-Preis. 

1999. Zum Abschluss des Jahrhunderts fasst er die Entwicklungen auf dem Gebiet der Atomphysik in einem Artikel in den Reviews of Modern Physics noch einmal zusammen. 

2001. Bethe gewinnt die Bruce Medal.

2002. Nach ihm wird Asteroid (30828) Bethe benannt.

2004. Er unterschreibt zusammen mit 47 anderen Nobelpreisträgern einen Brief, der John Kerry für die Wahl zum Präsidenten der USA unterstützt und vor einer Beschränkung der Freiheit der Forschung durch George W. Bush warnt.

2005. Die American Philosophical Society zeichnete ihn mit ihrer Benjamin Franklin Medal aus.

6. März 2005. Bethe stirbt im Alter von 98 Jahren in Ithaca als einer der letzten Überlebenden aus einer großen Reihe von Physikern aus der stürmischen Zeit der Physik Anfang des 20. Jahrhunderts. Bethe hinterlässt seine Frau Rose, Tochter des Physikers Paul Peter Ewald, seinen Sohn Henry und seine Tochter Monica.

Bilder aus Wikimedia Commons
Hans Bethe, Lizenz: Public Domain, Urheber: Los Alamos National Laboratory

Quellen