Mittwoch, 19. Februar 2020

Braune Hetze gegen Asylbewerberheim in Berlin Marzahn-Hellersdorf

Chinesischer Garten im Erholungspark Marzahn
Marzahn-Hellersdorf ist der zehnte Verwaltungsbezirk von Berlin. Er hat ca. 250.000 Einwohner. In der Bevölkerung hat er kein positives Ansehen. Er zählt dennoch zu den sichersten Bezirken Berlins. Bürgermeister ist seit der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung vom 18. September 2011 Stefan Komoß (SPD). Bezirksstadträte sind Dagmar Pohle (Linke), Christian Gräff (CDU), Stephan Richter (SPD) und Juliane Witt (Linke).
Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf beherbergte bis 2013 mit einer Quote von gerade einmal 2,4% kaum Flüchtlinge. In einem ehemaligen Schulgebäude in der Carola-Neher-Straße 65 von Hellersdorf das wegen "Kindermangel" seit Jahren leersteht sollen ab Ende August 2012 zunächst 200 Flüchtlinge eine Notunterkunft finden. Ein Jahr später sollen dort 400 Asylbewerber untergebracht werden.
Sebastian Schmidtke nützt als Landesvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) die Angst der Nachbarn (z.B. vor steigender Kriminalität und dass der Bezirk verdreckt) für eine massive Hetzkampagne gegen das Asylbewerberheim aus. Auf Facebook hat Schmidtke ein Foto mit seiner Lebensgefährtin Maria Fank (Ring nationaler Frauen) gepostet die dort ein Wahlplakat der NPD mit der Aufschrift "Guten Heimflug" an einem Laternenmast befestigt. Einmal ist dort ein LKW der NPD mit der Aufschrift "Heimat bewahren. Einwanderung stoppen" vorgefahren. Es werden Fotos gemacht. 
Von den anderen Parteien fühlen sich die Menschen nicht ernst genommen. Zudem demonstrieren die Braunen von der NPD seit Monaten in Berlin gegen Asylbewerber und schüren damit gezielt Angst. 

4. Februar 2012. Sebastian Schmidtke wird als zentrale Führungsfigur Landesvorsitzender der NPD von Berlin und fährt sofort nach seiner Wahl einen harten Kurs gegen Asylbewerber.

12. Juli 2013. Auf dem Hof des angehenden Asylbewerberheims findet eine Versammlung von etwa 900 Anwohnern mit dem Bezirksbürgermeister Stefan Komoß statt. Es finden sich jedoch auch 60 Rechtsextremisten aus Berlin und Brandenburg ein. Von Aktivisten der NPD befeuert kommt es zu einer pogromartigen Stimmung die manche schon an Rostock-Lichtenhagen erinnert. "Bürger", Rentern und junge Familien randalieren zusammen mit Rechtsextremisten. Linke halten dagegen. 
Sebastian Schmidtke ruft auf einer Bürgerversammlung mit etwa 900 Anwohnern und rund 60 Rechtsextremisten aus Berlin und Brandenburg vor Ort unter Beifall in das Mikrofon: "Wir sind selbstverständlich gegen das Heim".
Danach sammeln sich bei Facebook unter "Hellersdorf hilft Asylbewerbern" Menschen, die der massiven Fremdenfeindlichkeit Einhalt gebieten wollen. Daneben findet sich auf Facebook auch eine anonym agierende "Bürgerinitiative Marzahn-Hellsersdorf" welche von den Braunen unterstützt wird und im Internet das Asylbewerberheim diffamiert.

Freitag, 9. August 2013. Etwa 60 Teilnehmer protestieren ab etwa 18 Uhr mit einem angemeldeten Aufzug gegen das Asylbewerberheim. Gegen 18 Uhr 45 wird aus dem Protestzug heraus mit Rufen zu Straftaten aufgefordert. Nach der Demonstration die offiziell um 19 Uhr 20 beendet wurde nahm die Polizei 12 Männer fest, die den Hitlergruß gezeigt und rechte Parolen gebrüllt haben. Gegen zwei der Festgenommen wird laut Polizei auch wegen anderer Straftaten ermittelt. Während die beiden in Haft genommen wurden kamen die anderen wieder auf freien Fuß.

Montag, 19. August 2013. Die ersten 42 Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan, darunter 7 Kinder, ziehen in das Asylbewerberheim. Ihr neues Zuhause mussten sie durch den Hintereingang betreten. 5 der neuen Bewohner verlassen die neue Unterkunft aus Angst noch am selben Tag.

Dienstag, 20. August 2013. 30 Anhänger des Berliner Landesverbands der NPD demonstrieren auf Alice-Salomon-Platz und werden - abgeschirmt durch 200 Polizisten - von 800 Demonstranten umzingelt. Angemeldet hat die Kundgebung unter dem Motto "Nein zum Heim" Maria Fank (Bundesvorstand der NPD-Organisation "Ring Nationaler Frauen" und Lebensgefährtin von Schmidtke.

Mittwoch 21. August 2013. Die Rechtspopulisten von Pro Deutschland halten in Marzahn-Hellersdorf eine Kundgebung ab. Gekommen sind allerdings gerade einmal 6 Anhänger der Partei. Zudem hat das Mikrofon von Manfred Rouhs, dem Vorsitzenden, den Geist mitten im Wort "Abschiebung" aufgegeben. Auf der anderen Seite stehen etwa 100 Gegendemonstranten. Rund 300 Polizisten sind im Einsatz.

Die Bundes-NPD legt während ihrer Deutschlandtour zur Bundestagswahl 2013 in Marzahn-Hellersdorf einen Stopp ein.

24. August 2013.  Heute sind etwa 150 NPD-Anhänger auf der Demo auf dem Alice-Salomon-Platz. Gegenüber auf der anderen Straßenseite stehen 700 Gegendemonstranten. Dabei auch Renate Künast (Fraktionsvorsitzende der Grünen). Ausseinandergehalten werden die verfeindeten Gruppen von 400 Polizisten.

5. Oktober 2013. 130 Menschen haben sich heute Abend an einer Menschenkette von der U-Bahn Hellersdorf bis zum Asylbewerberheim Marzahn-Hellersdorf beteiligt. Mit dem symbolischen Akt  für Toleranz sollten die Spenden sicher zu den Asylbwerbern transportiert werden.

9. Dezember 2013. Unbekannte haben von aussen an die Scheiben des Büros der Geschäftsstelle der Grünen in  Marzahn-Hellersdorf ein Plakat mit der Aufschrift "Bündnis 90/Die Grünen sind Denkmalschänder!!!" gehängt. Dazu bekannt hat sich offenbar auf Facebook eine "Bürgerbewegung Hellersdorf". Diese ging nach Recherchen der taz wiederum aus der "Bürgerinitiative Hellersdorf" hervor. Deren Profil war vor etwa 2 Wochen gelöscht worden.

November 2014. In den ersten 10 Monaten dieses Jahres sind 2022 Menschen aus Syrien nach Berlin gekommen um Asyl zu finden, 1554 kamen aus Serbien, 1114 aus Bosnien und Herzegowina. Jeweils etwa 400 Asylbewerber kamen aus Vietnam und den Palästinensischen Autonomiegebieten, je rund 300 aus Afghanistan, Pakistan und der Türkei. Aus Ägypten und Eritrea kamen je rund 200.

19. November 2014. Für nächsten Samstag (22.11.2014) hat ein bekannter Rechtsextremist eine Demo in Marzahn angemeldet. Dazu werden 1000 Teilnehmer erwartet.

22. November 2014. An der rechtsextremen Demo gegen die Containerunterkünfte für Flüchtlinge die in Marzahn gebaut werden sollen beteiligen sich 800 Neonazis, Hooligans, ältere Anwohner und Familien mit halbwüchsigen Kindern um . Dagegen demonstrieren 2500 Menschen. 1700 Polizisten sind vor Ort.
Am selben Abend findet in Friedrichshain noch die jährliche Silvio-Meier-Demo statt. Dieser wurde im Jahr 1992 von Neonazis ermordet.

12. Dezember 2014. Es wird bekannt dass Petra Pau (Politikerin der Partei "Die Linke") Morddrohungen von Neonazis bekommt weil sie sich in ihrem Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf für eine umstrittene Flüchtlingsunterkunft engagiert.
Auslöser ist offenbar ein Auftritt in der ZDF-Sendung "Pelzig hält sich" vom 2. Dezember 2014 in der sie die Organisatoren der Demonstrationen gegen die Flüchtlingsorganisation in Marzahn-Hellersdorf korrekt als "braune Rattenfänger" bezeichnet hat. Auch ihre Privatadresse wurde von einer Kommentatorin veröffentlicht.
Die meisten der mehr als 40 Mord- und Gewaltandrohungen sollen auf Facebook ausgeschrieben worden sein. Darunter dass sie "Abschaum" wäre und wahlweise "erschossen" oder "an einem Baum im Tiergarten aufgeknüpft" werden sollte.
Die Polizei ermittelt offenbar wegen Beleidigung und Bedrohung.
Für Petra Pau hat die Hetze eine neue Dimension erreicht weil es "hier nicht um meine Person" geht "sondern um eine hochgefährliche Entwicklung, die sich auch in Bewegungen wie der Hogesa oder Pegida bis zur "Bürgerbewegung Marzahn" widerspiegelt."
Laut einer Anfrage ihrer Fraktion im Bundestag gab es in den ersten drei Quartalen 2014 durchschnittlich eine Straftat pro Tag gegen Flüchtlinge oder Flüchtlingsunterkünfte. Sie erinnert sich an das Attentat vom März 1997 und hat "das Gefühl, dass wir auf eine Stimmung wie in den 90er-Jahren zusteuern" und fragt "Sollen bald wieder Asylbewerberheime brennen?"

15. Dezember 2012. Unter dem Motto "Nein zum Asylcontainer" versammeln sich etwa 300 Menschen um gegen das Flüchtlingsheim zu protestieren. Dagegen demonstrieren 1500 Menschen. 700 Polizeibeamte sind im Einsatz.

5. Januar 2015. Die pöbelnden kackbraunen Vollpfffff..... die behaupten sie würden Deutschland repräsentieren ziehen weiterhin jeden Montag durch den Bezirk um rassistische Parolen zu pöbeln und Andersgesinnte anzugreifen. Laut Frank Henkel (CDU - Innensenator von Berlin) ist es in den letzten Wochen „der rechtsextremem Szene zum ersten Mal seit langem gelungen, Menschen über ihr eigenes Potenzial hinaus zu mobilisieren“.
Der Rat "durchhalten" und die braune Ka..e weitermachen lassen ist im Übrigen falsch - die Bürger die dort wohnen müssen auf die Straße gehen und zeigen dass sie den Dreck nicht akzeptieren.

Bilder aus Wikimedia Commons
Chinesischer Garten im Erholungspark Marzahn, Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, Urheber: David Herrmann am 8.5.2005

Quellen
05.01.2014, taz, Aufmärsche in Marzahn, Hilflos gegen rechts
15.12.2014, Tagesspiegel, Protest gegen Flüchtlingspolitik, Haus von Lageso-Chef in Berlin beschmiert
15.12.2014, Tagesspiegel, Protest gegen Flüchtlingsunterkünfte, In Marzahn wird erneut demonstriert
07.12.2014, Tagesspiegel, Affäre um Flüchtlingsheime in Berlin, Prüfbericht entlastet Lageso-Chef
02.12.2014, Tagesspiegel, Tausende Menschen suchen Asyl, So wird Flüchtlingen in Berlin geholfen
23.11.2014, Focus, Polizei-Einsatz in Marzahn, Neonazis marschieren vor Flüchtlingsheim in Berlin auf
22.11.2014, Sueddeutsche, Demo in Marzahn-Hellersdorf, Nazis müssen draußen bleiben
19.11.2014, Tagesspiegel, Mehr als 1000 Teilnehmer in Marzahn erwartet, Neonazi-Demo gegen Flüchtlingsheime alarmiert Senat
17.11.2014, Tagesspiegel, Protest gegen Flüchtlinge in Berlin, Demonstrationen in Marzahn und Buch gegen Unterkünfte für Asylbewerber
10.11.2014, Tagesspiegel, Berlin-Pankow, Wieder Angriff auf Baustelle einer Flüchtlingsunterkunft
09.12.2013, Tagesspiegel, Marzahn-Hellersdorf, Rechte verunstalten Geschäftsstelle der Grünen
05.10.2013, Tagesspiegel, Flüchtlingsheim in Hellersdorf, Spenden von Hand zu Hand
24.08.2013, RBB Online, Streit um Asylbewerberheim - Linkes Bündnis stellt sich gegen NPD-Kundgebung