Donnerstag, 20. Februar 2020

Kriminelle Vereinigung Landser (Tanzorchester Immervoll)

Die Band Landser (Pseudonym Tanzorchester Immervoll) war bis 2003 die bundesweit erfolgreichste und bekannteste Musikgruppe der Neonazis. Durch ihre rassistischen, hasserfüllten und unverholen zu Gewalt aufrufenden Texte erreichte sie Kultstatus in der rechtsextremen Szene. Sie wurde zunehmend auch in "unpolitischen" Kreisen bekannt. Auch Indizierungen und Beschlagnahmungen führten zu einer Erhöhung des Bekanntheitsgrads.

Der Stil von Landser war von Hardrock geprägt. Es wurden jedoch auch akustische Musik und getragene Balladen gespielt. Die Aussagen und Aufforderungen in den Texten sind konkret und volksverhetzend. Es gibt Songs gegen Schwarze, Polen, Türken, Juden, Vietnamesen, Araber und Griechen, Chinesen und Kommunisten. In den Liedern wird u.a. zum Verprügeln, Abschieben, Wegsperren oder Töten dieser Personen aufgerufen. Grundlage der Musikstücke waren oft nationalsozialistische Militärlieder von denen rechtsextremes Gedankengut und ein Großteil des Inhalts beibehalten wurde.

Es bestanden Kontakte von Landser zu Kadern der organisierten, gewaltbereiten Neonaziszene. Die Mitglieder waren in verschiedensten Neonazigruppen engagiert. Das wiederum ermöglichte den Aufbau eines international agierendes Netzwerk rund um die Band.

Landser bemühte sich im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsrockbands nie, eine Indizierung ihrer Platten zu verhindern. Weil so gut wie jeder von Landser veröffentlichte Tonträger auf dem Index steht sind viele Raubkopien im Umlauf. Die meisten Platten wurden von vorneherein im Ausland - Großbritannien, Schweden, USA - aufgenommen und nach Deutschland geschmuggelt. Jan W. hat den Landser-Mitgliedern offenbar über seine Kontakte zur englischen Blood & Honour-Szene ein Aufnahmestudio in England vermittelt. Damit versuchte sich die Band, der deutschen Justiz zu entziehen. Die Anzahl der geschmuggelten CDs soll im fünfstelligen Bereich liegen. Aufgenommen wurden die CDs mit zunehmendem Erfolg in professionellen Tonstudios.

Der Name Landser kommt von Landsknecht. Damit wurden früher Soldaten bezeichnet. 2005 wurde Landser als erste Band vom Bundesgerichtshof zur kriminellen Vereinigung erklärt.

Geschichte

1982. Im östlichen Teil Berlins entsteht die kleine Neonazigruppe "Die Vandalen-Ariogermanische Kampfgemeinschaft". Weil die Mitglieder sich als Rocker kleiden werden sie auch als Nazi-Rocker bezeichnet.

1992. Aus Mitgliedern der Gruppe "Die Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft" gründet sich unter dem Namen "Endlösung" - später "Landser" - eine Band. Sie lässt sich wegen staatlichen Maßnahmen wie Auftrittsverboten, Indizierung veröffentlichter Tonträger ..., selten in der Öffenlichtkeit sehen. Bei dem einzigen öffentlichen Konzert haben sie Masken getragen. Viel mehr Konzerte gab es jedoch, meist in kleinen Berliner Lokalen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

August 1999. Sieben Neonazis verletzen zwei Vietnamesen schwer. Dabei skandieren sie den Landser-Refrain "Fidschi, Fidschi, Gute Reise".

18. Dezember 2000. Thomas Starke wird von der Bundesanwaltschaft im "Landser"-Verfahren für eine Einzelinformation Vertraulichkeit zugesichert. Er packt zunächst als Informant, später als Zeuge aus und belastet seinen "Kumpel" Jan W. bezüglich dem Vertrieb von CDs der rechtsextremistischen Band "Landser". Das wird in der Szene bekannt. S. wird daraufhin verprügelt.

2. Oktober 2001. Ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes stellt im Ermittlungsvefahren gegen Mitglieder der Skinhead Muskiband "Landser", nach Durchsuchungen von 20 Objekten, einen Haftbefehl gegen Michael Regener (Lunikoff), Jean-René Bauer, André Möhricke und Jan W. (Christian Wenndorff?) aus. Die vier Bandmitglieder von "Landser" werden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Thomas Starke packt vor den Ermittlern aus und macht sich bei seinen braunen Kumpels damit so unbeliebt dass sie ihm offenbar eine ordentliche Abreibung verpassten. Im folgenden "Landser-Prozess" belastete er seine Ex-Kameraden und kam dadurch selbst mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Bundesanwaltschaft hat ihm offenbar damals für bestimmte Informationen Vertraulichkeit zugesichert.

16. November 2001 bis 7. Januar 2011. Thomas Starke (mutmaßlicher Helfer des NSU - die Berliner Zeitung spekuliert dass es sich um Jan W. handelt) hat mehr als 10 Jahre für das Berliner Landeskriminalamt als V-Mann gearbeitet. Er wurde unter der Kennummer "VP 562" geführt. Mit dem LKA gab es in der Zeit 38 Treffen. S ist einer von 13 Beschuldigten gegen die von der Generalbundesanwaltschaft im Zusammenhang mit der NSU ermittelt. Thomas Starke wollte zu der Zeit mit illegaler Musik Geschäfte machen und beteiligte sich am Vertrieb von CDs der rechten Rockband "Landser". 9.000 bis 10.000 Euro soll er selbstpersönlich für die Produktion beigesteuert haben.
Früher war er eine Größe in der sächsischen Neonazi-Szene. Zunächst gehörte er dem Skinhead-Trupp "88ern" an. Dieser terrorisierte in den 1990er Jahren Chemnitz. Später stieg er in die Spitze der sächsischen Sektion von Blood&Honour auf.

Dezember 2003. Das Berliner Kammergericht verurteilt die Mitglieder von Landser wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, wegen Volksverhetzung und wegen der Verbreitung rechtsextremer Propaganda zu Haft- und Geldstrafen. Die Haftstrafen von André Möhricke und Christan Wenndorf wurden im Gegensatz zu der des Sängers Michael Regener wegen Besserungsabsichten zur Bewährung ausgesetzt. Regener kam zunächst wieder auf freien Fuß, weil er gegen das Urteil Revision einlegte und daher seine Haftstrafe zunächst nicht rechtskräftig war. Wegen der Aussagen von Möhricke und Wenndorf verfeindeten sie sich mit Regener. Seitdem gibt es die Band Landser nicht mehr. Regener gründete danach die neue Band "Die Lunikoff Verschwörung" mit Personen aus dem Umfeld der Rechtsrock-Band Spreegeschwader.

2005. Der Bundesgerichtshof stuft die rechte Rockgruppe "Landser" in letzter Instanz als kriminelle Vereinigung ein. Damit wird zum ersten Mal eine Musikgruppe als kriminelle Vereinigung rechtskräftig verurteilt.

Dezember 2011. Das BKA fragt laut dpa und Berliner Morgenpost (vom 18.09.2012) beim Berliner LKA nach ob es im Zusammenhang mit den NSU-Morden Erkenntnisse zu Thomas Starke geben würde. Das LKA antwortete dass Starke lediglich Beschuldigter im Verfahren gegen die verbotene NAZI-Band Landser wäre und aktiv in der sächsischen rechten Szene dabei. Dass er rund 10 Jahre als V-Mann arbeitet wurde jedoch nicht mitgeteilt.

29. Juni 2012. Die Akten zu Landser werden beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz gaaanz aus Versehen gelöscht.

15. Juli 2012. Laut einem Geheim-Vermerk der Bundesanwaltschaft von heute hat Thomas Starke neben dem LKA auch für andere deutsche Behörden "gearbeitet". Demnach wurde er im Jahr 2000 im Verfahren gegen die Band "Landser" von der Bundesanwaltschaft zeitweise als "Informant" eingestuft. Auch die Staatsanwaltschaft Görlitz ist offenbar einen Deal mit ihm eingegangen. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ihm offenbar z.B. im Februar 2002 und Mai 2005 Vertraulichkeit zugesichert.

Bilder von Wikimedia Commons
Pistole CZ 82 Lizenz: Gemeinfrei, Urheber: Asams10

Weitere Quellen
26.01.2012, Spendenaktion für NSU, Die Treue der Kameraden
06.10.2001, Gerneralbundesanwalt, Festnahme von Mitgliedern der Skinhead Band "Landser"
Wikipedia, Landser (Band)