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Ku-Klux-Klan Symbol "Das brennende Kreuz" |
Nach der Deutschen Wende ging er in den Osten. Anfang der 1990er galt er als „einer der gefährlichsten Neonazis in Brandenburg“. Er betrieb auch einen Laden für rechte Musik, war federführend am Aufbau des rechten internationalen Netzwerkes Blood & Honour beteiligt und gehörte den National-Revolutionären Zellen an. Zudem war er Herausgeber eines Schmierblattes für Skinheads und nannte sich "Ortsvorsitzender" der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in Königs Wusterhausen.
Nach einem Mordversuch diente er sich im Knast beim Brandenburger Verfassungsschutz als V-Mann an.
Leben
1970. Carsten Szczepanski wird in Berlin-Neukölln geboren. Er wächst in Berlin auf und zieht nach der Wende nach Königs Wusterhausen in Brandenburg. Schon in jungen Jahren gehört er der rechtsextremen Szene an.
Frühe 1990er Jahre. Er stellt Kontakte zum US-amerikanischen Ku-Klux-Klan her. Unter anderem korrespondiert er mit Dennis Mahon aus Oklahoma. Er selbst ist Mitglied eines Klan-Ablegers in Kansas City und erhält den Rang eines „Grand Dragon“.
Anfang 1991. Er bringt das KKK-Fanzine „Das Feuerkreuz“ auf den Markt. Das Heft enthält im Wesentlichen übersetzte oder im englischsprachigen Original belassenes Propagandamaterial des Ku-Klux-Klan, das aus dem englischsprachigen Magazin „White Beret“ stammt. Das Heft erscheint mit dem Untertitel „White Survival Now“ und bringt es auf zwei Ausgaben, die noch lange in der rechtsextremen Szene, unter anderem als PDF-Dokument verbreitet werden. Geplant ist außerdem eine dritte Ausgabe, die zum bewaffneten Kampf aufrufen und Anleitungen zu militanten Aktionen und zum Bombenbau enthalten. Dazu kommt es jedoch nicht mehr.
September 1991. Gemeinsam mit dem US-Amerikaner Dennis Mahon fackelt "Piato" auf einer Waldlichtung bei Königs Wusterhausen ein Kreuz ab. Es ist eigens ein TV-Team von RTL eingeladen worden um den Spuk zu filmen. Danach ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen ihn wegen dem Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung.
Ende 1991. In Szczepanskis Wohnung findet eine Razzia statt. In einer von ihm angemieteten Wohnung werden vier Rohrbomben gefunden.
Bei den Vernehmungen durch Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) packt er über Hintermänner in den USA und Sympathisanten in Deutschland aus. Ein Ermittler stellt ihm daraufhin in Aussicht, bei weiterer Kooperation mit einer "Dienststelle" könnte das Verfahren nach § 153 e der Strafprozeßordnung (StPO) wegen "tätiger Reue" eingestellt werden.
Das BKA möchte vor allem erfahren was es mit 4 Rohrbombenkörpern und für Sprengsätze geeigneten chemischen Substanzen auf sich habe welche von Ermittlern in einer Wohnung die von ihm angemietet worden war auf sich haben. Laut Vernehmungsprotokoll bietet "Piato" an sich auf den Weg zu machen um "nach dem Anbieter der Chemikalien Ausschau zu halten" und "neues Material" zu beschaffen.
Das BKA möchte vor allem erfahren was es mit 4 Rohrbombenkörpern und für Sprengsätze geeigneten chemischen Substanzen auf sich habe welche von Ermittlern in einer Wohnung die von ihm angemietet worden war auf sich haben. Laut Vernehmungsprotokoll bietet "Piato" an sich auf den Weg zu machen um "nach dem Anbieter der Chemikalien Ausschau zu halten" und "neues Material" zu beschaffen.
Verurteilt wird "Piato" wegen der Rohrbomben und Sprengstoffsubstanzen nie. Das Verfahren "verläuft im Sande". Das Ku-Klux-Klan-Verfahren wurde laut Generalbundesanwalt eingestellt "weil es für die Anklage nicht gereicht hatte.
1992 bis 1999. Er veröffentlicht mehrere Ausgaben eines Fanzines unter dem Titel „United Skins“, das die rechte Skinhead-Szene ansprechen soll und als deutscher Arm der rechten Terrororganisation Combat 18. Einige Ausgaben erscheinen sogar während seiner Haftzeit. Er tritt außerdem auf Behördenwunsch in die NPD ein. Dort wird er Ortsvorsitzender, Beisitzer im Landesvorstand von Brandenburg sowie Leiter des Ordnungsdienstes.
1992. In Dolgenbrodt wird ein Asylbewerberheim angesteckt. Um die Täter zu entlohnen hatten Dörfler gesammelt. Ein erster Prozess gegen den mutmaßlichen Brandstifter endet mit einem Freispruch. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt jedoch eine neue Verhandlung. Eine Staatsanwältin erscheint deshalb im September 1995 bei "Piato" im Knast. Dieser belastet einen früheren "Kumpel" der sich ihm gegenüber mit der Tat gebrüstet haben soll. Der "Kumpel" wird zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Aussage "Piatos" wird nicht genutzt weil die Staatsanwältin einräumen muss dass ihm für sein Aussageverhalten eine bereits verhängte einjährige Freiheitsstrafe erlassen worden ist.
8. Mai 1992. Szczepanski schlägt in Wendisch-Riet in Brandenburg mit einer 10-köpfigen Gruppe bestehend aus Neonazis und Skinheads den Lehrer und Asylbewerber Steve Erenhi aus Nigeria zusammen. Dieser überlebt den Mordversuch nur knapp und liegt anschließend tagelang im Koma.
1993. Bei Zeesen in Brandenburg durchschießen Unbekannte aus einem Auto heraus den Oberarm. Die Ermittler tappen im Dunkeln. Plötzlich präsentiert das Bundesamt für Verfassungsschutz die Täter unter denen ein Neonazi aus Königs Wisterhausen ist mit dem "Piato" zusammengewohnt hatte.
Oktober 1993. Er wird wegen Sachbeschädigung verurteilt, weil er einen VW-Bus der linken Jugendorganisation Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken angezündet hat.
Februar 1995. Szczepanski wird vom Landgericht Frankfurt (Oder) wegen dem Mordversuch an Steve Erenhi vom 8. Mai 1992 zu acht Jahren Haft verurteilt. Er soll seine Kumpane in einen regelrechten "Tötungsrausch" getrieben haben. Seine Gesinnung wird als "tiefverfestigt rechtsradikal, neofaschistisch, gewaltverherrlichend und menschenverachtend bezeichnet.
Bereits in der Untersuchungshaft dient er sich dem Brandenburger Verfassungsschutz als Spitzel an und bekommt den Namen "Piato". Abgesegnet wird das von Alwin Ziel (SPD - Innenminister von Brandenburg), auch die Parlamentarische Kontrollkomission des Landtags wurde eingeweiht.
Bereits kurz nach seiner Verurteilung bekommt er Hafterleichterungen, wird Freigänger und berichtet daraufhin seinen Auftraggebern fast jede Woche aus der Szene. Pro Monat wird "Piato" für die Spitzeldienste mit bis zu 1000 DM (ca. 500 Euro) belohnt. Zusätzlich bekommt er ein "Diensthandy". Dafür informiert er den Verfassungsschutz über Kontakte zwischen "freien Kameradschaften" und schwedischen Nazis, über geplange Skinhead-Konzerte, über Verbindungen zwischen Prügelkommandos und der NPD. Er nimmt auch als Freigänger an Nazi-Treffs in Bayern teil.
Ab April 1998. "Piatto" ist Freigänger.
September 1998. Das LKA zählt die 3 Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) nun "zum harten Kern der Blood&Honour-Bewegung von Jena. Der V-Mann "Piato" vom brandenburgischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) bringt Jan W., der einmal eine schwedische Freundin gehabt haben soll, als Kontaktperson des NSU ins Spiel. Laut seiner Aussage hat er auf einem Konzert der Blood&Honour-Sektion Südbrandenburg bei Lachhammer erfahren dass W. für die Flüchtigen Waffen beschaffen. Das Trio plane damit "einen weiteren Überfall" um "mit dem Geld sofort Deutschland verlassen zu können". Die Fahnder des Thüringer LKA erreichte dieser Tipp offenbar nicht.
Dezember 1999. "Piato" wird vorzeitig aus der Haft entlassen und soll danach mit Hilfe des Verfassungsschutzes ein Praktikum bei einem Versandhandel bekommen haben, dessen Inhaber wiederum in Kontakt zum Umfeld des NSU gestanden hat.
März 2000. "Piato" führt eine Meute "Kameraden" in die Kreisgeschäftsstelle der PDS in Königs Wusterhausen. Den PDS-Leuten gelingt der Rauswurf der Neonazis nur mit Mühe. Kurz darauf erscheint er an einem Infostand der PDS und stellt sich als NPD-Führer vor.
17. Juni 2000. Die Großdemo der Neonazis in Königs Wusterhausen wurde von "Piato" maßgeblich vorbereitet.
Sommer 2000. Er wird er als V-Mann enttarnt und lebt danach unter neuem Namen versteckt in Deutschland.
Ende 2011. Im Rahmen der Ermittlungen gegen das NSU-Trio taucht auch der Name von Carsten Szczepanski wieder auf. Er hat in den späten 1990er Jahren mehrere Details zu den Angeklagten Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe vor ihrem Gang in den Untergrund geliefert.
15. April 2013. Gordian Meyer-Plath (Ex-Brandenburger Verfassungsschützer und jetzt Chef des sächsischen Verfassungsschutzes) verteidigt die Zusammenarbeit mit dem V-Mann "Piato" im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die Hinweise waren seiner Meinung nach "äußerst ertragreich". Während seiner Zeit beim Brandenburger Verfassungsschutz gehörte Meyer-Plath zu den V-Mann-Führern "Piatos".
3. Dezember 2014. Er sagt im Münchner NSU-Prozess aus, wobei er den Gerichtssaal vermummt betritt.
Bilder aus Wikimedia Commons
Ku-Klux-Klan Symbol "Das brennende Kreuz", Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, Urheber: Confederate till Death
Quellen
15.04.2013, Spiegel, NSU-Ausschuss, Verfassungsschützer verteidigt Kooperation mit V-Mann "Piatto"
01.03.2013, Sueddeutsche, NSU-Ausschuss, Verdacht auf Täuschung der Justiz
10.07.2000, Spiegel, Rechtsextremisten, Führer der Meute
01.03.2013, Sueddeutsche, NSU-Ausschuss, Verdacht auf Täuschung der Justiz
10.07.2000, Spiegel, Rechtsextremisten, Führer der Meute