Samstag, 5. Oktober 2019

NSU - Mord an Süleyman Taşköprü am 27.Juni 2001

Der 31-jährige Obst- und Gemüsehändler Süleyman Taşköprü wurde am 27. Juni 2001 in Hamburg-Bahrenfeld im Laden seines Vaters mit 3 Kopfschüssen aus zwei verschiedenen Waffen ermordet.  Er wurde von seinem Vater gefunden.
Taşköprü stammte aus Afyonkarahisar. Er hatte eine 3-jährige Tochter.
Als Waffen konnten beide Pistolen die bereits beim ersten Mord des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) an Enver Şimşek verwendet worden waren idetifiziert werden. Er war das dritte Opfer des NSU.
Laut Ermittlungen der Hamburger Polizei soll Taşköprü Freunde im Rotlichtviertel von Hamburg gehabt haben. Er war jedoch nie strafrechtlich aufgefallen. Dennoch vermutete man vor diesem Hintergrund ein Verbrechen im Rahmen der organisierten Kriminalität welches die drei Opfer verbunden haben soll. Die Polizei stellte die Theorie auf dass Süleyman Taşköprü aus "Wut" über angebliche Schulden in Höhe von knapp 2000 Euro von zwei professionellen Auftragskillern erschossen wurde.
Die weiteren Ermittlungen blieben ergebnislos.  Rassistischen Mordmotiven wurde nicht nachgegangen. Die Täter konnten wie in den anderen Fällen erst nach dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011 identifiziert werden.

1974. Aysen Taşköprü, die Schwester des Ermordeten, wird in der Türkei geboren.

1979. Aysen Taşköprü lebt nun in Deutschland. Sie geht hier zur Schule, macht eine Ausbildung, wird Mutter und fühlt sich als Deutsche mit türkischen Wurzeln.

2006. Eine islamische Gemeinde in Hamburg erhält einen Brief mit dem Inhalt: "Türken-Heasser sind wir alle. Ihr habt Euch hier eingeschlichen und bleibt Multikulti und Verbrecher. Es ist doch gut, dass einer mal ein paar Türken abknallt. Ich habe mich darüber gefreut". Obwohl die Gemeinde den Brief der Polizei übergibt spielt er bei der Suche nach einem Motiv keine Rolle.

2007. Die Polizei will einen angeblichen Verdächtigen in den Niederlanden welcher von einem zwielichtigen Informanten belastet worden war überwachen lassen und gleichzeitig noch einmal "Personen aus dem Umfeld von Süleyman Taşköprü" vernehmen und hoffte dass diese danach Kontakt zu dem Verdächtigen in den Niederlanden aufnehmen würde. Das Vorgehen blieb jedoch ohne Ergebnis.

März 2011. Aysen Taşköprü muss auf einem Hamburger Amt erleben, wie eine Sachbearbeiterin zu ihrem Sohn sagt, er wäre kein Deutscher. Der Kleine war sehr erstaunt und hat der Beamtin ernsthaft erklärt, er wäre sehr wohl Deutscher.

Spätsommer 2011. Die Kriminalpolizei klingelt bei Aysen Taşköprü, der Schwester des Ermordeten um ihr die persönlichen Gegenstände ihres Bruders zu bringen. Sie fragte warum die Sachen jetzt kämen und ob es etwas Neues geben würde. Die Beamtin antwortete "man habe nur vergessen die Sachen zurückzugeben. Frau Taşköprü brauchte mehrere Tage bis sie ihren Eltern davon erzählen konnte.

November 2011. Am selben Tag als die Terrorserie des NSU bekannt wird stirbt die Großmutter von Aysen Taşköprü. Frau Taşköprü kann in der Nacht nicht schlafen und muss sich ständig übergeben. Am nächsten Tag konnte sie nicht zur Arbeit gehen. Das Telefon hat ununterbrochen geklingelt weil Presse und TV Interviews haben wollten. Sie dachte noch öfter als sonst an ihren Bruder. Daran wie sie ihn zum letzten Mal gesehen hat. In der Türkei. Kurz bevor er beigesetzt wurde. Eingewickelt in weiße Tücher. Bleich und kalt. Sein Mund sah jedoch aus als ob er lächeln würde.
An dem Abend als das Bekennervideo des NSU im TV gezeigt wurde fing Aysen Taşköprü an zu schreien und konnte nicht mehr aufhören. An diesem Abend starb ihr Bruder für sie zum zweiten Mal.
Sie wendet sich an die Anwältin Angela Wierig.

Dezember 2011. Ein Beamter der Sonderkommission erkundigt sich beim LKA danach was aus dem Brief geworden ist. Als Antwort kommt: "Der Absender des Briefes ist offenbar geistig verwirrt. Immerhin hat er jedoch - im Gegensatz zu Polizei, Politik und Öffentlichkeit - den Hintergrund der Mordserie erkannt".

16.02.2013. Aysen Taşköprü lehnt eine Einladung von Joachim Gauck (Bundespräsident) ab weil "sie Antworten und keine Betroffenheit" haben möchte wie sie in einem Brief an Gauck schreibt.  Sie kritisiert auch dass die Rechtsanwälte der Betroffenen, die im Prozess um den NSU als Nebenkläger auftreten, als Begleiter und Unterstützer von Gauck abgelehnt wurden "weil es in dem Treffen nicht um rechtliche Fragen gehen solle". Zwischenzeitlich wurde das vom Bundespräsidialamt abgeändert. Die Anwälte sind nun nicht erwünscht "um die persönliche Atmosphäre zu gewährleisten". Aysen Taşköprü will aber nicht alleine zum Bundespräsidenten, sie will auch nicht die Betroffenheit des Bundespräsidenten, sondern dass er sich darum kümmmert dass die Morde aufgeklärt werden. Sie möchte wissen wer die Akten vernichten ließ und warum?
Die Einladung kam, nachdem er in die Kritik geraten war, weil er sich nicht genügend um den NSU-Komplex kümmert.

17.02.2013. Auch die Angehörigen von Theodor Boulgarides halten die Form der Gauckschen Empathie unangebracht und wiesen die Einladung zurück.