Samstag, 5. Oktober 2019

Polizistenmord von Heilbronn - Michèle Kiesewetter

Gedenktafel an die Opfer des Polizistenmords von Heilbronn
 und der weiteren Straftaten der NSU.
Standort: Theresienwiese in Heilbronn,
der Tatort war bei dem rötlichen Gebäude im Hintergrund.
In Heilbronn wird  die 22-jährige Polizistin Michèle Kiesewetter aus dem Thüringer Ort Oberweißbach am 25. April 2007 um etwa 14 Uhr vermutlich als letztes Opfer der Gruppe rechtstterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) mit einem gezielten Kopfschuss ermordet. Ihr Kollege Martin Arnold (24 Jahre) wird schwer verletzt.

Am Dienstwagen wird die DNA-Spur einer unbekannten Frau festgestellt. Der Fall wird vor allem durch die jahrelange Fahndung nach dem nicht existierenden "Heilbronner Phantom" in der Öffentlichkeit als Polizistenmord von Heilbronn bekannt. Erst am 7. November 2011 kann das Verbrechen nach dem Fund von Waffen dem NSU zugeordnet werden.

Kiesewetter  arbeitete auch als nichtöffentlich ermittelnde Polizeibeamtin (NOEP).

Vor der Tat

2007. In den Monaten vor ihrer Ermordung wird Kiesewetter (lt. Aussage von Thomas Kienzle (Rechtsanwalt) im NSU Prozess am 28.01.2014) bei einer ganzen Reihe von Demonstrationen rechtsradikaler Gruppen eingesetzt. Nicht nur in Stuttgart, Heilbronn und Pforzheim, sondern auch in Göttingen. In Niedersachsen lebt aber auch Holger Gerlach, ein enger Vertrauter der Rechtsradikalen Beate ZschäpeUwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, sowie weitere Neonazis, die Kontakt zum NSU haben.

16. April 2007. Bis zum nächsten Tag absolviert Kiesewetter einen zentralen Fortbildungslehrgang in ihrer Einheit in Böblingen.

Am Abend bekommt Kiesewetter Besuch von einem Kollegen. Es sei nichts Ernstes, sagt sie einer Freundin später, nur ein Flirt.

450 Kilometer nordöstlich von Böblingen betritt am Vormittag ein junger Mann das Büro des Chemnitzer Caravan-Vermieters Horn. Es ist der Neonazi Uwe Böhnhardt. Er holt ein Wohnmobil vom Typ Fiat Ducato 2.3 JTD ab. Das Fahrzeug mit vier Schlafplätzen hat das Kennzeichen C-PW 87.

17. April 2007. Michèle Kiesewetter fährt zu einem Kurzurlaub zu ihrer Mutter ins thüringische Oberweißbach. Von dort aus erklärt sie sich jedoch  telefonisch bereit, für einen erkrankten Kollegen am 25. April 2007 einzuspringen obwohl sie noch die ganze Woche Urlaub gehabt hätte.

Weiteren Versionen nach haben gleich mehrere Kollegen ausgerechnet an diesem Tag den Dienst mit Kiesewetter tauschen wollen. Mal soll sie sich selbst um den Einsatz gerissen haben, obwohl die Liste schon voll war, dann wieder für einen verletzten Kollegen eingesprungen sein. Mal soll sie sich am 16. April in den Dienstplan eingetragen haben, ein anderes Mal am 19. April.

19. April 2007. Uwe Böhnhardt verlängert das Wohnmobil bei seinem Chemnitzer Stammvermieter telefonisch bis zum 26. April 2007. Und es ist außerdem der Tag, an dem Michèle Kiesewetter noch einmal kurz zu Hause im thüringischen Oberweißbach ist.

20. April 2007. Beim letzten Besuch ihrer Halbschwester erzählt sie dass sie "drei Verehrer" habe. Zwei davon bei der Polizei und ein LKW-Fahrer. An diesem Tag wird auch der Einsatz für den 25. April "gebucht".
Etwa 5 Tage vor ihrem Tod trifft sich Kiesewetter auch mit Steve K., dem Bruder eines Neonazis in ihrer Heimatstadt Oberweißbach. K. ist offenbar ein "Freund aus Kindertagen". Der Bruder von Steve K. wiederum war Mitglied einer Rechtsrock-Band und soll mit dem rechten Netzwerk Blood & Honour "sympatisiert" haben. In diesem waren auch die mutmaßlichen NSU-Mitglieder Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt organisiert.

20. April 2007. Ebenfalls fünf Tage vor dem Mord an Michèle Kiesewetter schlagen US-amerikanische Sicherheitsbehörden öffentlich Alarm.  Sie fürchten islamistische Terroranschläge in Deutschland. Besondere Brennpunkte sind Stuttgart, wo die Oberkommandos der US-Streitkräfte, das US-Africom und das US-Eucom, ihren Sitz haben. Sowie die Städte Ulm und Heilbronn, beides Zentren radikaler Islamisten. Sicherheitsvorkehrungen werden verstärkt. Dabei hilft auch die Bereitschaftspolizei, wie aus einem vertraulichen "Rahmenbefehl Nr. 10" des Innenministeriums Baden Württemberg hervorgeht. "Für sofortige Einsatzmaßnahmen stehen die bei den Dienststellen der Landespolizei im Einsatz befindlichen Kräfte der Bereitschaftspolizei zur Verfügung", heißt es in dem "nur für den Dienstgebrauch" eingestuften Papier.

24. April 2007. Der Streifenbeamte Patrick H. und seine Kollegin Elke S. machen auf der Theresienwiese an der selben Stelle Pause wo Kiesewetter einen Tag später ermordet wird.. Sie sind Kollegen von Kiesewetter und Arnold aus der BFE-Truppe in Böblingen und zur Unterstützung in Heilbronn.

25. April 2007. Beamte der Böblinger Bereitschaftpolizei machen regelmäßig Streifendienst in Heilbronn. Meist sechs, maximal zehn. Am Tattag sind aber nicht weniger als 15 Kräfte in der Stadt. Die Hälfte davon in Zivil.
Die beiden Bereitschaftspolizisten Michèle Kiesewetter und Martin Arnold von der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) 523 in Böblingen bringen am Morgen eine Dienstbesprechung hinter sich. Sie gehören zu einem Team von sechs Kollegen ihres Zuges die für normale Polizeistreifen in Heilbronn angefordert wurden. Sie sollen als Angehörige des Einsatzes "Sicheres Heilbronn" das städtische Polizeirevier unterstützen. An einschlägigen Orten sollen sie Junkies, Straßenkriminelle und Obdachlose kontrollieren. Zweck und Umstände dieser Einsätze gelten später als "Verschlusssache".
Seltsam scheint, dass Kiesewetter und ihr Kollege Schutzwesten tragen, um ein paar Obdachlose zu vertreiben. In dem Rahmenbefehl heißt es zudem: "Das Einsatzkonzept wird für diesen Zeitraum ausgesetzt". Fahren die Bereitschaftspolizisten also nicht etwa Streife, um Straßenkriminelle abzuschrecken, sondern Terroristen? Sind Michèle Kiesewetter und ihr Kollege an diesem Tag in geheime Sicherheitsmaßnahmen gegen den befürchteten Terror eingebunden? Vielleicht sogar, ohne es zu ahnen? Der Streifenwagen, in dem Kiesewetter erschossen wird, ist vorher im Objektschutz bei einer US-amerikanischen Einrichtung im Einsatz gewesen. "Alle verfügbaren Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten", seien "vorrangig" als "flexible Eingreifreserve vorzusehen", steht in dem Rahmenbefehl weiter.
Kiesewetter und Martin Arnold sind der Einheit BFE 523 zugeteilt. Das heißt, sie haben eine Spezialausbildung für den Einsatz bei gewalttätigen Demonstrationen, Fußballspielen und anderen Unruhen. Gehören sie an diesem Tag zur "flexiblen Eingreifreserve"? Das Innenministerium Baden-Württemberg darf "diese Frage leider nicht beantworten", verweist an die zuständige Generalbundesanwaltschaft. Die GBA "geht davon aus", dass die beiden Polizisten für die Aktion "Sichere City" unterwegs sind. Der Verbleib des Streifenwagens, in dem Kiesewetter stirbt ist unbekannt. Fest steht laut GBA nur, dass er sich nicht mehr im Bestand der Polizei befindet.

Ca. 10 Uhr. Nach einer kurzen Einsatzbesprechung steigen Kiesewetter und Arnold in den Streifenwagen.

Kurz vor 11 Uhr. Sie kontrollieren vier Personen an der Unteren Neckarstraße, wenig später noch einen stadtbekannten Trinker am alten Friedhof.

Heilbronner Theresienwiese
Gegen 11.30 Uhr. Die zwei Beamten legen eine erste Pause am späteren Tatort Heilbronner Theresienwiese ein. Anders als Arnold kennt Kiesewetter den Platz neben dem Pumpenhaus schon von zwei angeblich ähnlich banalen Streifendiensten Anfang April 2007.

Ab 12.30 Uhr. Kiesewetter und Arnold sollen noch an einer Schulung in der Polizeidirektion teilgenommen haben. Manche Kollegen erinnern sich aber auch an eine weitere Einsatzbesprechung – nur nicht an deren Inhalt.

Ca. 13 Uhr. Etwa 55 Minuten vor dem Mord wird ein BMW, der ein US-amerikanisches Tarnkennzeichen trägt auf der Autobahn A6 bei Heilbronn geblitzt. Am Steuer sitzt Master Sergeant H., ein Elitesoldat der, der damals wie Kiesewetters Einheit, in der ehemaligen Panzerkaserne von Böblingen stationierten Special Forces Group, die unter anderem zuständig ist für die Bekämpfung des islamistischen Terrors. Die Special Forces werden vom US-Militärgeheimdienst DIA geführt. Sergeant H. wird danach wieder in die USA versetzt.

Ab 13.45 Uhr. Die beiden setzen offenbar sofort ihre Streifentätigkeit fort und fahren wieder zu ihrem alten Standort auf die der Heilbronner Theresienwiese.

13:55 Uhr. Sie kommen auf dem Festplatz an und parken neben der Trafo- und Pumpstation im nördlichen Bereich. Dort parken sie ihren Streifenwagen, einen grün-silbernen 5er BMW-Kombi mit dem Kennzeichen GP - 3464, auf dem Gelände zwischen Bahngleisen, Neckar und Innenstadt. Es dient Pendlern als Parkplatz. Polizisten machen dort immer wieder Pause.  Es soll offiziell der einzige BMW sein, der an diesem Tag in Heilbronn im Einsatz ist.

Heilbronner Haupbahnhof
Kurz vor 14 Uhr. Am Bahnhof ist kurz vor der Tatzeit laut einem Bericht des Magazins Focus möglicherweise Beate Zschäpe, einem nicht eindeutigen Überwachungsvideo zufolge in Begleitung eines fast glatzköpfigen Mannes. Der Heilbronner Hauptbahnhof befindet sich nur etwa 5 Minuten Fußweg entfernt vom Tatort. Zeugenaussagen zufolge könnte Zschäpe – bzw. eine Frau mit Kopftuch in Begleitung zweier Männer – anschließend in etwa zur Tatzeit am Tatort gewesen sein.

Tathergang

Die Sonne scheint. Das Thermometer zeigt etwa 25°C an. Sie parken vermutlich zur Mittagspause im Schatten eines Trafo-Häuschens und öffnen die Türen des Streifenwagens. Michèle Kiesewetter sitzt am Lenkrad und raucht. Wenige Meter weiter bauen Schausteller ihre Fahrgeschäfte und Wohnwagen für das alljährliche Frühlingsfest auf.
Kiesewetter bekommt noch 7 SMS. Als Absender erscheint nur die SMS-Zentrale des Netzbetreibers.

BMW Streifenwagen der Polizei Bayern
13:58 Uhr. Zeugen hören mehrere Schüsse. Laut Tatortanalyse haben sich dem Fahrzeug offenbar zwei Täter "unter Ausnutzung des Überraschungsmoments" genähert und den Beamten beinahe zeitgleich jeweils in den Kopf geschossen. Der Mörder auf der rechten Seite war etwas schneller als sein Begleiter. Martin Arnold bewegte seinen Kopf im Moment der Schussabgabe leicht rechts nach oben. Die Kugel durchschlägt den Schädel und bleibt im Rücksitz stecken.
Michèle Kiesewetter blickt zur Beifahrerseite. Sie hat ihren Mörder vermutlich nicht gesehen. Der Schuss trifft auch sie an der Schläfe. Bei ihr dringt die Kugel am Jochbein wieder aus und fliegt durch die geöffnete Beifahrertür um in einer Höhe von 42 Zentimetern an der Außenwand des Trafohäuschens abzuprallen und danach in einen Lichtschacht zu fallen. Kiesewetter kippt nach rechts. Der Kopf der toten Polizistin lehnt an der linken Schulter von Martin Arnold.
Laut Patronenhülsen und Projektilteilen werden dazu zwei Tatwaffen, eine Tokarew TT-33 und eine Random VIS 35, verwendet.

Die Dienstwaffen vom Typ HK P2000 Nummer 116-021769, Tränengas, ein Paar Handschellen, ein Taschenmesser und eine Mini-Maglite-Taschenlampe werden geklaut. Um an die Waffe von Martin Arnold zu kommen müssen die Täter den Verletzten halb aus dem Auto zerren. Dabei reißt eine Befestigungsschraube aus dem Lederholster. Auch die stark blutende Kiesewetter muss angefasst werden um an ihre Waffe zu kommen.

Hinterher fehlen neben den Dienstwaffen auch drei Magazine mit insgesamt 39 Patronen. Die Kleidung der Täter muss durch den Nahschuss blutverschmiert sein.

Peter S. fährt auf dem Radweg in Richtung Hauptbahnhof an der Theresienwiese vorbei und bemerkt den Streifenwagen mit weit geöffneten Türen aus den Augenwinkeln. Daraufhin fährt er zurück. Aus etwa 30 Metern Entfernung erkennt er einen Polizisten mit blutverschmiertem Hemd. Nun tritt er panisch in die Pedale um zum Haupbahnhof zu kommen. Dort bittet er den ersten Taxifahrer den er sieht, die Polizei anzurufen. Kurz darauf finden Polizeibeamte Michèle Kiesewetter tot und ihren 24-jährigen Kollegen schwerverletzt neben dem Auto.

Einer der ersten Zeugen am Tatort ist "zufällig" der Europachef der radikalen libanesischen Amal- Bewegung die wiederum in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

14.14 Uhr. Die erste Meldung über angeschossene Kollegen wird dokumentiert. Sofort startet der erste Polizeihubschrauber in Stuttgart, das Landespolizeipräsidium löst eine Ringfahndung aus.

14.22 Uhr. Die Notärztin S. trifft am Tatort ein. Martin Arnold lebt. Der Rettungshubschrauber landet und startet in Tatortnähe. Arnold wird in die Neurochirurgie des Krankenhauses Ludwigsburg geflogen. Michèle Kiesewetter kann nicht mehr gerettet werden. Der Obduktionsbericht stellt später fest, dass der Schuss sie sofort getötet hat.

Der Tatort wird nicht ordnungsgemäß abgesperrt, zeitweise halten sich dort mehr als 100 Beamte auf. Darunter ist auch Ex-Ku-Klux-Klan-Mitglied Timo H., Kiesewetters Einsatzleiter an diesem Tag. Er selbst ist in Zivil und einem unauffälligen Kleinwagen unterwegs und informiert Thomas B., den Chef der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit 523, zu der Kiesewetter und Arnold gehören. Auch dieser eilt zum Tatort. Er beteuert später, der Anschlag habe eigentlich ihm gegolten, weil er eine serbische Bande auffliegen lassen wollte. Diese Info habe er von einem Freund bei den amerikanischen Special Forces, die ebenfalls in Böblingen stationiert sind.

14.37 Uhr. Das von Böhnhardt und Mundlos angemietete Wohnmobil mit dem Kennzeichen C - PW 87 wird bei einer Verkehrskontrolle am Kontrollpunkt Oberstenfeld registriert. Rund 20 Kilometer vom Tatort entfernt. Für die Strecke werden mindestens 24, höchstens 31 Minuten benötigt. Um dorthin zu gelangen, müssen sie schnell und direkt vom Tatort losgefahren sein, in dem Fahrzeug, das sie womöglich auch zum Auskundschaften nutzten.

Ca. 15 Uhr. Ein Beamter vom Verfassungsschutz ist am Tattag in Heilbronn. Laut eigener Aussage später im baden-württembergischen Untersuchungsausschuss hat sich etwa eine Stunde nach dem Attentat, auf den Weg nach Heilbronn gemacht, um sich dort mit einer "Zielperson aus dem Bereich Islamismus" zu treffen, die er als Quelle habe anwerben sollen. In Heilbronn angekommen, sei er im Stau steckengeblieben, so dass er den Termin abgesagt hätte. Vom Mord an der Polizistin habe er zunächst nichts mitbekommen, weil er in seinem Auto kein Radio, sondern eine CD gehört habe.

April 2007. Die Soko "Parkplatz" übernimmt die Ermittlungen. Die Polizisten lassen in Heilbronn Tausende von Funkzellendaten vom Tattag und von den Tagen davor sichern. Über das Bundeskriminalamt schicken sie die Daten nach Den Haag zu Europol. Sie wollen wissen, ob  Handynummern von polizeibekannten Personen in Tatortnähe eingeloggt waren.

Bei der Obduktion der toten Polizistin unterbleibt die toxikologische Untersuchung, eigentlich Standard.

27. April 2007. Laut der Online Wochenzeitung "Kontext" wird der Schwerverletzte Martin Arnold bereits nach zwei Tagen aus der Intensivstation im Krankenhaus Ludwigsburg abgeholt und weggebracht. Er kann sich später nicht mehr an die Tat erinnern. Er weiß noch, dass sie dachten, da wolle jemand eine Auskunft. Sein letzter Gedanke, bevor er Wochen im Koma liegt, galt noch seiner Sonnenbrille.

V-Frau "Krokus" sagt später aus, dass ihre Friseurin Nelly R., eine Rechtsextremistin, die in Baden-Württemberg gut vernetzt war ihr berichtet hätte, ihre Leute würden über eine Krankenschwester den schwer verletzten Polizisten ausspähen um herauszubekommen, wann er aufwache und ob er sich an etwas erinnern würde. Wenn dem so sei, werde unter den Rechtsextremisten überlegt "ob etwas zu tun" wäre. Auf der Adressliste von Uwe Mundlos, die im Jahr 1998 in der Garage in Jena gefunden, aber nie ausgewertet wurden stehen mehrere Namen aus Ludwigsburg. Darunter soll auch eine Frau sein, die als Krankenschwester im Klinikum Ludwigsburg gearbeitet hat.

Ende April. Etwa 2000 Polizeibeamte gedenken mit einem Trauerzug ihrer Kollegin Michèle Kiesewetter.

2. Mai 2007. Sie wird in Anwesenheit von rund 1300 Trauergästen und unter Anteilnahme der Öffentlichkeit in ihrem thüringischen Heimatort Oberweißbach beigesetzt. Am Tatort erinnert nun eine Gedenktafel an Michèle Kiesewetter und die weiteren Opfer des NSU. Der Polizeipräsident Baden-Württembergs Erwin Hetger bezeichnet in seiner Trauerrede die „skrupellose Tat“ als eine „neue Qualität von Gewalt, die wir uns so nicht vorstellen konnten“.

3. Mai 2007. Kiesewetters Patenonkel Mike W. welcher in der Region Oberweißbach als Kriminalbeamter arbeitet gibt zu Protokoll, dass die Tat seiner Meinung nach im Zusammenhang mit den bundesweiten "Türkenmorden" stehe. Später distanziert sich Mike W. von zu deutlichen Aussagen in diese Richtung.

Anfang Juni 2007. FBI-Beamte teilen deutschen Kollegen mit, nach ihrer Einschätzung stünden Täter mit Ausländerhass hinter der Migranten-Mordserie, also Rechtsextreme.

Juni 2007. Bereits sechs Wochen nach dem Anschlag kann Arnold das erste Mal vernommen werden. Die Ermittler kommen schließlich zu dem Urteil, das Opfer habe "klare und konkrete Erinnerungen" an die Anschlagssituation und beschließen zusammen mit ihm, ein Phantombild des Täters zeichnen zu lassen. Dieses Bild hat keinerlei Ähnlichkeit mit Böhnhardt oder Mundlos.
Die SoKo Parkplatz möchte es zusammen mit zwei anderen Phantombildern für die Fahndung herausgeben. Das scheitert am Veto des verantwortlichen Staatsanwaltes von Heilbronn. Um diese Entscheidung zu legitimieren, gibt er ein tendenziöses neurologisches Gutachten in Auftrag. Dem Gutachter teilt er bei Auftragserteilung mit, dass er von den Aussagen Arnolds nichts halte. Der Gutachter bescheinigt in diesem Sinne: Das Opfer könne sich nicht erinnern und baut gleich vor: Es werde sich auch nie mehr erinnern können.

August 2007. Martin Arnold erholt sich trotz der lebensgefährlichen Verletzung ungewöhnlich schnell und kann schon wieder den Dienst bei der Polizei aufnehmen. Er darf wegen der Gefahr epileptischer Anfälle keine Waffe mehr tragen.

Dezember 2008. Europol schickt etwa anderthalb Jahre nach dem Polizistenmord ihren Kollegen vom BKA eine Liste mit rund 50 "Kreuztreffern". Das sind Rufnummern, die in Heilbronn am Tattag um die Tatzeit eingeloggt waren und die identisch sind mit Telefonnummern, die vorher schon mal in anderen Ermittlungsverfahren aufgetaucht sind - das können Nummern von Beschuldigten, Zeugen, Verdächtigen, aber auch von Unbeteiligten sein, die ins Visier der Ermittlern geraten sind.

Die Telefonnummern, die Europol nach Wiesbaden schickt, verraten, dass mutmaßliche illegale Einwanderer, Zigarettenschmuggler, Drogendealer und Hells Angels am Tattag zur Tatzeit in Heilbronn unterwegs waren. Neun Telefonnummern sind vorher bei Ermittlungen gegen Terrorverdächtige aus der islamistischen Szene aufgetaucht.

Eine dieser Handynummern ist besonders interessant: Es ist eine 016er-Nummer, die den Ermittlern der "EG Zeit" untergekommen ist. Sie hat 2007 beim Bundeskriminalamt gegen die "Sauerland"-Terroristen ermittelt. Der Inhaber dieser Nummer könnte also aus dem Umfeld der Terroristen stammen. Und er war offenbar in der Nähe, als die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen wurde.

Diese Handynummer war kurz bevor Kiesewetter erschossen wurde, von 11:20 Uhr bis 13:49 Uhr, also über zwei Stunden lang, in der Funkzelle an der Theresienwiese eingebucht. Um 13:28 Uhr wurde mit diesem Handy ein Gespräch geführt. Die Person, die es führte, bewegte sich zu diesem Zeitpunkt "in Richtung Hafenstraße". Die Straße verläuft nördlich der Theresienwiese, dort, wo wenig später die Schüsse fielen. Kurz vor 14 Uhr schlichen sich die Mörder von hinten an den Streifenwagen heran. Die Handynummer aus der Tatort-Funkzelle wurde um 13:49 Uhr ausgebucht. Das bedeutet, dass die Person die Funkzelle nur Minuten vor dem Polizistenmord verlassen hat.

Und das ist nicht der einzige interessante Treffer: Eine 017er-Nummer führt zu dem Aktenzeichen der BKA-Ermittlungsgruppe "EG Martan". Sie hat 2003 die Todesfälle von drei Dschihadisten aus Ulm und dem Stuttgarter Raum in Tschetschenien untersucht. Der Inhaber dieser 017er-Handynummer hat also womöglich Kontakt zur Islamistenszene in Ulm und Neu-Ulm, wo auch Mohammed Atta, einer der Todespiloten vom 11. September, und Said Bahaji, der Cheflogistiker der Anschläge, verkehrt haben. Und aus diesem Zentrum radikaler Islamisten stammen eben auch zwei der "Sauerland"-Terroristen.

Obwohl die Kreuztreffer den Verdacht nahelegen, dass Kontaktleute von Terroristen in der Nähe gewesen sein könnten, als auf die Polizisten geschossen wurde, werden diese Funkdaten nicht ausgewertet.

Januar 2009. Der 18jährige Arthur C. aus Heilbronn-Weinsberg verbrennt neben seinem brennenden Auto. Er soll zu Personen Kontakt gehabt haben, die sich am Tag des Polizistenmordes von Heilbronn im April 2007 auf dem Tatort Theresienwiese aufgehalten haben.

11. Februar 2009. Wegen personeller Überlastung werden die weiteren Ermittlungen bezüglich des "Polizistenmords von Heilbronn" an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg verlagert. Klaus Brand von LKA ist für die Auswertung der Zeugenbefragung zuständig. Das LKA berichtet im selben Jahr nach Zeugenbefragungen und Ermittlungen, dass bis zu 6 Personen an der Tat beteiligt gewesen sein könnten. Außerdem lässt es 14 Phantombilder anfertigen, von denen 3 für eine Veröffentlichung vorgesehen sind. Eine Veröffentlichung wird jedoch durch die zuständige Heilbronner Staatsanwaltschaft untersagt.

Frühjahr 2009. Die Leitung der Sonderkommission verfügt, dass die  Telefonauswertung zurückgestellt wird. Die Auswertung habe "keine Priorität" gehabt, sagt ein Stuttgarter LKA-Beamter später, im Jahr 2015, vor dem baden-württembergischen Untersuchungsausschuss. Seine Aussage deckt sich mit den Polizeiakten: "Die Bearbeitung/Betrachtung der einzelnen Nummern und der Abgleich mit dem Gesprächsmuster in der Funkzelle wurde ... auf Weisung der damaligen Leitung der Sonderkommission zurückgestellt", heißt es darin.

27. März 2009. die Staatsanwaltschaft Heilbronn gibt bekannt, dass die DNA-Spuren der "Frau ohne Gesicht" schon beim Verpacken auf die Wattestäbchen der Ermittler gelangten. Die gefundene DNA stammt von einer Verpackungsmitarbeiterin eines an der Herstellung beteiligten Unternehmens.

Frühjahr 2011. Ein Teil der Heilbronner "Kreuztreffer" wird ausgewertet. Zu spät, wie sich zeigt. Denn ausgerechnet die Telefonnummern, die den Verdacht begründen könnten, dass möglicherweise Kontaktleute von Terroristen in der Nähe des Tatorts waren, kann der Beamte nicht mehr zurückverfolgen. Die angefragte Rufnummer "ist hier nicht (mehr) verzeichnet. Möglicherweise handelt es sich hierbei um einen Datensatz, der ... bereits gelöscht wurde", heißt es in den Akten unter dem 11. April 2011. Bei Europol lägen auch keine weiteren Erkenntnisse zu der Rufnummer vor. Und auch beim BKA seien angeblich keine weiteren Daten mehr vorhanden. "Ein echter Tatverdacht lässt sich mit den bisherigen Erkenntnissen nicht konstruieren", schreibt der LKA-Beamte in seinem "Auswertebericht"

Mai 2011. In einer Unterredung zwischen dem Staatsanwalt, Martin Arnold, einem Kriminalbeamten und zwei Vorgesetzten geht es um die Veröffentlichung eines Phantombildes, das kurz nach der Tat nach Angaben des bei dem Mordanschlag schwer verletzten Martin Arnold angefertigt worden ist. Zu sehen ist ein Mann mit dunklem, lockigen Haar. Es passt nicht zum Aussehen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Martin Arnold hat offenbar Angst davor, das Bild der Öffentlichkeit zu zeigen.
Eine Person, die am Vorabend des Mordes Michèle Kiesewetter und einen anderen Kollegen anstarrte, ähnelte laut Vernehmung dieses Kollegen dem Phantombild, das nach den Erinnerungen des Martin A. erstellt wurde.

4. November 2011. Der Nationalsozialistische Untergrund fliegt auf. Die Polizei findet Pistolen, Handschellen und eine Jogginghose mit Kiesewetters Blug im letzten Unterschlupf des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Zwickau das Beate Zschäpe angezündet hat. In dem später sichergestellten Bekennervideo des NSU feuert die Comicfigur Paulchen Panther mit einer Pistole auf den Kopf eines Polizisten.

Von Mundlos und Böhnhardt können jedoch keine DNA oder Fingerabdrücke am Tatort sichergestellt werden. Auch an den beiden Tatwaffen, die in der NSU-Wohnung sichergestellt werden, finden sich keine Spuren von Mundlos oder Böhnhardt.

Gutachten über die Anordnung der Blutspritzer auf der Jogginghose stellen später festgestellt, dass die Person mit der Hose nicht so dicht am Auto gestanden haben kann, dass sie den tödlichen Schuss abgegeben hat.

In Heilbronn erinnert eine Gedenktafel am Tatort an die ermordete Polizistin und an die weiteren Opfer derselben Tätergruppe. Die Polizistin selbst bevorzugte die ungewöhnliche Schreibweise ihres Vornamens mit dem Akut-Akzentzeichen, Michéle, allgemein wird ihr Name heute mit dem Gravis-Akzentzeichen geschrieben, Michèle, so auch auf ihrem Grabstein in Oberweißbach und auf der 2012 erneuerten Gedenktafel in Heilbronn. Ebenso findet man den Namen der Polizistin auf einer Stele zur Erinnerung an die Mordopfer an der Straße der Menschenrechte in Nürnberg.

7. November 2011. Der Polizistenmord von Heilbronn wird der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund zugeordnet nachdem in der Wohnung der NSU-Terroristen offenbar zahlreiche Hinweise auf die Taten gefunden wurden. Daher verschiebt sich die Zuständigkeit zum Generalbundesanwalt. Diese stuft die zugehörigen Zeugenaussagen ebenfalls nicht als glaubwürdig ein. Eine Übereinstimmung der Phantombilder und der möglichen Täter des Nationalsozialistischen Untergrunds ist nicht gegeben.

4. Mai 2015. Der NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags inspiziert den Ort in Heilbronn, an dem die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen wurde. Am Tatort neben dem Trafohaus auf der Theresienwiese steht, wie seinerzeit das Original, ein Einsatzfahrzeug. Es trägt die Farben Weiß und Grün, wie man sie damals bei der baden-württembergischen Polizei verwendete. Das Kennzeichen beginnt mit den Buchstaben GP, für Göppingen. Über den Zugang zum Fahrzeug wachen uniformierte Polizisten, ein Teil der Heilbronner Theresienwiese ist mit rot-weißem Absperrband abgetrennt.  Das Trafohaus ist frisch gestrichen, aber die Spur des Schusses auf Kiesewetter ist noch zu erkennen.
Es ist sehr laut rund um den Tatort. Das Rattern der Züge, das Rauschen des Autoverkehrs, hinzu kam damals das Hämmern der Arbeiter an den Fahrgeschäften. Schausteller bauten auf dem Festplatz gerade das Frühlingsfest auf. Auch damit erklärt man sich, dass wenige Zeugen die Schüsse hörten. Deshalb wirken Aussagen von Zeugen erstaunlich, die Schüsse noch aus großer Entfernung gehört haben wollen.
Die Abgeordneten sind überrascht von den großen Entfernungen. Beim Aktenstudium haben sie sich das anders offenbar anders vorgestellt.
Über 5000 Einzelspuren sollen die Ermittler nachgegangen sein.

30. Oktober 2015. Laut NSU-Ausschuss sind zwei neue Zeugen aufgetaucht. Ein Zeuge will mit seinem Handy Videoaufnahmen am Tatort gemacht haben.

Herbst 2015. Frau K. aus Heilbronn erwähnt vor dem Untersuchungsausschuss in Stuttgart einen zweiten davon rennenden Mann. Sie habe sich an ihn erinnert, weil ihr vor kurzem, im Frühjahr 2015, zwei Polizisten Fotos gezeigt hätten und er darunter gewesen sei. Um wen es sich handelt, kann allerdings nicht in Erfahrung gebracht werden. Denn alle maßgeblichen Behörden, die der Ausschuss offiziell anfragt, bestreiten, etwas mit diesen aktuellen Ermittlungen zu tun zu haben: Bundesanwaltschaft, Landeskriminalamt, Bundesamt und Landesamt für Verfassungsschutz, Polizeidirektion Heilbronn.

24. April 2017. Eine TV-Dokumentation der Fernsehjournalisten Clemens und Katja Riha über den Polizistenmord von Heilbronn mit dem Titel: "Tod einer Polizistin. Das kurze Leben der Michèle Kiesewetter", wird in der ARD ausgestrahlt. Darin werden Filmaufnahmen von der Kranzniederlegung am 27. April 2007, zwei Tage nach der Tat, gezeigt, die ein Graffito an der Wand des unmittelbar am Tatort befindlichen Trafohäuschens der Heilbronner Theresienwiese offenbar mit den Buchstaben „NSU“ zeigen. Dies ist den Ermittlungsbehörden zuvor entgangen. Die zuständige Bundesanwaltschaft gibt daraufhin bekannt, dem Hinweis nachzugehen.

25. April 2017. Zehn Jahr nach dem Mord hält Eva-Maria Agster (Ex-Polizeipfarrerin) eine Trauerrede vor etwa 200 Menschen. Fünf ihrer Angehörigen sind angereist, um der getöteten Verwandten zu gedenken, dazu Vertreter aus den Familien vieler weiterer NSU-Opfer. Die Gruppe steht inmitten der Politiker und Journalisten unweit der Gedenktafel. Im Hintergrund bauen die Schausteller ihre Fahrgeschäfte auf, wie damals am 25. April 2007.

17. Mai 2017. Wolfgang Drexler (SPD-Landtagsabgeordneter von Baden-Württemberg) erklärt gegenüber der Presse, er wolle erreichen, dass die TV-Dokumentation über den ungeklärten Polizistenmord "in dieser Form" nicht noch einmal ausgestrahlt wird.

24. Mai 2017. Laut Bundesanwaltschaft handelt es sich bei dem Schriftzug am Tatort nicht um ein Bekenntnis der mutmaßlichen Täter des Nationalsozialistischen Untergrundes. Dagegen spreche, dass sich der NSU aus dem Untergrund heraus nie zu erkennen gab, auch die Schreibweise passe nicht.

Die Suche nach dem Heilbronner Phantom

Die DNA-Spur die am Polizeifahrzeug gefunden wurde erschien lange Zeit die vielversprechendste Spur für die Ermittlungen zu sein. Die Ermittler jagen daher  dem sogenannten Heilbronner Phanton nach. Dabei werden bei mehr als 35 Straftaten,  darunter mehrere Morde und Einbrüche in Deutschland. Österreich und Frankreich, Genspuren einer "angeblichen "Frau ohne Gesicht" gefunden. Zeitweise waren 5 Sonderkommissionen, 6 Staatsanwaltschaften in 3 Bundesländern und Polizisten in Deutschland, Österreich und Frankreich mit dem Phantom beschäftigt.

Ende März 2009 kann die Fahndung allerdings eingestellt werden. Am 27. März 2009 gibt die Staatsanwaltschaft Heilbronn bekannt, dass die DNA-Spuren der "Frau ohne Gesicht" schon beim Verpacken auf die Wattestäbchen der Ermittler gelangten. Die gefundene DNA stammte von einer Verpackungsmitarbeiterin eines an der Herstellung beteiligten Unternehmens.

Sinti und Roma

Lange Zeit wurde auch unter Sinti und Roma von denen sich am Tag der Tat einige als Landfahrer in der Nähe aufhielten nach den Tätern gefahndet.

Mai 2012. Jörg Ziercke (Chef des BKA) "bedauert" gegenüber dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die – nach seinen Angaben von den Medien verschuldeten – öffentlichen Falschverdächtigungen. Während der Ermittlungen wurde bei einem Verdächtigen ein Lügendetektortest durchgeführt. Die Psychologen hielten daran fest, dass der Mann „ein typischer Vertreter seiner Ethnie“ sei, was bedeute, dass „die Lüge ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation“ sei.

Februar 2014. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wirft den Fahndern vor, nach rassistischen Vorurteilen ermittelt zu haben, und erstattet Anzeige gegen die baden-württembergischen Polizeimitarbeiter.

Osteuropäische Mafia

Kiesewetters Einsätze waren nicht immer ungefährlich. Unter anderem diente sie bei verdeckten Ermittlungen gegen eine russische Drogenbande als Lockvogel. Dazu könnte passen, dass sich in Tatortnähe offenbar mehrere Personen aufhielten, die mit der osteuropäischen Mafia zu tun haben. Laut LKA-internen Vermerken erbrachte ein Abgleich der Daten der Europol-Stelle für Organisierte Kriminalität aus Osteuropa mit Handydaten aus Heilbronn einige Treffer. Gibt es vielleicht sogar Verbindungen zwischen Drogenmafia und Neonazis, wie es Ermittlungen in anderen Fällen nahelegen?

Zeugenaussagen

Zeugen wollen offenbar nach der Tat beobachtet haben wie ein 30 bis 35 Jahre alter, blutverschmierter Mann aus dem Wertwiesenpark kam und ein Paar auf Fahrrädern bei der Fahrt behindert hat. Er soll dann vom Fahrer eines blauen Audi 80 auf Russisch angesprochen worden sein. Dabei seien die Worte "dawai, dawai" gefallen, russisch für "schnell, schnell". Danach sind sie der Geschichte nach mit hoher Geschwindigkeit davon gefahren. Das war zwei Kilometer von der Theresienwiese entfernt. In Zeitungsartikeln wurde ein Hintergrund in der organisierten Kriminalität vermutet was vom Heilbronner Polizeidirektor jedoch als "Aufbau von Verschwörungstheorien" zurückgewiesen wurde.
Eine Frau will gesehen haben, dass drei Männer vom Auto weggerannt sind, vor dem ein toter Polizist lag. Doch die Frau hatte jedoch psychische Probleme und markierte in den Aussagen ihre Position abweichend, erst drei Meter neben dem Fahrzeug, dann 100 Meter davon entfernt.
Weitere Zeugen beschreiben, wie Verdächtige im Wertwiesenpark vor einem Polizeihubschrauber flüchten.
Jahrelang gehen die Ermittler von bis zu sechs Tätern aus. Nimmt man alle ernstzunehmenden Zeugenaussagen zusammen, kommt man auf mindestens neun Personen, die mit der Tat zu tun gehabt haben könnten oder unmittelbar Zeugen wurden und sich danach nicht bei der Polizei meldeten.

Blutverschmierte Täter

Die Täter nahmen sich die Zeit und entwendeten Dienstwaffen, Handschellen und andere Gegenstände der beiden Opfer. Dabei müssen sie sich stark mit Blut beschmiert haben.
Ein Radfahrer beobachtete aus der Ferne eine Gruppe von zwei Männern und einer Frau, aus denen sich eine Person löste, um sich im Neckar Blut von den Händen zu waschen. Doch das fiel dem Zeugen erst mit zwei Jahren Verspätung ein.
Es gibt insgesamt 3 Zeugen die zwischen 14:00 Uhr und 14:30 Uhr südlich der Theresienwiese drei verschiedene blutverschmierte Männer gesehen haben. Einer links blutverschmiert, einer rechts, einer wusch sich die blutigen Hände im Neckar. Phantombilder dieser Männer, die nach Angaben der Augenzeugen gefertigt wurden, haben keinerlei Ähnlichkeit mit Mundlos und Böhnhardt. 
Einer der Zeugen ist eine V-Person der Heilbronner Polizei.

Oberweißbach

 Ihr Heimatort Oberweißbach ist

Oberweißbach liegt mitten im Thüringer Wald. In der Gegend zwischen Rennsteig und Schwarzatal nur 30 Kilometer von Saalfeld entfernt, wo sich der Thüringer Heimatschutz (THS) und der NSU bei regelmäßigen Treffen radikalisierte. Die Landstraße 1145 schlängelt sich durch den Ort. Die Häuser stehen rechts und links davon.
Der Stiefvater von Michèle Kiesewetter betreibt im Nachbarort ein Hotel und wollte den Landgasthof "Zur Bergbahn" pachten. Ende 2005 bis 2007 wurde die Kneipe jedoch von David F., dem Bruder von Jacqueline Wohlleben, der Ehefrau von Ralf Wohlleben, angemietet. Weil die Besucher ausblieben war jedoch nach einem Jahr schon wieder Schluss.
Der Koch hatte den Nachnamen Apel. Das ist der Mädchenname von Beate Zschäpes Mutter. Die beiden sollen jedoch nicht miteinander verwandt sein.
Ein Jahr vor dem Mord gab es in Oberweißbach Auseinandersetzungen um ein Neonazi-Konzert. Im März 2006 wurde dort eine Saalveranstaltung der NPD abgehalten bei der es um Kapitalismuskritik ging und braune Lieder gesungen wurden. Vom thüringischen Verfassungsschutz wurden 150 Gäste gezählt. David F. wiederum hatte Verbindungen zur rechtsextremen Szene von Jena. Für die Konzeption seines Internetauftritts zeichnet sich Ralf Wohlleben (NPD-Politiker) verantwortlich. Wohlleben ist wiederum eine der Schlüsselfiguren im Fall des NSU-Terrortrios.
Das ist zwar von Jena, der Heimatstadt des Trios 70 Kilometer und vom Unterschlupf in Zwickau sogar 150 Kilometer entfernt, doch ausgerechnet in Oberweißbach hatte es im Jahr vor der Tat Auseinandersetzungen um ein Neonazi-Konzert gegeben.

Michèle Kiesewetter

Kiesewetter selbstwar nach dem, was bekannt ist, nie Mitglied in rechten Organisationen.

10. Oktober 1984. Michèle Kiesewetter wird in Oberweisbach geboren. Den Vater lernt sie nie kennen. Der Freund ihrer Mutter Annette Kiesewetter, Ralf Kiesewetter, nimmt sich statt dessen des Kindes an und wird ihr Nennvater. Michèle wird später Biathletin, unternimmt Crossläufe und engagiert sich im Kirmesverein.

2002.  Die Mutter trennt sich von Ralf Kiesewetter und lebt danach mit Frank L. zusammen.

Jahr 2005. Michèle Kiesewetter beginnt ihren Dienst bei der Landesbereitschaftspolizei Baden-Württemberg. Laut ihrem Großvater Fritz W. entfremdete sie sich daraufhin zusehens von ihrer Heimat. Sie hatte dort bald nur noch zwei Freundinnen. Zu anderen soll sie die Beziehung abgebrochen haben weil "die gekifft haben".

Ralf Wohlleben

Wohlleben unterhielt laut Tagesschau.de auch enge Kontakte zu Neonazis im Raum Karlsruhe. Neonazis aus Baden-Württemberg besuchten wiederholt ihre Bekannten in Thüringen. Besonders angesagt waren Szene-Großveranstaltungen wie "Rock für Deutschland".
Laut Verfassungsschutz gehörte er auch zur "Braunen Aktionsfront" (BAF). Gegen Mitglieder dieser Gruppe wurde wegen Verdachts der Gründung einer bewaffneten Gruppe (§127 StGB) ermittelt. Auch da gab es laut internen Papieren des Geheimdienstes Querverbindungen nach Baden-Württemberg. Das Verfahren gegen die Gruppe wurde jedoch ergebnislos eingestellt.

Timo Brandt

2001 bis 2006. Hardthausen am Kocher  ist ein kleiner Ort mit etwa 4000 Einwohnern. 3 frühere Rechtsextremisten haben dort eine Internetfirma. Einer davon war zwischen 1996 und 1997 V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes und später Landeschef der NPD Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten".

9. November 2004. Tino Brandt erwirbt bei einer Zwangsversteigerung für 186.000 Euro in Hardthausen am Kocher bei Heilbronn eine Doppelhaushälfte. 26.000 Euro legt er in bar als Sicherheitsleistung auf den Tisch. Bei den Formalitäten lässt er sich durch Bevollmächtige aus Heilbronn vertreten. Er selbst soll nie dort gelebt haben. Statt dessen lebte dort offenbar von 2004 bis 2007 die Vorbesitzerin zur Miete. Das Haus liegt in einer Entfernung von etwa 15 Kilometern zum Tatort auf der Theresienwiese in Heilbronn.
Zur selben Zeit sind angeblich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Raum Ludwigsburg und Stuttgart unterwegs. Von Beate Zschäpe gibt es ein Foto das irgendwann vor 2004 in Ludwigsburg aufgenommen wurde.

2008. Weil der Kaufpreis für die Doppelhaushälfte von Tino Brandt in Hardthausen am Kocher nie beglichen wurde verkauft der Zwangsverwalter der Bank das Objekt wieder.

23. März 2012. Eine Beamtin des Bundeskriminalamtes wird auf dem Grundbuchamt in Hardthausen am Kocher vorstellig im Zusammenhang mit dem "Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe und Andere (Az: 2 BJs 162/11)".

September 2012. Zwischenzeitlich wird auch eine mögliche Verbindung von Timo Brandt zum Polizistenmord von Heilbronn bei dem die ebenfalls aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt  stammende Michèle Kiesewetter ermordet wurde untersucht. Sein Haus in Hardthausen stand laut Aussage des späteren Besitzers zum Zeitpunkt des Mordes offenbar leer.

Florian Heilig

Florian Heilig wurde 1992 geboren (+16. September 2013 in Stuttgart am Canstatter Wasen). Er hing offenbar häufig mit den rechtsradikalen Kumpels ab, trug Glatze und Springerstiefel. Gleichzeitig fühlte er sich verfolgt, hatte nach Aussagen von Vater und Schwester Schulden bei Kameraden. Er hortete Waffen, wechselte mehrfach die SIM-Karten in seinem Telefon. Er war in einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme mit dem Namen Big Rex, schimpfte aber über die dortigen Kontaktpersonen. Er starb im Jahr 2013 kurz vor einer Vernehmung in der es um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gehen sollte als sein Auto in Stuttgart unter mysteriösen Umständen Feuer fing. 

Florian Heilig soll auch gewusst haben, wer die Polizistin Michèle Kiesewetter im Jahr 2007 in Heilbronn ermordet hat. Im März 2015 stirbt seine Ex-Freundin Melissa M. kurz nach einer Aussage im baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss offenbar an einer Lungenthrombose. Anfang 2016 begeht Sascha W., der ehemalige Verlobte von Melissa M. Suizid.

Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)

Die operative Fallanalyse ergibt, dass zwei Rechtshänder schossen. Uwe Böhnhardt war jedoch Linkshänder.

1990er Jahre. Der spätere Mann der Thüringer Polizistin Anja W. ist Zeuge in einem Verfahren gegen Uwe Böhnhardt. Ein Freund von Anja W. soll wiederum recht eng mit dem Betreiber des Szeneladens befreundet sein, aus dem die NSU-Terroristen die Ceska-Pistole, mit der 9 Menschen ermordet wurden, stammte.

1993 und 2001. Die Neonazis vom NSU reisen immer wieder zu Kameraden nach Ludwigsburg. Vor allem Mundlos und Zschäpe sollen häufig dort gewesen sein.

2001. Die Polizistin Anja W. wird von der "Soko Peggy" aus Bayern damit beauftragt in Thüringen an Seen nach der Leiche der vermissten Peggy Knobloch zu suchen.

2007. Mike W. (Kiesewetters Patenonkel und Polizist beim Staatsschutz) sagt kurz nach dem Mord aus: Er glaube, der Mord an seiner Nichte hänge "mit den bundesweiten Türkenmorden" zusammen – wegen der ähnlichen Tatwaffen, die er aus den Medien kenne. Später behauptet er, er sei durch eine Unterhaltung mit einem Ermittler darauf gekommen. Das Problem: Beim Kiesewetter-Mord wurden tatsächlich andere Waffen benutzt als bei den restlichen neun Morden.
Anja W. trennt sich von Kiesewetters Patenonkel. Sie hat während verdeckter Ermittlungen Ralf Wi. (Chef einer Sicherheitsfirma) kennengelernt und sich in ihn verliebt.
Anja W. kennt die Michèle, die Nichte von Mike W. deshalb gut. Sie sind zusammen in den Urlaub nach Ungarn gefahren und trafen sich an Wochenenden bei Kiesewetters Großmutter zum Essen. Anja W. half Michèle Kiesewetter auch bei ihrer Abschlussarbeit. Von der Polizei wird sie vor 2011 nicht befragt.

Nach 2007. Anja W. heiratet Ralf Wi,, der mit der rechten Szene in Berührung gekommen ist. Laut Anja W. soll er selbst nichts mit der Szene zu tun haben. Er beschäftigt aber offenbar auch Neonazis.
Der Mann ist verwandt mit Ronny W., einem Neonazi aus dem Umfeld des NSU. Dieser soll früher in der Rechtsrock-Band "Vergeltung gespielt haben und dabei gewesen sein als die Gruppe um die späteren Terroristen "Ku-Klux-Klan" spielten. Zudem soll Ronny W. auch Kontakt zu Ralf Wohlleben gehabt haben.
Anja W. wird später vom Dienst suspendiert, weil sie für private Zwecke Abfragen am Polizeicomputer gemacht haben soll. Dabei soll sie auch nach einzelnen Rechtsradikalen recherchiert haben. Anja W. behauptet dass die Abfragen einen dienstlichen Hintergrund gehabt haben. Ein Verfahren wegen Geheimnisverrats wird gegen eine Geldzahlung eingestellt. Die Beamtin ist trotzdem nicht mehr im Dienst, sondern seit langem krank geschrieben.

Mai 2009. Laut Heilbronner Stimme liegen Aussagen eines Zeugen vor der am Tattag um ca. 14 Uhr offenbar zwei auffällige Männer und eine Frau mit weißem Kopftuch (Auf Fotos von Beate Zschäpe ist sie häufig mit Kopftuch zu sehen) in direkter Nähe des Tatorts beobachtete. Einer der Männer soll eine Treppe zum Neckar hinuntergegangen und sich im Fluss Blut von den Händen gewaschen haben.

4. November 2011. Die ins Stocken geratenen Ermittlungen kommen nach einem Banküberfall in Eisenach wieder in Gang. Die Polizei hat kurz danach das Wohnmobil der NSU gefunden. Polizeibeamte die darauf zugehen vernehmen zwei knappartige Geräusche und gehen in Deckung. Kurze Zeit später brennt das Fahrzeug. Als die daraufhin herbeigerufene Feuerwehr die Flammen gelöscht hatte wurden im Innern die Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gefunden. Zudem wurden in dem Wohnmobil 9 Faustfeuerwaffen, ein Gewehr und eine Maschinenpistole, darunter auch die Dienstwaffen der 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter und ihres Kollegen entdeckt.
Es stellt sich heraus, dass das Kennzeichen des am Tag des Polizistenmordes von Heilbronn von ihnen gemieteten Wohnmobils zusammen mit 30.000 anderen von der Polizei notiert worden war. Frau Kiesewetter soll jahrelang gegenüber einem Szenetreff der Thüringer Neonazis gewohnt haben. Ihre Familie wollte das Gasthaus offenbar vor der Verpachtung an Neonazi-Sympathisanten anmieten. Diesen Aussagen widerspricht jedoch der Stiefvater. Seiner Aussage nach soll es nie irgendeinen Kontakt zwischen einem Familienmitglied und der NSU gegeben haben. Das BKA korrigierte die Version darauf hin dass Michèle unweit der Gaststätte zur Schule gegangen sein soll. Dies wurde von ihrem Großvater jedoch verneint.
Um etwa 15 Uhr legt Beate Zschäpe einen Brand im Zwickauer Unterschlupf des NSU in der Fühlingsstraße 26 in Zwickau-Weißenborn. Es kommt kurz danach zu einer Explosion. Die Polizei leitet daraufhin eine Fahndung nach Zschäpe ein.
In den Trümmern des Wohnhauses finden die Ermittler Brandbeschleuniger und neben Waffen (darunter vermutlich auch die Tatwaffen) auch Exemplarer einer DVD auf der sich die Täter zynisch zu den Anschlägen und Morden bekennen. Von mehreren Medien werden Standbilder und Sequenzen daraus veröffentlicht. Zu sehen sind Bilder der 9 Opfer der Mordserie, Sequenzen aus der Zeichentrickserie Paulchen Panther und das Logo der Rote Armee Fraktion. In einer weiteren Sequenz wurde eine Collage von Bildern der Trauerfeier für die ermordete Polizistin Michèle Kiesewetter mit einer Polizeipistole des geraubten Modells HK P2000 zusammengestellt.
Michael Menzel (Chef von Kiesewetters Patenonkel Mike W.) findet in dem Wohnmobil, wo Böhnhardt und Mundlos ums Leben kamen, die Waffe von Kiesewetter.

7. November 2011. Das LKA teilt mit, dass die Dienstpistolen von Michèle Kiesewetter in dem ausgebrannten Wohnmobil entdeckt wurde.

8. November 2011, kurz nach 13 Uhr. Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena und wird in Untersuchungshaft genommen. Wo sie sich in der Zwischenzeit aufgehalten hat ist bisher [18.09.2012] unbekannt. Vermutlich im Raum Leipzig weil die Bekenner-DVDs die sie wahrscheinlich verschickte im Briefzentrum Schkeuditz gestempelt worden waren. Sie hat laut Angaben der Polizei mehrere Alias-Namen benutzt.

23. November 2011. Jörg Zierke vermutet "ohne konkrete Hinweise" vor dem Untersuchungsausschuss eine Beziehungstat.

23. Dezember 2011. Das BKA geht von Waffenbeschaffung als Motiv aus und schließt eine Beziehungstat völlig aus.

28. Januar 2012. Die Thüringer Polizistin Anja W. die mit der ermordeten Michèle Kiesewetter bekannt war wird vernommen. Sie war mit Kiesewetter im Jahr 2003 im Urlaub und hat sie laut eigener Aussage bei der Oma ihren damaligen Lebensgefährten, auch Polizist, kennengelernt. Zuletzt haben sie sich offenbar 2006 getroffen. Ende 2007 lernte sie ihren späteren Mann kennen der wiederum in Jena eine "Sicherheitsfirma" hatte. Sie heirateten 2009. Die Polizistin räumt ein, Personen aus der rechtsextremen Szene, von dienstlichen Einsätzen und über die Firma ihres Mannes zu kennen. Darunter auch Marcel W. Sie hörte das W. zusammen mit einem Kollegen "Türkenklatschen" war. Unternommen hat sie jedoch nichts dagegen weil sie "nicht wusste ob das stimmt". Marcel W. wiederum war laut ihrer Aussage wiederum ein guter Freund von André Kapke, dem mutmaßlichen NSU-Helfer. Zudem kannte er Stefan A., einen Cousin von Beate Zschäpe.

August 2012. Laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hat das BKA auf einer Jogginghose die in der Zwickauer Wohnung sichergestellt wurde Blutspuren nachgewiesen die durch einen DNA-Vergleich Michèle Kiesewetter zugeordnet werden konnten.

September 2012. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags teilt mit, dass bisher kein Motiv für den Mord an Kiesewetter ermittelt werden konnte.
Zwischenzeitlich wird auch eine mögliche Verbindung von Timo Brandt zum Polizistenmord von Heilbronn bei dem die ebenfalls aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt  stammende Michèle Kiesewetter ermordet wurde untersucht. Sein Haus in Hardthausen stand laut Aussage des späteren Besitzers zum Zeitpunkt des Mordes offenbar leer.

22. Oktober 2012. Das BKA vermerkt in einem Ermittlungsbericht der Bundesanwaltschaft: "Ein eindeutiger Nachweis, dass zumindest Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am Tattag in unmittelbarer Tatortnähe waren, konnte bislang nicht erbracht werden."

2013. Von Reinhold Gall (SPD) wird die sogenannte Ermittlungsgruppe "EG Umfeld" eingesetzt. Leiterin wird Heike Hißlinger. Zeitweise sind 40 Beamten für die EG im Einsatz. Etwa 500 Spuren zum NSU werden erneut untersucht. Die Gruppe ist jedoch nicht mit den nötigen Befugnissen ausgestattet, um die Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg umfassend aufzuklären. 52 Personen können identifiziert werden, die sowohl einen Bezug zum NSU als auch nach Baden-Württemberg haben. Eine konkrete Unterstützung kann keinem der Kontakte nachgewiesen werden.

16. Januar 2014. Der Mord an Kiesewetter vom April 2007 wird im NSU-Prozess München zum ersten Mal behandelt. Mehrere damals ermittelnde Polizisten und Kiesewetters heute 31-jähriger Kollege Martin A. werden geladen. Seine Erinnerungen an die Tat sind spärlich. Er berichtete allerdings auch über physische und psychische Folgen. Er befindet sich immer noch in traumatherapeutischer Behandlung.
Die Bundesanwaltschaft sagt, dass Kiesewetter „keine Kontakte in die rechte Szene“ hatte und vermutet, dass beide Polizisten Zufallsopfer waren, die den vom NSU gehassten Staat repräsentierten. In der Bereitschaftspolizei, der Kiesewetter und Arnold angehörten, hatte Kiesewetter ihren Dienst erst kurz vor dem tödlichen Einsatz in Heilbronn getauscht. Zwei Bereitschaftspolizisten waren Mitglieder des Ku-Klux-Klan (KKK), dessen Anführer auf einer Namensliste steht, die in der von den NSU-Terroristen als Bombenwerkstatt genutzten Garage in Jena gefunden wurde. Die Nebenklagevertreter bezweifelten die Gründlichkeit des BKA.

30. Januar 2014. Laut Aussage eines ehemaliger Kriminalpolizisten hat ein Staatsanwalt untersagt, dass Phantombild zu veröffentlichen, das nach Angaben des bei dem Mordanschlag schwer verletzten Martin A. gefertigt worden ist. Ein Grund für die Entscheidung kann oder will er nicht nennen. Es habe ihm nicht zugestanden, bei dem Staatsanwalt nachzufragen.
Ein Nebenklage-Anwalt hielt dem pensionierten Beamten auch Passagen aus den Berichten des LKA zum Fall Kiesewetter vor, die rassistisch klingen. Da ist von einem „Neger“ die Rede, zudem werden Roma als „Zigeuner“ bezeichnet. Über einen Roma-Mann heißt es, die Lüge sei „ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation“. Der Zeuge gibt zu, diesen Satz eines Psychologen „eins zu eins“ in einen Bericht übernommen zu haben. In dem Bericht geht es um die Befragung des Roma-Mannes zum Mord an Kiesewetter. Der frühere Kriminalbeamte reiste eigens nach Belgrad, um den Mann dort zu vernehmen. Dabei wurde ein Lügendetektor eingesetzt. Der anwesende Psychologe soll hinterher den diskriminierenden Spruch von sich gegeben haben. Der Roma-Mann hatte allerdings nichts mit dem Mord in Heilbronn zu tun. Ob er log oder nicht, die Ermittlungen gingen in die Irre.

10. März 2014. die Thüringer Polizistin Anja W. sagt vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags in Erfurt aus. Sie wirkt verängstigt und gibt an dass sie nach Erhalt der Vorladung bedroht worden wäre. Zwei Männer sollen vor ihrer Tür gestanden, einen Ausweis gezückt und geraten haben, sich besser nicht zu erinnern. Auch ein Reifen wäre ihr zerstochen worden. Möglicherweise wären die Männer vom Verfassungsschutz gewesen.
Sie war offenbar bis 2007 die Lebensgefährtin von Kiesewetters Onkel und fuhr mit dem späteren Opfer in Urlaub. Nach der Beziehung mit dem Onkel heiratete sie einen Mann, der in den neunziger Jahren in einem Prozess gegen Uwe Böhnhardt ausgesagt hat. Der Mann sei zudem mit dem Neonazi Ronny W. verwandt gewesen, der mit dem ebenfalls Angeklagten Ralf Wohlleben in Kontakt gestanden haben soll.
Laut Anja W. ist eine Cousine von Kiesewetter nach der Jahrtausendwende in die rechte Szene abgedriftet. 2006 soll es am Ortsrand von Oberweisbach eine Auseinandersetzung gegeben haben, in die Michèle hineingeraten ist. Anja W. meint: "Vielleicht hat sie irgendwas gesehen, was sie nicht hätte sehen sollen. Genauer wird sie nicht.

5. November 2014. Der Landtag von Baden-Württemberg setzt den Untersuchungsausschuss „Die Aufarbeitung der Kontakte und Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und die Umstände der Ermordung der Polizeibeamtin M. K.“ ein. Der Ausschuss soll „aufklären, in welcher Weise die Justiz- und Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg bei der Aufklärung des Mordes an der Polizistin M. K. in Heilbronn, des Mordversuchs an ihrem Kollegen sowie der Mordserie des NSU mit Bundes- und anderen Länderbehörden zusammengearbeitet haben.“ Verschiedene geladene Sachverständige, z. B. die ehemaligen Obleute Clemens Binninger und Eva Högl des NSU-Untersuchungsausschuss des Bundes und die Journalisten Stefan Aust und Dirk Laabs, äußern vor dem Ausschuss Zweifel an der These der Bundesanwaltschaft, die Polizisten seien Zufallsopfer gewesen. Einer LKA-Beamtin zufolge, die im baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss befragt wurde, bedeutet die Festlegung auf die Täterschaft Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos', dass Spuren, die in eine andere Richtung deuteten, bedeutungslos wurden, wie sie am Beispiel des Phantombildes schildert.
Der Untersuchungsausschuss beschäftigt sich ausführlich mit folgenden Themen bei insgesamt 20 Fragestellungen:
23. September 2015. Ein Kriminalbiologe des Bundeskriminalamtes (BKA) berichtet im NSU Prozess davon dass ein Blutfleck auf einer Jogginghose des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos von der ermordeten Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter stammt. Er habe die DNA des Blutflecks auf seine Erbsubstanz untersucht und berechnet, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von „eins zu 31 Billiarden“ von Kiesewetter stamme. Die Hose haben Polizisten nach der Explosion der Fluchtwohnung des NSU in Zwickau im November 2011 im Brandschutt gefunden. Sie war nach Erkenntnis der Ermittler in einem Zimmer zusammen mit anderen Kleidungsstücken aufbewahrt worden, die die mutmaßlichen Terroristen Mundlos und Uwe Böhnhardt bei Banküberfällen trugen.
Mundlos hat die Hose seit dem Attentat nicht mehr gewaschen. In der Hose befanden sich zwei benutzte Taschentücher, die ebenfalls Mundlos zugewiesen werden konnten.

2. Oktober 2015. Beim NSU-Untersuchungsausschuss  des baden-württembergischen Landtags sagt eine Sachverständige des Bundeskriminalamtes aus, dass DNA-Spuren der mutmaßlichen Mörder von Michèle Kiesewetter auf den Dienstwaffen gefunden worden sind. Die beiden Pistolen lagen in dem ausgebrannten Wohnmobil in Thüringen, in dem am 4. November 2011 die Leichen der NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gefunden worden sind. Es wird vermutet, dass Mundlos und Böhnhardt die Waffen als eine Art Trophäe betrachteten.

9. Dezember 2015. Mathias Grasel (Anwalt von Beate Zschäpe) verliest im NSU Prozess eine Aussage von Zschäpe. Demnach haben ihre Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ihr erklärt dass es ihnen nur um die Dienstpistolen der beiden Polizisten auf die sie im April 2007 geschossen hätten gegangen wäre. Ihre eigenen Waffen hätten Ladehemmungen gehabt. Sie bestreitet, an dem Mord an Kiesewetter in Heilbronn beteiligt gewesen zu sein. An ihrer Aussage werden deutliche Zweifel geäußert.

18. Februar 2016. Der Untersuchungsausschuss von Baden-Württemberg stellt den Abschlussbericht mit knapp 1000 Seiten Umfang im Stuttgarter Landtag vor. Der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Drexler hob von den Beschlussempfehlungen des Berichts, der u.a. die Einsetzung eines fortsetzenden Untersuchungsausschusses nennt, hervor, dass „Erkenntnissperren und zu frühes Festlegen auf einzelne Ermittlungsansätze“ verhindert werden müssten. Der Landtag nimmt die Beschlussempfehlungen des Untersuchungsausschusses einstimmig an.

29. September 2016. Anette Greger (Oberstaatsanwältin und Anklagevertreterin im NSU-Prozess) sagt vor dem 3. Untersuchungsausschuss des Bundestages (NSU II) unter Leitung von Clemens Binnigunger als Zeugin aus. Sie geht weiterhin von nur zwei Tätern aus.

20. Oktober 2016. Der 3. Untersuchungsausschuss des Bundestages (NSU II) befragt die beiden Beamten des LKA Baden-Württemberg Wolfgang Fink und Klaus Brand. Der Untersuchungsausschuss geht derzeit davon aus, dass Böhnhardt und Mundlos bei dem Mord in Heilbronn mehrere Komplizen hatten während die Generalbundesanwaltschaft von nur zwei Tätern ausgeht.

Zunächst wird Wolfgang Fink befragt. Dieser war unter anderem mit der Auswertung der örtlichen Mobilfunkzellen rund um den Tatort befasst. Jedes Telefonat und jedes SMS , die um den Tatzeitpunkt herum in dem Bereich abgesendet oder empfangen wurden, insgesamt 740.000 Datensätze, wurden erfasst, Davon sind 540.000 Datensätze in die Ermittlungen eingeflossen. Die Auswertung gab laut Fink zwar zahlreiche Hinweise aber keinen Durchbruch bei den Ermittlungen.
Laut Fink wurde von ihm ausschließlich vom Szenario einer spontanen Zufallstat ausgegangen. Bei einer geplanten Tat hätte man andere Parameter abgefragt. Verbindungsdaten vom Vormittag wurden nicht mit dem Nachmittag abgeglichen. Es wurde nur nach Nummern von aktenkundigen Straftätern gesucht.

Kurz vor ihrem Tod erhielt Kiesewetter offenbar 7 SMS. Absender war die SMS-Zentrale des Netzbetreibers. Als der NSU am 4. November 2011 aufgeflogen ist wurden die Datensätze noch einmal mit den Handynummern von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe abgeglichen. Weitere Verdächtige blieben außen vor.

Eine weitere Handynummer, die in Tatortnähe eingebucht war, führt in die Ulmer Dschihadistenszene. Doch keine dieser Spuren wurde weiter verfolgt.

Klaus Brand war ab 2009 für die Auswertung der Zeugenbefragung zuständig. Er ist der Meinung dass die Zeugen alle glaubwürdig waren, auch wenn sie sich zum Teil erst Jahre später gemeldet haben und sich in einigen zentralen Punkten widersprochen haben. Laut Clemens Binninger (CDU/CSU) wird das auch durch eine psychologische Beurteilung einiger Zeugen bestätigt. Brand ist offenbar weiterhin der Meinung dass man auf 6 Täter kommt, wenn man die Zeugenaussagen zusammenfügt. Vieles spricht seiner Meinung nach dafür, dass die Täter gezielt Polizisten ermorden wollten.

European White Knights of the Ku Klux Klan

1998. Der deutsche Ableger "White Knights of the Ku Klux Klan" (EWK KKK) tritt erstmals im Internet in Erscheinung. Die "weißen Ritter" begreifen sich als Elite im Kampf um eine "weiße, arische Gesellschaft".
Thomas R. (HJ Thommy, Corelli) soll ihn zusammen mit 5 anderen Neonazis als deutschen Ableger des rassistischen Geheimbundes der USA "Ku-Klux-Klan" (KKK) gegründet haben. Der Leiter soll in Schwäbisch Hall gewohnt haben. Der EWK KKK soll etwa 20 Mitglieder, darunter die Brüder Rene H., und der Polizist Timo H. gehabt haben. Timo H. war am Tag ihres Todes der Einsatzleiter von Michèle Kiesewetter.
Dem EWK KKK gehörten später auch Polizeibeamte der Bereitschaftspolizei Böblingen an. Eine Polizistin des Rauschgiftdezernats Stuttgart und zwei weitere Polizeibeamte. Die beiden Polizisten aus Böblingen hatten (natürlich gaaaanz zufällig) zeitgleich mit der am 25. April 2007 ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter Dienst. Einer davon war ihr Gruppenführer. Er war zumindest an dem Tag nicht für die Einteilung der Kollegin in den Dienstplan zuständig. Einer der Polizisten war schwerpunktmäßig an Einsätzen mit "rechtem Hintergrund" beteiligt. Privat tragen Kollegen „Thor Steinar“-Klamotten, einige lassen sich kollektiv Glatzen schneiden.
Der Gruppenführer will sich zur Tatzeit jedoch am Bahnhof und nicht auf der Theresienwiese aufgehalten haben.  Laut Nachrichtenmagazin Focus ist auf einem nicht eindeutigen Überwachungsvideo kurz vor der Tatzeit möglicherweise auch Beate Zschäpe in Begleitung eines fast glatzköpfigen Mannes zu sehen.
Einen Bezug zu dem Mord sehen die Ermittler jedoch nicht. Der Fall soll laut Bundesanwaltschaft und baden-württembergischen Ermittlern "ausermittelt" sein. Die beiden Beamten wurden bis heute nicht aus dem Staatsdienst entfernt.
Es wird auch dementiert dass es Hinweise auf eine Verbindung zwischen dem Ku-Klux-Klan und dem Nationalsozialistischen Untergrund gibt. Etwa 2003 soll der EWK KKK sich aufgelöst haben.

11. November 2011. Bei der Aktenschredderaktion im Bundesamt für Verfassungsschutz ist gaaaanz zufällig auch die Akte von Achim Schmid, Anführer des EWK KKK und mutmaßlicher V-Mann dabei.

Anfang April 2014. Thomas Richter (Corelli) wird tot in seiner Wohnung gefunden, wo er mit neuer Identität unter Zeugenschutz lebte. Niemand wusste vorher, dass der 39-Jährige an einer schweren Diabetes litt.

Geheimdienste

1. Dezember 2011. Das Magazin "Stern" berichtet unter dem Titel "Mord unter den Augen des Gesetzes?" von einem Team aus deutschen und US-amerikanischen Geheimagenten der "Defense Intelligence Agency" (DIA) die möglicherweise Zeugen an dem Mord an Michèle Kiesewetter geworden sein sollen. Ein sogenannter "Contact Report" scheint das für den 25. April 2007 in Heilbronn zu protokollieren.
Im Frühjahr 2007 liefen Observationen der sogenannten Sauerlandgruppe. Dabei sollen mehr als 100 US-Agenten auf deutschem Boden gegen die Islamisten im Einsatz gewesen sein, gesichert von US-Elitesoldaten und geduldet von deutschen Bundesbehörden.
Dem Bericht nach haben die Agenten der deutschen und US-Geheimdienste den Islamisten Mevlüt K. beschattet und sind dabei ein eine Schießerei zwischen Polizisten und Rechtsextremisten geraten. Neben dem amerikanischen Berichterstatter wäre demnach auch mindestens ein Verfassungsschützer vom Landesamt Baden- Württemberg vor Ort gewesen. Die Observation endete angeblich um 13.50 Uhr durch einen Zwischenfall mit Schusswaffen auf der Theresienwiese.
Die erwähnten Behörden – US-Amerikaner und der deutsche Verfassungsschutz – bestreiten ihre Anwesenheit umgehend. Schnell ist von einer Fälschung die Rede. Beate Bube (später LfV-Präsidentin) bestätigt jedoch später dass an diesem Tag doch einer ihrer Kollegen in Heilbronn zu tun hatte. Zu dem Treffen mit einem Islamisten sei es aber wegen Sperrungen und Staus rund um den Tatort nicht gekommen. Der Chef des V-Mann-Werbers gab wiederum vor dem Berliner Untersuchungsausschuss zu Protokoll, der Mitarbeiter sei auf dem Rückweg nicht mehr aus der Stadt herausgekommen.

2. Dezember 2011. Laut Vermerken telefoniert ein Verbindungsbeamter der US-Nachrichtendienste mit einem BND-Mitarbeiter der "Verbindungsstelle Süd" in einer Stuttgarter Kaserne zwei Tage nachdem der stern über einen möglichen Geheimdiensteinsatz in Heilbronn berichtet hat. Der US-amerikanische Beamte äußert demnach "man habe auf US-amerikanischer Seite hinweise darauf dass möglicherweise das FBI im Rahmen einer Operation auf deutschem Boden zwei Mitarbeiter nach Deutschland habe reisen lassen und diese nach dem Vorfall in Heilbronn wieder zurückbeordert wurden".
Am selben Tag soll laut Winnender Zeitung um 15 Uhr 18 eine Verbindungsreferentin des BND (Dienstname "Ingrod Corell" den deutschen Geheimdienst kontaktiert haben um über die Kontaktaufnahme des US-Beamten zu berichten. Demnach soll dieser zunächst "dem MAD und dann der Stuttgarter BND-Verbindungsstelle berichtet haben, dass bei einer Operation am 25. April 2007 zwei FBI-Männer auf deutschem Boden in Heilbronn eingesetzt waren und nach dem Scheitern der Operation wieder abreisten.
Mevlüt Kar, der Kontakte zur islamistischen Sauerland-Gruppe hatte und Mitarbeiter der CIA gewesen sein soll, ist angblich beim Mord anwesend gewesen.

5. Dezember 2011. Der Verbindungsbeamte der US-Geheimdienste trifft sich mit einem BND-Kollegen in der Stuttgarter MAD-Dienststelle. Um 9:20 Uhr schreibt BND-Mitarbeiter Axel R. in einer ehördeninternen Mail die zur Verschlusssache erklärt wird und "nur für den Dienstgebrauch" weitergegeben werden darf: "Der US-Mitarbeiter ließ dabei erkennen, dass eine eigene Untersuchung der Ereignisse die Beteiligung von zwei Mitarbeitern des FBI ergeben habe, und regte in diesem Zusammenhang ein offizielles Gespräch zu den Hintergründen an." Dem Wunsch mit der BND-Verbindungsstelle "2I71" in Verbindung zu treten wurde aber offenbar nicht entsprochen.

8. Dezember 2011. Ernst Uhrlau (BND-Chef) schreibt in einem "amtlich geheim gehaltenen" Brief an den Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes und ans Bundeskanzleramt. "Man hätte auf US-Seite Hinweise darauf, dass möglicherweise das FBI im Rahmen einer Operation auf deutschem Boden zwei Mitarbeiter nach Deutschland habe reisen lassen und diese nach dem Vorfall in Heilbronn wieder zurückbeordert habe." Uhrlau schreibt weiter: "Da hier nicht bekannt ist, ob Erkenntnisse in Ihrem Amt zum Sachverhalt vorliegen, rege ich an, diesen Fall in Ihrem Hause aufzunehmen."

9. Dezember 2011. Uhrlau schreibt an den Generalbundesanwalt: "Mögliche Kenntnis des FBI von den Ereignissen in Heilbronn (2007)", steht in der Betreffzeile. "Herr ... sprach im folgenden Gespräch die im stern-Artikel suggerierten Bezüge zu den Ereignissen in Heilbronn an. Man hätte auf US-Seite Hinweise darauf, dass möglicherweise das FBI im Rahmen einer Operation auf deutschem Boden zwei Mitarbeiter nach Deutschland habe reisen lassen und diese nach dem Vorfall wieder zurückbeordert habe. Dem BND liegen zum geschilderten Sachverhalt keine weiteren Erkenntnisse vor. Ich darf daher anregen, in diesem Fall Kontakt zum MAD, gegebenenfalls auch zur US-amerikanischen Seite aufzunehmen."

Februar 2012. Das Bundeskriminalamt fragt bei der US-Militärbehörde nach, welchem Auftrag Sergeant H. am 25. April 2007 nachging. Die US-Amerikaner antworten jedoch nicht. Von der Bundesanwaltschaft wird das einfach hingenommen.

April 2012. Ein Mitarbeiter der US-amerikanischen Botschaft teilt dem Bundesinnenministerium mit dass "man weder bei der CIA noch beim Militärgeheimdienst DIA einen derartigen Observationsbericht finden konnte" und "mehrere Anomalien" in dem Bericht den Schluss nahelegen würden dass das vermeintliche Geheimdienstprotokoll "wahrscheinlich eine Fälschung" ist.

Juni 2012. Der Verbindungsbeamten L. wird vernommen. Er sagt aus: "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich in dieser Angelegenheit an den MAD oder sonst eine Behörde gewandt habe." Den Strafverfolgern reicht das.

13. Oktober 2012. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft dementiert "Man habe die Hinweise auf eine angebliche Anwesenheit von Angehörigen von US-Sicherheitsbehörden bei dem Mordanschlag eingehend geprüft, keiner der Hinweise hat sich als tragfähig erwiesen".

Klaus-Dieter Fritsche (Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt und Ex-Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz) sagt später im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags: "Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren. Es darf auch nicht so weit kommen, dass jeder Verfassungsfeind und Straftäter am Ende genau weiß, wie Sicherheitsbehörden operativ arbeiten und welche V-Leute und verdeckten Ermittler im Auftrag des Staates eingesetzt sind."

14. November 2016. Der zweite NSU-Ausschuss des Landtags in Baden-Württemberg befragt Fritz G. (Ex-Anführer der Sauerlandgruppe). Am 25. April 2007, dem Tag des Mordes an Michèle Kiesewetter, hielt er sich in Ulm auf. Wo Mevlüt Kar an dem Tag war, konnte er nicht sagen. Er könne sich nicht vorstellen, dass er in Heilbronn war, aber: "Wissen kann ich's nicht", sagte er. Die Zünderübergabe habe sowieso erst im August stattgefunden, unter anderem in Mannheim.

Aus einem Observationsprotokoll deutscher Geheimdienstler geht hervor, dass Fritz G. am 25. April 2007 über „erschossene Bullen“ geredet hat. Der Zeuge erklärt dem Ausschuss, dass er lediglich im Radio von dem Zwischenfall in Heilbronn gehört und dann allgemein über Parallelen zu einem anderen Fall von erschossenen Polizisten gesprochen habe, den er vor langer Zeit aus den Medien erfahren habe.

Fritz Gelowicz wurde im März 2010 wegen Verabredung zum vielfachen Mord zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er wurde in diesem Sommer unter strengen Auflagen vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Mitglieder der Sauerlandgruppe wollten Terroranschläge auf Discos, Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland verüben.

Weiter trägt Jan Raabe (Rechtsextremismus-Kenner) den Abgeordneten das monströse Geflecht an rechtsradikalen Musikbands und deren Verbindungen unter anderem zwischen BaWü und Sachsen vor und nennt verschiedene Neonazigrößen beim Namen.

Markus Frntic spielt demnach in Baden-Württemberg eine zentrale Rolle. Er kämpfte als Söldner auf Seiten Kroatiens im jugoslawischen Bürgerkrieg, war Führungsmann im Netzwerk "Blood and Honour", gründete deren Nachfolgeorganisation "Furchtlos und Treu", tat im "Ku-Klux-Klan" mit, unterhielt Beziehungen zu führenden Rechtsextremisten in Ostdeutschland und hatte auch Kontakt zu dem späteren Aussteiger Florian Heilig, der im September 2013 unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen in seinem Auto verbrannte.

Im NSU-Ausschuss des Bundestages ergab sich vor kurzer Zeit ein Hinweis, dass Frntic auch mit den Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet haben muss. Laut Aussage einer frühere Vertreterin des LKA ist Frntic Person "eingestuft", weshalb sie zu seiner Person nichts sagen dürfe. Der Ausschuss hat keine Fragen zu diesem Mann.

18. November 2016. Eine BND-Verbindungsreferentin mit dem mutmaßlichen Decknamen "Ingrid Corell" war in den Schriftwechsel zwischen BND, MAD (Militärischer Abschirmdienst) und Bundesanwaltschaft (BAW) involviert.

24. März 2017. Ricarda Lang (Rechtsanwältin) meldete sich freiwillig als Zeugin für den NSU-Ausschuss des Landtags in Baden-Württemberg. Sie vertrat im Sauerlandverfahren einen der Beschuldigten, Adem Yilmaz. Im Zusammenhang mit diesem Terrorverfahren will L. von einer Kontaktperson Informationen bekommen haben, die sie jetzt und nach Absprache mit einem Kollegen, der über ähnliche Informationen verfügt, dem U-Ausschuss zur Verfügung stellen möchte.

Jene Kontaktperson habe ihrer Erinnerung nach im Februar 2009 im Zusammenhang mit dem Polizistenmord davon gesprochen, dass die sogenannte "unbekannte weibliche Person" nicht der Täter gewesen sei. Damals verfolgten die Ermittler eine unbekannte Frau, deren DNA an vielen Tatorten in Deutschland, aber auch in Österreich sichergestellt wurde, so auch in Heilbronn. Erst Ende März 2009 entpuppte sich die Spur als eine Trugspur. Die Wattestäbchen waren mit der DNA einer Verpackerin kontaminiert.

Die Kontaktperson der Rechtsanwältin Ricarda Lang hätte demnach schon Wochen vor der Aufdeckung dieser Trugspur gewusst, dass keine Frau unmittelbar an dem Mord beteiligt war. Ihr Informant, so Ricarda L. im Ausschuss weiter, habe stattdessen geschildert, dass damals in Heilbronn eine Waffenübergabe stattfinden sollte. Daran sei ein Mann beteiligt gewesen, den er nur als "den Türken" bezeichnete, der aber sowohl für den türkischen Geheimdienst MIT als auch für den amerikanischen Geheimdienst CIA gearbeitet habe. Auch die CIA sei vor Ort gewesen.

Einen Namen nannte ihr Informant nicht, so Ricarda Lang, für sie handelte es sich um den Deutsch-Türken Mevlüt Kar. Kar soll die Sauerlandgruppe mitbegründet haben. Selbst wenn jener "Türke" mit Geheimdienstverbindungen nicht Kar gewesen sein sollte, hätte in Heilbronn laut Schilderung jenes Informanten eine Aktion stattgefunden, die in der offiziellen Version des Polizistenmordes nicht vorkommt.

Die Mitglieder des Ausschusses in Stuttgart hatten kaum weitergehende Fragen an Ricarda Lang, - zum Beispiel, woher ihr Informant sein Wissen habe - sondern wollten vor allem eines: dessen Name. Den verweigerte die Rechtsanwältin mit der Begründung, ohne das Einverständnis der Quelle, werde sie sie nicht offenbaren.

Die Obleute beschließen, beim Amtsgericht Stuttgart die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen Ricarda Lang zu beantragen. Sie habe kein Zeugnisverweigerungsrecht. Ob sie dadurch den Namen des Informanten erfahren, ist mehr als fraglich. Sollte das Gericht, den Antrag ablehnen, was durchaus möglich ist, kann man eher davon ausgehen, dass die Anwältin ihre Quelle nicht mehr überzeugen will, vor diesem Ausschuss auszusagen.

25. Mai 2017. Im Münchner NSU-Prozess tritt den Bundesanwaltschaft den sogenannten "Verschwörungstheorien" entgegen. Die Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt stehe außer Zweifel. Jochen Weingarten (Bundesanwalt) verweist auf eine Jogginghose von Mundlos, auf der Blutspuren von Kiesewetter gesichert wurden. Außerdem sei in der ausgebrannten Wohnung des NSU in Zwickau die Tatwaffe gefunden worden. Auch habe sich der NSU auf einem Video eindeutig zu dem Polizistenmord bekannt.

Das Oberlandesgericht lehnt zudem mehrere Beweisanträge der Verteidigung des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben ab, mit denen eine angebliche Verwicklung US-amerikanischer Geheimdienste in den Kiesewetter-Mord bewiesen werden sollte. Es sei nicht davon auszugehen, dass US-Agenten in der Nähe des Tatort gewesen seien - und selbst wenn, sei dies für das Verfahren nicht von Bedeutung.

Einheit BFE 523

Neben dem Vorgesetzten, der zum Ku-Klux-Klan gehörte, hat ein anderer Vorgesetzter von Kiesewetter illegal als Ausbilder libyscher Polizeieinheiten gearbeitet.

Die Mordopfer des NSU

Bilder aus Wikimedia Commons
  • Gedenktafel,  Lizenz: Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported, Urheber: Peter Schmelzle
  • Heilbronner Theresienwiese, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, Urheber: Peter Schmelzle
  • Heilbronner Haupbahnhof, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic, Urheber: Peter Schmelzle
  • BMW Streifenwagen der Polizei Bayern, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, Urheber: Wikimedia-User Jivee Blau
Weitere Quellen
03.11.2016, taz, NSU-Serie Teil 4, Der Mord in Heilbronn
17.10.2016, Telepolis, NSU-Ausschuss, Aktenzeichen Polizistenmord Heilbronn ungelöst
17.10.2016, Tagesschau, Nach dem Fund von Böhnhardts DNA, Die Spuren vom NSU zum Fall Peggy
21.09.2016, Telepolis, Dokumente zum Mordanschlag auf Michèle Kiesewetter und Martin Arnold in Heilbronn
21.09.2016, Telepolis, Das Kiesewetter-Rätsel
13.09.2016, Stern, NSU-Mord an Michèle Kiesewetter, Aufklärung unerwünscht?
21.07.2016, Stuttgarter-Zeitung, Zweiter NSU-U-Ausschuss, Ex-Agenten zum Fall Kiesewetter geladen
09.12.2015, Stuttgarter-Zeitung, NSU-Prozess, Zschäpe schildert ihre Version zum Mord an Kiesewetter
08.12.2015, Stern, Der Mordfall Kiesewetter: Stoff, aus dem Thriller sind
07.12.2015, Stuttgarter-Zeitung, Staatsanwalt im NSU-Ausschuss, Täter im Mordfall Kiesewetter waren nicht dumm
30.10.2015, Stuttgarter-Zeitung, NSU-Ausschuss, Neue Zeugen zum Mord an Polizistin Kiesewetter
02.10.2015, Stuttgarter-Nachrichten, NSU-Ausschuss, Kiesewetters mutmaßliche Mörder hinterließen Spuren an Dienstwaffen
23.09.2015, Stuttgarter-Nachrichten, NSU-Prozess, Blut von Mordopfer Kiesewetter an Mundlos’ Hose gefunden
23.09.2015, Stuttgarter-Zeitung, NSU-Prozess, Blut von Mordopfer Kiesewetter an Mundlos’ Hose gefunden
22.05.2015, Stuttgarter-Zeitung, NSU-Ausschuss zu Kiesewetter-Mord, Beamter: Keine Hinweise auf rechtsextreme Tat
04.05.2015, Spiegel, Tatort-Begehung im Fall Kiesewetter, Fragwürdige Zeugen
04.05.2015, Sueddeutsche, Ermittlungen zu Kiesewetter-Mord, Rauschen, Hämmern und zwei Schüsse
30.03.2015, Focus, „Es ist ein Skandal der Nichtaufklärung, “Mordfall Kiesewetter: NSU-Zeugin stirbt plötzlich - wie einst ihr Ex-Freund
15.03.2015, Tagesspiegel, NSU-Terror, Neue Spur im Mordfall Kiesewetter
15.03.2015, Stuttgarter Zeitung, Mordfall Kiesewetter, Strobl hofft auf Aufklärung
14.03.2015, Stuttgarter Zeitung, Mord an Kiesewetter, Drexler spricht über NSU-Aussteiger
14.03.2015, Welt, "NEOSCHUTZSTAFFEL", Was weiß "Matze" über den Kiesewetter-Mord?
25.02.2015, Kontext-Wochenzeitung, Kein Zurück mehr
03.11.2014, Spiegel, Letzter NSU-Mord, Warum musste Michèle Kiesewetter sterben?
15.09.2014, taz, Tod des NSU-Zeugen Florian H., Eltern bezweifeln Selbstmord
08.07.2014, Zeit, Kiesewetters mysteriöses Treffen
29.05.2014, Telepolis, Polizistenmord in Heilbronn, FBI-Männer vor Ort?
27.03.2014, FAZ, NSU-Untersuchungsausschuss, Die vielen Zufälle im Mordfall Kiesewetter
11.03.2014, Zeit, Rechtes Geflecht in Kiesewetters Umfeld?
11.03.2014, Sueddeutsche, NSU-Ausschuss in Erfurt, Rätselhafte Zeugin, rechte Verbindungen
10.03.2014, Tagesspiegel, Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss, Bekannte von Kiesewetter angeblich bedroht
10.03.2014, Zeit, Michèle Kiesewetter, Zeugin berichtet von Bedrohungen bei NSU-Ermittlungen
10.03.2014, FAZ, NSU, Fall Kiesewetter: Zeugin berichtet von Bedrohung
30.01.2014, Tagesspiegel, NSU-Prozess, Staatsanwalt hielt Phantombild im Fall Kiesewetter zurück
28.01.2014, Sueddeutsche, Fall Kiesewetter im NSU-Prozess, Mord aus Vergeltung?
16.01.2014, Tagesschau, Im NSU-Prozess geht es erstmals um Polizistenmord, Die vielen offenen Fragen von Heilbronn
19.06.2013, Kontext-Wochenzeitung, NSU-Ausschuss blamiert die Polizei
13.06.2013, Spiegel, NSU-Untersuchungsausschuss, Die Spur des "Krokus"
23.11.2012, Spiegel, NSU-Terror, Legende, Rätsel, Theorien