Umar al-Baschir (2009) |
Der sudanesische Ex-Politiker, Revolutionär, Diktator und Soldat Umar Hasan Ahmad al-Baschir, sehr häufig Omar al-Baschir (arabisch عمر حسن أحمد البشير, DMG ʿUmar Ḥasan Aḥmad al-Bašīr) wurde offiziell am 1. Januar 1944 in Hosh Bannaga bei Schandi (Sudan) geboren.
Er war von 1993 bis zu seiner Absetzung durch das Militär im April 2019 der (autoritär regierende) Staatspräsident des Sudan. Wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Darfur-Konflikt hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Haftbefehl gegen al-Baschir – und damit erstmals gegen einen amtierenden Staatschef – erlassen.
Umar al-Baschir ist mit seiner Cousine Fatima Khalid verheiratet. Später heiratete er als Zweitfrau Widad Babiker Omer. Widad Babiker Omer hat mehrere Kinder aus ihrer ersten Ehe und heiratete Bashir, nachdem ihr erster Ehemann bei einem Hubschrauberabsturz gestorben war. Baschir hat keine leiblichen Kinder.
Leben
1. Januar 1944. Umar Hasan Ahmad al-Baschir wird in Hosh Bannaga bei Schandi (Sudan) geboren. Er stammt von einer alten Familie im islamisch dominierten Norden ab.
1960. Er tritt in die Armee ein und absolviert Militärakademien in Ägypten, Malaysia, Pakistan und 1988 auch in den USA. Der überzeugte arabische Nationalist machte in der Armee schnell Karriere bis zum Generalleutnant. Er verfügt zudem über militärische Erfahrungen als Fallschirmjäger im Jom-Kippur-Krieg 1973 gegen Israel auf ägyptischer Seite. Nach seiner Rückkehr aus Ägypten wird er im Kampf der Regierungstruppen gegen die Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) im Süden des Landes eingesetzt.
1980er Jahre. Im Sudan war er Verfechter einer islamisch-fundamentalistischen Haltung und stärkt damit den Norden gegen die christlich-animistisch geprägten südlichen Landesteile. Al-Baschir fördert in seinem Herrschaftsbereich die Anwendung der Scharia tatkräftig. Wenn er den Eindruck hat, dass einzelne Islamisten im eigenen Lager seine Macht gefährdeten, geht er auch gegen diese Glaubensgenossen vor.
30. Juni 1989. Al-Baschir übernimmt mit einer Gruppe Offiziere die Macht im Sudan nach einem unblutigen Militärputsch gegen die Regierung von Ministerpräsident Sadiq al-Mahdi. Der Putsch wird vom Iran unterstützt.
Er gründet den Revolutionären Kommandorat zur Errettung der Nation (RCC), ernennt sich zum Oberkommandierenden der Streitkräfte und zum Staatsoberhaupt. Mit seinem Revolutionären Kommandorat errichtet er ein repressives islamisch-fundamentalistisches Regime und führt gegen den Süden des Landes einen erbitterten Feldzug. Der christlich und ethnoreligiös geprägte Süden bestehend aus drei Südprovinzen fühlt sich bereits in der Kolonialzeit vernachlässigt und seit der Unabhängigkeit des Landes am 1. Januar 1956 vom Norden unterdrückt. Der Südsudan verlangt eine weitreichende Autonomie, die auch al-Baschir nicht zusichert. Umar al-Baschir regiert das Land als Alleinherrscher mit seiner Nationalen Kongresspartei.
1990er Jahre. Die USA setzen den Sudan auf ihre Liste der Schurkenstaaten. Osama Bin Laden kann sich unter al-Baschir problemlos bis 1996 im Lande aufhalten.
Ab 1993. Al-Baschir wird auch formell Staatspräsident.
19. November 1995. Der geschwächte al-Dschihad verübt einen Selbstmordanschlag auf die ägyptische Botschaft im pakistanischen Islamabad, bei dem 16 Menschen sterben und 60 verletzt werden. Da sowohl die Tötung einfacher Botschaftsmitarbeiter als auch der Einsatz von Selbstmördern unter den al-Dschihad-Mitgliedern umstritten ist, hält es Zawahiri für angezeigt, den Anschlag in mehreren Erklärungen zu verteidigen: Wer für die ägyptische Regierung gearbeitet habe, sei es auch nur in einer niederen Position, könne nicht als unschuldiges Opfer gelten und Märtyrertum sei ein legitimes Mittel im Kampf gegen die Feinde Gottes. Die Ausführung des Attentats und Zawahiris Rechtfertigungen werden zum Vorbild nachfolgender Aktionen al-Qaidas. Osama Bin Laden missbilligt das Attentat von Islamabad, weil er Pakistan als wichtigste Verbindung zu seinen Stellungen in Afghanistan und Gastland vieler „arabischer Afghanen“ nicht zum Feind der Dschihadisten machen will. Persönlich erwirkt er bei den pakistanischen Behörden die Freilassung von 200 „arabischen Afghanen“, die nach dem Attentat verhaftet worden sind. Sie dürfen Bin Laden in den Sudan begleiten.
Die Attentate in Addis Abeba und Islamabad unterminieren die Stellung Bin Ladens im Sudan, obwohl es sich bei den Attentaten nicht um Operationen al-Qaidas gehandelt hat. Die Regierung in Khartum ist nun darum bemüht die drohende diplomatische Isolation des Landes abzuwenden, und mithin beäugt man Bin Ladens Verbleib mit Argwohn. Der sudanesische Geheimdienst streut falsche Gerüchte, eine Auslieferung Bin Ladens nach Frankreich stünde bevor. Dies sollte ihn offenbar zur freiwilligen Ausreise bewegen. Staatspräsident Omar al-Baschir bietet dem saudischen Kronprinzen Abdullah die Überstellung Bin Ladens nach Saudi-Arabien an, falls diesem Straffreiheit gewährt würde. Das Angebot wird zurückgewiesen. Die USA lassen gegenüber der Führung in Khartum vertraulich durchblicken, die Ausweisung Bin Ladens sei eine Voraussetzung dafür, dass der Sudan von der Liste der den internationalen Terrorismus unterstützenden Staaten gestrichen würde. Eine Auslieferung an die USA wird jedoch nicht gefordert, weil offenbar keine Beweise vorliegen, um Bin Laden wegen der Ermordung von US-Bürgern anklagen zu können.
1996. Er wird bei Wahlen als Staatspräsident bestätigt.
7. August 1998. Nach den Terroranschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi/Kenia und Daressalam/Tansania führen die Vereinigten Staaten Militäraktionen auch gegen Khartum durch, weil im Sudan Unterstützer der Terroristen vermutet werden. Der Raketenangriff zerstört die Asch-Schifa-Arzneimittelfabrik in al-Chartum Bahri. Dies führt zum Bruch al-Baschirs mit der westlichen Weltmacht.
1999. Al-Baschir unterbindet eine von Hasan at-Turabi als Gesetz in die Nationalversammlung eingebrachte Verfassungsänderung, welche seine Macht beschneiden würde, durch Auflösung des Parlaments.
2000. Er wird bei Wahlen als Staatspräsident bestätigt.
11. September 2001. Nach den Terroranschlägen in den USA beteiligt sich al-Bashir an den von den USA initiierten Anti-Terror-Maßnahmen.
Ab 2003. Al-Baschir geht gegen separatistische Bewegungen der sudanesischen Provinz Darfur vor, wo sich mehrere Rebellengruppen im Darfur-Konflikt gegen das autoritäre Regime in Khartum auflehnen.
2004. Al-Baschirs Regime beendet den Krieg gegen die Südprovinzen des Landes.
Januar 2005. Mit dem geschlossenen Friedensvertrag wird eine gemeinsame nordsudanesisch-südsudanesische Übergangsregierung gebildet. Über die Teilung der Einnahmen aus den Ölquellen wird dabei nicht endgültig entschieden. Damit ist ein 22 Jahre dauernden Krieg beendet, bei dem schätzungsweise zwei Millionen Menschen starben und etwa doppelt so viele vertrieben wurden.
14. Juli 2008. Luis Moreno Ocampo (Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Den Haag) kündigt gegen al-Baschir Haftbefehl wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im anhaltenden Darfur-Konflikt an. Dies ist der erste Fall, bei dem der Chefankläger des IStGH einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef beantragt.
2009. Im Sudan werden mehr als 2500 Menschen ermordet und 350.000 vertrieben.
12. Februar 2009. Der internationale Strafgerichtshof wird einen Haftbefehl wegen Völkermord in Darfur gegen Sudans Präsident Omar Hassan al-Baschir ausstellen. Vielleicht aber auch nicht.
4. März 2009. Die Vorverfahrenskammer des IStGH erlässt das beantragte Rechtsmittel. Die Anklage wegen Völkermordes wird durch Mehrheitsentscheid (bei einem Sondervotum der lettischen Richterin Anita Ušacka) nicht eingeschlossen, da für diesen keine hinreichenden Beweise vorgelegt worden seien; eine spätere Erweiterung des Haftbefehls um diesen Vorwurf behält sich das Gericht jedoch ausdrücklich vor.
5. März 2009. Der Sudan weist Hilfsorganisationen aus. Betroffen davon sind bis jetzt unter anderem Oxfam, Solidarities und Mercy Corps, Save the Children UK und die niederländische Sektion von Ärzte ohne Grenzen. China fordert derweil die Rücknahme des Haftbefehls.
Allein Oxfam versorgt nach eigenen Angaben etwa 600.000 notleidende Menschen in Darfur unter anderem mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten. Die Organisation ist seit 1983 im Sudan aktiv und hat dort derzeit 450 Mitarbeiter. Save the Children hilft 50.000 Kindern im Norden des Landes.
8. März 2009. Al-Baschir droht den UN-Truppen mit Ausweisung.
Juli 2009. Die Afrikanische Union verabschiedet eine Resolution, den Haftbefehl gegen al-Baschir zu missachten.
9. November 2009. Recep Tayyip Erdoğan (Präsident der Türkei) verteidigt den sudanesischen Staatschef Omar al-Baschir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im anhaltenden Darfur-Konflikt erlassen hat, mit den Worten: „Ein Muslim kann keinen Völkermord begehen.“
12. Juli 2010. Die Vorverfahrenskammer des IStGH stellt einen zusätzlichen Haftbefehl wegen Völkermords aus. Al-Baschir wird angelastet, er habe die Absicht gehabt, insbesondere die Ethnien der Fur, Masalit und Zaghawa zu vernichten, indem er sie getötet, verwundet oder lebensbedrohlichen Bedingungen ausgesetzt habe. Die Kritiker des Haftbefehls (zum Beispiel die Volksrepublik China, Russland, die Arabische Liga, Afrikanische Union) bezeichnen die Anklagen des IStGH als Hindernis für Friedensverhandlungen in Darfur.
Februar 2011. Al-Baschir gibt bekannt, bei der nächsten Präsidentschaftswahl nicht mehr zu kandidieren. Er nimmt jedoch seine Aussage zurück.
2012. Der Kongress der Afrikanischen Union, der in Malawi stattfinden sollte, muss jedoch nach Äthiopien verlegt werden, nachdem sich Malawis Präsidentin Joyce Banda weigert, al-Baschir zu empfangen.
2013. Al-Baschir besucht ungehindert die Volksrepublik China, den Iran, Äthiopien und Nigeria. Aus Nigeria muss er allerdings vorzeitig abreisen, nachdem dortige Menschenrechtsaktivisten vor Gericht gegangen sind, um seine Verhaftung zu erwirken.
12. Dezember 2014. Die Chefanklägerin Fatou Bensouda teilt dem UN-Sicherheitsrat mit, dass sie ihre Ermittlungen mangels Aussicht auf Erfolg einstellen müsse. Denn die afrikanischen Staaten, die Al-Baschir nach der Ausstellung des internationalen Haftbefehls bereist hat, sind nicht bereit, diesen zu vollstrecken. Es sei, „als fahnde man nach Al Capone – aber bloß mit der höflichen Bitte an Capone, ob er sich nicht selbst stellen wolle, sowie mit der Bitte an andere mächtige Gruppen, ob sie ihn nicht einfangen und abgeben könnten“.
27. April 2015. Er gewinnt die Präsidentschaftswahlen mit 94 Prozent der Stimmen. Offiziell gehen 46,4 Prozent der Bürger zur Wahl, während Wahlbeobachter der Afrikanischen Union lediglich 30 bis 35 Prozent Wahlbeteiligung schätzen.
14. Juni 2015. Der südafrikanische North Gauteng High Court in Pretoria entscheidet, dass al-Baschir, der sich zu diesem Zeitpunkt wegen eines Gipfeltreffens der Afrikanischen Union in Südafrika aufhält, das Land nicht verlassen dürfe, bis über das Festnahme-Ersuchen des IStGH entschieden worden sei. Südafrika ist Mitgliedsstaat des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.
15. Juni 2015. Al-Baschir reist jedoch, unter Missachtung der Anordnung des südafrikanischen Gerichts, aus Südafrika in den Sudan aus. Er wird mit Polizeieskorte, also offensichtlich mit Wissen der südafrikanischen Regierung, zum Flughafen gebracht.
In Südafrika weitet sich die ungehinderte Ausreise von al-Baschir zu einer Verfassungskrise aus. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärt, dass Länder, die die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs anerkannt hätten, dessen Haftbefehle auch ausführen müssten. Im heimatlichen Khartum wird al-Baschir von jubelnden Anhängern begrüßt. Offizielle sudanesische Regierungssprecher verspotten die missglückte Aktion gegen ihn als „lahm und bedeutungslos“. Der IStGH verurteilt das Vorgehen der südafrikanischen Regierung per einstimmigem Richterbeschluss.
Mitte Dezember 2017. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag fordert den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf, Al-Baschir bei einem Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul festnehmen zu lassen. Erdoğan nennt diese Forderung "lachhaft".
23. Dezember 2017. Sudans Präsident Omar al-Baschir ruft in zwei Provinzen des Landes für sechs Monate den Notstand aus. Dies solle bei der Entwaffnung Aufständischer und der Befriedung helfen, teilt Informationsminister Ahmed Mohammed Osman mit. Betroffen sind Kassala und Nordkordofan.
Kassala liegt im Osten des Sudans und grenzt an Eritrea, Nordkordofan befindet sich im Zentrum des Landes und ist im Nordosten der Hauptstadt Khartum benachbart.
September 2018. Abdalla Hamdok lehnt eine Berufung für das Amt des sudanesischen Finanzministers ab, da er nicht der Regierung des Präsidenten Umar al-Baschir angehören möchte.
11. April 2019. Al-Baschir wird nach Protesten der Bevölkerung, die im Jahr 2018 begonnen haben, durch das Militär gestürzt. An der Spitze des Sudan folgt zunächst Kriegsminister Ahmed Awad Ibn Auf. Al-Baschir wird zunächst an einem unbekannten Ort festgehalten.
17. April 2019. Er wird ins Gefängnis Kober im Norden Khartums gebracht. In seinem Haus wird bei einer anschließenden Durchsuchung Bargeld in unterschiedlichen Währungen im Wert von rund sieben Millionen Euro gefunden. Die sudanesische Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem wegen des Verdachts auf Geldwäsche und des unerlaubten Besitzes ausländischer Währungen gegen ihn.
Juni 2019. Er wird wegen Korruption angeklagt.
20. August 2019. Die Oppositionsbewegung Forces of Freedom and Change (FFC) nominiert Abdalla Hamdok für das Amt des Premierministers.
21. August 2019. Abdalla Hamdok wird vereidigt. Seine Regierung wird durch den von General Abdel Fattah Burhan geleiteten „Souveränen Rat“ kontrolliert. Hamdoks Amtsvorgänger als Premierminister war Mohamed Tahir Ayala, der zusammen mit al-Baschir sein Amt verloren hat.
November 2019. Seine Nationale Kongresspartei wird verboten.
14. Dezember 2019. Er wird wegen Korruption schuldig gesprochen und zu zwei Jahren Haft verurteilt.
11. Februar 2020. Die sudanesische Übergangsregierung gibt bekannt, dass Baschir an den IStGH ausgeliefert werde.
Umar al-Baschir (2009), Lizenz: Public Domain, Urheber: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Jesse B. Awalt/Released