Dienstag, 19. Oktober 2021

Hozan Canê

DITIB-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld (2015)

Die deutsche Filmemacherin und Sängerin Hozan Canê (geb. Saide İnaç) wurde  1971 in Karayazı (Türkei) geboren.

Sie ist für ihre Beiträge zur kurdischen Musik bekannt. Canê betätigt sich auch als Filmemacherin. Sie schrieb das Drehbuch und führte Regie bei 74th Genocide Sengal. Der Film handelt von der Verfolgung der Jesiden durch den Islamischen Staat im Shingal-Gebirge. Sie wirkte bei dem Film auch als Schauspielerin mit. Der Film wurde 2016 in Köln und auch auf den Festivals in Cannes und Monaco gezeigt.

Sie lebte zuletzt mit ihrer Tochter Dilan Örs in Köln.

Leben

1971. Saide İnaç wird in Karayazı (Türkei) geboren.

1983. Canê wird im Alter von zwölf Jahren zwangsverheiratet

1984. Sie bringt mit 13 Jahren das erste ihrer drei Kinder zur Welt.

Anfang der 1990er-Jahre. Sie zieht zu ihrer Schwester nach Istanbul. Sie tritt als Sängerin auf und singt Lieder in kurdischer Sprache. Da dies zur Verfolgung durch türkische Behörden führt, beantragt sie in Deutschland Asyl. 

2018. Canê wird kurz vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei 2018 in Edirne verhaftet, wo sie eine Wahlkampfveranstaltung der prokurdischen Partei HDP unterstützt. Polizisten halten einen Bus der prokurdischen Oppositionspartei HDP an und nehmen die Sängerin mit.

14. November 2018. Sie wird von einem türkischen Gericht am  wegen Mitgliedschaft in der als terroristisch eingestuften Organisation PKK zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft begründet die Anklage unter anderem mit ihren Einträgen auf Facebook und einem Foto, auf dem sie mit Murat Karayilan, einem Führer der PKK, zu sehen ist.

Ihre Tochter erklärt im Anschluss an ihre Festnahme, dass auf Facebook immer wieder Fake-Accounts von Hozan Canê angelegt würden und dass man dagegen nun gerichtlich vorgehen wolle. Ihre Anwältin Newroz Akalin sagt nach der Verurteilung, dass das Foto mit Murat Karayilan bei der Pressekonferenz vom 23. April 2013 entstanden sei, die als Beginn für den ihr folgenden Friedensprozess gilt.

Verschiedene Journalisten seien an der Pressekonferenz anwesend gewesen und niemand sei daraufhin wegen Mitgliedschaft in der PKK angeklagt worden.

April 2019. Hozan Canê wird bis zum Antritt ihrer Strafe freigelassen. Daraufhin reist ihre Tochter Dilan Örs aus Köln nach Istanbul, um ihre Mutter zu besuchen.

24. Mai 2019. Dilan Örs wird ebenfalls festgenommen, anschließend wieder freigelassen und mit einer Ausreisesperre belegt. Grund hierfür ist, dass Örs im Jahr 2012 in Köln an einer Aktion einer PKK-nahen Gruppierung beteiligt gewesen sein soll.

September 2019. Örs wird in Edirne erneut verhaftet, weil sie trotz einer Ausreisesperre gegen sie versucht haben soll, die Grenze zu übertreten.

16. September 2019. Ein Gericht im westtürkischen Edirne verurteilt Hozan Canê wegen Präsidentenbeleidigung zusätzlich zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Anlass ist nach Angaben ihrer Anwältin eine Karikatur über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf einer unter ihrem Namen geführten Facebook-Seite.

August 2020. Bei einer Neuverhandlung ihres Falls ordnen die Richter die Fortsetzung der Untersuchungshaft an. Sie kommen damit der Forderung der Staatsanwaltschaft nach. Zur Verhandlung sind auch Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Istanbul sowie der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, angereist. Nach Schwabes Einschätzung wird die deutsche Staatsbürgerin Hozan Canê von der türkischen Justiz „definitiv“ nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt.

3. September 2020. Der Prozess gegen Hozan Canê sollte im September 2020 fortgeführt werden, dies wird aber auf den 20. Oktober verschoben, da noch ein gerichtsmedizinisches Gutachten fehle.

30. September 2020. Canê wird überraschend aus der Haft entlassen, sie darf aber bis zur Fortsetzung ihres Prozesses die Türkei zunächst nicht verlassen.

20. Oktober 2020. Die Verhandlung wird auf den 9. Februar 2021 vertagt. Grund für die Vertagung ist der Antrag des Staatsanwaltes, einen neuen Zeugen vernehmen zu wollen. Der habe ausgesagt, dass Canê einen Film auf Anordnung einer Terrororganisation gedreht haben soll. Canê weist das entschieden zurück.

"Ich habe erwartet, dass ich in mein Land zurückkehren kann. Aber das ist nicht eingetreten", sagt Canê im Anschluss an die Verhandlung. Jedes Mal würden neue Aussagen gegen sie auftauchen. Von der deutschen Regierung erwarte sie, "dass sie uns so schnell wie möglich von hier befreit".

Canê nimmt gemeinsam mit ihrer ebenfalls wegen Terrorvorwürfen angeklagten Tochter Gönül Örs an dem Prozess teil. Auch Beobachter des deutschen Konsulats kommen zu der Verhandlung.

Juni 2021. Canês Tochter darf die Türkei verlassen.

Juli 2021. Die Ausreisesperre wird aufgehoben, Hozan Canê reist daraufhin aus der Türkei aus. Ein Gericht hat zuvor dem Einspruch der Verteidigung stattgegeben. Die hat argumentiert, die lange Haftzeit sei unverhältnismäßig.

15. Oktober 2021. Bundeskanzlerin Angela Merkel betont bei ihrem Abschiedsbesuch bei Präsident Recep Tayyip Erdoğan, sie habe auch die Strafverfolgung deutscher Staatsbürger in der Türkei angesprochen. Merkel merkt dabei an, dass man unterschiedliche Vorstellungen vom Terrorismusbegriff habe.

18. Oktober 2021. Hozan Canê wird wegen Terrorunterstützung zu drei Jahren und dreieinhalb Monaten Haft verurteilt. Ihre Anwältin kündigte an, Berufung einzulegen.

Bilder aus Wikimedia Commons
DITIB-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld (2015), Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“, Urheber: Raimond Spekking

Quellen