Sonntag, 19. September 2021

Osama bin Laden

Osama bin Laden (ca. 1998)

Der Terrorist Usāma ibn Muhammad ibn Awad ibn Lādin (allgemein bekannt als Osama bin Laden oder Usama bin Laden (arabisch أسامة بن محمد بن عوض بن لادن, DMG Usāma b. Muḥammad b. ʿAwaḍ b. Lādin;) wurde vermutlich zwischen März 1957 und Februar 1958 in Riad (Saudi-Arabien) geboren. Er starb am 2. Mai 2011 in Abbottabad (Pakistan).

Der Vorname „Osama“ umschreibt auf Arabisch poetisch den „Löwen“ und erinnert an einen der Weggefährten des Propheten Mohammed. Bin Laden könnte als einziger Sohn der vierten legalen Frau seines Vaters den Rufnamen „Sohn der Sklavin“ erhalten haben. Minderwertigkeitsgefühle werden daher als ein möglicher Antrieb zum Terrorismus vermutet.

Er war der Gründer und Anführer der Gruppe al-Qaida und plante offenbar unter anderem die von ihr ausgeführten Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001.

Nach den Terroranschlägen auf die Botschaften der Vereinigten Staaten in Daressalam und Nairobi gehörte er zu den meistgesuchten Zielpersonen des FBI und diese fahndeten verstärkt, aber bis 2010 erfolglos, nach ihm.

In der Nacht zum 2. Mai 2011 erschossen US-Soldaten in der Operation Neptune Spear Bin Laden bei der von US-Präsident Barack Obama befohlenen Erstürmung seines Anwesens in Pakistan.

Bin Laden nahm die islamische Lehre von Dār al-Harb und Dār al-Islām auf. Diese zwei Begriffe finden sich weder im Koran noch in der Hadithtradition. Systematisiert wurde sie bereits im 8. Jahrhundert unter dem Kalifen Hārūn ar-Raschīd. Der Muslimbruder Abdallah Yusuf Azzam war dabei Bin Ladens unmittelbarer Lehrer. Erneut in der islamischen Welt populär gemacht hat diese Lehre jedoch Sayyid Qutb. Endziel ist die Schaffung eines islamischen Staates. Das Mittel dazu ist der Dschihad, der als Kampf gegen die Ungläubigen und damit als vornehmste Aufgabe verstanden wird, für die zu sterben höchstes religiöses Ziel ist. Kriegerische Traditionen, die Verherrlichung des Todes im Kampf für den Islam sowie ein Gefühl der Verunsicherung und Kränkung bei vielen Muslimen, die sich von der westlichen Welt zurückgesetzt und ausgebeutet fühlen, haben seinen Aufstieg begünstigt.

Im Zusammenhang mit seiner Ideologie bediente sich Bin Laden klassischer Werkzeuge der politischen Agitation und spielte mit den Bedürfnissen und unerfüllten Wünschen seiner Adressaten. Insbesondere gelang es Bin Laden, religiöse mit gesellschaftlich-sozialen Motiven zu verbinden. So verwendete er immer wieder einen nicht religiösen Ehrbegriff, der sich auf Integrität des (arabischen) Mannes und seine Aufgabe bezieht, sein eigenes Ansehen und das der Familie zu schützen. Er verknüpft diese Aufgabe jedoch mit der Aufforderung zum Kampf für religiöse Ziele. So forderte Bin Laden beispielsweise die muslimischen Männer in einem Interview mit Al Jazeera im Dezember 2008 auf, sich vom Westen nicht „der Männlichkeit berauben“ zu lassen und „das größte Heiligtum auf der Welt“ gegen die westlichen Eindringlinge zu verteidigen, die heilige Kaaba. Außerdem forderte er die „muslimischen Brüder“ überall auf der Welt auf, zusammenzuhalten, und die islamische Ehre im Kampf gegen die Ungläubigen vom Vater zum Sohn weiterzuvererben, was eine weitere, typische Vermischung familiär-partikulatorischer Konzepte mit religiös motivierten Zielen darstellt.

Bin Laden wurde bis zu seinem Tod von manchen Mitgliedern seiner reichen und weitverzweigten Familie unterstützt. Dieses System schien trotz der ausgesetzten Belohnung, militärischer Operationen und finanzieller Austrocknungsversuche zu funktionieren. Die USA bemühten sich, seine Konten einzufrieren. Die Islamische Bank in Tirana soll ihr Grundkapital zu 60 Prozent von Bin Laden erhalten haben. Osama und Yeslam bin Laden hatten von 1990 bis 1997 ein gemeinsames Konto bei der Schweizer Bank UBS. Die Familie Bin Laden, die von der New Yorker Private Banking-Gruppe der Deutschen Bank betreut wurde, hatte über verschiedene Offshore-Firmen ein Vermögen von mindestens 142 Millionen Dollar in verschiedenen Fonds der Bank angelegt. Darüber hinaus verwaltete das Institut weitere 172 Millionen Dollar für die Familie. 241 Millionen Euro sollen 2000 über die Deutsche Bank nach Pakistan an den al-Qaida-Führer geflossen sein.

Bis Ende Oktober 2004 erschienen 20, bis 1. Mai 2011 mindestens 31 Video- und Audiobotschaften Bin Ladens.

Nach Meinungsumfragen des Pew Research Centers genoss Bin Laden in vielen islamischen Ländern durchaus Ansehen. Auf die Frage, ob sie Vertrauen in ihn setzten, bezeugten im Jahre 2005 in Jordanien 60 % der befragten Muslime viel oder einiges Vertrauen, in Pakistan 51 %. In Indonesien fiel der Wert von 58 % im Jahre 2003 auf 35 % im Jahre 2005, in Marokko im gleichen Zeitraum von 49 auf 26 %. Eine repräsentative Umfrage im Juli 2009 ergab, dass US-Präsident Barack Obama in der arabischen Welt inzwischen beliebter geworden war als Bin Laden.

Ehen und Nachkommen Osama bin Ladens

In der letzten PRC-Umfrage zu Bin Laden von 2010 erhielt er in Nigeria noch 48 %, in Indonesien 25 %, in Ägypten 19 %, in Pakistan 18 %, in Jordanien 14 %, in der Türkei dagegen nur 3 % und im Libanon kein Vertrauen unter den befragten Muslimen.

Osama bin Laden heiratete 1974 seine vierzehnjährige Cousine mütterlicherseits Najwa Ibrahim Ghanem, die er durch jährliche sommerliche Verwandtenbesuche in Syrien kennengelernt hat und die ihm versprochen worden ist. Das junge Paar lebte noch mehrere Jahre im Haushalt seiner Mutter und seines Stiefvaters. Sie hatten elf gemeinsame Kinder. Obwohl säkular aufgewachsen, trug Najwa seit ihrer Hochzeit öffentlich stets den für saudische Frauen üblichen Hidschab. Bin Ladens frühere Schwägerin Carmen bin Laden beschreibt sie als „blutjung, unterwürfig und ständig schwanger“.

1982 heiratete Bin Laden die sieben Jahre ältere Umm Hamsa aus der angesehenen Familie Sabar aus Dschidda. Sie hat einen Universitätsabschluss für Kinderpsychologie und lehrte am Frauenkolleg der Abd-ul-Aziz-Universität. Mit beiden Frauen und den Kindern aus erster Ehe bezog Bin Laden ein Haus in Dschidda. Mit Umm Hamsa hatte er einen weiteren Sohn, Hamza.

Bin Ladens dritte Ehefrau Umm Chaled aus der Familie Scharif in Medina schloss ein Studium der arabischen Sprachwissenschaften ab und dozierte an einem Lehrerkolleg in ihrer Heimatstadt. Neben dem Sohn Khaled haben die beiden drei Töchter. Die vierte Ehefrau, Umm Ali aus der Familie Gilaini in Mekka, hat drei gemeinsame Kinder mit Bin Laden. Auf ihre Bitten hin ließ er sich während seines Sudanaufenthalts 1994 von ihr scheiden. Nach saudischer Tradition blieben die Kinder bei der Mutter und kehrten mit ihr nach Mekka zurück.

2000 heiratete Bin Laden die damals 18-jährige Jeminitin Amal Ahmed al-Sadah in Kandahar. Sie wurde nach 2001 und Ausbruch seiner Hepatitis-C-Erkrankung auch seine Pflegerin. Bei seiner Tötung am 2. Mai 2011 in Abbottabad wurde sie verletzt und festgenommen. Sie und ihre 2001 geborene Tochter befinden sich in pakistanischem Gewahrsam.

Bin Laden hatte mit diesen fünf Ehefrauen mindestens 24 Kinder. Er wurde als liebevoller, aber auch als strenger Vater geschildert. Er lehnte es ab, seine Kinder zur Schule zu schicken, und ließ sie durch Hauslehrer unterrichten. Einige der Kinder blieben dadurch in ihrer Bildung hinter Altersgenossen deutlich zurück, zum Teil konnten sie kaum lesen.

Filme

  • Where in the World Is Osama Bin Laden? (2008) Morgan Spurlock
  • Mythos und Wahrheit. Die Jagd nach Osama bin Laden (2010)
  • Auf der Jagd nach Osama bin Laden (2010), Dokumentation von N24
  • Die Jagd nach bin Laden – Im Fadenkreuz der Geheimdienste (2012), Dokumentation von BBC
  • Zero Dark Thirty (2012), Spielfilm von Kathryn Bigelow
  • Code Name: Geronimo (2012), Fernsehfilm von John Stockwell
  • Alexander Berkel: Osama bin Laden - die privaten Papiere des Terrorfürsten (2016), Dokumentation des ZDF

Leben

ca. März 1957 bis Februar 1958. Usāma ibn Muhammad ibn Awad ibn Lādin wird in Riad (Saudi-Arabien) in einer wohlhabenden saudischen Unternehmerfamilie geboren.

Sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt, da er verschiedene Zeitpunkte angibt. 1991 nannte er den Monat Radschab des islamischen Jahres 1377, der dem Januar oder Februar 1958 entspricht. 1998 soll er in einem Interview mit dem Nachrichtensender Al Jazeera den 10. März 1957 genannt haben; in der Interview-Abschrift wird jedoch nur das islamische Jahr 1377 (also zwischen Juli 1957 und Juli 1958) erwähnt. Als Geburtsort nannte er den Malaz-Bezirk der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Lawrence Wright hält den Januar 1958 für das wahrscheinliche Geburtsdatum.

Bin Ladens Vater Muhammad stammt aus dem Jemen. Er stieg im Königreich Saudi-Arabien seit den 1950er Jahren mit seinem Familienunternehmen „Saudi Binladin Group“ zum führenden Bauunternehmer und Multimillionär auf, der die wichtigsten Moscheen des Islam renovieren ließ und ein ehrenamtliches Ministeramt erhielt.

Bin Laden beschreibt ihn um 1999 als „Begründer der Infrastruktur Saudi-Arabiens“, der die Moscheenrenovierung zum Teil ohne Profit kalkuliert habe. Nach seinem Tod führen einige seiner Söhne das Unternehmen weiter und bauen es zum transnationalen Mischkonzern mit einem auf mehrere Milliarden US-Dollar geschätzten Gesamtvermögen aus. Trotz der Belastung durch Bin Ladens spätere terroristische Aktivitäten behalten sie gute Kontakte zum Königshaus Saud.

Bin Ladens Mutter Alia Ghanem (später Hamida al-Attas, arabisch حميدة العطاس, DMG Ḥamīda āl-ʿAṭṭās; * 1934) stammt aus einer sunnitischen Familie in Latakia (Syrien) und hat zwei Brüder und eine Schwester. Vermutungen, sie habe gehöre den schiitischen Alawiten an, weisen sie und ihre Angehörigen 2001 zurück.

Muhammad bin Laden lernte Alia Ghanem 1956 in Latakia auf einer Geschäftsreise kennen, heiratete sie dort und zog mit ihr dann nach Dschidda in Saudi-Arabien, wo er sich 1931 niedergelassen hatte. Sie war damals nach einigen Quellen erst 14, nach anderen über 20 Jahre alt. Sie war die zehnte von insgesamt mindestens 22 Frauen ihres Mannes, der sich aber von vielen scheiden ließ und gemäß islamischem Recht immer nur vier Ehefrauen gleichzeitig hatte. Sie soll eher eine Konkubine als eine Ehefrau für ihn gewesen sein. Sie soll kosmopolitischer als Muhammads erste drei saudischen wahhabitischen Ehefrauen eingestellt sein, zeigte sich aber dennoch nach saudischem Brauch öffentlich nur mit Hidschab. Der Familienkreis könnte sie als „Sklavenfrau“ bezeichnet haben, wie es in Haushalten polygamer Muslime für die vierte Ehefrau üblich war.

Von bis zu 57 Kindern, die sein Vater gezeugt haben soll, ist Osama das siebzehnte Kind und das einzige von Alia Ghanem.

Seine früheste Kindheit verbringt Bin Laden zeitweise dort, wo sein Vater in Saudi-Arabien Bauaufträge ausführt. Ab dem sechsten Lebensmonat wohnt er stets in der heimatlichen Region Hedschas, und zwar abwechselnd in Mekka, Medina und Dschidda. Seine frühe Ortsnähe zu heiligsten Stätten betont Bin Laden in Interviews wiederholt. Als Junge hält er sich meist im Haus seiner Familie im Vorort al-Amarija von Dschidda auf. Den Vater, der sich häufig auf Geschäftsreisen befindet, sieht er nur selten und kann – auch wegen der vielen Geschwister – keine persönliche Beziehung zu ihm aufbauen.

Bin Laden wächst in der Tradition der Wahhabiten bzw. Salafisten auf, einer hanbalitischen Richtung des sunnitischen Islam. Obwohl in seiner frühen Jugend kein starkes Interesse für Religion und Politik bezeugt ist, lernt er schon früh Personen religiöser Prägung kennen. Während des Dhu l-hiddscha bietet sein Vater regelmäßig zahlreichen Mekkapilgern eine Bleibe, darunter hohen Geistlichen und Anführern islamischer Bewegungen. Der Vater ist an theologischen Fragen interessiert und regt seine Gäste häufig zu entsprechenden Debatten an.

ca. 1961/1963. Als Bin Laden vier oder fünf Jahre alt ist, lässt sich sein Vater von Alia scheiden und arrangiert für sie eine neue Ehe mit dem Firmenangestellten Muhammad al-Attas. Osama begleitet seine Mutter in deren neues Domizil nahe dem väterlichen Familiensitz. Im neuen Haushalt kümmert er sich um die Erziehung der vier jüngeren Halbgeschwister – drei Jungen, ein Mädchen. Zu seiner Mutter hat er ein inniges Verhältnis, das zum Stiefvater ist wegen dessen Tätigkeit für den leiblichen Vater aber kompliziert. Sein Jugendfreund Chaled Batarfi beschreibt Osama als „ruhig, scheu, fast mädchenhaft“. Er gilt ferner als durchweg friedfertig und selten jähzornig. Ehemalige Schulfreunde erinnern sich an seine Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit.

3. September 1967. Muhammad bin Laden stirbt bei einem Flugzeugabsturz. Da Osama und seine Brüder noch nicht volljährig sind, können sie das väterliche Erbe nicht antreten. Daraufhin ernennt König Faisal drei Treuhänder, die das Familienvermögen für einige Jahre verwalten und sich um eine standesgemäße Ausbildung der Söhne kümmern sollen.

Ab 1968. Osama bin Laden besucht die staatliche, westlich orientierte al-Thagr-Schule im Zentrum Dschiddas. Wie alle ihrer Schüler trägt er eine Schuluniform nach angelsächsischem Vorbild und wird unter anderem von britischen und irischen Englischlehrern unterrichtet. Einer seiner Lehrer für Naturwissenschaften bezeichnet ihn als „durchschnittlichen“, der irische Gastlehrer Seamus O’Brien als „guten“ Schüler. Während seine Halbbrüder Schulen in England und im Libanon besuchen, wird er offenbar nur in Saudi-Arabien ausgebildet.

Bin Laden verbringt seine Ferien standesgemäß beim Bergsteigen in der Türkei oder mit Freunden auf Safari in Kenia. Schon früh besitzt er mehrere Limousinen und Pferde. Er ist für die risikoreiche Art bekannt, mit der er die Wüste mit Geländewagen und zu Pferd durchquert. Er ist häuslich und hält familiäre Beziehungen aufrecht. Nach eigener Erinnerung hilft er schon in früher Jugend auf Straßenbaustellen des Familienunternehmens mit.

Als die Bin-Laden-Gesellschaft einen großen Bauauftrag übernehmen soll, will er die Schule verlassen, um sich im Familienunternehmen zu bewähren. Erst der Widerspruch seiner Mutter, so Bin Ladens Erinnerung 1991, bewegt ihn, die Ausbildung zu beenden.

Osamas Verhältnis zur Religion könnte sich an der al-Thagr-Schule unter dem Einfluss eines als charismatisch beschriebenen syrischen Sportlehrers entwickeln. Er nimmt an Treffen eines Studienzirkels teil, den der Lehrer ins Leben ruft, um Koranpassagen und Hadithe mit Interessierten zu diskutieren und zu verinnerlichen. An Prinzipientreue appellierend, schildert der Lehrer unter anderem Gleichnisse, um fundamentalistisch motivierte Gewalt zu legitimieren. Der Lehrer gehört mutmaßlich zu den Muslimbrüdern, denen sich Bin Laden noch während seiner Schulzeit anschließt.

Die syrischen und ägyptischen Ableger dieser Gruppe streben in den 1970er Jahren einen revolutionären und antiimperialistischen Gesinnungswandel der muslimischen Welt an. Demgegenüber streben die Muslimbrüder in Saudi-Arabien nicht nach politischem Umsturz, da die sozialkonservativen Ulema des saudischen Wahhabismus die Herrschaft des Königshauses Saud stützen.

ca. 1971/1972. Bin Laden wendet sich ab dem 14. Lebensjahr der Religion zu und übt strikte Selbstkasteiung. Dies fordert er ebenso Mitgliedern des al-Attas-Haushaltes ab, insbesondere seinen Halbgeschwistern. Zu den fünf täglichen Gebetszeiten legt er eine weitere um 1:00 Uhr nachts ein, fastet wie Mohammed an zwei Tagen der Woche, trägt fortan kaum westliche Kleidung mehr und kehrt sich von Musik wie Fernsehen ab. Bin Laden äußert jetzt Besorgnis über den Zustand der arabischen und muslimischen Welt, besonders über die Lage der Palästinenser. Er sieht den Grund politischer Malaise in allgemeiner Vernachlässigung von Religion. Er klagt, die Muslime seien gottesfern und jugendliche Muslime bloß damit beschäftigt, sich Weltlichem hinzugeben.

Auch seine Brüder gelten als sehr fromm. Bin Ladens gleichwohl striktere Religiosität wird in der Familie eher bewundert als kritisiert. Doch beobachtet Mutter Alia Ghanem die spätere Radikalisierung ihres Sohnes mit Sorge.

1976. Bin Laden schreibt sich für Betriebswirtschaft und Bauingenieurwesen an der König-Abdul-Aziz-Universität zu Dschidda ein. Allerdings widmet er religiösen Aktivitäten mehr Aufmerksamkeit als seinem Studium. Er gründet eine religiöse Wohlfahrtsorganisation, in deren Rahmen er mit anderen Studenten den Koran und die Lehre vom Dschihad interpretiert.

Eine Reihe von Professoren der König-Abdul-Aziz-Universität sind Anhänger der Muslimbruderschaft. Mit dem Ziel, auf Basis des Korans politische und religiöse Ordnung in Einklang zu bringen, treten sie für die Umgestaltung muslimischer Gesellschaften ein. Der Flügel radikaler Muslimbrüder propagiert dabei einen gewaltsamen politischen Kampf, der sich gegen moderate Muslime richtet.

Einige Quellen geben an, dass Bin Laden sich erst in dieser Zeit radikaleren politischen Lehren zuwendet. Diese beruhen vor allem auf Werken des Ägypters Sayyid Qutb, dessen Bücher „Zeichen auf dem Weg“ und „Im Schatten des Korans“ nach seiner Hinrichtung 1966 in der arabischen Welt massenhaft verbreitet wurden. Hierzu hält Mohammad Qutb, der sich als Bannerträger der Lehren seines 1966 hingerichteten Bruders verstand, regelmäßige Vorträge an Bin Ladens Universität, die dieser anhört. Doch zögert er nach Erinnerung seines Freundes Dschamal Chalifa, bevor er jenen Lehren zustimmt. Die revolutionäre Rhetorik radikaler Muslimbrüder ist für Studenten attraktiv, weil sie sich von der konservativen Haltung saudischer Theologen unterscheidet.

Bin Laden sucht während seines Studiums ein Betätigungsfeld im Unternehmen des Vaters. Auf Drängen geben ihm seine Brüder eine Teilzeitanstellung. Er überwacht den Bau von Straßen, Hotels und Pilgerunterkünften in Mekka. Dort legt er selbst Hand an und bedient schweres Arbeitsgerät. Obwohl er in Interviews späterer Jahre betont, er habe seinerzeit Nebenverdienst und Studium vereinbaren können, hält er den Belastungen nicht stand. 1979, ein Jahr vor dem Abschluss, verlässt er die Universität. Nach widersprüchlichen Berichten soll er dennoch 1979 oder 1981 einen Universitätsabschluss im Bauingenieurswesen oder im öffentlichen Verwaltungswesen erlangt haben.

Nach manchen Berichten soll Bin Laden in jungen Jahren Familienmitglieder auf Reisen nach London oder Schweden begleiten. Verschiedene Quellen geben auch an, Bin Laden würde eine Sommerschule in Großbritannien oder ein Internat in der Schweiz besuchen. Während eines angeblichen Internatsaufenthaltes im Libanon pflegt er offenbar einen westlichen Lebensstil mit Alkoholkonsum, Tanzen in Nachtclubs und sexueller Freizügigkeit.

Nach anderen Berichten gibt es für die meisten dieser Auslandsaufenthalte keine glaubwürdigen Belege; möglicherweise sei Bin Laden dabei mit Halbbrüdern oder anderen Personen verwechselt worden.

Noch während des gemeinsamen Studiums entschließen sich Bin Laden und sein Freund Dschamal Chalifa, polygam zu leben. Dies gilt in Saudi-Arabien mittlerweile als inakzeptabel, weil muslimische Männer dies oft für Kurzehen ausnutzen. Osama und Chalifa treten daher für die Vereinbarkeit von Islam und nicht-missbräuchlich praktizierter Polygamie ein.

Ab 1979. Bin Laden wendet sich dem Kampf mit Waffengewalt für die Durchsetzung ideologisch-religiöser Ziele in überwiegend muslimischen Ländern zu. Als Gründe dafür werden in der Literatur häufig drei Ereignisse jenes Jahres genannt: die erfolgreiche Islamische Revolution im Iran, die sich auch fundamentalistische Sunniten zum Vorbild nehmen, die Besetzung der Großen Moschee in Mekka ab dem 20. November 1979 und die sowjetische Besetzung Afghanistans, mit der ab dem 25. Dezember 1979 der sowjetisch-afghanische Krieg beginnt.

Kurz nach der Moscheebesetzung in Mekka werden die Brüder Osama und Mahrous bin Laden für ein bis zwei Tage festgenommen, weil sie sich verdächtig benommen haben sollen bzw. weil Bauwagen der Bin Laden Company ohne ihr Wissen zum Schmuggeln von Waffen nach Mekka benutzt worden sind. Es gibt keine Hinweise, dass Osama von der terroristischen Aktion im Vorfeld wusste, und er distanziert sich auch von ihr. Allerdings findet er in späteren Jahren lobende Worte für sie.

1980. Er reist wohl im Laufe diesen Jahres erstmals nach Pakistan. 1993 gibt er dagegen in einem Interview an, die sowjetische Besetzung Afghanistans habe ihn derart erzürnt, dass er schon wenige Tage darauf das erste Mal nach Afghanistan gereist sei. Die Reisen habe er allerdings vor seiner Familie verheimlicht. In den Folgejahren will er das Land regelmäßig besucht haben, um Spendengelder persönlich zu überbringen. Nach Darstellung verschiedener Quellen interessiert sich Bin Laden zunächst weniger für Afghanistan als für den Aufstand der Moslembrüder gegen die Herrschaft der alawitischen Baath-Partei in Syrien. Die Revolte hat 1976 begonnen und wird erst 1982 blutig niedergeschlagen.

Bin Laden unterstützt offenbar die syrischen Moslembrüder finanziell und wendet sich Afghanistan erst nach deren Niederlage zu. Schließlich unterstützt er in den nächsten Jahren den Kampf der Mudschaheddin im Sowjetisch-Afghanischen Krieg mit Geld, Waffen, Ausbildungslagern und Bauprojekten.

Als die saudische Führung die Gründung regionaler Hilfskomitees für Afghanistan organisiert, wird Bin Laden auf Familienwunsch Zweigstellenleiter für die Region Hedschas. Abdallah Azzam ist bei mehrmaligen Reisen nach Dschidda sein Gast und versucht bei Vorträgen, junge Saudis zu bewegen, sich den Mudschaheddin anzuschließen. Seit 1980 oder 1981 hat er in Dschidda Vorlesungen Azzams besucht. Bei wechselseitigen Besuchen entsteht im Laufe der Jahre eine enge persönliche Bindung zwischen beiden. Bin Ladens Haus entwickelt sich bis 1984 zu einer wichtigen Anlaufstelle, in der sich Afghanistanfreiwillige verschiedener Länder vor der Abreise nach Pakistan sammeln. Bin Laden betätigt sich als Spendensammler und errichtet im städtischen Umland militärische Ausbildungslager.

Er reist bis 1984 mehrmals nach Islamabad und Lahore in Pakistan, um den Widerstand zu unterstützen. Dabei hält er sich von Afghanistan und von Peschawar fern, weil ihm die saudische Führung ein persönliches Auftreten dort angeblich untersagt hat. Da ihn die regelmäßigen Reisen davon abhalten, den Aufgaben im Familienunternehmen nachzukommen, verliert er seine Anstellung.

Zu Beginn seines Engagements in Pakistan und Afghanistan hält sich Bin Laden mehrere Monate jährlich bei seiner Familie in Saudi-Arabien auf. Bei diesen Gelegenheiten stattet er den saudischen Behörden Bericht über seine Auslandsaktivitäten ab.

1984. Bin Laden besucht auf Einladung Azzams ein Mudschaheddin-Lager in Ostafghanistan und wird dort Zeuge eines sowjetischen Angriffs. Sein jahrelanges Fernbleiben beschämt ihn: „Ich fühlte, dass mir dieser vierjährige Aufschub nicht vergeben werden konnte, wenn ich nicht selbst zum Märtyrer würde.“ Er ist nun überzeugt, dass die Unterstützung der Mudschaheddin intensiviert werden müsse. Er reist nach Saudi-Arabien zurück und mobilisiert dort in Kürze rund 10 Millionen US-Dollar an Spendengeldern. Bei einer gemeinsamen Hadsch einigt er sich mit Azzam darauf, die wenigen arabischen Freiwilligen für Afghanistan zu stärken und besser zu koordinieren. Azzam erlässt eine in der islamischen Welt durchaus umstrittene Fatwa, in der er den Kampf in Afghanistan zur Pflicht aller dazu fähigen Muslime (fard ayn) erklärt.

Noch im gleichen Jahr richtet Bin Laden in Peschawar ein Bait al-ansār genanntes Gasthaus ein, das als Anlaufstelle für arabische Mudschaheddin dient. Mit Azzam gründet er das Peschawarer Büro Maktab al-Chadamāt zwecks Organisation wie Betreuung der Kämpfer und zwecks Verteilung der Spendengelder unter afghanischen Flüchtlingen. Außerdem unterstützt er Abu Sajaf bei der Gründung der Universität Dawa al-Dschihad, einer Einrichtung in der Umgebung Peschawars, die später als Ausbildungsstelle für Terroristen dient. Als Geldgeber wird Bin Laden zu einer Respektsperson bei den Mudschaheddin, obschon er die Rolle des charismatischen militärischen Führers nicht ausfüllen kann.

Trotz der Legenden, die zunächst Azzam und später Bin Laden über ihr Wirken verbreiten, ist der Einfluss arabischer Freiwilliger auf den afghanischen Freiheitskampf gering. Die Anzahl der „arabischen Afghanen“ beträgt bis 1984 nie mehr als 50, steigt ab 1985 stetig an, überschreitet jedoch zu keinem Zeitpunkt 3000. Die meisten von ihnen bleiben in Peschawar, wo sie sich auf Hilfsdienste für die afghanischen Flüchtlinge konzentrieren, und nehmen nie an Kämpfen gegen die Sowjetarmee teil. Der Märtyrerkult, den diese ihrer Heimatländern bald entfremdeten Araber, inspiriert von den Schriften Sayyid Qutbs und Abdallah Azzams, entwickeln, bleibt den afghanischen Mudschaheddin fremd. Auch die Militärhilfe der Araber ist nicht immer erwünscht. Ähnliches gilt für deren Versuche, wahhabitische oder andere arabische religiöse Prinzipien in Afghanistan zu verbreiten oder die Arbeit westlicher Hilfsorganisationen und Korrespondenten im Land zu behindern.

1986. Er bringt seine Frauen und Kinder nach Peschawar. Er lässt die Höhlen von Tora-Bora an der afghanisch-pakistanischen Grenze zu Munitionslagern ausbauen und führt erstmals eine kleine Einheit arabischer Freiwilliger in den Kampf nach Afghanistan, von wo diese sich aber schnell zurückziehen muss.

Sein Entschluss, dauerhaft eigene Widerstandslager für Araber auf afghanischem Boden zu unterhalten, bringt ihn in Konflikt mit Azzam, der die orts- und sprachunkundigen Freiwilligen nur als Mitglieder afghanischer Einheiten kämpfen lassen will. Bin Laden lässt im ersten Lager Masaada („Höhle des Löwen“) im Nordosten Afghanistans mit schwerem Baugerät, das die Saudi Binladin Group (SBG) zur Verfügung gestellt hat, künstliche Höhlen anlegen, in denen die Kämpfer sich verschanzen können.

1987. In Afghanistan führt Jamal Khashoggi ein Interview mit Osama bin Laden, während dieser dort gegen sowjetische Truppen kämpft. Khashoggi verfolgt Bin Ladens Entwicklung zum radikalen Islamisten jahrelang. Er trifft ihn später nochmals in Tora Bora sowie 1995 im Sudan. Khashoggi drängt Bin Laden einmal dazu, der Gewalt abzuschwören. In dieser Zeit wird er zu einem Vertrauten von Prinz Turki ibn Faisal, der Chef des saudi-arabischen Geheimdienstes ist. Kashoggi ist laut seinem Bekannten Joseph Duggan in seiner Medienarbeit „in keiner Weise unabhängig“ und seine Rolle im saudischen Geheimdienst sei ein offenes Geheimnis gewesen.

Ab Frühjahr 1987. Er führt seine Männer in kleinere Kämpfe gegen sowjetische Einheiten, die zumeist mit demütigenden Niederlagen und Rückzug enden. Das schädigt den Ruf der arabischen Freiwilligen bei afghanischen Mudschaheddin und sie unterstützenden Pakistanern. Allerdings gelingt es Bin Ladens Männern, die Festung Masaada, die kurzzeitig wegen starker sowjetischer Angriffe geräumt werden  musste, zurückzuerobern. Dies wird für die „afghanischen Araber“ zu einem mythischen Ereignis, das göttlichen Rückhalt zu beweisen scheint. Nach widerstreitenden Berichten hat Bin Laden offenbar selbst während solcher Gefechte Nervenstärke bewiesen oder er war krank und indisponiert.

Mai 1988. Die Sowjets beginnen ihren bis Februar 1989 dauernden Abzug aus Afghanistan. Bin Laden und die anderen Führer der „arabischen Afghanen“ wollen ihre Männer aus einem sich abzeichnenden Bruderkrieg zwischen den Mudschaheddin-Gruppen heraushalten und den Dschihad gegen „Ungläubige“ andernorts fortführen.

11. August 1988. Bei einer Zusammenkunft am  in Peschawar beschließen sie, geeignete Männer in einer neuen Organisation namens al-Qaida („die Basis“) zu vereinen. Bin Laden zufolge bezieht sich der Begriff zunächst auf das Militärübungslager, in dem Kämpfer auf Tauglichkeit für die neue arabische Elitelegion geprüft werden.

Es herrscht Uneinigkeit, wo genau der Dschihad fortgesetzt werden solle. Der Ägypter Aiman az-Zawahiri, der auf Bin Laden inzwischen großen Einfluss gewonnen hat, plädiert dafür, den Sturz säkularer Regime in Ländern wie Ägypten herbeizuführen. Für Abdallah Azzam hat vor dem Hintergrund der Ersten Intifada der Kampf um Palästina Vorrang, den er mithilfe der neugegründeten islamischen Hamas als Gegengewicht zur säkularen Fatah Jassir Arafats führen will. Bin Laden schlägt vor, die „arabischen Afghanen“ in Kaschmir, auf den Philippinen oder in den zentralasiatischen Republiken der Sowjetunion einzusetzen.

Weil der Großteil des Geldes zur Unterstützung der „arabischen Afghanen“ aus Saudi-Arabien strömt, soll auch die Führung der Dschihadisten einem Saudi obliegen. Dass die Wahl dieses „Emirs“ 1988 auf Bin Laden fällt, hängt auch mit wachsenden Animositäten zwischen den Ägyptern um Zawahiri und den Unterstützern Azzams zusammen. Die arabischen Gruppierungen, die vor dem Hintergrund des sowjetischen Abzugs mehr Zulauf von Freiwilligen denn je verzeichnen, konkurrieren in der Folge um Gunst und Finanzmittel Bin Ladens. Gleichzeitig reduzieren die saudische Führung und die USA ihre Hilfen für die arabischen Mudschaheddin, was diese verärgert und die einstigen Unterstützer als neue Gegner erscheinen lässt.

Frühjahr 1989. Im Kampf um die Stadt Dschalalabad erleiden Bin Laden und seine Männer zusammen mit den afghanischen Mudschaheddin eine schwere Niederlage gegen die afghanischen Regierungstruppen. Der Rückschlag verschärft den Zwist zwischen den Fraktionen der Mudschaheddin. Bin Laden reist nach Saudi-Arabien, um von der Regierung in Riad Anweisung zu erhalten, welche Seite er unterstützen solle. Er erhält die Antwort, er und seine Männer sollten Afghanistan und Pakistan am besten ganz verlassen.

Herbst 1989. Bin Laden kommt der Aufforderung der Regierung in Riad nach und kehrt in sein Heimatland zurück, ebenso die meisten arabischen Freiwilligen. Nach der Rückkehr nach Saudi-Arabien lebt Bin Laden abwechselnd in Dschidda und in Medina. Er betätigt sich erneut im Familienunternehmen und überwacht vor allem Straßenbauprojekte. Sein Vermögen wird auf 7 Millionen US-Dollar geschätzt, rund 270.000 US-Dollar fließen jährlich durch Gewinnanteile an der SBG hinzu. In Saudi-Arabien ist er inzwischen zu einer respektablen Persönlichkeit geworden. Die saudischen Medien zeichnen das Bild, Bin Laden und seine Männer seien für die Niederlage der Weltmacht Sowjetunion in Afghanistan hauptverantwortlich gewesen.

In Reden und Handeln Bin Ladens tritt ein wachsendes politisches Sendungsbewusstsein zutage, das Konfliktpotential mit der saudischen Führung birgt. Mehrfach argumentiert er in der familieneigenen Moschee in Dschidda für die Notwendigkeit, Dschihad gegen die USA zu führen, da Washington nur bei Gewaltanwendung Abstand von der Unterstützung Israels nehmen werde. Er fordert seine Zuhörer dazu auf, US-amerikanische Handelswaren zu boykottieren.

November 1989. Der in Peschawar verbliebene Azzam stirbt bei einem Attentat unbekannter Urheber.

1990. Bin Laden schlägt dem Prinzen Turki bin Faisal Al Saud, Leiter des saudischen Auslandsgeheimdienstes, vor, seine in Afghanistan ausgebildeten Männer in den Kampf gegen die kommunistische Führung im Anrainerstaat Südjemen zu führen, doch wird der Vorschlag zurückgewiesen.

August 1990. Bin Laden warnt ebenfalls vor dem säkularen Regime Saddam Husseins im Irak. Er sieht seine Befürchtungen bestätigt, als die irakische Armee mit dem Einmarsch in Kuwait den Zweiten Golfkrieg auslöst. Saudi-Arabien ist überzeugt, dass die Einnahme kuwaitischer Ölfelder eigentliches Ziel Husseins ist. Zögernd nimmt die Regierung in Riad das Angebot aus Washington an, mehrere hunderttausend amerikanische Soldaten zum Schutz Saudi-Arabiens im Land zu stationieren. Bin Laden betrachtet diese Einladung an Nichtmuslime als Verstoß gegen das Gebot Mohammeds, in Arabien dürfe es nur eine Religion geben. Vergeblich versucht er, die saudische Führung zu überzeugen, er allein könne eine Freiwilligenarmee von 100.000 Mann aufstellen, um das Land zu verteidigen.

1991. Als sich Süd- und Nordjemen vereinigen, schließt Bin Laden bei mehreren Reisen ins Nachbarland mit nordjemenitischen Stammesführern ein Bündnis mit dem Vorhaben, die Führer der an der neuen Koalitionsregierung im Jemen beteiligten Sozialisten aus dem Süden gezielt zu töten. Bei diesen Unternehmungen kommen erstmals Männer aus Bin Ladens al-Qaida-Gruppe außerhalb Afghanistans zum Einsatz. Infolge mehrfachen Protests des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih beim saudischen König Fahd muss Bin Laden seine Kampagne im Jemen einstellen. Sein Reisepass wird eingezogen, und die Führung untersagt ihm weitere außenpolitische Aktivitäten.

März 1991. Der Kuwait-Krieg endet. Anschließend wirbt Bin Laden mithilfe einflussreicher Unterstützer darum, sein Ausreiseverbot aufzuheben. Er will nach Afghanistan zurückkehren, um zwischen zerstrittenen Mudschaheddin-Gruppen zu vermitteln, die inzwischen kurz vor dem Sturz der marxistischen Regierung in Kabul stehen.

März 1992. Er erhält seinen Pass zurück und reist nach Afghanistan. Dort gewinnt er bald den Eindruck, seine Vermittlungsbemühungen unterminierten die Versuche des Prinzen Turki, die islamische Gruppierung von Gulbuddin Hekmatyār zu stärken. Bin Laden erklärt seinem Umfeld, die saudische Führung plane, ihn in einem Komplott mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI ermorden zu lassen.

Bin Laden entschließt sich, nicht nach Saudi-Arabien zurückzukehren. Stattdessen nimmt er eine bereits 1990 von der Regierung in Khartum ausgesprochene Einladung an, sich im Sudan niederzulassen. Bin Laden kennt das Land von Geschäftsreisen für die SBG, die den Flughafen Bur Sudan ausbaute. Im großen, ärmlichen und politisch instabilen Sudan hat es 1989 einen von islamischen Gruppen getragenen Militärputsch gegeben. Im Gegensatz zu den Regierungen anderer arabischer Staaten begrüßte die neue sudanesische Führung, wenn arabische Exmudschahiddin aus Afghanistan ins Land übersiedeln. Einige Hundert taten dies in den folgenden Jahren. Bin Laden folgt mit seinen Frauen und Kindern im Jahr 1992. Sie leben gemeinsam in einer Villa in Khartums Stadtteil Riad.

Als geistiger Führer der Islamisierung des Sudan gilt Hasan at-Turabi, Vorsitzender der Nationalen Islamischen Front, die 1969 als Gegenstück zur ägyptischen Muslimbruderschaft gegründet worden ist. Turabi will den Sudan zum Zentrum einer islamischen Revolution machen, in deren Zuge die Gemeinschaft aller Muslime („Umma“) und eine Abgrenzung vom Westen herbeigeführt werde. Viele seiner Vorstellungen, dass etwa die Scharia nur schrittweise eingeführt werden könne, sind mit denen Bin Ladens nicht in Einklang zu bringen. Später geraten beide darüber in Meinungsverschiedenheiten.

Bin Laden gründet im Sudan eine Reihe Firmen, die zur Dachgesellschaft Wadi El Aqiq zusammengefasst werden. Sie betätigt sich in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen, wie etwa Bau, Lederherstellung, Produktion von Insektiziden, Import von Lastwagen, Maschinen und Fahrrädern sowie im Agrarwesen. In der dürftig entwickelten sudanesischen Wirtschaft wird Bin Laden zum Hauptinvestor, obwohl nur rund 500 Angestellte für ihn arbeiten. Außerdem leiht er dem sudanesischen Staat mehrmals Geld zum Ankauf von Weizen und Erdöl. Als Bezahlung für den Ausbau von Straßen erhält Bin Laden Ländereien und steigt so zum vielleicht größten Grundbesitzer des Landes auf. Beim Export wichtiger sudanesischer Agrarprodukte, wie Sesam und Gummiarabikum, hat er fast eine Monopolstellung inne. Überdies erwirbt er mehrere Häuser in Khartum, in denen er Gäste und Gefolgsleute bewirtet. Sein Vermögen verteilt er auf Konten in Khartum, Dubai, London, Malaysia und Hongkong, die unter Namen von al-Qaida-Mitgliedern geführt werden. Da er mit seinen wirtschaftlichen Aktivitäten zumeist Verluste verzeichnet, bleibt Bin Laden von monatlichen Gewinnbeteiligungen der SBG abhängig.

Zu Beginn seines Aufenthalts im Sudan zeigt Bin Laden kaum Neigung, seine politische Tätigkeit fortzusetzen. Freunden erklärt er, der politische Kampf sei für ihn vorüber. Al-Qaida-Mitglieder, die auf seinen Landgütern arbeiten, führten zwar weiterhin Militärübungen durch, aber in geringem Umfang. Bin Laden widersetzt sich gar der Forderung, seine Kämpfer im Bürgerkrieg der sudanesischen Regierung gegen den christlichen Süden des Landes einzusetzen.

Ab Herbst 1992. Bei wöchentlichen Treffen der al-Qaida-Führung in Bin Ladens Gästehaus in Khartum wird vermehrt über die Bedrohung der islamischen Welt seitens der USA diskutiert. Trotz Abzugszusagen aus Washington zu Beginn des Kuwaitkrieges sind in Saudi-Arabien weiterhin US-Truppen stationiert.

November 1992. Der US-Militäreinsatz in Somalia zur Unterstützung der UN-Operation „Wiederherstellung der Hoffnung“ erscheint der al-Qaida-Führung als Teil einer umfassenden Kreuzzugsstrategie des christlichen Westens gegen den Islam. Rufe nach einem Dschihad gegen die USA kommen in Bin Ladens Umfeld auf. Er schließt sich unter dem Einfluss seines Freundes und religiösen Beraters Mamduh Mahmud Salim, genannt Abu Hadscher, bald diesen Forderungen an.

29. Dezember 1992. Es ereignen sich zwei Bombenanschläge auf Hotels im jemenitischen Aden. Zwei Menschen sterben. Ziel der Anschläge sind vermutlich US-Soldaten, die im Rahmen des Somalia-Einsatzes in der Stadt untergebracht sind. Zu Schaden kommen sie aber nicht. In einigen Darstellungen gelten jene Anschläge, die in US-Medien kaum registriert werden, als erste Terrorakte al-Qaidas. Auch Bin Laden räumt in späteren Jahren die Urheberschaft seiner Organisation ein. Weil das Töten Unschuldiger ein moralisches Dilemma darstellt, erlässt Abu Hadscher zwei Fatwas, in denen er die Ermordung von US-Soldaten und von Menschen, die sie direkt oder indirekt unterstützten, als legitim darstellt.

26. Februar 1993. Ramzi Ahmed Yousef verübt den Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York, bei dem sechs Menschen getötet und über tausend verletzt werden. Da der Täter in einem afghanischen al-Qaida-Lager zum Sprengstoffspezialisten ausgebildet worden ist, werden westliche Medien nun erstmals auf diese Gruppe und Bin Laden aufmerksam.

30. Mai 1993. Die Nachrichtenagentur Agence France-Presse berichtet über einen Mann, der „von al-Qaida ausgebildet worden“ sei, und spricht ferner von „einer geheimen Organisation in Afghanistan, die von einem wohlhabenden saudischen Geschäftsmann namens Osama bin Laden finanziert wird, der in Dschidda eine Baufirma betreibt.“ Ungeklärt bleibt, ob Yousef den Anschlag in New York im Auftrag Rahmans oder Bin Ladens ausgeführt hat.

Bis 1994. Al-Qaida vernetzt sich auf internationaler Ebene mit weiteren islamistischen Gruppierungen, die zum Teil andere Ziele verfolgen und auch andere Strukturen nebst Methoden besitzen. So trifft Bin Laden in dieser Zeit Imad Mughniyah, den Sicherheitschef der schiitischen Hisbollah im Libanon, und al-Qaida-Männer üben in Hisbollah-Ausbildungslagern. Kontakte gibt es auch zur Islamischen Vereinigung (al-Dschamāʿa al-islāmiyya) von Umar Abd ar-Rahman, dem „blinden Scheich“, der durch Anschläge auf Politiker wie Touristen einen politischen Umsturz in Ägypten einleiten will. Auch für Rahman werden die USA als Unterstützer der Regierung in Kairo zum Gegner. Anhänger von Rahman planen seit 1992 Terroranschläge in New York, die nach späteren Informationen des FBI von Bin Laden finanziert werden sollen.

Auch mit der im Sudan befindlichen Gruppe al-Dschihad unter Aiman az-Zawahiri, den Bin Laden aus Afghanistan kennt, pflegt al-Qaida Kontakte. Wie Rahman will ebenso Zawahiri das ägyptische Regime stürzen, lehnt die Operationen der Islamischen Vereinigung aber ab, weil sie zu Antiterroraktionen der ägyptischen Geheimpolizei führen, bei denen auch Zellen von al-Dschihad ausgehoben werden. Zawahiri verweigert sich in dieser Zeit der antiamerikanischen Kampagne Rahmans und Bin Ladens, da er die US-Amerikaner für seine Zwecke auszunutzen hofft. Ständige Geldnöte seiner Organisation zwangen ihn 1993 jedoch, Bin Ladens finanzielle Unterstützung zu suchen. Er sah die Kooperation ursprünglich nur als Bündnis auf Zeit an. Bei einem gescheiterten Anschlag auf den ägyptischen Innenminister Hassan al-Alfi setzte al-Dschihad im August 1993 erstmals Selbstmordattentäter ein. Dies war bis dahin eine bei sunnitischen Gruppen fast unbekannte Praxis.

Bin Ladens steigender Bekanntheitsgrad führt immer mehr junge Männer aus verschiedenen islamischen Ländern in al-Qaidas Ausbildungslager südlich Khartums. Geübt wird an Waffen, die aus dem afghanischen Tora-Bora mit einem von Bin Laden erworbenen US-amerikanischen Militärflugzeug in den Sudan verfrachtet worden sind. Neue Dschihadisten nimmt er persönlich in Empfang, stellt ihnen die USA als Hauptfeind der muslimischen Welt dar und behauptet, der Vietnamkrieg und der US-Rückzug aus dem Libanon 1983 hätten gezeigt, der Kampfeswille der Amerikaner könne schon durch relativ geringe Verluste gebrochen werden. Dies findet er bestätigt, als das US-Militär im März 1994 aus Somalia abzieht. Er präsentiert den Abzug als Erfolg al-Qaidas. Deren Beteiligung an der Tötung von US-Soldaten in der Schlacht von Mogadischu bestätigt später Vertreter der US-Geheimdienste, wobei der sudanesische Geheimdienst entgegenhält, lediglich einige Dutzend al-Qaida-Kämpfer seien nach Somalia gesandt worden, dort in Konflikt mit einheimischen Milizenführern geraten und hätten sich im Oktober 1993 wieder in den Sudan abgesetzt.

Mit Finanzmitteln unterstützt Bin Laden zeitweise den Guerillakrieg der GIA gegen das Militär in Algerien, das nach dem Wahlsieg der Islamischen Heilsfront 1992 geputscht hat. Jedoch werfen GIA-Vertreter bald Bin Laden Schwäche und Nachgiebigkeit gegenüber Demokraten vor. Dieser befürchtet eventuell, die Terrorkampagne der GIA, der mehrere zehntausend Zivilisten zum Opfer fielen, schade dem Ansehen der dschihadistischen Bewegung. Er entzieht der GIA schließlich seine Unterstützung.

Während des Bosnienkrieges kommt es zu zahlreichen Gräueltaten ausländischer muslimischer Freiwilliger, unter anderem unter der Führung des Oberbefehlshabers der bosnischen Armee, Rasim Delić, sogenannter Mudschaheddin, an Serben und Kroaten in Zentralbosnien und der Region von Ozren. Geschickt von bin Laden, kämpfen die al-Qaida-Anhänger während des gesamten Krieges mit der bosnischen Armee an vorderster Front.

4./5. Februar 1994. Eine radikale Gruppierung unter Führung des Libyers Abdullah al-Chalifei, einem ehemaligen Mudschaheddin, versucht Bin Laden zu ermorden. In mehreren wirr verlaufenden Aktionen überfallen Chalifei und seine Männer zwei Polizeiwachen in Khartum, um Waffen zu erbeuten, töten 16 Personen beim Sturm auf Bin Ladens Moschee, feuern auf Mitarbeiter seiner Unternehmen und greifen schließlich auch seine Villa an, wo sie jedoch überwältigt werden. Bin Laden, der eine Urheberschaft des ägyptischen Geheimdienstes vermutet, bleibt unverletzt, mehrere seiner Mitarbeiter und Gäste werden aber von Geschossen getroffen. Bin Laden hat seinen bis dato freien Lebensstil im Sudan dementsprechend zu ändern. Auf Zawahiris Drängen hin umgeben ihn nun ständig ägyptische Leibwächter, und er verlässt sein Haus nur noch bewaffnet.

Während die meisten westlichen Geheimdienste noch nicht auf Bin Laden und al-Qaida aufmerksam geworden sind, bringen deren Aktivitäten die saudische Führung in der arabischen Welt zunehmend in diplomatische Bedrängnis. Algerien und Ägypten fordern die Saudis dazu auf, ihrem Staatsbürger Einhalt zu gebieten.

5. März 1994. Als der Versuch, durch die Entsendung von Mitgliedern seiner Familie in den Sudan mäßigenden Einfluss auf Bin Laden auszuüben scheitert, entzieht ihm König Fahd die saudische Staatsbürgerschaft. Sein Halbbruder Bakr bin Laden, Chef des Clans, verstößt ihn in einer öffentlichen Erklärung kurz darauf aus der Familie. Das saudische Innenministerium beschlagnahmt Bin Ladens Anteile an der SBG, was ihn schnell in Finanznot bringt. Er verschärft daraufhin seine Rhetorik gegen den saudischen König und die ihn tragende Geistlichkeit. Zur Verbreitung seiner gegen das Regime in Riad gerichteten Propaganda dient ihm ein als „Beratungs- und Reformausschuss“ („Advice and Reformation Committee“) bezeichnetes, von al-Qaida in London betriebenes Informationsbüro.

Auch im Privatleben wachsen Bin Ladens Probleme. Mehrere seiner heranwachsenden Söhne sind mit den Lebensbedingungen im Sudan unzufrieden und wollen nach Saudi-Arabien zurückkehren. Seine vierte Ehefrau Umm Ali bittet ihn um Scheidung, und Bin Laden willigt ein. Umm Ali zieht mit den drei gemeinsamen Kindern nach Mekka.

Ende 1994. Aufgrund seiner Finanzschwierigkeiten teilt Bin Laden den al-Qaida-Männern mit, dass er ihre Gehälter kürzen müsse. Auch Sonderzuweisungen für seinen engsten Umkreis wurden eingeschränkt. Bisher haben die meisten al-Qaida-Mitglieder unterstellt, seine Finanzmittel seien unerschöpflich. Da der enge Zusammenhalt der Dschihadisten im Sudan auch mit den regelmäßigen Zahlungen zusammenhängt, wirkt die Ankündigung entmutigend. Es kommt zu ersten Absatzbewegungen. Medani al-Tajeb, der Schatzmeister von al-Qaida, der mit einer Nichte Bin Ladens verheiratet ist, kehrt nach Saudi-Arabien zurück.

Bin Ladens enger sudanesischer Gefolgsmann Dschamal al-Fadl taucht unter, nachdem er in Bin Ladens Unternehmen Geld unterschlagen hat. Anschließend bietet Fadl mehreren Geheimdiensten Informationen über al-Qaida an und verkauft diese 1996 für 1 Million US-Dollar an die US-amerikanische Regierung. Fadl berichtet den US-Amerikanern unter anderem, Bin Laden habe 1994 versucht, von einem sudanesischen General Uran über Schwarzmarktwege zu beziehen, um offenbar eine Radiologische Waffe („schmutzige Atombombe“) bauen zu können. Allerdings sei Bin Laden bei dem Geschäft betrogen worden. Außerdem habe er mit der sudanesischen Regierung an der Produktion chemischer Kampfstoffe gearbeitet.

Noch immer versucht die saudi-arabische Führung über Mittelsmänner Bin Laden zum Einlenken zu bewegen. Man bietet ihm eine Restitution seines Eigentums, die Rückgabe der Staatsbürgerschaft und möglicherweise auch Geldzahlungen an. Im Gegenzug soll er dem Dschihad abschwören und seine Angriffe auf König Fahd widerrufen. Bin Laden verlangt jedoch zusätzlich eine volle Amnestie und einen festen Zeitplan für den vollständigen Abzug US-amerikanischer Truppen aus Saudi-Arabien. Die Unterhandlungen führen zu keinem Ergebnis.

26. Juni 1995. Al-Dschihad und die Islamische Vereinigung verüben ein Attentat auf den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. Schauplatz ist die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba, in der Mubarak anlässlich eines Gipfels des Staatenbundes OAU weilt. Leiter der Operation ist Mustafa Hamsa, ein führendes Mitglied sowohl al-Qaidas als auch der Islamischen Vereinigung. Mubarak bleibt von den Geschossen der Attentäter unversehrt, zwei seiner Leibwächter und drei Angreifer sterben jedoch bei Schusswechseln. Durch die Verhaftung weiterer Verschwörer kann die äthiopische Polizei die sudanesischen Verbindungen der Drahtzieher offenlegen. Der UN-Sicherheitsrat fordert den Sudan im Januar 1996 mit UN-Resolution 1044 auf, die Verantwortlichen an Äthiopien auszuliefern und Terroristen nicht länger Zuflucht zu gewähren. Im April 1996 treten weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen das Land in Kraft. Im Nachgang des Attentats nötigt die ägyptische Geheimpolizei zwei ägyptische Jugendliche, das Umfeld Zawahiris in Khartum auszuspionieren und bei der geplanten Ermordung des al-Dschihad-Führers zu helfen. Mehrere Anschläge auf Zawahiris Leben schlagen jedoch fehl, und die jugendlichen Spione können enttarnt werden. Zawahiri lässt sie unter einem Privattribunal hinrichten, worüber sich Hasan at-Turabi und die sudanesische Führung entsetzt zeigen, werfen sie den ägyptischen Dschihadisten doch vor, die Gesetze ihres Gastlandes zu missachten. Zawahiri und seine Anhänger werden aufgefordert, den Sudan unverzüglich zu verlassen. Sie reisen nach Afghanistan, Jordanien und in den Jemen aus. Wegen der inzwischen engen Verflechtungen zwischen al-Dschihad und al-Qaida verliert Bin Laden dadurch einige seiner wichtigsten Gefolgsleute im Sudan.

August 1995. Mit einem per Fax verschickten, offenen Brief an König Fahd, in dem er diesen zum Rücktritt auffordert, vollzieht Bin Laden den endgültigen Bruch mit der saudischen Führung. Er prangert die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Saudi-Arabien an, macht den König persönlich und dessen Prunksucht sowie die Abhängigkeit vom Rohstoff Erdöl für die Zustände verantwortlich und protestiert erneut gegen die Stationierung US-amerikanischer Truppen in seiner Heimat: „Diesen schmutzigen, ungläubigen Kreuzzüglern darf nicht gestattet werden, im heiligen Land zu bleiben.“ Allerdings ruft Bin Laden, der Hoffnungen an eine Thronübernahme von Kronprinz Abdullah ibn Abd al-Aziz knüpfte, weder zum Sturz des Hauses Saud noch zu einer politischen Revolution in Saudi-Arabien auf.

13. November 1995. Bei einem Sprengstoffanschlag auf die Befehlsstelle der saudischen Nationalgarde in Riad sterben sieben Menschen, darunter fünf US-Bürger, die die saudischen Sicherheitskräfte ausbilden sollten. Die Tat wird von der saudischen Führung als Racheakt für die Hinrichtung eines „arabischen Afghanen“ wenige Monate zuvor bewertet. In Reaktion auf den Anschlag werden weitere „arabische Afghanen“ verhaftet und vier angeblich Verantwortliche im saudischen Fernsehen präsentiert, wo sie Schuldbekenntnisse verlesen und behaupten, von den Erklärungen Bin Ladens und anderer Radikaler angestachelt worden zu sein. Indes bestehen Zweifel, ob die unter Folter erzwungenen Geständnisse auf deren wirkliche Täterschaft schließen lassen. Bin Laden bekennt sich selbst niemals öffentlich zu einer Rolle al-Qaidas bezüglich des Anschlags. Er soll aber einem arabischen Journalisten gegenüber vertraulich geäußert haben, er habe die verantwortliche Zelle aktiviert, nachdem sein Brief an König Fahd folgenlos geblieben ist.

19. November 1995. Der geschwächte al-Dschihad verübt einen Selbstmordanschlag auf die ägyptische Botschaft im pakistanischen Islamabad, bei dem 16 Menschen sterben und 60 verletzt werden. Da sowohl die Tötung einfacher Botschaftsmitarbeiter als auch der Einsatz von Selbstmördern unter den al-Dschihad-Mitgliedern umstritten ist, hält es Zawahiri für angezeigt, den Anschlag in mehreren Erklärungen zu verteidigen: Wer für die ägyptische Regierung gearbeitet habe, sei es auch nur in einer niederen Position, könne nicht als unschuldiges Opfer gelten und Märtyrertum sei ein legitimes Mittel im Kampf gegen die Feinde Gottes. Die Ausführung des Attentats und Zawahiris Rechtfertigungen werden zum Vorbild nachfolgender Aktionen al-Qaidas. Bin Laden missbilligt das Attentat von Islamabad, weil er Pakistan als wichtigste Verbindung zu seinen Stellungen in Afghanistan und Gastland vieler „arabischer Afghanen“ nicht zum Feind der Dschihadisten machen will. Persönlich erwirkt er bei den pakistanischen Behörden die Freilassung von 200 „arabischen Afghanen“, die nach dem Attentat verhaftet worden sind. Sie dürfen Bin Laden in den Sudan begleiten.

Die Attentate in Addis Abeba und Islamabad unterminieren die Stellung Bin Ladens im Sudan, obwohl es sich bei den Attentaten nicht um Operationen al-Qaidas gehandelt hat. Die Regierung in Khartum ist nun darum bemüht die drohende diplomatische Isolation des Landes abzuwenden, und mithin beäugt man Bin Ladens Verbleib mit Argwohn. Der sudanesische Geheimdienst streut falsche Gerüchte, eine Auslieferung Bin Ladens nach Frankreich stünde bevor. Dies sollte ihn offenbar zur freiwilligen Ausreise bewegen. Staatspräsident Umar al-Baschir bietet dem saudischen Kronprinzen Abdullah die Überstellung Bin Ladens nach Saudi-Arabien an, falls diesem Straffreiheit gewährt würde. Das Angebot wird zurückgewiesen. Die USA lassen gegenüber der Führung in Khartum vertraulich durchblicken, die Ausweisung Bin Ladens sei eine Voraussetzung dafür, dass der Sudan von der Liste der den internationalen Terrorismus unterstützenden Staaten gestrichen würde. Eine Auslieferung an die USA wird jedoch nicht gefordert, weil offenbar keine Beweise vorliegen, um Bin Laden wegen der Ermordung von US-Bürgern anklagen zu können.

Frühjahr 1996. In mehreren persönlichen Gesprächen erläutert Hasan at-Turabi Bin Laden, der al-Qaida-Führer müsse entweder seine politische Betätigung einstellen oder den Sudan verlassen. Bin Laden, der sich dem Ultimatum nicht beugt, verweist auf die Dankespflicht des Sudan wegen seiner Investitionen im Land. Schließlich erklärt er sich aber zur Ausreise bereit. Weil er keinen Pass besitzt ist die Auswahl möglicher Zufluchtsorte begrenzt. Nachdem er auch ein Untertauchen in Ägypten und Somalia erwogen hat, entscheidet sich Bin Laden, nach Afghanistan zurückzugehen. Obwohl ihm die sudanesische Regierung noch immer Geld schuldet, zwingt sie ihn, seine großen Besitztümer im Land zu einem Bruchteil ihres Wertes zu veräußern.

18. Mai 1996. Bin Laden wird vom Sudan ins afghanische Dschalalabad ausgeflogen. Begleitet wird er nur von seinen Söhnen Saad und Omar sowie einigen Leibwächtern. Den verbliebenen al-Qaida-Männern finanziert Bin Laden den Rückflug in ihre Heimatländer. Einige von ihnen werden eingeladen, ihm nach Afghanistan zu folgen.

In Afghanistan befindet sich die Staatsordnung durch den seit 1989 herrschenden Bürgerkrieg weitgehend in Auflösung. Jene Instabilität ermöglicht es den Taliban unter Mohammed Omar, politische Oberhand zu gewinnen. Zur Ergreifung und zum Erhalt der Macht sichern Pakistan und Saudi-Arabien den Taliban finanzielle wie logistische Unterstützung zu. Zudem erpressen die Taliban Schutzgelder von Mohnbauern wie Opiatschmugglern.

Bin Laden errichtet in Afghanistan etwa fünfzig militärische Ausbildungslager.

Der pakistanische Journalist Hamid Mir
gibt Osama bin Laden ein Interview (1997)

25. Juni 1996. Bei einem Sprengstoffanschlag auf US-Soldaten in Zahran in Saudi-Arabien verlieren 19 Menschen ihr Leben.

23. Februar 1998. Bin Laden unterzeichnet mit Aiman az-Zawahiri und weiteren Personen eine Fatwa zur Gründung einer Internationalen Front für den Dschihad gegen Juden und Kreuzfahrer. Die Fatwa lautet wie folgt:

„Zur Pflicht eines jeden Muslims soll es werden, die Amerikaner und all ihre Verbündeten zu töten; ob Zivilisten oder Militärs. Jeder, der befähigt ist, aus jedem Land, in dem er befugt ist, soll die heiligen Stätten von Ungläubigen befreien und sie aller islamischer Länder verweisen. Die Ungläubigen müssen niedergezwungen werden, um die Bedrohung von uns Muslimen abzuwenden. […] Im Namen Allahs rufen wir jeden gottgläubigen und gottgefälligen Muslim dazu auf, dem Befehl Allahs zu folgen und die Amerikaner zu töten. Man nehme deren Vermögen, wo und wann immer es sich anbietet. […] Wer der Pflicht nicht nachkommt, den wird Allahs bittere Rache ereilen.“

Ziel der al-Qaida sei „die Vertreibung amerikanischer Truppen aus der Golfregion, der Sturz des saudischen Könighauses und damit die Befreiung der heiligen Stätten der Muslime und die weltweite Unterstützung militanter islamistischer Gruppen“.

16. März 1998. Der erste Haftbefehl gegen Bin Laden wird von der libyschen Regierung beantragt und von Interpol am 15. April 1998 offiziell bestätigt. Er wird des Mordes an zwei Beamten des BND verdächtigt.

7. August 1998. Es ereignen sich zwei Anschläge auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi. Etwa 224 Menschen kommen ums Leben, etwa 5.000 werden verletzt. 

Westlichen Medienberichten zufolge werden die Anschläge von regional ansässigen Mitgliedern al-Qaidas im Auftrag Bin Ladens durchgeführt.

20. August 1998. US-Präsident Bill Clinton lässt daraufhin mehrere Ausbildungslager nahe dem afghanischen Chost mit Marschflugkörpern unter Beschuss nehmen. In einem der Lager, wie die CIA im Jahr 2001 bekannt gibt, hätten sich an jenem Tage hochrangige Mitglieder al-Qaidas zusammengefunden. Selbst Bin Laden sei zugegen gewesen. Doch eine gute Stunde vor dem Bombardement habe er das Gelände wieder verlassen. Ein weiteres Ziel des Raketenangriffs ist die Asch-Schifa-Arzneimittelfabrik im Sudan, die irrtümlich für eine Chemiewaffenfabrik al-Qaidas gehalten wird. Nach Clintons Worten wird mit den Luftangriffen beabsichtigt, das Netz radikaler al-Qaida-Gruppierungen empfindlich zu schwächen. Denn man erahnte bereits die Rolle Bin Ladens als einflussreicher Organisator und Geldgeber des internationalen Terrorismus.

1999. In einem Interview mit Al Jazeera bestreitet Bin Laden, dass die arabischen Dschihadisten jemals von den USA unterstützt worden seien.

7. Juni 1999. Die US-Regierung veranlasst, Bin Laden auf die FBI-Liste der meistgesuchten Flüchtigen zu setzen. Bis Oktober 1999 bildet die CIA zirka 60 pakistanische Geheimkommandos aus, um Bin Laden in Afghanistan aufzuspüren und zur Strecke bringen zu können. Kooperativ stellt Bill Clinton dem Regenten Pakistans Nawaz Sharif in Aussicht, bestehende Handelssanktionen zu lockern und Wirtschaftshilfe zu leisten. General Pervez Musharraf stürzt jedoch Sharif am 12. Oktober 1999, und er unterbindet die Weiterführung des Geheimprojekts trotz erheblicher US-Einwände.

Anfang Dezember 1999. Die späteren Terroristen der Anschläge in den USA vom 11. September 2001 reisen in Begleitung von Talibans nach Kandahar in Afghanistan. Marwan al-Shehhi ist bereits vor der Ankunft von Ramzi Binalshibh in die Vereinigten Arabischen Emirate gesandt worden, um sich auf die kommende Mission vorzubereiten.

Mohammed Atef teilt den verbliebenen drei Männern mit, dass sie an einem streng geheimen Unternehmen teilnehmen werden. Mohammed Atta, Jarrah und Ramzi Binalshibh nehmen während ihres Aufenthalts im militärischen Ausbildungscamp Khaldan in der südöstlichen Provinz Paktia an einem ersten Vorbereitungskurs für die Anschläge teil.

Binalshibh und Atta treffen während ihres Aufenthaltes auf den al-Qaida-Anführer Osama Bin Laden. Bin Laden teilt ihnen mit, dass sie Märtyrer sein werden. Mohammed Atta wird von Bin Laden als Leiter der gesamten Operation ausgewählt. Während mehrerer Treffen von Atta und Bin Laden werden die Anschlagsziele World Trade Center, Pentagon und das Kapitol der Vereinigten Staaten evaluiert. 

Frühjahr 2000. Dem als Terrorpiloten vorgesehenen Ramzi Binalshibh wird von verschiedenen Behörden eine Visaerteilung für eine Einreise in die USA verweigert. Daraufhin bestimmt Bin Laden seinen saudi-arabischen Landsmann Hani Handschur als Ersatz, da Handschur bereits in den USA studiert.

12. Oktober 2000. Mitglieder al-Qaidas verüben einen Selbstmordanschlag auf das Kriegsschiff USS Cole (DDG-67). Am 19. Dezember 2000 stellt der UN-Sicherheitsrat dem Talibanregime das Ultimatum, den mutmaßlichen Terroristenführer Bin Laden innerhalb 30 Tagen auszuliefern. Die afghanische Talibanregierung beugt sich dem Ultimatum jedoch nicht und beruft sich auf das Gastrecht.

Die Regierung unter Bill Clinton verstärkt die Suche nach bin Laden. Es fehlen Clinton jedoch noch rechtliche Möglichkeiten zu einer umfassenderen Terrorbekämpfung, die erst seinem Nachfolger gegeben werden.

Bis 2001. Die US-Regierung versucht, die Taliban zur Auslieferung Bin Ladens zu bewegen. Zwar zeigen sie sich gesprächsbereit, verlangen im Gegenzug aber die Anerkennung ihres Regimes und die Aufhebung der bestehenden Boykottmaßnahmen.

Frühjahr 2001. Mohammed Atta erhält bei einem Treffen mit Ramzi Binalshibh in Europa nähere Instruktionen von Bin Laden und erfährt als einziger auch die Anschlagsziele. Atta koordiniert fortan alle beteiligten Attentäter, die Bin Laden ausgesucht hat und ab April 2001 in die USA einreisen. Atta legt offenbar auch den 11. September 2001 als Anschlagstermin und das Kapitol anstelle des schwieriger erreichbaren Weißen Hauses als Anschlagsziel fest.

August  2001. Offenbar treffen sich die beiden pakistanischen Atomwissenschaftler Sultan Bashiruddin Mahmud und Chaudiri Abdul Majeed mit dem al-Qaida Terroristen Osama Bin Laden und seinem Stellvertreter Ayman al-Sawahiri in Kabul um über Atomwaffen zu sprechen.

Die beiden pakistanischen Atomwissenschaftler waren früher zeitweise auch Mitglieder der Pakistanischen Atomenergiekommission (PAEC). Sie wurden 2001 festgenommen aber von den pakistanischen Behörden gegen den Willen der USA wieder freigelassen.

Mahmud möchte dass Pakistan die Produktion waffenfähigen Plutoniums ausweitet und auch andere islamische Länder damit versorgt. Das Atomwissen Pakistans ist seiner Meinung nach Eigentum der muslimischen Gemeinschaft. Majeed ist Experte für Atombrennstäbe und wurde in Belgien ausgebildet.

9. September 2001. Bin Laden lässt nach Aussage eines früheren Taliban den wichtigsten Anführer der afghanischen Opposition gegen die Taliban, Ahmad Schah Massoud, mithilfe zweier Selbstmordattentäter ermorden.

Terroranschlag vom 11. September 2001
- Flug 175 fliegt in den Südturm des
World Trade Centers

11. September 2001. Bin Laden gilt als Initiator und Planer der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001, die fast 3000 Menschen das Leben kosten. Bis zum Beginn des Krieges der USA gegen das Talibanregime bestreitet er seine Beteiligung daran. Danach räumt er immer deutlicher seine Führungsrolle dabei ein.

Eine Ehefrau und einige Kinder werden bei einem Grenzübertritt aus Afghanistan festgenommen und danach im Iran festgehalten. Khaled bin Laden fordert die iranische Führung im März 2010 schriftlich auf, sie freizulassen.

16. September 2001. Al Jazeera sendet eine Erklärung Bin Ladens: „Ich möchte der Welt versichern, dass ich die jüngsten Angriffe nicht geplant habe, die Leute aus persönlichen Gründen geplant zu haben scheinen. Ich habe in dem islamischen Emirat Afghanistan gelebt und bin seinen Regeln gefolgt. Der jetzige Führer erlaubt mir nicht, solche Operationen auszuüben.“ Einem britischen Bericht zufolge spricht er gegenüber einer pro-talibanischen afghanischen Presseagentur von einem Fahneneid, der ihm „solche Dinge von Afghanistan aus“ zu tun verbiete.

17. September 2001. US-Präsident George W. Bush erklärt, Bin Laden sei für die Anschläge des 11. Septembers 2001 hauptverantwortlich. Er müsse daher „tot oder lebendig“ dingfest gemacht werden.

18. September 2001. Der UN-Sicherheitsrat fordert das Talibanregime auf, Bin Laden „sofort und bedingungslos“ der US-amerikanischen Justiz zuzuführen. Der Talibanführer Mullah Omar lehnt dies mit der Begründung ab, Bin Ladens Schuld sei bis dato unbewiesen, und ohnehin habe er in Afghanistan nicht genug Freiraum, um Anschläge zu planen.

Der ehemalige Mudschaheddin-Kommandeur Hai Zamon macht das Angebot, Osama bin Laden an die Bundesrepublik Deutschland auszuliefern. Der Kontakt soll von Reinhard Erös, den der Kommandeur im Sowjetisch-afghanischen Krieg kennengelernt hat, über einen Journalisten an das Kanzleramt übermittelt worden sein. Daraufhin sollen sich zuerst ein hochrangiger Mitarbeiter des BND und anschließend ein hoher Offizier mit ihm getroffen haben. Nach zwei Wochen erhält Erös telefonisch die Nachricht: "Deine Regierung mag kein französisches Parfüm. Chanel Nº 5 [Codeword für Osama bin Laden] is too heavy for us, hat man mir soeben aus Berlin mitgeteilt. In fünf Tagen beginnt der Krieg. Er wird lange dauern. Schade, deine Regierung hätte ihn verhindern können."

20. September 2001. US-Präsident George W. Bush erklärt in einer außerordentlichen Regierungserklärung vor dem US-Kongress zunächst den Dank der USA für die internationale Solidarität und hebt den „treuen Freund“ Großbritannien besonders hervor. Dann benennt er das internationale Terrornetzwerk al-Qaida unter Osama bin Laden als für die Anschläge verantwortliche Organisation, auf die alle Beweise hindeuteten, und verlangt Bin Ladens sofortige Auslieferung durch das Regime der Taliban in Afghanistan. Andernfalls kündigt er einen „Krieg gegen den Terror“ an. Dabei betont er den Unterschied zwischen dem afghanischen Volk und seiner Regierung, deren Menschenrechtsverletzungen er kritisiert.

Ferner fordert er alle Nationen ultimativ auf, sich für die Unterstützung der USA zu entscheiden: „Entweder seid ihr auf unserer Seite oder auf der der Terroristen.“ Dann differenziert er den Islam vom Terror im Namen Allahs: Er respektiere den Glauben der Muslime; al-Qaida befinde sich in einem gotteslästerlichen Gegensatz dazu. Er nennt Anschläge auf Muslime in den USA „unamerikanisch.“ Die Rede wird parteiübergreifend begrüßt; die Zustimmungsraten für George W. Bush steigen in den USA zeitweise auf über 90 Prozent.

Während der US-amerikanische Kriegsminister Donald Rumsfeld Afghanistan baldmöglichst angreifen möchte, erreicht Außenminister Colin Powell, dass den Taliban zuvor ein Ultimatum zur Auslieferung Bin Ladens gestellt wird. Verhandlungen über eine Auslieferung enden jedoch ergebnislos.

Die Anschläge führen zu einer vorher nicht dagewesenen Ausweitung der präsidentiellen Macht und einer faktischen Aufhebung der Gewaltenteilung in den Vereinigten Staaten. Dies beruht, neben der Rolle des Präsidenten als verfassungsgemäßes Haupt der Exekutive und Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, vor allem auf der Theorie der unitary executive, der „einheitlichen Exekutive“. Danach stehe die Exekutive rechtlich über Legislative und Judikative, seine Fähigkeit, seine verfassungsmäßige Pflicht zu erfüllen und das US-amerikanische Volk zu schützen, dürfe nicht durch Beschlüsse des Kongresses behindert werden: Demnach könne er autonom darüber entscheiden, ob und wie er die Gesetze anwende. Der Kongress folgt George W. Bush in dieser Auslegung der Verfassung, lediglich der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten beharrt in mehreren Entscheidungen ab 2004 darauf, dass rechtsstaatliche Prinzipien wie Habeas Corpus und die Gewaltenteilung auch weiterhin Gültigkeit besäßen.

Unter dem Begriff Disaster Preparedness verstärkt die US-Regierung Mittel, Personal, Kompetenzen und Aufgaben für den Katastrophenschutz, die Flughafensicherheit und Luftsicherheit. 

Anfang Oktober 2001. Die USA verweisen auf Geheimdienstinformationen zu Bin Ladens Urheberschaft an den Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001, geben aber nur vereinzelte Details bekannt, darunter Geldtransfers zwischen Scheich Said, dem mutmaßlichen Finanzchef von al-Qaida, nebst Attentätern und mitgeschnittenen Telefonaten, in denen sich Anhänger Bin Ladens über die Anschläge austauschen sollen.

7. Oktober 2001. Die US-Truppen beginnen den Krieg in Afghanistan, um al-Qaida zu zerschlagen, Bin Laden zur Strecke zu bringen und das mit ihm verbündete Talibanregime zu stürzen.

Al Jazeera sendet an diesem Tag ein Video, in dem Bin Laden erklärt: „Gott hat eine Gruppe führender Muslime, die Vorhut des Islam, gesegnet, Amerika zu zerstören. Möge Gott sie segnen und ihnen einen hervorragenden Platz im Himmel zuteilen …“.

14. Oktober 2001. Angebote der Taliban vom , Bin Laden nach Vorlage von Beweisen in ein politisch neutrales Land auszuliefern, lehnt George W. Bush ab: „Wir wissen um seine Schuld.“

16. Oktober 2001. Nach nicht verifizierten Angaben der pakistanischen Zeitung Ummat soll Bin Laden auf schriftliche Anfrage bekräftigt haben, er sei nicht an den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 beteiligt gewesen und habe keine Kenntnis davon gehabt. Demnach begrüße er angeblich das Töten unschuldiger Frauen, Kinder und anderer Menschen nicht, da der Islam es sogar während einer Schlacht streng verbiete. Die Zeitung Ummat erhielt diese vermeintlichen Zitate in schriftlicher Form von Vertretern der Taliban. Diese angeblichen Aussagen Bin Ladens stehen im Widerspruch zu früher von ihm vertretenen Ansichten. So erklärte er beispielsweise im Jahr 1998 dem ABC-Reporter John Miller, dass man zwischen Militär und Zivilisten nicht unterscheiden würde.

Als afghanische Zivilisten verkleidete
Delta Force GIs suchten im November 2001
nach Bin Laden

21. Oktober 2001. In einem längeren Al-Jazeera-Interview räumt Bin Laden laut einer englischen Übersetzung von 2002 ein: Er habe die „mutigen Kerle“, die Amerikas berühmteste ökonomische und militärische Wahrzeichen zerstört hätten, dazu angestiftet. Wenn Anstiften zum Töten derer, die „unsere Söhne töten“, Terrorismus sei, dann lasse man die Geschichte bezeugen, „dass wir alle Terroristen sind.“ Auf die Frage, ob islamische Lehren das Töten von Christen, Juden und unschuldigen Zivilisten nicht verböten, fragte er zurück, ob muslimische Zivilisten nicht ebenfalls unschuldig seien und warum ihre millionenfache Tötung nicht ebenso verurteilt, verfolgt und bedauert werde. „Wir töten die Könige der Ungläubigen, die Könige der Kreuzzügler, und zivile Ungläubige als Ausgleich für die, die unsere Kinder töten. Das ist im Gesetz und Verstand erlaubt.“ Mohammed habe sein Verbot, Frauen und Kleinkinder zu töten, eingeschränkt: Falls Ungläubige dies absichtlich täten, müssten sie durch gleichartige Vergeltung gestoppt werden. Die Täter vom 11. September hätten nicht beabsichtigt, Kinder zu töten, sondern die stärkste militärische und ökonomische Macht der Welt zu zerstören. Das WTC sei keine „Kinderschule“ gewesen.

Ende Oktober 2001. Die französische Zeitung Le Figaro berichtet, Bin Laden habe sich im Juli 2001 einer Nierenbehandlung in Dubai unterzogen und dabei einen CIA-Beamten getroffen. Dies dementieren der Klinikdirektor in Dubai und Bin Laden selbst.

In Afghanistan eingesetztes
US-Propaganda-Flugblatt mit
bin Laden und Ayman al-Zawahiri

November 2001. Nach der Eroberung Kabuls flieht Bin Laden vor den US-Truppen aus Kandahar in das Höhlensystem im Gebirgsmassiv Tora-Bora.

Ein von der US-Regierung veröffentlichtes internes al-Qaida-Video enthält Aussagen Bin Ladens zur Anschlagsplanung und den erwarteten Folgen, die weit übertroffen worden seien. Einige Stellen sollen nach Aussagen einiger Sprachexperten unverständlich oder fehlerhaft übersetzt worden sein. Andere unabhängige Übersetzer geben jedoch an, Bin Laden habe neun der Attentäter namentlich genannt und daran erinnert, dass er seine Anhänger kurz vor den Anschlägen zum Gebet aufgefordert habe, sobald sie die Nachrichten davon hören würden.

Bin Laden war vor dem US-Angriff in der
Schlacht von Tora Bora in den
weißen Bergen Afghanistans

Dezember 2001. In der Schlacht um Tora Bora gelingt ihm mit Hilfe afghanischer Vertrauter, die gleichzeitig für die Koalitionsgruppen arbeiten, die Flucht. Dies bestätigen Zeugenaussagen 2005 entgegen US-Vertretern, die Bin Ladens Anwesenheit in Tora-Bora jahrelang bezweifelt haben. Der CIA-Beamte Cofer Black bestätigt, er habe CIA-Fahndern im Herbst 2001 einen Mordauftrag für Bin Laden erteilt.

Von Tora Bora aus organisiert ein lokaler Kommandeur die Flucht bin Ladens, zweier seiner Söhne und Zawahiris über Dschalalabad in ein abgelegenes Dorf in der Provinz Kunar im Nordosten Afghanistans. Dort befinden sie sich unter dem Schutz Gulbuddin Hekmatyārs.

21. Dezember 2001. Die US-TV-Sender ABC und CNN berichten, dass Osama Bin Laden auf dem Video außer Mohammed Atta noch weitere Flugzeugentführer nennt. Die Übersetzer hätten die Namen von insgesamt neun Verdächtigen heraushören können. Kommentatoren im US-amerikanischen Fernsehen meinen, die US-Regierung habe diese Stelle wahrscheinlich ausgelassen, um die verbündeten Saudis nicht zu brüskieren. Der Hamburger Orientalist Gernot Rotter sowie zwei unabhängige vereidigte Übersetzer stellen jedoch laut dem ARD-Magazin Monitor übereinstimmend fest, dass in der vom Pentagon herausgegebenen englischsprachigen Übersetzung des "Geständnisses" an gravierenden Stellen Bezüge hineinformuliert wurden, aus denen eine eindeutige Täterschaft Bin Ladens abgeleitet werden kann. So würden etwa Zeitbezüge hergestellt, die angeblich sein Vorwissen belegen, in der arabischen Originalversion aber nicht auftauchen. Zudem sei das Amateurvideo von äußerst schlechter Qualität und streckenweise unverständlich.

Anhand abgehörter Telefongespräche, Geldüberweisungen und Zeugenaussagen sehen die USA Chalid Scheich Mohammed und Mohammed Atef als Hauptplaner der Anschläge an. Muhammad Haidar Zammar gilt als Rekrutierer der Attentäter. Bin Laden wählte demnach Ende 1999 die späteren Attentäter aus, finanzierte den Anschlagsplan mit und befahl den späteren Flugzeugentführern der Hamburger Terrorzelle im November 1999, in die USA zu fliegen, um dort Flugschulen zu besuchen.

Video von Bin Laden (2001)

27. Dezember 2001. In von Al Jazeera gesendeten Video erklärt Bin Laden die Anschläge als legitime Reaktion auf angeblich von den USA geführte oder unterstützte Angriffe auf Palästinenser, den Irak, Somalia, Südsudan und Kashmir. Ziel sei, die US-Wirtschaft so weit zu schwächen, dass die USA sich aus den genannten islamischen Gebieten zurückziehen würden. Er sei nur Werkzeug Gottes. Egal ob er lebe oder sterbe, werde der Krieg weitergehen.

2002. Das FBI veröffentlicht weitere biographische Details der Terroristen der Anschläge in den USA vom 11. September 2001. Alle Attentäter stammen aus wohlhabenden, angesehenen, eher säkular eingestellt|en Familien und genossen eine Ausbildung, die sie zu Auslandsstudien qualifizierte. Erst dort suchten und fanden sie Kontakte zu radikal-islamischen Predigern, die den Dschihad gegen den Westen propagierten. Zu ihrer Ideologie gehörten der Glaube an eine jüdische Weltverschwörung, das Bild eines imperialistischen Westens, der die islamische Welt kolonisiere und fortgesetzt demütige, und ein Hass auf die von der Globalisierung erzeugte weltweite soziale Ungerechtigkeit.
  1. American-Airlines-Flug 11: Mohammed Atta (Pilot), Abdulaziz al-Omari, Satam al-Suquami, Wail al-Shehri, Waleed al-Sherhri
  2. United-Airlines-Flug 175: Marwan al-Shehhi (Pilot), Fayez Banihammad, Mohand al-Shehri, Ahmed al-Ghamdi, Hamza al-Ghamdi
  3. American-Airlines-Flug 77: Hani Handschur (Pilot), Khalid al-Mihdhar, Majid-Moqed, Nawaf al-Hazmi, Salem al-Hazmi
  4. United-Airlines-Flug 93: Ziad Jarrah (Pilot), Saeed al-Ghamdi, Ahmed al-Nami, Ahmed al-Haznawi.
Der FBI-Antiterrorexperte Dale Watson bezeugt die Verbindungen der 19 Attentäter zu al-Qaida und Bin Laden. Das FBI setzt seine Ermittlungen mit etwa 7.000 von 11.000 Angestellten unter der Bezeichnung PENTTBOM jahrelang fort.

Januar 2002. Pakistans Staatspräsident Musharraf behauptet, Bin Laden habe sich Geräte zur Dialyse-Behandlung aus Pakistan zuschicken lassen. Aufgrund der vielen vermuteten Ortswechsel des Flüchtigen könne er diese Dialysegeräte kaum praktisch anwenden. Somit liege die Annahme nahe, er sei wegen unterlassener lebensnotwendiger Behandlung verstorben.

Mitte 2002. Er reist weiter nach Peschawar, wo er sich mit seiner Frau Amal trifft und von dort aus fahren sie in den Distrikt Swat in Nordpakistan. Dort ziehen sie gemeinsam in ein Haus ein.

9. September 2002. Ein von Al Jazeera gesendetes Video zeigt einige der Attentäter des 11. September in afghanischen Ausbildungslagern der al-Qaida. Bin Ladens Stimme lobt sie als die, die den „Kurs der Geschichte verändert“ hätten.

12. November 2002. Al Jazeera sendet ein Tonband, auf dem Bin Ladens Stimme islamistische Anschläge des Jahres 2002 in Djerba (11. April), Karatschi (8. Mai, 14. Juni, 25. September), Jemen (6. Oktober), Failaka, Bali (12. Oktober), Moskau (23. Oktober) und weitere rechtfertigt: Sie seien nur reziproke Vergeltung von Muslimen zur Verteidigung des Islam und Reaktionen auf Taten der US-Regierung im Irak und Israels in Palästina gewesen, um arabische Führer zur Distanzierung von dieser „kriminellen Bande“ zu zwingen. Der Antiterrorkrieg sei ein Vorwand für einen Krieg gegen Muslime, geführt von den "Schlächtern unseres Zeitalters" wie US-Kriegsminister Donald Rumsfeld, der schon im Vietnamkrieg mehr als zwei Millionen Menschen getötet habe. Er droht: "Ihr werdet getötet werden, so wie ihr tötet, und ihr werdet bombardiert werden, so wie ihr bombardiert."

2003. Im Zuge des Irakkriegs erklärt Kyrsten Sinema, die wahren Freunde Saddam Husseins und Osama bin Ladens seien Ronald Reagan und George H. W. Bush.

Frühjahr 2003. Bin Laden zieht in die Stadt Haripur im gleichnamigen Distrikt, etwa eine Stunde von Islamabad entfernt, wo er mit Amal, seiner dritten Ehefrau Umm Chaled, ihrem gemeinsamen Sohn Khaled und den beiden ältesten Töchtern für die nächsten zwei Jahre lebt.

22. Februar 2004. Die britische Zeitung Sunday Express meldet, Bin Laden und etwa fünfzig seiner Anhänger seien im bergigen Nordwesten Pakistans nahe der afghanischen Grenze ausgemacht und eingekreist worden. Militärsprecher der USA und Pakistans dementieren dies umgehend.

12. Juli 2004. Bill Clinton sagt bei Johannes B. Kerner während der Vorstellung seiner Memoiren in Deutschland – auf mehrfaches Nachfragen –, dass er den Einmarsch im Irak zwar für falsch halte, im Nachhinein die US-Amerikaner den Irak aber nicht wieder verlassen könnten, bevor die Situation nicht bereinigt sei. Versuche Bushs, einen angeblichen Zusammenhang zwischen Bin Laden und Saddam Hussein darzustellen, kritisiert Clinton ebenfalls.

29. Oktober 2004. Vier Tage vor den US-Präsidentschaftswahlen, wendet sich Bin Laden in einer von Al Jazeera gesendeten Videobotschaft ohne seine sonstige Militärkleidung direkt an die US-Wähler und gegen US-Präsident George W. Bush. Er bekennt sich als Initiator der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 und kündigt weitere an, falls die USA ihre Politik nicht änderten. In weiteren Video- und Tonband-Botschaften macht er seine Planung der Anschläge deutlich. Als Hauptmotiv dafür nennen er und seine wichtigsten Mitplaner stets die Unterstützung der USA für Israel und dessen Politik gegenüber den Palästinensern.

„Während ich auf diese zerstörten Türme im Libanon blickte, kam mir der Gedanke, dass der Tyrann ebenso bestraft werden muss und wir Türme in Amerika zerstören sollten, damit er erfährt, was wir erfahren haben, und er davon abgeschreckt wird, unsere Frauen und Kinder zu töten.“

29. Oktober 2004. Vier Tage vor der Wiederwahl von George W. Bush, wendet sich Bin Laden an die US-Bevölkerung und erklärt, wann und warum er auf die Idee der Anschläge gekommen sei und dass weitere dieser Art folgen würden, 

16. Dezember 2004. Er geht in einem im Internet veröffentlichten Tonband auf den Überfall einer al-Qaida-Gruppe auf das US-Konsulat in Dschidda am 6. Dezember 2004 ein. Er droht dem saudischen Königshaus mit einem bewaffneten Volksaufstand der eigenen Untertanen, falls die Bevölkerung über eine muslimische Führung nicht frei entscheiden dürfe.

20. Juni 2005. CIA-Chef Porter Goss gibt an, er kenne den Aufenthaltsort Bin Ladens. Um seiner habhaft zu werden, müsse man „Heiligtümer souveräner Nationen“ in Betracht ziehen. Dass er Pakistan meint, wird vermutet, da sich ein anderer US-Botschafter zuvor entsprechend geäußert hat.

Ende 2005. US-Präsident George W. Bush lässt die 1995 zur Suche und Ergreifung Bin Ladens eingerichtete CIA-Spezialeinheit Alec Station auflösen.

2006. Bin Laden wird weiterhin als seit 1999 weltweit gesuchter Terrorist geführt. Der Steckbrief des FBI verweist auf die Anklage gegen ihn wegen der Botschaftsanschläge von 1998 und nennt summarisch weitere Terroranschläge. In einer Erläuterung dazu kündigt das FBI an, man werde weitere Anklagen gegen Bin Laden auf dem Steckbrief ergänzen, sobald die Ermittlungen das erforderten, zum Beispiel zu den  Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001.

Ein FBI-Sprecher erklärt, der für das Inland bestimmte Steckbrief diene als vorläufiger Haftbefehl. Dazu müsse er nur eine schon erhobene Anklage nennen. Bei einer Festnahme werde Bin Laden auch wegen des 11. Septembers angeklagt werden. Die Regierung Großbritanniens nennt Bin Laden als erwiesenen Hauptverantwortlichen der  Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001.

19. Januar 2006. In einem von der CIA als echt eingestuften Tonband droht er mit neuen Anschlägen in den USA und bietet diesen zugleich einen Waffenstillstand an.

23. Mai 2006. Bin Laden erklärt auf einem als echt eingestuften Tonband: Zacarias Moussaoui habe keinerlei Verbindung zum 11. September, da er selbst den 19 Attentätern die Angriffe anvertraut, Moussaoui aber diese Mission nicht zugewiesen habe.

23. September 2006. Nach einem Bericht des französischen Geheimdienstes DGSE, über den die Zeitung L’Est Republicain berichtet, sollten saudi-arabische Ermittler überzeugt sein, dass Bin Laden an einer starken Typhusinfektion verstorben sei. Dies dementieren CIA-Direktor Michael V. Hayden und weitere Vertreter der USA, Pakistans und Frankreichs.

13. Juli 2007. Der US-Senat beschließt, die bisher vom FBI ausgesetzte Belohnung für Hinweise, die zur Festnahme oder Tötung Bin Ladens führen würden, von 25 Millionen US-Dollar auf bis zu 50 Millionen US-Dollar zu verdoppeln. Er reagiert damit auf CIA-Berichte, wonach sich al-Qaida reorganisiert und neue Anschläge auf die USA zu planen begonnen habe.

7. September 2007. Ein neues Videoband zeigt Bin Laden als unbewegtes Standbild mit schwarz gefärbtem Bart. Darin wirft er George W. Bush vor, in Afghanistan die Fehler von Leonid Breschnew zu wiederholen. Den US-Demokraten wirft er vor, sie hätten darin versagt, den Irakkrieg zu stoppen. Um dies zu schaffen, sollen die Amerikaner zum Islam konvertieren. Ferner lobt er einige Attentäter, vor allem Abu Mussab Walid al-Schehri. Das Tonband gilt als echt, da Bin Laden eine Woche zuvor in derselben Kleidung auf einem weiteren als echt eingestuften Video zu sehen war.

November 2007. Bin Laden erklärt in einem über Al Jazeera ausgestrahlten Videoband, er allein sei für die tödlichen Angriffe auf New York und Washington verantwortlich. Deshalb sei die US-Invasion in Afghanistan ungerecht.

2008. Die Anklageschrift eines US-Militärgerichts gegen Khalid Scheich Mohammed nennt Bin Laden als erwiesenen Hauptverantwortlichen der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001. Die USA drängen die Regierung Saudi-Arabiens, Bin Laden ebenfalls wegen Gewaltverbrechen anzuklagen.

Die US-Reporterin Christiane Amanpour erhält von US-Beamten Hinweise, dass sich Bin Laden nicht in einer Höhle, sondern einer Villa in Pakistan verstecke. Bin Ladens Versteck wurde zwischen 2002 und 2010 unter anderem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet Wasiristan, im pakistanischen Ort Parachinar, im afghanischen Ort Ghazni und im nordpakistanischen Distrikt Chitral vermutet.

März 2008. Es erscheint ein Tonband mit Bin Ladens Stimme, auf denen er die Europäische Union wegen der Mohammedkarikaturen angreift: Diese Beleidigung übertreffe westliche Bombardierungen von Muslimen, die Abrechnung dafür werde daher schwerer, das Urteil entschlossener ausfallen.

2009. Bin Ladens erste Ehefrau Najwa schreibt in ihren Memoiren, Osama und sie hätten mit mehreren Söhnen 1979 den Staat Indiana in den USA bereist. Zudem sei Bin Laden damals für eine Woche nach Los Angeles geflogen, um sich dort mit Abdallah Yusuf Azzam und anderen Männern zu treffen. Seine Familie sei in Indiana bei einer Freundin Najwas geblieben. Ob er Azzam tatsächlich dort getroffen hat, ist nicht erwiesen, aber sehr wahrscheinlich.

US-Präsident Barack Obama verlangt von der CIA einen detaillierten Operationsplan, um Bin Laden zu finden und zu fassen.

12. Januar 2009. Für den Afghanistankrieg wird im Moment eine Strategie ausgearbeitet. Die Bush-Regierung hatte keinen Plan. Barack Obama will Osama bin Laden mit aller Macht bekämpfen. Das Grenzgebiet zwischen Afghanistan und dem Irak soll in Zukunft nicht mehr als Rückzugsgebiet dienen können.

14. Januar 2009. Im Internet meldet sich Osama Bin Laden zu Wort und fordert die Muslime zum Heiligen Krieg auf. 

März 2009. In einem Tonband bezeichnet Bin Laden die israelischen Bombenangriffe im Gazastreifen als Holocaust und ruft die Muslime zum Sturz der mit den USA und den „Zionisten“ verbündeten arabischen Regimes auf.

April 2009. Von US-Präsident Barack Obama werden interne Papiere des Geheimdienstes CIA veröffentlicht, die die Existenz eines polnischen Geheimgefängnisses bestätigen und die belegen, dass Mohammed insgesamt 183-mal durch Waterboarding gefoltert wurde.

Im Verlauf der Verhöre gab Chalid Scheich Mohammed an, bei einem Treffen um die Jahreswende 1999/2000 in Afghanistan mit Mohammed AttaZiad Jarrah und Marwan al-Shehhi, drei der mutmaßlichen Piloten der Terroranschläge in den USA am 11. September 2001, und Osama bin Laden dabei gewesen zu sein.

Chalid Scheich Mohammed gestand auch, „mit seiner gesegneten rechten Hand“ den jüdisch-amerikanischen Journalisten Daniel Pearl in Karatschi eigenhändig enthauptet zu haben. Dieses Geständnis ist nicht gerichtsfest, weil es unter Anwendung von Folter (Waterboarding) erpresst wurde.

29. April 2009. Baltasar Garzón (Spanischer Untersuchungsrichter) eröffnet ein Verfahren wegen der mutmaßlich im Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base verübten Folterverbrechen. Dabei leitete er auch Ermittlungen gegen die Bush Six, sechs hochrangige Mitglieder der früheren Regierung unter George W. Bush, ein. Nämlich gegen den früheren Attorney General Alberto R. Gonzales, den RECHTSberater John Yoo, den Kriegsstaatssekretär Douglas Feith, die RECHTSberater des Verteidigungsministeriums William Haynes II und Jay Bybee sowie gegen David S. Addington, den früheren Kabinettschef des US-Vizepräsidenten Dick Cheney. Diese hätten Foltertatbestände juristisch legitimiert. Allerdings eröffnet er auch verschiedene Verfahren gegen mutmaßliche Angehörige der Terrororganisation al-Qaida, unter anderem gegen Osama bin Laden.

2010. Nach von Wikileaks veröffentlichten Aussagen früherer Guantanamo-Häftlinge soll Bin Laden von Tora-Bora zunächst nach Jalalabad, von dort in die afghanische Provinz Kunar geflohen und Anfang 2003 mit seiner Familie in die pakistanische Ortschaft Khwar gezogen sein.

25. Januar 2010. In einem Video warnt Bin Laden Barack Obama vor neuen Anschlägen und lobt den Attentatsversuch von Umar Farouk Abdulmutallab vom 24. Dezember 2009, durch den er, Bin Laden, seine Botschaft vom 11. September 2001 bestätigt habe: Amerika werde nie vom Frieden träumen können, solange „wir in Palästina“ diesen nicht erlebten.

Oktober 2010. Berichte, wonach er sich im nordwestlichen Pakistan in einem komfortablen Wohnhaus aufhalte, dementiert Pakistans Innenminister Rehman Malik umgehend.

Das Haus in der nordpakistanischen Provinz
Khyber Pakhtunkhwa im Vorort Bilal Town
 der Militärgarnisonsstadt Abbottabad,
in dem sich Bin Laden versteckte.

2. Mai 2011, ca. 2:00 Uhr Ortszeit. Nach Angaben der US-Regierung begaben sich für die "Operation Neptune Spear" im Auftrag von US-Präsident Barack Obama vier US-Hubschrauber in das Zielgebiet in Abbottabad mit dem Auftrag Osama bin Laden lebend gefangen zu nehmen. Aber nichts spricht dafür, dass dies je Priorität hatte.

Ausgerechnet in Abbottabad im Norden Pakistans hält sich Bin Laden seit 2006 auf, mit einem stetig angewachsenen Hofstaat aus Frauen, Kindern, Enkeln, aber ohne Telefon- oder Internetanschluss. Im Herzen des mit den USA verbündeten, aber seit Langem von Washington mit Misstrauen beargwöhntem Pakistan. Dessen Regierung, Militär, Geheimdienst sind nicht eingeweiht.

Die beiden riesigen, zweimotorigen Chinook-Transporthubschrauber landen weit vor dem Einsatzort der Operation – als Notfallreserve, falls etwas schiefgeht.

Sehr leise und sehr tief dagegen steuern zwei erstmals eingesetzte »Tarnkappen«-Black-Hawks mit jeweils etwa zwölf Elitesoldaten einen Ort an, wo man den Qaida-Chef kaum vermuten würde: die bei pakistanischen Offizieren im Ruhestand beliebte Provinzstadt Abbottabad, 50 Kilometer nördlich in den Vorbergen des Karakorum gelegen. Das Ziel der beiden Helikopter ist ein zwar fünf Meter hoch ummauertes, ansonsten eher schmuckloses, dreistöckiges Anwesen, nur einen Kilometer entfernt von Pakistans Militärakademie.

Als der Erste der beiden Black-Hawk-Hubschrauber über dem Anwesen in Abbottabad tiefer geht, gerät er ins Trudeln, kracht mit dem Heckrotor gegen die Mauer und schlägt so hart auf, dass er beschädigt wird. Im Weißen Haus, wo Präsident Barack Obama und die Spitzen der US-Regierung die Operation verfolgen, wächst die Nervosität.

Die 23 Männer der geheimen »Delta Seals«-Kommandotruppe sprengen sich schließlich den Weg ins stockdunkle Haus frei. Sie töten mehrere der Bewohner auf ihrem Weg ins Obergeschoss, wo sie schließlich Bin Laden finden. Osama hat demnach ein Gewehr und eine Pistole in seinem Zimmer im zweiten Stock seines Anwesens. Er wird erschossen, als er danach greift. »Geronimo, Geronimo, Geronimo«, wird per Funk durchgegeben, das Passwort für die Tötung Bin Ladens. Im Weißen Haus sagt Barack Obama: »We got him.«

Bei der etwa 40-minütigen Militäraktion werden nach US-Angaben vier weitere Personen getötet, darunter ein Sohn Bin Ladens. Mehrere Anwesende werden verletzt und insgesamt 17 Personen gefesselt zurückgelassen. Bin Ladens Identität wird nach Angaben der US-Regierung mit einer DNA-Analyse festgestellt und sein Leichnam noch am selben Tag an geheimer Stelle von Bord des US-Flugzeugträgers USS Carl Vinson im Arabischen Meer bestattet.

Als Bush von seinem Nachfolger Barack Obama telefonisch über den Erfolg der Operation Neptune Spear, der Tötung Osama Bin Ladens informiert wird, bezeichnet er dies als „guten Anruf“; jedoch sei er „nicht außer sich vor Freude“. Er lobt die Arbeit der Geheimdienste in dieser Sache. Obamas Einladung zu einem gemeinsamen Auftritt bei der zu diesem Anlass abgehaltenen Feier am Ground Zero lehnt er ab.

Danach gibt Barack Obama das Ergebnis der Operation Neptune’s Spear in einer Rede an die Nation bekannt. Daraufhin steigen die Zustimmungsraten für seine Politik in repräsentativen Umfragen um neun bis elf Prozentpunkte.

Erste Angaben, wonach Bin Laden am Feuergefecht beteiligt gewesen sei, korrigiert die US-Regierung wenige Tage später: Er sei unbewaffnet gewesen. Jedoch hätten sich ein Sturmgewehr und eine Pistole in seiner Reichweite befunden, und er habe keine Anzeichen gezeigt, sich zu ergeben. Daraufhin sei er erschossen worden. Das Vorgehen der USA wird international häufig als mit dem Völkerrecht und Rechtsstaatlichkeit unvereinbare Exekution kritisiert.

Die Aufnahmen die danach veröffentlicht werden sind nicht echt, sondern stammen aus einer der zahlreichen Animationen oder Nachstellungen, mit denen Journalisten und Regisseure wie die Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow („Zero Dark Thirty“) die Szene illustrieren.

Der Arzt Shakeel Afridi lieferte dem US-Geheimdienst CIA den Beweis, dass sich der wegen der Anschläge vom 11. September 2001 gesuchte Osama bin Laden tatsächlich in dem vermuteten Haus in der Stadt Abbottabad aufhielt. Der Arzt startete ein Impfprogramm und gelangte so an eine DNA-Probe aus dem Versteck. Wie entscheidend Afridi bei der Identifizierung des Al-Kaida-Chefs tatsächlich war, ist unklar.

Die Konsequenzen für den Mediziner waren und sind jedoch dramatisch: Wenige Wochen nach dem tödlichen Angriff der Spezialeinheit der Navy Seals in der Nacht zum 2. Mai 2011 wird Afridi verhaftet und von einem Stammesgericht nach einem fragwürdigen Gesetz aus der Kolonialzeit zu 33 Jahren Haft verurteilt. Der Grund: Er soll angeblich einer aufständischen Gruppe Geld zur Verfügung gestellt haben. Die US-Regierung setzt sich immer wieder für Afridis Freilassung ein und möchte auch einen Gefangenenaustausch aushandeln, doch die Versuche bleiben erfolglos.

Er kommt in Einzelhaft. Afridis Zelle im Gefängnis Sahiwal in der Provinz Punjab ist winzig, fünf Quadratmeter groß, wie seine Familie und sein Anwalt berichten – die einzigen, mit denen er Kontakt haben darf. Darin gehe er auf und ab und mache Liegestütze, um sich zu bewegen. Die einzige Lektüre ist der Koran, andere Bücher oder Zeitungen sind verboten.

Der White House Situation Room, in dem
Mitglieder der Obama-Administration die
Mission verfolgen, bei der bin Laden getötet
wurde

4. Mai 2011. Die US-Regierung erklärt, die Erstürmung und Tötung sei in voller Übereinstimmung mit dem Kriegsvölkerrecht vollzogen worden. Die Beteiligten hätten Bin Laden wegen der Lebensgefahr für sich nicht lebend festnehmen können. Barack Obama erklärt bezüglich Osama bin Laden wegen Sicherheitsrisiken werde er keine Fotografien des Getöteten freigeben.

19. Mai 2011. Al-Qaida gibt ein Tonband heraus, das Bin Laden eine Woche vor seinem Tod aufgezeichnet haben soll. Darin lobt er die Revolutionen in arabischen Staaten von 2011 und fordert Muslime auf, ihre Tyrannen zu stürzen.

2012. Matt Bissonnette veröffentlicht unter dem Pseudonym „Mark Owen“ das Buch „No Easy Day“. Er hat tatsächlich an dem Einsatz in Pakistan teilgenommen. Ihm zufolge haben einige der Navy Seals bereits beim Hochlaufen der Treppe gezielt auf Osama geschossen. Als sie Sekunden später den Raum betreten hätten, habe Osama verletzt auf dem Boden vor ihnen gelegen. Seine beiden Waffen seien ungeladen gewesen. Zwei Seals, darunter Bissonnette, hätten dann gezielt auf seine Brust schossen und ihn so getötet. Weil er das Buch ohne Genehmigung publiziert hat, muss er sämtliche Einnahmen an die US-Regierung abtreten: 6,8 Millionen US-Dollar.

Ebenfalls 2012 erscheint der Band „The Finish. The Killing of Osama Bin Laden“ des Journalisten Mark Bowden. Ihm zufolge hat der US-Präsident einen verdeckten Tötungsbefehl gegeben. Der Terrorchef solle, wenn er sich ergeben wollte, „besser nackt und am Boden sein“. Weil damit nicht zu rechnen gewesen sei, habe es sich faktisch um die Anweisung gehandelt, Osama zu erschießen.

2. Mai 2012. US-Präsident Barack Obama reist zum Jahrestag der Tötung von Osama Bin Laden nach Afghanistan. Es ist Wahlkampf in den USA. Er erklärt dass im Rahmen einer "strategischen Partnerschaft" auch nach 2014 US-amerikanische Truppen in Afghanistan bleiben werden "um afghanische Sicherheitskräfte auszubilden". Auch Kampfeinsätze sind der Aussage nach weiterhin denkbar. Kurz nach seiner Abreise gibt es ein Kabul einen Anschlag auf ein westliches Ziel.

Februar 2013. Der Ex-Seal Robert O’Neill berichtet zunächst anonym, er habe zusammen mit einem Kameraden persönlich auf Osama geschossen. Seine Kugeln hätten ihn sofort tödlich im Kopf getroffen. Ende 2014 sickert O’Neills Name durch, der sich daraufhin wiederholt öffentlich zur Tötung Osamas bekennt.

24. September 2014. Laut Medienberichten soll die US-Armee von Deutschland aus Drohneneinsätze gegen Osama Bin Laden geflogen haben - anscheinend ohne das Wissen der Bundesregierung. Die US-Soldaten sollen die damals noch unbewaffneten Drohnen vom rheinland-pfälzischen US-Stützpunkt Ramstein aus gesteuert haben.

Die Einsätze begannen demnach 2000. Bin Laden war seit den Anschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia untergetaucht, der US-amerikanische Geheimdienst vermutete ihn in Afghanistan. Die Fluggeräte vom Typ Predator seien im nördlichen Nachbarland Usbekistan gestartet worden, heißt es. Schon wenige Tage nach den ersten Einsätzen hätten die Drohnenpiloten den Terroristen entdeckt.

Schon damals habe man darüber nachgedacht, die Drohnen mit Raketen zu bestücken, doch Juristen des US-Kriegsministeriums hätten Bedenken geäußert: Sollte ein Drohnenpilot von Ramstein aus ohne die Zustimmung der deutschen Regierung eine Rakete abschießen, würden die Vereinigten Staaten gegen das Truppenstationierungsabkommen verstoßen.

Die Bundesregierung sei nicht über den Einsatz der Drohnenpiloten in Ramstein informiert worden. Ein Sprecher der Bundesregierung habe mitgeteilt, Washington habe gegenüber Berlin bestätigt, dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland bewaffnete Drohnen derzeit "weder geflogen noch befehligt werden". Ob die Regierung wusste, dass in der Vergangenheit Drohnenpiloten in Ramstein eingesetzt waren, sagt der Sprecher demnach nicht.

12. Dezember 2014. CIA-Direktor John O. Brennan lädt in die Geheimdienst-Zentrale in Langley (Virginia) vor den Toren der Hauptstadt ein, um seine Behörde gegen die Enthüllungen des Folterberichts von Senatorin Dianne Feinstein zu verteidigen. Das Wort „Folter“ nimmt er gar nicht erst in den Mund.

Seine Mitarbeiter seien integer und hätten sich verdient gemacht um die Sicherheit der USA. Aber „in einer begrenzten Zahl von Fällen“ seien Techniken genutzt worden, „die nicht autorisiert waren, die abscheulich sind und die richtigerweise von allen abgelehnt worden sollten“, so Brennan.

„Wir sind keine perfekte Einrichtung“, sagt Brennan und bleibt im Einklang mit dieser Selbstetikettierung in manchen Details bewusst schwammig. Ob er entgegen den Aussagen des Berichts bei der bisherigen Darstellung des Geheimdienstes bleibe, dass durch Waterboarding und andere „erweiterte Verhörtechniken“ entscheidende Erkenntnisse etwa zur Jagd nach al-Qaida-Chef Osama Bin Laden gewonnen worden seien, fragt darum ein Journalist nach.

Gefangene, die derartigen „EITs“ (Enhanced Interrogation Techniques) unterzogen wurden, hätten Informationen geliefert, die zum Aufspüren von Bin Laden geführt hätten, antwortet Brennan, und er räuspert sich: „Nochmals: Sie lieferten Informationen ...“ – was aber nicht zwingend heiße, „dass diese Informationen den EITs zu verdanken sind“.

Dianne Feinstein, lässt das nicht durchgehen. „Studie beweist definitiv, EITs führten nicht zu Bin Laden. Seite 378. #ReadTheReport“, twittert sie in die live übertragene Pressekonferenz hinein. An besagter Stelle des Reports lässt sich nachlesen, dass „die genauesten Informationen“ über den Bin-Laden-Vertrauten Abu Ahmad al-Kuwaiti, die schließlich zum Aufspüren und zur Tötung des Terrorchefs in dessen pakistanischem Versteck in Abbottabad führten, „von einem CIA-Gefangenen kamen“, der den erweiterten Verhörtechniken nicht unterworfen wurde – während Gefangene, die diesen Maßnahmen ausgesetzt waren, „Informationen über Abu Ahmad al-Kuwaiti zurückhielten oder erfanden“.

Ob Brennan „kategorisch ausschließen“ könne, dass nur drei Terrorverdächtige diesem simulierten Ertrinken unterzogen wurden, nämlich mindestens 183 Mal im Fall von „9/11“-Mastermind Khaled Scheich Mohammed sowie mehrfach bei seinen Komplizen Abu Subaida und Ramsi Binalshibh. „Kategorisch“, das sei ein Wort, antwortet Brennan sehr vorsichtig, das er lieber vermeide. Aber nach allem, was er gelesen und gehört habe, gehe er von lediglich diesen drei Fällen aus.

Prompt kommt der nächste Tweet von Feinstein. „Warum gab es ein Wasserbrett und Eimer in der Cobalt-Einrichtung? Seite 51. #ReadTheReport“, bohrt die Politikerin nach. Cobalt war ein CIA-Geheimgefängnis in Afghanistan, das intern als „Kerker“ bezeichnet wurde.

Der CIA-Direktor räumt ein, dass sie „in manchen Fällen an den Standards scheiterten, an denen wir gemessen werden“. Im Dezember 2007 aber seien alle diese Maßnahmen und Programme beendet worden. Man habe eine Reihe von Reformen verfügt, um sicherzustellen, „dass diese Fehler nie wieder passieren“.

Brennan erinnert an die eindeutigen Erfolge, die seine Behörde aus schwierigen Zeiten vorweisen könne. „Wie auch immer Sie EIT sehen mögen, unsere Leute haben vieles gut gemacht“, sagt er. Das allerdings klingt wie: „Wir waren schlimm, aber andere waren schlimmer“ – kein Wall, hinter dem sich die Weltführungsmacht USA erfolgreich verschanzen könnte.

„Die CIA hilft, unser Land sicher, stark zu halten. Folter nicht. Wir müssen lernen aus unseren Fehlern“, twitterte Feinstein und fügt erneut den Hashtag an: „#ReadTheReport“.

2. Mai 2015. Pünktlich zum vierten Jahrestag publiziert der US-Starreporter Seymour Hersh einen langen Artikel mit dem Titel „The Killing of Osama bin Laden“ im angesehenen Magazin „London Review of Books“. Darin bezichtigt er den US-Präsidenten der Lüge. Demnach habe Osama in Abbottabad tatsächlich in Hausarrest der pakistanischen Regierung gesessen. Der Angriff der Seals sei keine Überraschungsattacke gewesen, sondern ein abgekartetes Spiel, um ihn loszuwerden. Washington habe mitgespielt und die von Pakistan gewünschte Tötung des al-Qaida-Chefs umgesetzt.

23. September 2015. Abdul Schalabi (Ex-Fahrer von Osama bin Laden) wird im Zuge eines von Saudi-Arabien eingerichteten Rehabilitierungsprogramms aus dem Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba freigelassen und in seine Heimat Saudi-Arabien überstellt. Er soll in den kommenden Jahren begleitet und beaufsichtigt werden. 

Ein Militär-Berufungstribunal habe im Juni entschieden, die Inhaftierung von Abdul Schalabi aufzuheben, weil von dem 39-Jährigen keine "Bedrohung mehr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten" ausgehe, sagt Pentagon-Sprecher Peter Cook.

Während seiner Zeit in dem US-Gefangenenlager in Kuba ist Schalabi für längere Zeit in einen Hungerstreik getreten. Nach Schalabis Freilassung, die laut Cook in enger Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien erfolgt, gibt es in Guantanamo noch 114 Häftlinge. 

Schalabi ist im Dezember 2001 von pakistanischen Truppen gefangengenommen und nach Guantanamo gebracht worden. Nach US-Angaben wurde er gefasst, als er auf der Flucht aus Bin Ladens Tora-Bora-Höhlenfestung die Grenze zu Pakistan passieren wollte.

August 2018. Es wird bekannt, dass Mohammed Atta Tochter Hamza bin Laden, den Sohn von Osama bin Laden, geheiratet haben soll. Die Tochter soll die ägyptische Staatsangehörigkeit haben. Bis zum Bekanntwerden der Hochzeit ging man davon aus, dass Atta keine Nachkommen habe. Er wurde zuvor als „bekennender Junggeselle“ (avowed virgin) dargestellt. In Attas Testament, das er fünf Jahre vor dem Attentat verfasste, erwähnte er keinerlei Angehörige. Das Kind wurde möglicherweise während eines mehrmonatigen Aufenthalts Attas in Afghanistan im Jahr 2000 gezeugt.

Da Hamza bin Laden angeblich zu Anschlägen gegen die USA aufgerufen habe, um die Tötung seines Vaters durch US-amerikanische Spezialeinheiten zu rächen, haben die USA ein Kopfgeld von 1 Mio. US-Dollar für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, ausgesetzt.

September 2019. Das Weiße Haus gibt bekannt, dass Hamza bin Laden bei einem Einsatz, den die Vereinigten Staaten in Afghanistan oder Pakistan geführt hätten, getötet worden sei. Zum genauen Zeitpunkt seines Todes gibt das Weiße Haus keine Erklärung ab.

4. Oktober 2020. US-Präsident Donald Trump teilt einen Tweet teilt, demzufolge Osama noch lebe und in Abbottabad lediglich ein „Körperdouble“ getötet worden sei.

2. Mai 2021. Joe Biden (Präsident der USA) nutzt den zehnten Jahrestag der Tötung von Qaida-Chef Osama Bin Laden, um den US-Truppenabzug aus Afghanistan zu rechtfertigen. »Wir werden weiterhin jede Bedrohung, die von Afghanistan ausgeht, überwachen und unterbinden«, erklärt Biden. Die Nachricht über den Tod Bin Ladens vor zehn Jahren sei ein Moment gewesen, »den ich nie vergessen werde«, betont er.

»Wir haben Bin Laden bis zu den Toren der Hölle verfolgt – und wir haben ihn erwischt«, sagt Biden in einer vom Weißen Haus veröffentlichten Erklärung. »Wir haben das Versprechen an all jene gehalten, die am 11. September geliebte Menschen verloren haben.« Biden lobt Ex-Präsident Barack Obama für seine Entscheidung von 2011, die geheime Operation gegen den Qaida-Chef zu genehmigen.

Biden hat im vergangenen Monat angekündigt, Washingtons längsten Krieg bis zum 11. September zu beenden und alle Truppen abzuziehen. Experten befürchten, dass das Land ohne die internationalen Truppen wieder im Chaos versinken könnte.

Nach dem geplanten US-Abzug aus Afghanistan werde es schwer, die Extremisten dort zu bekämpfen, sagte der Terrorexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Guido Steinberg. Zudem hätten die militant-islamistischen Taliban keinen Grund, ihr Bündnis mit Al-Kaida aufzugeben. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich die Taliban in Afghanistan durchsetzten. "Das könnte zu einem Weckruf für Dschihadisten weltweit werden."

Bilder aus Wikimedia Commons
Osama bin Laden (ca. 1998), Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, Urheber: Hamid Mir
Ehen und Nachkommen Osama bin Ladens, Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“, Urheber: Basilio
Das Haus in der nordpakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Vorort Bilal Town der Militärgarnisonsstadt Abbottabad, in dem sich Bin Laden versteckte, Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch), Urheber: Sajjad Ali Qureshi
Der pakistanische Journalist Hamid Mir gibt Osama bin Laden ein Interview (1997), Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, Urheber: Hamid Mir
Terroranschlag vom 11. September 2001 - Flug 175 fliegt in den Südturm des World Trade Centers, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic, Urheber: Robert J. Fisch
Video von Bin Laden (2001), Lizenz: Public Domain, Urheber: U.S. Department of Defense
Als afghanische Zivilisten verkleidete Delta Force GIs suchten im November 2001 nach Bin Laden, Lizenz: Public Domain, Urheber: "Dalton Fury" -- the pen-name of a Major in the Delta Force
Bin Laden war vor dem US-Angriff in der Schlacht von Tora Bora . in den Weißen Bergen Afghanistans, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, Urheber: Mujtaba Hassan

Quellen