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| Atomkraftwerk Flamanville |
Das französische Atomkraftwerk Flamanville befindet sich am Fuße eines 70 Meter hohen granitartigen Felsens an der Westküste der französischen Halbinsel Cotentin am Ärmelkanal. Der Standort liegt bei der Gemeinde Flamanville in der Region Basse-Normandie im Département Manche, etwa 25 Kilometer westlich von Cherbourg und 20 Kilometer südlich der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Um das Atomkraftwerk zu bauen, musste eine hohe Klippe gesprengt werden.
Das Atomkraftwerk besteht aus zwei in Betrieb befindlichen Druckwasserreaktoren (DWR/PWR), sowie einem in Bau befindlichen Reaktor des Typs Europäischer Druckwasserreaktor (EPR).
Der geplante EPR soll unter anderem durch eine doppelte Außenhülle und einen so genannten Core-Catcher höchsten Sicherheitsansprüchen genügen. Bei letzterem soll ein Keramikbecken eine eventuelle Kernschmelze auffangen können. Der Atomkonzern Areva schätzt bei diesem Reaktortyp die Unfallgefahr um das Zehnfache niedriger als bei älteren Generationen ein. Allerdings ist der EPR nur auf eine Niederdruck-Kernschmelze ausgelegt, nicht jedoch auf eine Hochdruckkernschmelze. Hier ist vorgesehen, eine eventuelle Hochdruckkernschmelze durch manuelles Öffnen eines Ventils in eine Niederdruckkernschmelze zu überführen. Neben Flamanville sollen Atomkraftwerke mit EPR-Reaktoren in Hinkley Point (Großbritannien), Olkiluoto (Finnland), und Taishan (China) gebaut werden.
Die installierte Bruttogesamtleistung liegt bei 2764 MWe. Damit zählt das Atomkraftwerk zu den mittleren in Frankreich. Pro Jahr speist es durchschnittlich 18 Milliarden Kilowattstunden in das öffentliche Stromnetz über das Umspannwerk von L’Étang-Bertrand ein. Dies entspricht dem jährlichen Bedarf an elektrischer Energie der Regionen Basse-Normandie und der Bretagne. Es liefert damit ungefähr drei Prozent des französischen Bedarfs an elektrischer Energie.
Zur Kühlung wird Wasser aus dem Ärmelkanal genutzt.
Betreiber des AKWs ist die staatlich dominierte französische Gesellschaft Électricité de France (EDF). Im AKW sind etwa 700 Personen beschäftigt.
Geschichte
1. Dezember 1979. Baubeginn Block 1. Er bekommt einen Druckwasserreaktor vom einer elektrischen Bruttoleistung von 1382 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 1330 MWe.
1. Mai 1980. Baubeginn Block 2. Er bekommt einen Druckwasserreaktor vom einer elektrischen Bruttoleistung von 1382 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 1330 MWe.
4. Dezember 1985. Reaktor 1 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.
18. Juli 1986. Reaktor 2 wird erstmals mit dem Stromnetz synchronisiert.
1. Dezember 1986. Block 1 geht in den kommerziellen Leistungsbetrieb.
9. März 1987. Block 2 geht in den kommerziellen Leistungsbetrieb.
Oktober 2002. Laut einem Bericht der Atomsicherheitsbehörde ASN könnte es im Falle eines starken Erdbebens zum Versagen der Notkühlung kommen weil die Funktionsfähigkeit eines sicherheitsrelevanten Ventils, das das Abkühlen der Reaktorblöcke gewährleisten soll, bei einem Erdbeben nicht sichergestellt werden kann.
21. Oktober 2004. Der Elektrizitätskonzern EDF gibt die Errichtung eines dritten Reaktors bekannt. Dabei handelt es sich um die dritte Generation von Druckwasserreaktoren, den Europäischen Druckwasserreaktor (EPR), der seit 1992 von der französischen Atomholding Areva und Siemens entwickelt wurde. Dieser soll als zweiter seiner Bauart, nach dem finnischen Reaktor 3 im Kernkraftwerk Olkiluoto (in Bau seit 12. August 2005), in Betrieb genommen werden. Die Leistung des EPR-Reaktors soll bei 1650 MW liegen. Es wird mit Baukosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro geplant.
3. Dezember 2007. Baubeginn Block 3. Er bekommt einen Druckwasserreaktor vom Typ EPR mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1650 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 1600 MWe.
Ende 2008. Areva erklärt, die Bauzeit verzögere sich bis 2013 und die Baukosten würden 4 Milliarden Euro betragen.
2010. In der Halbjahrsbilanz für das 1. Halbjahr 2010 schreibt EDF, der kommerzielle Betrieb werde für 2014 erwartet. die Kosten würden „ungefähr 5 Milliarden Euro“ betragen.
Juli 2011. EDF schätzt die Kosten nun auf 6 Mrd. Euro. Die geplante Inbetriebnahme soll im Jahr 2016 stattfinden.
2012. Ursprünglich geplante Inbetriebnahme von Block3.
31. Januar 2012. Der Oberste Rechnungshof in Frankreich legt eine umfangreiche Studie zu den Kosten der Atomenergie vor:
„Die Bau- und Planungskosten (79.751 Mio. €2010), heruntergerechnet auf die Reaktorleistung, stiegen mit der Zeit von 1,07 Mio. €2010/MW im Jahr 1978 (Fessenheim) auf 2,06 Mio. €2010 im Jahr 2000 (Chooz 1 und 2) bzw. auf 1,37 Mio. €2010 im Jahr 2002 (Civaux) bei einem Durchschnitt von 1,25 Mio. €2010/MW für die 58 Reaktoren. Diese Erhöhung steht vor allem mit den immer höheren Sicherheitsanforderungen im Zusammenhang. Auch wenn ein genauer Vergleich nicht möglich ist, da die abschließenden Gesamtkosten eines EPR unbekannt sind, konnte der Cour des Comptes feststellen, dass die Baukosten im Verhältnis zur Leistung in MW mit dieser neuen Generation, die von Anfang an umfangreiche Sicherheitsauflagen erfüllen musste, weiter gestiegen sind. Bei geschätzten Baukosten von 6 Mrd. € für den EPR Flamanville (erster Reaktor der Baureihe) und einer Leistung von 1.630 MW betragen die Kosten pro MW 3,7 Mio. €.“
05. Juli 2012. Bei dem Streit um die Verzögerungen beim Bau des AKW Olkiluoto in Finnland wurde Siemens und Areva von einem internationalen Schiedsgericht eine Zahlung von 125 Mio. Euro durch den Auftraggeber TVO zugesprochen. Die Aussage des Artikels vom angeblich derzeit einzigen Neubau eines AKWs in Europa ist allerdings falsch. Auch in Frankreich in Flamanville wird derzeit ein EPR aufgebaut mit genau der selben miesen Bilanz bezüglich Verzögerungen und Kostensteigerungen.
04. Dezember 2012. Die Kosten für den EPR Flamanville sind zwischenzeitlich von 3,3 Mrd. Euro auf 8,5 Mrd. Euro angestiegen. Der italienische Konzern Enel steigt aus der Finanzierung des Reaktors aus. Enel begründet den Schritt damit, dass der Reaktor aufgrund der hohen Investitionskosten nie wirtschaftlich sein werde. Enel hatte einen Anteil in Höhe von 12,5 % gehalten. Kolportiert werden Ende 2012 Stromgestehungskosten von circa 7-10 ct/kWh über die gesamte Betriebsdauer, der Finanznachrichtendienst Bloomberg L.P. vermutete 7,2 ct/kWh.
November 2014. Areva gibt bekannt, der EPR werde voraussichtlich 2017 in Betrieb gehen.
7. April 2015. Die französische Atomsicherheitsbehörde ASN gibt bekannt, von AREVA über Anomalien im Stahl in bestimmten Bereichen des neuen Reaktordruckbehälters - im Boden und im Deckel - informiert worden zu sein. Die französische Umweltministerin Segolene Royal fordert Hersteller Areva auf, Konsequenzen aus diesem Problem zu ziehen. ASN solle bis Oktober 2015 eine Studie zu der Schwere dieser Materialfehler vorlegen. Laut Pierre-Franck Chevet, dem Vorsitzenden der ASN, seien die gefundenen Anomalien "sehr ernst" und könnten zu Rissbildung führen. Sollten sich die Prognosen durch die genauere Untersuchung bestätigen, bestünde nur die Möglichkeit eines Tauschs des gesamten Druckbehälters, was mehrere Jahre Verzögerung sowie deutlich steigende Kosten bedeuten würde, oder die Aufgabe des Kraftwerksprojektes. Neben Flamanville, dessen Kosten mittlerweile auf 9 Mrd. Euro beziffert werden, könnten von den Problemen auch fünf weitere in Bau befindliche EPRs betroffen sein.
Atomkraftwerke in Frankreich
Belleville, Blayais, Brennilis, Bugey, Cattenom, Chinon, Chooz, Civaux, Creys-Malville (Superphénix), Cruas, Dampierre, Fessenheim, Flamanville, Golfech, Gravelines, Marcoule, Nogent, Paluel, Penly, Phénix, Saint-Alban, Saint-Laurent, Tricastin
Bilder aus Wikimedia Commons
Atomkraftwerk Flamanville, Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung 3.0 nicht portiert“, Urheber: schoella
Quellen
