Sonntag, 7. September 2014

Atomkraftwerk Gorki (Nischni Nowgorod)

Atomkraftwerk Gorki (Nischni Nowgorod)
Das zuerst geplante russische Atomkraftwerk Gorki (russisch Горьковская атомная станция теплоснабжения, auch GAST) steht in den Ort Fedjakowo nahe Stadt Nischni Nowgorod in der gleichnamigen Oblast. Es sollte die Stadt Nischni Nowgorod (damals Gorki) mit Fernwärme versorgen. Nischni Nowgorod ist mit 1.250.619 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010) die fünftgrößte Stadt Russlands. Das Projekt wurde jedoch im Jahr 1993 eingestellt.

Es war als Zwillingskonstruktion mit zwei Atomreaktoren vom Typ WWER-500 als AST-500 mit einer thermischen Leistung von jeweils 500 MW geplant.

Jeder der Reaktoren hätte etwa 25 % des Fernwärmenetzes von Nischni Nowgorod, das zu dieser Zeit in Bau war, mit Wärmeenergie versorgen können. Die gesamte Länge des Fernwärmenetzes beträgt 60 Kilometer, inklusive eines 40 Kilometer langen Übertragungsnetzes. Mit der Inbetriebnahme des Kernheizwerks in Gorki sollte 270 ineffiziente kleine Kessel innerhalb der Stadt, die mit fossilen Energieträgern befeuert werden, überflüssig werden.

Für das Fernwärmenetz sollte zudem ein Wärmespeicher mit einem Volumen von 20.000 Kubikmeter gebaut werden, um über den Tag hinweg die schwankende Wärmeabnahme zu kompensieren. Dadurch sollte immer heißes Wasser geliefert werden können, ohne dass es Wärmeverluste gibt. Zudem errechnete man, wie viel Tonnen fossilen Brennstoff das Atomheizwerk ersparen könnte. Errechnet wurden etwa 360 Tonnen pro Tag. Weitere Studien haben gezeigt, dass ein Atomheizwerk für die Stadt Nischni Nowgorod die billigste Möglichkeit ist um Wärmeenergie für das Fernwärmenetz zu erzeugen.

Kurz nach dem Referendum in Woronesch wird das Projekt eingestellt. Ein anderer Grund war, dass die Stadt bereits über genug Heizkapazität verfügte. Derzeit ist das Gebäude an eine Vielzahl von Unternehmen vermietet.

Um das Jahr 2000 beginnen neue Planungen für ein Atomkraftwerk Nischni Nowgorod (russisch Ни́жний Но́вгородская АЭС), auch Kernkraftwerk Nischegorod (russisch Нижегородская АЭС) in der Nähe des Ortes Monakowo, Rajon Nawaschino, am Fluss Oka an der Grenze zur Oblast Wladimir entstehen. Die Anlage sollte gegen 2016 ans Netz gehen.

Das geplante AKW soll 4 Druckwasserreaktoren vom Typ WWER-1300/510 mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1255 MW und einer elektrischen Nettoleistung von 1115 MW bekommen. Block 1 sollte Anfang 2016 mit dem Stromnetz synchronisiert werden, Block 2 Anfang 2021. Die Planungen für Reaktor 3 und 4 wurden im Jahr 2013 gestoppt.

Geschichte

1930er Jahre. Gorki bekommt den Status einer so genannten „geschlossenen Stadt”, die von Ausländern nicht besucht werden darf. Grund dafür sind die hier ansässigen Betriebe, die auch Rüstungsgüter herstellen. 1932 wird eine Automobil- und eine Flugzeugfabrik eröffnet. In Gorki werden unter anderem Atom-U-Boote (der Charlie-Klasse), Kampfflugzeuge (etwa die MiG-29 oder die MiG-31) und Panzer produziert. Erst 1991 wird die Stadt wieder für Besucher geöffnet.

1932. Die Stadt wird in Gorki (Горький) umbenannt, nachdem Maxim Gorki offiziell als proletarischer Schriftsteller anerkannt worden ist.

Kurz nach 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird in der Oblast Nischni Nowgorod unter größter Geheimhaltung das Atomforschungszentrum bei der Stadt Sarow aufgebaut um dort Atombomben zu entwickeln. In amtlichen Dokumenten trägt der abgeschirmte Ort einen Tarnnamen. Als "größter Erfolg" gilt die Entwicklung der sogenannten Zar-Bombe. Eine 27 Tonnen schwere Wasserstoffbombe die von Wissenschaftlern um Andrej Sacharow (1921-1989) entwickelt wird. Die Explosion des Sprengsatzes über einem Testgelände im Nordpolarmeer war 1961 die größte je von Menschen verursachte Explosion. Auf dem streng bewachten Forschungsgelände, auf dem Hunderte Forscher und Hilfskräfte arbeiten, befinden sich unter anderem Institute für Physik, Nuklearchemie und Lasertechnik.

1980. Beginn der Projektplanung.

1. Januar 1982. Baubeginn Block 1. Ein Expertenteam der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) bewertet den Bau der Reaktoren in Woronesch wie auch in Gorki sehr positiv. 

1. Januar 1983. Baubeginn Block 2.

1980 bis 1986. Die Stadt Gorki ist Verbannungsort des Atomphysikers Andrei Sacharow. Sacharow ist beim kommunistischen Regime in Ungnade gefallen, weil er sich gegen den Einzug der sowjetischen Truppen in Afghanistan ausgesprochen hat. Er wurde aus Moskau ausgewiesen und lebt in Gorki unter ständiger Überwachung durch den KGB. 1986 bekommt er von Michail Gorbatschow die Erlaubnis, nach Moskau zurückzukehren. Die Wohnung, in der er lebt, kann später als Sacharow-Museum besichtigt werden.

1990. Die Stadt bekommt nach der Wende den alten Namen Nischni Nowgorod zurück.

15. April 1990. In Woronesch wird ein Referendum durchgeführt, bei dem sich 96 % der Bürger gegen den Weiterbau des dortigen Atomkraftwerkes aussprachen. 

1. Dezember 1993. Das Projekt wird eingestellt. Reaktor 1 ist zu 83 % fertiggestellt. Später plant man als Ersatz für zwei Reaktoren in Tomsk ein weiteres Atomheizwerk zu errichten. Man hat bereits begonnen, einige Komponenten von Gorki nach Tomsk zu bringen. Durch den guten Lagerzustand der Komponenten des Atomheizwerks Gorki lassen sich diese auch weiterhin verwenden, sollte ein Neubau wieder ins Auge gefasst werden.

2000. Da eine Bauruine nicht ausreicht wird von der Atomindustrie erneut der Bau eines Atomkraftwerks in der Oblast Nischni Nowgorod erörtert. Allerdings war die Region jeher für ein eher konservatives Verhalten in der Bevölkerung bekannt, weshalb der Bau eines solchen Kraftwerks stark kritisiert wurde, und schließlich aufgrund von Protesten noch vor Planungsbeginn scheiterte.

2007. Es wird an der Ausarbeitung eines Neubaus des Atomkraftwerksparks gearbeitet. Er soll zwischen 2013 und 2020 ans Stromnetz gehen. Dabei soll auch für die Oblast Nischni Nowgorod ein geeigneter neuer Standort gefunden werden.

April 2007. Zwischen Rosatom und der Oblast Nischni Nowgorod wird ein Kooperationsabkommen unterzeichnet. Der Gouverneur Waleri Schanzew der Oblast befürwortete den Bau ebenso, machte aber Einschränkungen im Bezug auf die Lage der Anlage. Aufgrund der schlechten Versorgungssituation im Norden der Oblast solle das Werk entweder im Rajon Uren oder im Rajon Wyksa entstehen, analog zu einem Gaskraftwerk das ebenso in der Umgebung errichtet werden sollte. Sergei Wladilenowitsch Kirijenko, der Leiter von Rosatom stimmte den zu und hob hervor, dass bis zu vier Reaktoren errichtet werden sollen, jedoch erst nur der Bau von zwei Blöcken forciert wird. Um die Reaktoren pünktlich nach Plan in Betrieb zu nehmen sollte nach Ansicht des Vorstandes spätestens 2009 mit den Vorarbeiten begonnen werden, sodass 2011 mit dem Bau der Reaktoren hätte begonnen werden können. Die Gesamtkosten des Werkes belaufen sich auf rund zehn Milliarden US-Dollar.
Obwohl Uren und Wyksa als Standorte seitens des Gouverneurs der Oblast befürwortet werden, wird Wyksa in späteren Planungen nicht mit einbezogen. Dafür steht ein zweiter Standort im Rajon Nawaschino zur Wahl nahe der Ortschaft Monakowo. Hier würde die Anlage laut Rosatom rund 15 % billiger errichtet werden können. Der andere Standort nahe der Ortschaft Schemanicha im Rajon Krasnobakowsk (Als Ersatz für Uren) entspricht zwar den Vorgaben für das Werk, hat aber schlechtere Standorteigenschaften, weshalb er als zweite Wahl zurückgeschoben wird und als Ausweichstandort dient.

2008. Sergej Kirijenko (Leiter von Rosatom) ist der Meinung dass die Atom-Industriemesse in Nischni Nowgorod zu einem Platz wird, auf dem sich die Weltmarktpreise für die Produktion in diesem Bereich bilden. Er betont auch dass sich die Messe nicht auf 22 Unternehmen aus russischen Regionen beschränkt. Zu den teilnehmenden 85 Unternehmen gehörten auch Unternehmen aus Frankreich, Deutschland, Tschechien und der Ukraine.

27. August 2009. Es gibt eine erste Anhörung für das Werk in Nawaschino im Rahmen des vorläufigen Umweltverträglichkeitsberichts unter Anwesenheit von Politikern aus Nischni Nowgorod, den Bürgermeistern der umliegenden Städte sowie Politiker aus der Oblast Wladimir.

3. August 2010. In Russland gibt es schwere Waldbrände. 300.000 Rettungskräfte bekommen die Flammen nicht in den Griff. Nun ist auch das Atomforschungszentrum bei Sarow bedroht. Die russische Regierung nimmt jetzt auch Hilfe aus der Ukraine und Aserbaidschan an. Bei Nischni Nowgorod werden von der Armee auch sogenannte Feuerspringer eingesetzt.

9. August 2010. Die Brände nähern sich nun auch der Wiederaufbereitungsanlage von Majak. Die Behörden verhängen in der Umgebung den Notstand. Auch in der Nähe des Atomforschungszentrums Sneschinsk, etwa 80 Kilometer nördlich von Tscheljabinsk, wüten die Flammen.

11. August 2010. Das Zivilschutzministerium kündigt erneut Sondereinsätze mit Löschflugzeugen an – unter anderem auch um die Atomanlagen in Sarow im Gebiet Nischni Nowgorod und Sneschinsk im Gebiet Tscheljabinsk. Die russische Waldschutzbehörde hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass die Brände in der vergangenen Woche auch das von dem Reaktorunfall von Tschernobyl verseuchte Gebiet erreicht hatten. Allein in den Wäldern des stark kontaminierten Gebiets Brjansk habe es 28 Brände gegeben. Diese seien aber inzwischen gelöscht.

31. Januar 2011. Es wird die Standortlizenz für einen Standort nahe dem Ort Monakowo im Rajon Nawaschino genehmigt für den Bau von zwei Blöcken. Die Gültigkeit der Lizenz liegt bei fünf Jahren. Der nächste Schritt ist eine entsprechende Baugenehmigung zu beantragen. Seitens der Organisation Oka Umweltbewegung wird die Anlage zunächst kritisch betrachtet und der Zubau neuer Gaskraftwerke befürwortet. Allerdings ändert die Organisation ihren Standpunkt und befürwortet das Atomkraftwerk von nun an, da es angeblich keine wirkliche Alternative gibt.
Der Standort besteht im Untergrund vornehmlich aus monolithischen Gesteinsschichten und viel Ton, die dem Standort ziemlich ruhige geologische Eigenschaften bieten. Dies geht aus dem geologischen Berichten im Rahmen des Umweltverträglichkeitsverfahrens von Hydrospecgeology hervor. Seitens etablierten Geologen und anhand älterer Kartierungen die im Rahmen der Standortsuche für Atomkraftwerke während der Sowjetunion erstellt wurden, ist der Standort für den Bau eines Atomkraftwerks nicht geeignet. Der Untergrund zeigt Karsterscheinungen die weiterhin geologisch aktiv sind. Im Rahmen des Umweltverträglichkeitsverfahren wurden diese aber als inaktiv bezeichnet.

Ende Januar 2011. Es wird mit der Inbetriebnahme des ersten Block im Jahre 2019 und des zweiten Blocks im Jahre 2022 gerechnet. Jährlich soll die Anlage mit zwei Blöcken rund ein bis zwei Milliarden Rubel über einer Laufzeit von 60 Jahren abwerfen.

30. November 2012. Rosatom gibt bekannt, den Bau des Atomkraftwerks Nischni Nowgorod zu verschieben um den Bau der Kernkraftwerke Kursk II und Smolensk II vorzuziehen. Der neue Zeitplan soll Ende des Jahres 2013 bekanntgegeben werden.

2013. Die Planungen für Reaktor 3 und 4 werden gestoppt.

Atomkraftwerke in Russland

Atomkraftwerk Gorki (Nischni Nowgorod), Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported, Urheber: Евгений Катышев 

Quellen