Montag, 28. Dezember 2015

Harry Daghlian

Harry Daghlian
Der US-amerikanische Physiker armenischer Abstammung Haroutune Krikor Daghlian Jr., genannt Harry Daghlian wird am 4. Mai 1921 in Waterbury (Connecticut); † 15. September 1945 in Los Alamos (New Mexico)) geboren. Er war das erste Opfer eines Atomunfalls.

Leben

4. Mai 1921. Harry Daghlian wird als erstes von drei Kindern von Haroutune Krikor Daghlian und dessen Frau Margaret Rose, geborene Currie in Waterbury (Connecticut) geboren.

Kurz nach seiner Geburt zieht die Familie nach New London (Connecticut), wo sein Vater eine Anstellung als Röntgenassistent am Lawrence & Memorial Hospital bekommt. Er besucht die Harbor Elementary School in New London und spielt im Schulorchester Violine. Daghlian entwickelt sehr früh eine Vorliebe für Mathematik und Naturwissenschaften und wird als bester Schüler der Schule ausgezeichnet. Seine Neigungen werden durch seinen Vater und seinen Onkel Garabed K. Daghlian, der Professor für Physik und Astronomie am Connecticut College in New London ist, gefördert. 

1938. Daghlian erhält an der Bulkeley High School sein High School Diploma. Danach beginnt er ein Undergraduate-Studium am Massachusetts Institute of Technology. 

1940. Er wechselt an die Purdue University in West Lafayette (Indiana).

Frühjahr 1942. Er erhält an der Purdue University seinen Bachelor of Science. Danach beginnt er ein weiterführendes Studium (graduate fellowship study).

Für das Manhattan-Projekt – die Entwicklung einer Atombombe – werden landesweit geeignete Mitarbeiter gesucht. Robert Oppenheimer nutzt seine Kontakte zu mehreren Universitäten der Vereinigten Staaten, um Mitarbeiter für sein Projekt zu rekrutieren. Einer seiner Ansprechpartner ist Marshall Holloway von der Purdue University, der im Frühjahr 1943 in Los Alamos einen Vortrag hält. Bei dieser Gelegenheit werden Holloway und drei Mitglieder seiner Arbeitsgruppe von Oppenheimer eingestellt. Sie beginnen in Los Alamos im Herbst 1943.

Frühjahr 1944. Daghlian kommt nach Ende seines Studiums vermutlich jetzt nach Los Alamos. Im Bereich TA-2, dem Omega-Gelände (Omega Site), ist er zunächst in der Water Boiler Group und später in der Critical Assembly Group. Die Gruppe wird von Otto Frisch geleitet. Daghlian arbeitet unter anderem am Zusammenbau des Kerns für den Trinity-Test, der am 16. Juli 1945 stattfindet.

Eine Aufgabe der Critical Assembly Group ist es, den Einfluss von verschiedenen Neutronenreflektoren auf die kritische Masse von Plutonium zu bestimmen. Die Versuche werden in Los Alamos mit tickling the dragon's tail (dt. „den Drachen am Schwanze kitzeln“) bezeichnet. Diese Bezeichnung stammt von Richard Feynman.

21. August 1945, 21:00 Uhr. Wenige Wochen nach den beiden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki, verläßt Daghlian um 21:00 Uhr die regelmäßig stattfindende Dienstagsvorlesung. Für den nächsten Tag sind Versuche mit einem Plutonium-Versuchskern geplant, die Daghlian – aus unbekannten Gründen – noch an diesem Abend durchführen möchtee

21. August 1945, ca. 21:30 Uhr. Daghlian erreicht das Omega-Gelände. In dem Versuchslabor befindet sich der Soldat Robert J. Hemmerly, der im Rahmen des Special-Engineering-Detachment-Programms als „Wissenschaftler in Uniform“ seinen Dienst in Los Alamos verrichtet. Der Versuchskern – er hat den Spitznamen „Rufus“ – besteht aus zwei Halbkugeln δ-Plutonium mit einer Gesamtmasse von 6,2 kg, die mit einer etwa 100 µm (= 4 mils) starken Nickelschicht überzogen sind. Die Dichte des Plutoniums beträgt 15,7 g/cm³. Daghlian stapelt um die Plutoniumkugel Quader aus Wolframcarbid, die die von dem Plutonium abgegebenen Neutronen reflektieren. Jeder Quader hat eine Masse von etwa 4,4 kg. 

21. August 1945, ca. 21:55 Uhr. Als Daghlian mit der linken Hand den letzten Quader über den Aufbau bewegt – die gesamte Reflektormasse hätte mit diesem Quader 236 kg betragen – stellt er mit Hilfe des Neutronenzählers fest, dass dieser Quader den Aufbau überkritisch machen würde. Als er daraufhin seine Hand zurückzieht, entgleidet ihm der Quader und fällt in das Zentrum des Aufbaus. Dadurch wird die Reflexion der Neutronen schlagartig erhöht, und das System wird „prompt überkritisch“. Es erfolgt eine Leistungsexkursion, und Daghlian entfernt den Quader instinktiv sofort mit seiner rechten Hand, die von einem bläulichen Leuchten eingehüllt ist. Danach beginnt er mit dem Abbau der Quader. 

Bei diesem Unfall finden ungefähr 1016 Atomspaltungen statt, die bei Daghlian zu einer geschätzten Strahlendosis von 5,1 Sievert führen. Robert J. Hemmerly erhält dabei eine Strahlendosis von etwa 0,5 Sievert. Die Nickelummantelung des Plutoniumkerns übersteht den Unfall ohne Risse.

Eine Studentin fährt Daghlian anschließend in das Los Alamos Hospital wo er innerhalb einer halben Stunde eintrifft, während Hemmerly einen Sergeant alarmierte. Dabei spürt Daghlian zunächst eine Taubheit in der Hand, die durch ein Prickeln abgelöst wird. Infolge der Strahlenkrankheit verschlimmert sich sein Zustand ständig. Im Hospital wird Daghlian täglich von seinem Freund Louis Slotin besucht. Slotin ist promovierter Physiker und arbeitet ebenfalls in Otto Frischs Gruppe. Einige Tage vor seinem Tod fällt Daghlian in ein Koma. 

15. September 1945, 16:30 Uhr. Er verstirbt im Alter von 24 Jahren an den Folgen der Strahlenkrankheit.

21. September 1945. Die New York Times veröffentlicht eine Meldung von Associated Press, wonach sechs Tage zuvor ein „Arbeiter seinen Verbrennungen erlag, die er sich bei einem Industrieunfall (industrial accident) zuzieht“.

2. Oktober 1945. Daghlians Unfall wird am Los Alamos National Laboratory (LANL) rekonstruiert, um die freigesetzte Strahlendosis zu ermitteln. In diesem Versuch werden 6·1015 Kernspaltungen gemessen. Der prompt überkritische Zustand wird dabei allerdings nicht erreicht.

21. Mai 1946. Louis Slotin führt mit denselben Plutonium-Halbkugeln ein Experiment durch. Durch ein Missgeschick wird auch Slotin schwer verstrahlt und verstirbt am 30. Mai 1946 ebenfalls an der Strahlenkrankheit. Der Versuchskern erhält daraufhin den Namen Demon Core.

1956. Die wahren Unfallgründe und der Unfallablauf werden erst jetzt bekannt, da sie zunächst als Kriegsgeheimnis eingestuft wurden.

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Bilder aus Wikimedia Commons
Harry Daghlian, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported, Urheber: Unspecified

Quellen