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| Darstellung der Gammastrahlung |
Der deutsche Physiker Wolfgang Gentner wurde am 23. Juli 1906 in Frankfurt am Main geboren († 4. September 1980 in Heidelberg).
Bekannt wurde Gentner vor allem durch Arbeiten zur Atomkernphysik, insbesondere zum Kernphotoeffekt und zur Gammastrahlung. Hinzu kommen bedeutende Forschungsleistungen zur Biophysik, Archäometrie und zur Kosmochemie. Er entwickelte mit der Kalium-Argon-Methode eine Technik zur Altersbestimmung von Mineralien und Meteoriten, hier vor allem für Tektite. Zusammen mit Walther Bothe und Heinz Maier-Leibnitz entwickelte er den „Atlas typischer Nebelkammerbilder“.
Er arbeitete während dem Zweiten Weltkrieg auch am deutschen Uranprojekt zur Entwicklung einer Atombombe mit.
Gentner erhielt viele bedeutende Auszeichnungen und wurde Mitglied oder Ehrenmitglied zahlreicher Akademien und Wissenschaftlicher Gesellschaften. Unter anderem bekam er das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste.
Leben
23. Juli 1906. Der deutsche Physiker Wolfgang Gentner wird in Frankfurt am Main geboren. Später beginnt er ein Studium der Physik in Erlangen, wechselt aber bald zurück in seine Heimatstadt an die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
1930. Gentner promovierte in Frankfurt bei Friedrich Dessauer über Untersuchungen an einer Lenard-Coolidge-Röhre.
1932 bis 1935. Er arbeitet – als erster Deutscher seit 1912 – am Radium-Institut von Marie Curie an der Sorbonne in Paris.
1935. Gentner kehrt nach Deutschland zurück an das Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung (heute: Max-Planck-Institut für medizinische Forschung) in Heidelberg zur Gruppe um Walther Bothe.
Da für die Experimente zur Anregung von Resonanzen in Atomkernen die Quellen natürlicher Gammastrahlung, wie Radium, nicht energiereich genug sind, entsteht im Institut der Plan zum Bau einer künstlichen Strahlungsquelle mit einem elektrostatischen Beschleuniger, gespeist von einem Van-de-Graaff-Generator. Der von Gentner zügig realisierte Generator und die Strahlungsquelle erweisen sich als äußerst fruchtbare Hilfsmittel, und kurz nach der Inbetriebnahme können umfangreiche Daten über den Kernphotoeffekt gesammelt werden. Die gemessenen Wirkungsquerschnitte liegen hier mehrere Größenordnungen über den Vorhersagen von Hans Bethe und Georg Placzek (1905–1955).
1937. Gentner habilitiert sich mit dem Thema Die Absorption, Streuung und Sekundärstrahlung harter Gamma-Strahlen bei der naturwissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt am Main.
1938. Die Beschleunigerleistung des Van-de-Graaf-Generators kann auf ein Megaelektronenvolt erhöht werden. Auch kommen endlich die erhofften Finanzierungszusagen für das Projekt, ein Zyklotron zu bauen.
1939. Gentner hospitiert an der Universität von Berkeley, um Informationen über die optimale Ausführung des Zyklotrons zu sammeln, im Gegensatz zu anderen Stimmen, die ein „deutsches“ Zyklotron in enger Zusammenarbeit mit Siemens bauen möchten. Zu dieser Zeit kommt er auch in Kontakt mit Robert Oppenheimer.
29. April 1939. Unter Leitung von Abraham Esau (Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt) wird eine Expertenkonferenz im Reichsministerium in Berlin einberufen. Dabei sind neben Wilhelm Hanle und Georg Joos auch die Physiker Walther Bothe, Robert Döpel, Hans Geiger, Wolfgang Gentner und Gerhard Hoffman. Auf der Konferenz wird die Herstellung eines "Uranbrenners" (Atomreaktor) beschlossen. Dazu sollen alle Uran-Vorräte in Deutschland sichergestellt werden. Die führenden Kernphysiker möchte man zu einer "Arbeitsgemeinschaft für Atomphysik" (Uranprojekt), die als erster "Uranverein" bekannt wird, zusammenführen. Die Forschungen sollen vor allem an der Physikalischen-Technischen Reichsanstalt in Berlin und an der Universität in Göttingen vorangetrieben werden.
September 1939. Bei Kriegsausbruch wird Gentner vom Heereswaffenamt dem Uranprojekt zugeteilt und sein MeV-Beschleuniger als Neutronenquelle benutzt.
Mitte Juni 1940. Paris fällt. Kurz danach treffen Erich Schumann (Leiter der Forschungsabteilung des Heereswaffenamtes) und Kurt Diebner dort ein. Sie wollen den französischen Physiker Joliot-Curie, der nicht wie seine Kollegen nach London geflohen ist in seinem Labor am Collège de France aufsuchen. Diebner kann Joliot-Curie zur Weiterarbeit an nichtmilitärischen Projekten bewegen. Er hat einen Teilchenbeschleuniger (Zyklotron) halb fertig womit er eine Kettenreaktion auslösen möchte. Diebner verspricht die Fertigstellung des Geräts. Im Juli beginnt unter Wolfgang Gentner eine Arbeitsgruppe in Paris mit den Arbeiten.
Februar 1942. Gentner nimmt das Zyklotron in Paris in Betrieb. Es verfügt über eine Leistung von 7 MeV bei der Beschleunigung von Deuteronen.
2. Juni 1944. Nach einer Denunziation aus Paris abberufen, leitet er den Weiterbau des Heidelberger Zyklotrons, das am fertiggestellt wird.
29. August 1944. Nach der Befreiung von Frankreich werden dort im Rahmen der Alsos-Mission II weitere Untersuchungen zum deutschen Uranprojekt durchgeführt. Frédéric Joliot-Curie wird nach London geflogen um über das Projekt und die Arbeit deutscher Physiker zu berichten. Während der Zeit der Okkupation haben Professor Erich Schumann, Dr. Kurt Diebner, Professor Walther Bothe, Professor Abraham Esau, Professor Wolfgang Gentner und Dr. Erich Bagge in seinem Labor gearbeitet. Damit ist ein Großteil der deutschen Atomwissenschaftler identifiziert. Ausserdem werden Dokumente und sensitives Material wie Uran und schweres Wasser sichergestellt.
30. März 1945. In Heidelberg werden die Physiker Walther Bothe und Wolfgang Gentner aufgegriffen, die dort an ihrem Zyklotron arbeiten. Dort erfährt Goudsmit, dass die Atomforschungsanlagen des Uranprojekts nach Haigerloch bei Hechingen und in die zukünftige sowjetische Besatzungszone nach Stadtilm verlagert worden sind. Pash beschliesst, zunächst Stadtilm aufzusuchen, um der sowjetischen Armee zuvorzukommen. Sie schaffen es, etwa drei Wochen vor den sowjetischen Streitkräften dort einzutreffen. Kurt Diebner ist jedoch mit seinen Mitarbeitern und Materialien bereits in Richtung München in die zukünftige US-amerikanische Besatzungszone geflohen. Nun müssen sie nur noch verhindern, dass der Haigerlocher Reaktor in französische Hände fiel.
1946 bis 1958. Gentner ist Professor an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau, anschließend bis zur Emeritierung in Heidelberg.
1955 bis 1959. Er leitet als Direktor das Forschungszentrum „Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire“ (CERN) in Genf.
1958. Er wird Mitglied der Lopoldina.
1958 bis 1973. Er leitet das von ihm gegründete Max-Planck-Institut für Atomkernphysik in Heidelberg.
November 1959. Otto-Hahn besucht mit einer Delegation der Max-Planck-Gesellschaft, der der Biochemiker Feodor Lynen, der Atomphysiker Wolfgang Gentner und Hahns Sohn Hanno als Vertreter der Geisteswissenschaften angehören, in offizieller Mission erstmals Israel, vornehmlich das Weizmann Institute of Science, um die ersten wissenschaftlichen Kontakte zu israelischen Kollegen zu knüpfen – u. a. mit Abba Eban, dem damaligen Präsidenten des Instituts und späteren Außenminister, als auch mit den Professoren Yigael Yadin, Giulio Racah und Yehuda Hirshberg von der Hebrew University in Jerusalem. Auch Vera Weizmann, die Witwe des Staatsgründers und ersten israelischen Präsidenten Chaim Weizmann, gibt in Rehovot ein Essen und einen Empfang zu Ehren Otto Hahns, auf dem dieser eine weithin beachtete Ansprache hält. Das Auftreten Otto Hahns und seiner Delegation, sechs Jahre vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, markiert einen Wendepunkt im Verhältnis zwischen Israel und Deutschland und kann wesentlich zur Überwindung der durch den Holocaust und die Nazi-Verbrechen verursachten tiefen Gräben zwischen beiden Staaten beitragen. Ab 1989 wird diese Reise in mehreren Gedenkveranstaltungen in Israel und Deutschland als historisches Ereignis gewürdigt – jeweils in Anwesenheit des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und des Präsidenten des Weizmann-Instituts Haim Harari.
1965. Er wird Offizier der französischen Ehrenlegion.
1977. Ihm wird die die Cothenius-Medaille in Gold der Leopoldina verliehen.
1979. Ihm wird der Otto-Hahn-Preis der Stadt Frankfurt am Main verliehen.
4. September 1980. Wolfgang Gentner stirbt in Heidelberg.
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Darstellung der Gammastrahlung, Lizenz: Public Domain, Urheber: Inductiveload
Quellen
