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| Bei Palomares aus dem Meer geborgene Wasserstoffbombe |
Am 17. Januar 1966 kommt es um 10:22 Uhr an der Küste über dem kleinen beschaulichen andalusischen Fischerdorf Palomares im Südosten von Spanien zwischen Almería und Cartagena zu einem Zusammenstoß zwischen einem US-amerikanischen Boeing B52G-Bomber der 51th Bomb Squadron (Seymour Johnson AFB, USA) mit 4 Wasserstoffbomben an Bord und einem K-135A-Tankflugzeug der 910th AREFS (Morón de la Frontera, Spanien) mit 150.000 Liter Kerosin an Bord. Dabei geht der Treibstoff in Flammen auf. Es kommt es zu einer Explosion. Beide Flugzeuge stürzen ab.
Der Unfall
Die beiden B52-Bomber mit den Rufzeichen Tea-16 und Tea-17 sind auf dem Rückflug eines Einsatzes im Rahmen der Operation "Chrome Dome". An Bord der Langstreckenbomber befinden sich jeweils 4 Wasserstoffbomben vom Typ B28RI mit je einem 1,45 Megatonnen-Gefechtskopf. Das ist zusammengerechnet etwa die 5000-fache Sprengkraft der Hiroshimabombe.
Die beiden Bomber treffen sich mit zwei Tankflugzeugen vom Typ KC-135 A zu einem Auftankmanöver in der Saddle Rock Refueling Area über Palomares in 9450 Metern Höhe. Die Piloten haben das Manöver viele Male trainiert und zunächst verläuft alles nach Plan. Dann warnt jedoch ein Mitglied der Tankerbesatzung: "Tea-16, Tea-16, gebt beim Beilegen acht." Der Bomber würde zu rasch näherkommen. Die Stimmung an Bord ist noch ruhig, von Panik keine Spur. Der Pilot von Tea-16 drosselt die Geschwindigkeit. Leider jedoch nicht stark genug.
Der Rüssel bohrt sich in die Tragflächenaufhängung der B-52. Die Tragfläche des Bombers reisst ab. Das Kerosin strömt aus dem Tankflugzeug und fängt durch Funken sofort Feuer. Das Tankflugzeug verwandelt sich mit seinen 150.000 Litern Treibstoff blitzschnell in einen Feuerball und explodiert.
Bei dem Unglück sterben alle 4 Besatzungsmitglieder: Major Emil J. Chapla, Hauptmann Paul R. Lane, Hauptmann Leo E. Simmons und Stabsfeldwebel Lloyd G. Potolicchio. Von ihnen werden später nur noch die verkohlten Überreste gefunden.
Auch die B-52 mit vier Wasserstoffbomben stürzt ab. Von der Bomberbesatzung können sich 5 von 7 Mitgliedern mit dem Schleudersitz aus dem Flugzeug katapultieren. Bei einem öffnet sich der Fallschirm jedoch nicht. Ums Leben kommen Oberleutnant George J. Glessner, Oberleutnant Stephen S. Montanus und Feldwebel Ronald P. Snyder.
Nur einem der Überlebenden gelingt die Landung auf dem Festland. Die drei anderen werden von spanischen Fischern einige Kilometer von der Küste entfernt gerettet.
Eine der Bomben landet ohne Schaden zu nehmen im ausgetrockneten Flussbett des Almanzora. Zwei weitere fallen in der Nähe des Friedhofs von Palomares am südöstlichen Dorfrand zu Boden. Sie zerbrechen beim Aufschlag. Durch die Sicherheitsvorkehrungen wird eine atomare Explosion verhindert. Die konventionellen Zünder mit den hochexplosiven Sprengladungen detonieren jedoch. Dadurch werden Bombenbruchstücke und etwa 20 Kilogramm Plutoniumstaub über ein Gebiet von rund 170 Hektar Agrarland verteilt. Die vierte Wasserstoffbombe fällt etwa 8 Kilometer vor der Küste ins Meer und kann erst nach etwa 80 Tagen fast unbeschädigt geborgen werden.
Wären die Bomben explodiert, wäre in einem Umkreis von 300 Kilometern jedes menschliche Leben vernichtet worden. Selbst in einem Radius von tausend Kilometern wären bis heute weite Landstriche zwischen Nordafrika und Südfrankreich atomar verstrahlt und unbewohnbar.
In der Nomenklatur der US-Air Force wird ein so schwerer Unfall mit Atomwaffen als Broken Arrow bezeichnet. Das Oberkommando der Strategischen Luftstreitkräfte schaltet sich sofort ein weil die Sowjetunion sicher auch sehr neugierig auf die verlorenen Waffen ist. Eine Nachrichtensperre wird verhängt. Auf Kommandoebene gilt nun die Devise: Mindestens zwei Leute bei einem Ferngespräch, von denen jeder den Befehl hat, jeden niederzuschießen, der falsche Befehle oder Informationen weitergibt.
Aufräumaktion
Nach dem Unfall folgt unter dem Kommando von Generalmajor Delmar E. Wilson die bis dahin größte ziviele Aufräumaktion des US-amerikanischen Militärs. Sie dauert ungefähr 3 Monate. Beteiligt sind an der Aufräumaktion an Land etwa 738 bis 3000 US-Soldaten. Darunter auch GIs aus Mannheim (Bundesrepublik Deutschland). Diese kehren später "leicht verstrahlt" nach Deutschland zurück.
Ein etwa 180 Hektar großes Gebiet in dem Fischerdorf ist verseucht. Die an Land eingesetzten Soldaten müssen, wo die Strahlung mehr als 100.000 CPM (Count Per Minute) auf dem Geigerzähler anzeigt, Erdschichten mit dem Bewuchs (Tomaten, Melonen ...) bis zu 6 Zentimetern abtragen und strahlende Wrackteile bergen. Der Mutterboden wird zum Teil untergepflügt oder auch mit Wasser berieselt, damit das Plutonium in tiefere Erdschichten sickert und gleichmäßig verteilt. Die Ernte wird teilweise verbrannt wenn der Geigerzähler zwischen 7.000 und 100.000 CPM anzeigt. Bei der Aktion werden 5500 Fässer mit etwa 1400 Tonnen radioaktiv verseuchter Erde und Pflanzen der Tomatenplantagen gefüllt und mit dem Schiff USNS Boys in die USA nach Aiken (South Carolina) auf das Gelände des Savannah River Site zur Entsorgung gebracht.
Wie sich immer wieder zeigt ist die Säuberungsaktion nicht gründlich genug. Es werden danach immer wieder verseuchte Gebiete (Hot Spots) entdeckt. Die radioaktive Plutoniumwolke wird offensichtlich auch in die nahen Berge abgetrieben. Palomares gilt bis heute [2015] als der am stärksten verstrahlte Ort in Westeuropa. Genaue Angaben wieviel Plutonium zurückgeblieben ist werden von den USA nie gemacht. Man geht von 3 bis 5 Kilogramm aus.
Mehr als 33 Kriegsschiffe der US-Marine riegeln das Gebiet der Absturzstelle der vierten Wasserstoffbombe im Mittelmeer ab. Diese kann durch den spanischen Fischer Paco Orts, der einen ungewöhnlich großen Fallschirm, an dem ein silbriger, zylinderförmiger Container hängt herunterkommen sieht, markiert werden. Danach suchen Taucher und Tauchboote den Meeresgrund ab. Sie kann jedoch erst am 7. April 1966 mit Hilfe des Bergungs-U-Bootes DSV-2 Alvin aus einer Meerestiefe von 869 Metern geborgen und an Bord der USS Petrel gebracht werden. Alleine diese Bergungsaktion kostet 6 Millionen US-Dollar.
An der Bergung nimmt auch Carl Brashear (Taucher der US-Navy) teil. Er wird bei der Aktion unterhalb seines linken Knies von einem Rohr getroffen, welches zur Bergung benötigt wird. Um einen Wundbrand zu vermeiden wird ihm das Bein unterhalb des Knies amputiert. Später wird sein Leben und militärische Laufbahn in dem Hollywood-Film "Men of Honor" dargestellt.
Die Bewohner von Palomares bekommen für Erneausfälle insgesamt etwa 1,7 Millionen Euro als Entschädigung von den USA. Der Unfall kostet die USA etwa 100 Mio. Euro.
Die nächsten Jahrzehnte
1975. Im zunächst geheimen Palomares Summary Bericht der Defense Nuclear Agency stellt man fest, dass der Wind am Unfalltag plutoniumhaltigen Staub aufwirbelte und dass man das ganze Ausmaß der Verbreitung nie in Erfahrung bringen kann.
1985. Die Bewohner von Palomares bekommen Zugang zu Kurzfassungen ihrer medizinischen Unterlagen. 522 Personen erhalten eine Entschädigung der US-Regierung über insgesamt 600.000 US-Dollar. Zudem erhält die Stadt Palomares für eine Entsalzungsanlage 200.000 US-Dollar.
2001. Wissenschaftler von Princeton errechnen, dass pro inhaliertem Milligramm Plutonium etwa 2,85 Todesfälle zu erwarten sind. Das US-amerikanische BEIR-Komitee schätzt die Zahl sogar noch höher ein: sechs bis zwölf Krebstote pro Milligramm."
2004. Die Bevölkerungszahl von Palomares ist zwischenzeitlich auf etwa 1258 Personen gesunken. Nachmessungen zeigen immer noch hohe Radioaktivität im Erdreich einiger Flächen von insgesamt 660 Hektar in der Region um Palomares. Die Flächen werden in Eilverfahren enteignet um damit eine Bebauung oder landwirtschaftliche Nutzung zu verhindern.
2006. Nachdem strahlende Schnecken eingesammelt werden mussten, wird von der Regierung weiteres Land enteignet und eingezäunt. Weitere gefährliche Mengen Plutonium und Americium werden im Erdboden vermutet. Im Meer wird belastetes Plankton gefunden.
Oktober 2006. Die Regierungen der USA und Spaniens vereinbaren die vollständige Dekontaminierung des Gebiets. Die beiden Staaten wollen sich die Kosten teilen. Das genaue Ausmaß der Verseuchung ist jedoch immer noch unklar. Man weiß auch nicht, wie man eine Dekontaminierung eines derartigen Gebietes durchführen soll.
2007. In Palomares muss eine Herde Schafe notgeschlachtet werden, weil sie auf radioaktiv verseuchten Wiesen gegrast hatten.
7. September 2009. Die USA überweist die letzte Zahlung. Sie will nach 44 Jahren nicht mehr für den verursachten Schaden aufkommen. Es ist aber nur für Menschen eine lange Zeit. Die Halbwertszeit der Geister (das Plutonium) die der Mensch erzeugt hat, beträgt etwa 24.000 Jahre. Er wird sie also in absehbarer Zeit nie wieder los.
Dezember 2009. WikiLeaks veröffentlicht eine Depesche. Durch diese wird bekannt, dass Miguel Ángel Moratinos (Ex-Aussenminister von Spanien) eine Mitteilung an Hillary Clinton (Ex-Aussenministerin der USA) machte, laut der die Veröffentlichung der Studie über die aktuelle radioaktive Verseuchung dazu führen könnte, dass sich die öffentliche Meinung in Spanien gegen die USA richten könnte.
2010. Wiederum wird eine Dekontamination des Gebiets gefordert. Dabei soll die Erde eines Gebiets von 25 Quadratkilometern innerhalb vom 3 Jahren unter geschützten Zelten gesiebt werden. Dabei sollen auch die radioaktiven Partikel klassifiziert werden. Es gibt aber auch in Spanien immer noch keinen Ort zur Endlagerung von hochradioaktiven Stoffen wie Plutonium. Zudem gibt es Streit über die anfallenden Kosten.
2011. In Palomares redet man 45 Jahre nicht gerne über das Unglück. WikiLeaks veröffentlicht Dokumente mit weiteren Details zu dem Unfall. Die Strahlenbelastung lag demnach um das 20-fache über dem Normalwert. Bei 4717 Analysen wurden bei 118 Personen Spuren radioaktiver Strahlung nachgewiesen. Insgesamt sollen 153 Personen positiv getestet worden sein. Das entspricht 3,24% aller Tests.
24. Februar 2011. Nachdem bei WikiLeaks Dokumente darüber gefunden wurden dass sich die USA an der Dekontamination von Palomares nicht beteiligen wird von Raul Romeva aus Runda folgende Parlamentarische Anfrage an das Europäische Parlament gerichtet:
"Laut einem Bericht der spanischen Tageszeitung El País vom 10. Dezember 2010 zeigen von WikiLeaks veröffentlichte Depeschen, dass sich die USA an der Dekontamination von Palomares nicht beteiligen werden, obwohl dort nach wie vor 0,5 kg Plutonium lagern und ungefähr 50 000 m³ Boden kontaminiert sind. Die Depeschen machen deutlich, dass sich die USA sehr wohl ihrer 1969 in einem schriftlichen Dokument eingegangenen Verpflichtung bewusst sind. Dennoch teilten sie Spanien am 16. November des vergangenen Jahres in einer Verbalnote mit, dass weitere Untersuchungen nötig seien und sie aus diesem Grund zurzeit ihren Anteil an der Dekontamination nicht zahlen würden. Im Jahr 1997 hatte sich das Energieministerium der USA verpflichtet, 25 % der jährlichen Ausgaben des spanischen Forschungszentrums CIEMAT für die Umweltüberwachung und medizinische Kontrolle bis zu einer Höhe von jährlich 300 000 US-Dollar zu übernehmen. Doch ab 2007 stellten die USA ihre Zahlungen ein. Im Jahr 2001 stellte CIEMAT eine Strahlenbelastung fest, die das zulässige Maß um das 20-fache überstieg. Im Jahr 2007 räumte CIEMAT in einem vorläufigen Bericht ein, dass auch Flächen außerhalb des abgezäunten und geräumten Gebiets kontaminiert sind, und der spanische Rat für nukleare Sicherheit (CSN) erklärte, dass die gemessene Kontamination die für die Öffentlichkeit zulässigen Grenzwerte überschreiten könnte, was die vollständige bzw. teilweise Einschränkung der Bodennutzung nach sich zog. Im Dezember 2008 wurde die Studie fertig gestellt, allerdings von der spanischen Regierung bis heute noch nicht veröffentlicht. Aus den Schlussfolgerungen ergibt sich jedoch, dass 50 000 m³ Boden durch insgesamt 0,5 kg Plutonium kontaminiert sind.
Wie beurteilt die Kommission diese von WikiLeaks veröffentlichte Depesche?
Ist es wahr, dass die USA ihren finanziellen Beitrag zur Dekontamination von Palomares eingestellt haben? Wenn ja: Wie steht die Kommission zum geschilderten Verhalten der USA?
Hat die spanische Regierung die EU ersucht, die USA zur Begleichung ihres finanziellen Beitrags aufzufordern?
In Spanien gibt es derzeit weder eine Anlage zur Lagerung der kontaminierten Rückstände noch ist die Errichtung einer solchen geplant. Wie beurteilt dies die Kommission?
Ist die Kommission der Meinung, dass die spanische Regierung den vom CNS an CIEMAT übermittelten Bericht veröffentlichen hätte müssen? Ist der Kommission der Inhalt dieses Berichts bekannt?"
1. März 2011. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) antwortet im Namen der EU-Kommission ausschließlich in Spanisch und Englisch:
1. Es ist nicht die Politik der Kommission Veröffentlichungen von WikiLeaks zu kommentieren.
2. Die Kommission muss nicht über die gemeinsamen Sanierungskosten informiert werden. Dies bleibt eine bilaterale Angelegenheit zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland.
3. Es wurde kein derartiger Antrag gestellt.
4. Werden diese Reste als "radioaktive Abfälle" von den spanischen Behörden definiert, müssen sie in Übereinstimmung mit den geltenden internationalen Regeln, wie das Gemeinsame Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle behandelt werden. Die relevanten Umweltvorschriften der Gemeinschaft gelten. Im November 2010 hat die Kommission eine Richtlinie vorgeschlagen, die Sicherheitsstandards für Atommüll setzt. Dieser Vorschlag, soll unter anderem den Mitgliedstaaten ermöglichen, langfristige Lösungen für die Entsorgung von Atommüll zu finden.
5. Im April 2010 unternahm ein Team der EU-Kommission eine Verifikationsmission nach Artikel 35 des Euratom-Vertrags. Der Zweck des Besuchs war es, die radiologische Überwachung in der Umgebung von Palomares zu bewerten.
Artikel 35 des Euratom-Vertrags erfordert, dass jeder Mitgliedstaat die notwendigen Einrichtungen schaffen muss um die ständige Überwachung der Radioaktivität in Luft, Wasser und Boden und zur Einhaltung der grundlegenden Sicherheitsnormen zu gewährleisten. Die Kommission hat das Recht, den Betrieb und die Effizienz sowie die zugrunde liegenden Umweltüberwachungsprogramme zu überprüfen.
Die radiologischen Überwachungsprogramme, die im Bereich von Palomares etabliert sind, wurden im Detail vorgestellt, ebenso wie die Ergebnisse der radiologischen Charakterisierung, die von CIEMAT in Übereinstimmung mit den Anforderungen für die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen durchgeführt wurde. Darüber hinaus bestätigte das Prüfungsteam die dauernde wichtige wissenschaftliche Entwicklungsarbeit von CIEMAT, die darauf abzielt, das Volumen des kontaminierten Bodens zu reduzieren.
Http://ec.europa.eu/energy/nuclear/radiation_protection/article35/article_35_en.htm : Der Bericht wird bald verfügbar sein
Neben den Verpflichtungen aus Artikel 35, gibt es keine Verpflichtung für Spanien, der EU-Kommission einen weiteren Bericht vorzulegen.
19. Oktober 2015. José Manuel García-Margallo (Außenminister von Spanien) und John Kerry (Außenminister der USA) unterzeichnen eine Vereinbarung, in der beide Seiten verabreden, möglichst bald ein verbindliches Abkommen zur Säuberung der Region rund um Palomares schließen zu wollen. Kontaminierte Erde (rund 50.000 Kubikmeter) soll in die USA verschifft und dort endgelagert werden soll. Kerry meint: "Die USA werden ihrer Verantwortung nachkommen." Es werden in dem Abkommen jedoch keinerlei Fristen oder Kostenübernahme erwähnt. Einer früheren Einigung könnte die Absicht der USA entgegengestanden haben, einen Präzedenzfall zu schaffen.
Oppositionelle mutmaßen, diese Aktion sei Teil eines Geschäfts, bei dem die US-amerikanische Beteiligung am Militärflugplatz Morón von 850 auf 2200 Mann steigt, während die seit Franco-Zeiten ebenfalls gemeinsam betriebene Marinebasis Rota in der Nähe von Cádiz zur wichtigsten im ganzen Mittelmeerraum aufsteigt.
Auswirkungen auf die Bevölkerung
Die 1200 Einwohner von Palomares erhalten nach dem Unfall den Rat, ihre Kleidung zu verbrennen, den Plutoniumstaub durch mehrfaches Duschen abzuwaschen und Urinproben abzugeben. Kühe und Schafe sollen auch gereinigt werden. US-Wissenschaftler stellen angeblich nur an der Schale der Gerste und an Tomatenblättern ungefährliche Plutoniumspuren fest. Deshalb werden Melonen, Bohnen und selbst Tomaten weiter geerntet und auch ins europäische Ausland exportiert. Was radioaktive Verseuchung bedeutet, erklärt niemand.
Evakuiert wird in der Region des bisher größten Unfalls mit Atomwaffen niemand. Die zum damaligen Zeitpunkt etwa 2000 Bewohner von Palomares dienen seitdem als Versuchskaninchen für die Wissenschaft und sind unfreiwillige Teilnehmer eines Langzeitexperiments. Einmal im Jahr werden sie auf Regierungskosten mit einem Sammeltaxi nach Madrid gefahren. Auch Hotel und Abendessen bekommen sie bezahlt. Insgesamt macht das etwa 250 Euro pro Person. Ihnen wird Blut und Urin abgenommen und sie werden auf Tumore untersucht.
Die Provinz Almeria weist später eine überdurchschnittlich hohe Krebsrate auf. Von Wissenschaftlern wird diese jedoch mit dem Einsatz von Pestiziden begründet. Eine Verbindung zur Radioaktivität soll sich nicht nachweisen lassen. Laut dem nationalen spanischen Forschungszentrum CIEMAT liegt die Strahlenbelastung in und um Palomares im Rahmen der Grenzwerte. Plutonium ist zwar hochgefährlich, doch soll es über eine große Fläche verteilt sein.
Im Arzneimittelwerk in Palomares fängt sich immer wieder Americium. Vor Palomares wurde radioaktives Plankton aus dem Meer gefischt. Danach wird die radioaktive Belastung auf einer Fläche von 660 Hektar von der Energiebehörde noch einmal genau nachgemessen. Nicht nur zweidimensional, auch in der Tiefe. 300.000 Messdaten werden in einer dreidimensionalen Karte eingetragen. Dabei stellt man fest dass die radioaktive Belastung größer und weiter verbreitet ist, als zuvor angenommen wurde. Man geht davon aus dass sich die Lage weiter verschlimmert, weil Plutonium in flüchtige Bestandteile zerfällt, welche durch die Luft übertragen werden können.
Nach dem Unfall möchte niemand mehr Fisch und Tomaten aus der Region essen. Die Haupteinnahmequelle der Region Almerá ist später die landwirtschaftliche Produktion in Gewächshäusern. Das Gemüse wird zusätzlich mit Pestiziden verseucht vor allem nach Deutschland verkauft.
Proteste und politische Konsequenzen
Die spanische Diktatur unter Franco und das Pentagon spielen das Ausmaß des Unfalls herunter und sorgen für strikte Geheimhaltung damit die chemische Zusammensetzung des Atomsprengstoffs nicht bekannt wird. An einem kühlen Märzmittag badet Touristen- und Propagandaminister Manuel Fraga Iribarne mit dem spanischen US-Botschafter Angier Biddle Duke vor geladenen Journalisten im Meer um den Urlaubern die Angst vor radioaktiven Strahlen zu nehmen.
Dennoch kommt es nach dem Vorfall zu Protesten von Atomwaffen- und Atomenergiegegnern. Zwischen den USA und Spanien kommt es zu diplomatischen Verwicklungen. Am 21. Januar 1966, vier Tage nach dem Unfall gibt die spanische Regierung bekannt, dass zukünftig keine Flüge mehr von Flugzeugen der NATO genehmigt würden. Zu einem formellen Verbot kommt es am 29. Januar 1966.
Zusammen mit dem Absturz eines B52-Bombers mit Atomwaffen bei der Thule Air Base am 21. Januar 1968, bei dem auch radioaktive Stoffe an die Umwelt gelangen und nicht alle Teile der Wasserstoffbomben wiedergefunden werden können führte dies schließlich zur Einstellung der bisherigen Atombomber-Strategie der USA. Diese war unter dem Namen "Operation Chrome Dome" gelaufen.
Spenden für Gar Nix sind willkommen
Skrill: https://account.skrill.com/signup/page1?rid=70059833 an ueberhauptgarnix@googlemail.com
Der Unfall
Die beiden B52-Bomber mit den Rufzeichen Tea-16 und Tea-17 sind auf dem Rückflug eines Einsatzes im Rahmen der Operation "Chrome Dome". An Bord der Langstreckenbomber befinden sich jeweils 4 Wasserstoffbomben vom Typ B28RI mit je einem 1,45 Megatonnen-Gefechtskopf. Das ist zusammengerechnet etwa die 5000-fache Sprengkraft der Hiroshimabombe.
Die beiden Bomber treffen sich mit zwei Tankflugzeugen vom Typ KC-135 A zu einem Auftankmanöver in der Saddle Rock Refueling Area über Palomares in 9450 Metern Höhe. Die Piloten haben das Manöver viele Male trainiert und zunächst verläuft alles nach Plan. Dann warnt jedoch ein Mitglied der Tankerbesatzung: "Tea-16, Tea-16, gebt beim Beilegen acht." Der Bomber würde zu rasch näherkommen. Die Stimmung an Bord ist noch ruhig, von Panik keine Spur. Der Pilot von Tea-16 drosselt die Geschwindigkeit. Leider jedoch nicht stark genug.
Der Rüssel bohrt sich in die Tragflächenaufhängung der B-52. Die Tragfläche des Bombers reisst ab. Das Kerosin strömt aus dem Tankflugzeug und fängt durch Funken sofort Feuer. Das Tankflugzeug verwandelt sich mit seinen 150.000 Litern Treibstoff blitzschnell in einen Feuerball und explodiert.
Bei dem Unglück sterben alle 4 Besatzungsmitglieder: Major Emil J. Chapla, Hauptmann Paul R. Lane, Hauptmann Leo E. Simmons und Stabsfeldwebel Lloyd G. Potolicchio. Von ihnen werden später nur noch die verkohlten Überreste gefunden.
Auch die B-52 mit vier Wasserstoffbomben stürzt ab. Von der Bomberbesatzung können sich 5 von 7 Mitgliedern mit dem Schleudersitz aus dem Flugzeug katapultieren. Bei einem öffnet sich der Fallschirm jedoch nicht. Ums Leben kommen Oberleutnant George J. Glessner, Oberleutnant Stephen S. Montanus und Feldwebel Ronald P. Snyder.
Nur einem der Überlebenden gelingt die Landung auf dem Festland. Die drei anderen werden von spanischen Fischern einige Kilometer von der Küste entfernt gerettet.
Eine der Bomben landet ohne Schaden zu nehmen im ausgetrockneten Flussbett des Almanzora. Zwei weitere fallen in der Nähe des Friedhofs von Palomares am südöstlichen Dorfrand zu Boden. Sie zerbrechen beim Aufschlag. Durch die Sicherheitsvorkehrungen wird eine atomare Explosion verhindert. Die konventionellen Zünder mit den hochexplosiven Sprengladungen detonieren jedoch. Dadurch werden Bombenbruchstücke und etwa 20 Kilogramm Plutoniumstaub über ein Gebiet von rund 170 Hektar Agrarland verteilt. Die vierte Wasserstoffbombe fällt etwa 8 Kilometer vor der Küste ins Meer und kann erst nach etwa 80 Tagen fast unbeschädigt geborgen werden.
Wären die Bomben explodiert, wäre in einem Umkreis von 300 Kilometern jedes menschliche Leben vernichtet worden. Selbst in einem Radius von tausend Kilometern wären bis heute weite Landstriche zwischen Nordafrika und Südfrankreich atomar verstrahlt und unbewohnbar.
In der Nomenklatur der US-Air Force wird ein so schwerer Unfall mit Atomwaffen als Broken Arrow bezeichnet. Das Oberkommando der Strategischen Luftstreitkräfte schaltet sich sofort ein weil die Sowjetunion sicher auch sehr neugierig auf die verlorenen Waffen ist. Eine Nachrichtensperre wird verhängt. Auf Kommandoebene gilt nun die Devise: Mindestens zwei Leute bei einem Ferngespräch, von denen jeder den Befehl hat, jeden niederzuschießen, der falsche Befehle oder Informationen weitergibt.
Aufräumaktion
Nach dem Unfall folgt unter dem Kommando von Generalmajor Delmar E. Wilson die bis dahin größte ziviele Aufräumaktion des US-amerikanischen Militärs. Sie dauert ungefähr 3 Monate. Beteiligt sind an der Aufräumaktion an Land etwa 738 bis 3000 US-Soldaten. Darunter auch GIs aus Mannheim (Bundesrepublik Deutschland). Diese kehren später "leicht verstrahlt" nach Deutschland zurück.
Ein etwa 180 Hektar großes Gebiet in dem Fischerdorf ist verseucht. Die an Land eingesetzten Soldaten müssen, wo die Strahlung mehr als 100.000 CPM (Count Per Minute) auf dem Geigerzähler anzeigt, Erdschichten mit dem Bewuchs (Tomaten, Melonen ...) bis zu 6 Zentimetern abtragen und strahlende Wrackteile bergen. Der Mutterboden wird zum Teil untergepflügt oder auch mit Wasser berieselt, damit das Plutonium in tiefere Erdschichten sickert und gleichmäßig verteilt. Die Ernte wird teilweise verbrannt wenn der Geigerzähler zwischen 7.000 und 100.000 CPM anzeigt. Bei der Aktion werden 5500 Fässer mit etwa 1400 Tonnen radioaktiv verseuchter Erde und Pflanzen der Tomatenplantagen gefüllt und mit dem Schiff USNS Boys in die USA nach Aiken (South Carolina) auf das Gelände des Savannah River Site zur Entsorgung gebracht.
Wie sich immer wieder zeigt ist die Säuberungsaktion nicht gründlich genug. Es werden danach immer wieder verseuchte Gebiete (Hot Spots) entdeckt. Die radioaktive Plutoniumwolke wird offensichtlich auch in die nahen Berge abgetrieben. Palomares gilt bis heute [2015] als der am stärksten verstrahlte Ort in Westeuropa. Genaue Angaben wieviel Plutonium zurückgeblieben ist werden von den USA nie gemacht. Man geht von 3 bis 5 Kilogramm aus.
Mehr als 33 Kriegsschiffe der US-Marine riegeln das Gebiet der Absturzstelle der vierten Wasserstoffbombe im Mittelmeer ab. Diese kann durch den spanischen Fischer Paco Orts, der einen ungewöhnlich großen Fallschirm, an dem ein silbriger, zylinderförmiger Container hängt herunterkommen sieht, markiert werden. Danach suchen Taucher und Tauchboote den Meeresgrund ab. Sie kann jedoch erst am 7. April 1966 mit Hilfe des Bergungs-U-Bootes DSV-2 Alvin aus einer Meerestiefe von 869 Metern geborgen und an Bord der USS Petrel gebracht werden. Alleine diese Bergungsaktion kostet 6 Millionen US-Dollar.
An der Bergung nimmt auch Carl Brashear (Taucher der US-Navy) teil. Er wird bei der Aktion unterhalb seines linken Knies von einem Rohr getroffen, welches zur Bergung benötigt wird. Um einen Wundbrand zu vermeiden wird ihm das Bein unterhalb des Knies amputiert. Später wird sein Leben und militärische Laufbahn in dem Hollywood-Film "Men of Honor" dargestellt.
Die Bewohner von Palomares bekommen für Erneausfälle insgesamt etwa 1,7 Millionen Euro als Entschädigung von den USA. Der Unfall kostet die USA etwa 100 Mio. Euro.
Die nächsten Jahrzehnte
1975. Im zunächst geheimen Palomares Summary Bericht der Defense Nuclear Agency stellt man fest, dass der Wind am Unfalltag plutoniumhaltigen Staub aufwirbelte und dass man das ganze Ausmaß der Verbreitung nie in Erfahrung bringen kann.
1985. Die Bewohner von Palomares bekommen Zugang zu Kurzfassungen ihrer medizinischen Unterlagen. 522 Personen erhalten eine Entschädigung der US-Regierung über insgesamt 600.000 US-Dollar. Zudem erhält die Stadt Palomares für eine Entsalzungsanlage 200.000 US-Dollar.
2001. Wissenschaftler von Princeton errechnen, dass pro inhaliertem Milligramm Plutonium etwa 2,85 Todesfälle zu erwarten sind. Das US-amerikanische BEIR-Komitee schätzt die Zahl sogar noch höher ein: sechs bis zwölf Krebstote pro Milligramm."
2004. Die Bevölkerungszahl von Palomares ist zwischenzeitlich auf etwa 1258 Personen gesunken. Nachmessungen zeigen immer noch hohe Radioaktivität im Erdreich einiger Flächen von insgesamt 660 Hektar in der Region um Palomares. Die Flächen werden in Eilverfahren enteignet um damit eine Bebauung oder landwirtschaftliche Nutzung zu verhindern.
2006. Nachdem strahlende Schnecken eingesammelt werden mussten, wird von der Regierung weiteres Land enteignet und eingezäunt. Weitere gefährliche Mengen Plutonium und Americium werden im Erdboden vermutet. Im Meer wird belastetes Plankton gefunden.
Oktober 2006. Die Regierungen der USA und Spaniens vereinbaren die vollständige Dekontaminierung des Gebiets. Die beiden Staaten wollen sich die Kosten teilen. Das genaue Ausmaß der Verseuchung ist jedoch immer noch unklar. Man weiß auch nicht, wie man eine Dekontaminierung eines derartigen Gebietes durchführen soll.
2007. In Palomares muss eine Herde Schafe notgeschlachtet werden, weil sie auf radioaktiv verseuchten Wiesen gegrast hatten.
7. September 2009. Die USA überweist die letzte Zahlung. Sie will nach 44 Jahren nicht mehr für den verursachten Schaden aufkommen. Es ist aber nur für Menschen eine lange Zeit. Die Halbwertszeit der Geister (das Plutonium) die der Mensch erzeugt hat, beträgt etwa 24.000 Jahre. Er wird sie also in absehbarer Zeit nie wieder los.
Dezember 2009. WikiLeaks veröffentlicht eine Depesche. Durch diese wird bekannt, dass Miguel Ángel Moratinos (Ex-Aussenminister von Spanien) eine Mitteilung an Hillary Clinton (Ex-Aussenministerin der USA) machte, laut der die Veröffentlichung der Studie über die aktuelle radioaktive Verseuchung dazu führen könnte, dass sich die öffentliche Meinung in Spanien gegen die USA richten könnte.
2010. Wiederum wird eine Dekontamination des Gebiets gefordert. Dabei soll die Erde eines Gebiets von 25 Quadratkilometern innerhalb vom 3 Jahren unter geschützten Zelten gesiebt werden. Dabei sollen auch die radioaktiven Partikel klassifiziert werden. Es gibt aber auch in Spanien immer noch keinen Ort zur Endlagerung von hochradioaktiven Stoffen wie Plutonium. Zudem gibt es Streit über die anfallenden Kosten.
2011. In Palomares redet man 45 Jahre nicht gerne über das Unglück. WikiLeaks veröffentlicht Dokumente mit weiteren Details zu dem Unfall. Die Strahlenbelastung lag demnach um das 20-fache über dem Normalwert. Bei 4717 Analysen wurden bei 118 Personen Spuren radioaktiver Strahlung nachgewiesen. Insgesamt sollen 153 Personen positiv getestet worden sein. Das entspricht 3,24% aller Tests.
24. Februar 2011. Nachdem bei WikiLeaks Dokumente darüber gefunden wurden dass sich die USA an der Dekontamination von Palomares nicht beteiligen wird von Raul Romeva aus Runda folgende Parlamentarische Anfrage an das Europäische Parlament gerichtet:
"Laut einem Bericht der spanischen Tageszeitung El País vom 10. Dezember 2010 zeigen von WikiLeaks veröffentlichte Depeschen, dass sich die USA an der Dekontamination von Palomares nicht beteiligen werden, obwohl dort nach wie vor 0,5 kg Plutonium lagern und ungefähr 50 000 m³ Boden kontaminiert sind. Die Depeschen machen deutlich, dass sich die USA sehr wohl ihrer 1969 in einem schriftlichen Dokument eingegangenen Verpflichtung bewusst sind. Dennoch teilten sie Spanien am 16. November des vergangenen Jahres in einer Verbalnote mit, dass weitere Untersuchungen nötig seien und sie aus diesem Grund zurzeit ihren Anteil an der Dekontamination nicht zahlen würden. Im Jahr 1997 hatte sich das Energieministerium der USA verpflichtet, 25 % der jährlichen Ausgaben des spanischen Forschungszentrums CIEMAT für die Umweltüberwachung und medizinische Kontrolle bis zu einer Höhe von jährlich 300 000 US-Dollar zu übernehmen. Doch ab 2007 stellten die USA ihre Zahlungen ein. Im Jahr 2001 stellte CIEMAT eine Strahlenbelastung fest, die das zulässige Maß um das 20-fache überstieg. Im Jahr 2007 räumte CIEMAT in einem vorläufigen Bericht ein, dass auch Flächen außerhalb des abgezäunten und geräumten Gebiets kontaminiert sind, und der spanische Rat für nukleare Sicherheit (CSN) erklärte, dass die gemessene Kontamination die für die Öffentlichkeit zulässigen Grenzwerte überschreiten könnte, was die vollständige bzw. teilweise Einschränkung der Bodennutzung nach sich zog. Im Dezember 2008 wurde die Studie fertig gestellt, allerdings von der spanischen Regierung bis heute noch nicht veröffentlicht. Aus den Schlussfolgerungen ergibt sich jedoch, dass 50 000 m³ Boden durch insgesamt 0,5 kg Plutonium kontaminiert sind.
Wie beurteilt die Kommission diese von WikiLeaks veröffentlichte Depesche?
Ist es wahr, dass die USA ihren finanziellen Beitrag zur Dekontamination von Palomares eingestellt haben? Wenn ja: Wie steht die Kommission zum geschilderten Verhalten der USA?
Hat die spanische Regierung die EU ersucht, die USA zur Begleichung ihres finanziellen Beitrags aufzufordern?
In Spanien gibt es derzeit weder eine Anlage zur Lagerung der kontaminierten Rückstände noch ist die Errichtung einer solchen geplant. Wie beurteilt dies die Kommission?
Ist die Kommission der Meinung, dass die spanische Regierung den vom CNS an CIEMAT übermittelten Bericht veröffentlichen hätte müssen? Ist der Kommission der Inhalt dieses Berichts bekannt?"
1. März 2011. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) antwortet im Namen der EU-Kommission ausschließlich in Spanisch und Englisch:
1. Es ist nicht die Politik der Kommission Veröffentlichungen von WikiLeaks zu kommentieren.
2. Die Kommission muss nicht über die gemeinsamen Sanierungskosten informiert werden. Dies bleibt eine bilaterale Angelegenheit zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland.
3. Es wurde kein derartiger Antrag gestellt.
4. Werden diese Reste als "radioaktive Abfälle" von den spanischen Behörden definiert, müssen sie in Übereinstimmung mit den geltenden internationalen Regeln, wie das Gemeinsame Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle behandelt werden. Die relevanten Umweltvorschriften der Gemeinschaft gelten. Im November 2010 hat die Kommission eine Richtlinie vorgeschlagen, die Sicherheitsstandards für Atommüll setzt. Dieser Vorschlag, soll unter anderem den Mitgliedstaaten ermöglichen, langfristige Lösungen für die Entsorgung von Atommüll zu finden.
5. Im April 2010 unternahm ein Team der EU-Kommission eine Verifikationsmission nach Artikel 35 des Euratom-Vertrags. Der Zweck des Besuchs war es, die radiologische Überwachung in der Umgebung von Palomares zu bewerten.
Artikel 35 des Euratom-Vertrags erfordert, dass jeder Mitgliedstaat die notwendigen Einrichtungen schaffen muss um die ständige Überwachung der Radioaktivität in Luft, Wasser und Boden und zur Einhaltung der grundlegenden Sicherheitsnormen zu gewährleisten. Die Kommission hat das Recht, den Betrieb und die Effizienz sowie die zugrunde liegenden Umweltüberwachungsprogramme zu überprüfen.
Die radiologischen Überwachungsprogramme, die im Bereich von Palomares etabliert sind, wurden im Detail vorgestellt, ebenso wie die Ergebnisse der radiologischen Charakterisierung, die von CIEMAT in Übereinstimmung mit den Anforderungen für die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen durchgeführt wurde. Darüber hinaus bestätigte das Prüfungsteam die dauernde wichtige wissenschaftliche Entwicklungsarbeit von CIEMAT, die darauf abzielt, das Volumen des kontaminierten Bodens zu reduzieren.
Http://ec.europa.eu/energy/nuclear/radiation_protection/article35/article_35_en.htm : Der Bericht wird bald verfügbar sein
Neben den Verpflichtungen aus Artikel 35, gibt es keine Verpflichtung für Spanien, der EU-Kommission einen weiteren Bericht vorzulegen.
19. Oktober 2015. José Manuel García-Margallo (Außenminister von Spanien) und John Kerry (Außenminister der USA) unterzeichnen eine Vereinbarung, in der beide Seiten verabreden, möglichst bald ein verbindliches Abkommen zur Säuberung der Region rund um Palomares schließen zu wollen. Kontaminierte Erde (rund 50.000 Kubikmeter) soll in die USA verschifft und dort endgelagert werden soll. Kerry meint: "Die USA werden ihrer Verantwortung nachkommen." Es werden in dem Abkommen jedoch keinerlei Fristen oder Kostenübernahme erwähnt. Einer früheren Einigung könnte die Absicht der USA entgegengestanden haben, einen Präzedenzfall zu schaffen.
Oppositionelle mutmaßen, diese Aktion sei Teil eines Geschäfts, bei dem die US-amerikanische Beteiligung am Militärflugplatz Morón von 850 auf 2200 Mann steigt, während die seit Franco-Zeiten ebenfalls gemeinsam betriebene Marinebasis Rota in der Nähe von Cádiz zur wichtigsten im ganzen Mittelmeerraum aufsteigt.
Auswirkungen auf die Bevölkerung
Die 1200 Einwohner von Palomares erhalten nach dem Unfall den Rat, ihre Kleidung zu verbrennen, den Plutoniumstaub durch mehrfaches Duschen abzuwaschen und Urinproben abzugeben. Kühe und Schafe sollen auch gereinigt werden. US-Wissenschaftler stellen angeblich nur an der Schale der Gerste und an Tomatenblättern ungefährliche Plutoniumspuren fest. Deshalb werden Melonen, Bohnen und selbst Tomaten weiter geerntet und auch ins europäische Ausland exportiert. Was radioaktive Verseuchung bedeutet, erklärt niemand.
Evakuiert wird in der Region des bisher größten Unfalls mit Atomwaffen niemand. Die zum damaligen Zeitpunkt etwa 2000 Bewohner von Palomares dienen seitdem als Versuchskaninchen für die Wissenschaft und sind unfreiwillige Teilnehmer eines Langzeitexperiments. Einmal im Jahr werden sie auf Regierungskosten mit einem Sammeltaxi nach Madrid gefahren. Auch Hotel und Abendessen bekommen sie bezahlt. Insgesamt macht das etwa 250 Euro pro Person. Ihnen wird Blut und Urin abgenommen und sie werden auf Tumore untersucht.
Die Provinz Almeria weist später eine überdurchschnittlich hohe Krebsrate auf. Von Wissenschaftlern wird diese jedoch mit dem Einsatz von Pestiziden begründet. Eine Verbindung zur Radioaktivität soll sich nicht nachweisen lassen. Laut dem nationalen spanischen Forschungszentrum CIEMAT liegt die Strahlenbelastung in und um Palomares im Rahmen der Grenzwerte. Plutonium ist zwar hochgefährlich, doch soll es über eine große Fläche verteilt sein.
Im Arzneimittelwerk in Palomares fängt sich immer wieder Americium. Vor Palomares wurde radioaktives Plankton aus dem Meer gefischt. Danach wird die radioaktive Belastung auf einer Fläche von 660 Hektar von der Energiebehörde noch einmal genau nachgemessen. Nicht nur zweidimensional, auch in der Tiefe. 300.000 Messdaten werden in einer dreidimensionalen Karte eingetragen. Dabei stellt man fest dass die radioaktive Belastung größer und weiter verbreitet ist, als zuvor angenommen wurde. Man geht davon aus dass sich die Lage weiter verschlimmert, weil Plutonium in flüchtige Bestandteile zerfällt, welche durch die Luft übertragen werden können.
Nach dem Unfall möchte niemand mehr Fisch und Tomaten aus der Region essen. Die Haupteinnahmequelle der Region Almerá ist später die landwirtschaftliche Produktion in Gewächshäusern. Das Gemüse wird zusätzlich mit Pestiziden verseucht vor allem nach Deutschland verkauft.
Proteste und politische Konsequenzen
Die spanische Diktatur unter Franco und das Pentagon spielen das Ausmaß des Unfalls herunter und sorgen für strikte Geheimhaltung damit die chemische Zusammensetzung des Atomsprengstoffs nicht bekannt wird. An einem kühlen Märzmittag badet Touristen- und Propagandaminister Manuel Fraga Iribarne mit dem spanischen US-Botschafter Angier Biddle Duke vor geladenen Journalisten im Meer um den Urlaubern die Angst vor radioaktiven Strahlen zu nehmen.
Dennoch kommt es nach dem Vorfall zu Protesten von Atomwaffen- und Atomenergiegegnern. Zwischen den USA und Spanien kommt es zu diplomatischen Verwicklungen. Am 21. Januar 1966, vier Tage nach dem Unfall gibt die spanische Regierung bekannt, dass zukünftig keine Flüge mehr von Flugzeugen der NATO genehmigt würden. Zu einem formellen Verbot kommt es am 29. Januar 1966.
Zusammen mit dem Absturz eines B52-Bombers mit Atomwaffen bei der Thule Air Base am 21. Januar 1968, bei dem auch radioaktive Stoffe an die Umwelt gelangen und nicht alle Teile der Wasserstoffbomben wiedergefunden werden können führte dies schließlich zur Einstellung der bisherigen Atombomber-Strategie der USA. Diese war unter dem Namen "Operation Chrome Dome" gelaufen.
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Bilder aus Wikimedia Commons
Bei Palomares aus dem Meer geborgene Wasserstoffbombe, Lizenz: Gemeinfrei, D-USGOV-MILITARY-NAVY, Urheber: Original uploader was Asterion at en.wikipedia, U.S. Navy
Quellen
15.01.2016, Stuttgarter-Zeitung, Kernwaffen, Knapp an der nuklearen Katastrophe vorbei
15.01.2016, Spektrum, NUKLEARUNFALL IN SPANIEN, Als es Atombomben regnete
19.10.2015, Tagesschau, Einigung nach fast 50 Jahren, US-spanischer Atombombenstreit beigelegt
17.10.2013, Telepolis, Atomwaffen in Einsatzbereitschaft können halt schon mal ...19.10.2015, Tagesschau, Einigung nach fast 50 Jahren, US-spanischer Atombombenstreit beigelegt
24.01.2011, Europäisches Parlament, Anfrage: Dekontamination von Palomares und WikiLeaks
16.01.2011, Welt, FERIENZIEL IN ANDALUSIEN, Als vier US-Bomben Palomares radioaktiv verseuchten
28.08.2010, Telepolis, USA zahlen nicht mehr für Atomwaffenunfall
13.11.2008, Spiegel, Atomwaffen, Auf der Suche nach den verlorenen Bomben
Wikipedia, Nuklearunglück von Palomares
Wikipedia, Provinz Almería
Wikipedia, Palomares
