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Petra Hinz (2014) |
Die deutsche Ex-Politikerin Petra Hinz wurde am 10. Juni 1962 in Essen geboren.
Sie gehörte der politischen Partei Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) an. Von 2005 bis 2016 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD.
Nach Mobbingvorwürfen ihrer Mitarbeiter sowie einer Affäre um Falschangaben zum eigenen Lebenslauf trat sie Anfang August 2016 von allen Parteiämtern zurück und legte ihr Bundestagsmandat zum 31. August 2016 nieder. Zum 5. September 2016 trat sie nach eigenem Bekunden aus der SPD aus.
In der Essener SPD gehörte Hinz zum Parteiflügel um den Ex-Bundestagsabgeordneten Otto Reschke.
Sie war Mitglied im beratenden Sprecherkreis des Seeheimer Kreises.
Hinz wohnt im Essener Stadtteil Margarethenhöhe.
Leben
10. Juni 1962. Petra Hinz wird in Essen geboren und wächst dort auch auf.
1980. Sie wird Mitglied der SPD.
1983. Laut Angaben ihrer RECHTSanwälte schließt sie ihre Schullaufbahn am heutigen Erich-Brost-Berufskolleg der Stadt Essen mit der Fachhochschulreife ab.
Anschließend absolviert sie laut Abgeordneten-Biografie des Bundestages ein einjähriges Praktikum bei der Sparkasse.
1985 bis 1987. Sie macht eine Ausbildung im Bereich Moderation und Kommunikation.
1989 bis 2005. Hinz gehört dem Rat der Stadt Essen an.
Ab 1989. Sie ist Mitglied in der Arbeiterwohlfahrt (AWO).
Ab 1990. Sie ist Mitglied in der Margarethe-Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge in Essen.
1999 bis 2003. Sie übt nach Angaben ihrer RECHTSanwälte eine „nicht juristische“ Angestelltentätigkeit aus.
2003 bis 2005. Sie ist im Regionalrat für den Regierungsbezirk Düsseldorf.
November 2003 bis 18. Juli 2016. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Essen.
2005. Sie wird nach einer Kampfabstimmung von ihrem Unterbezirk als Kandidatin für den Bundestagswahlkreis Essen III nominiert.
18. September 2005. Bei der Bundestagswahl kann sie im Wahlkreis Essen III mit 48,1 % der Erststimmen gewinnen.
Ab 18. Oktober 2005. Sie ist Mitglied des Deutschen Bundestages.
Oktober 2004 bis 2005. Hinz ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt Essen.
März 2009. Es wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Petra Hinz ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung eingeleitet hat und dazu ihre Immunität aufgehoben wurde. Ihr wird vorgeworfen, seit 2003 keine ordentlichen Steuererklärungen beim Finanzamt abgegeben zu haben. Im Juli 2009 wird das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt.
27. September 2009. Bei der Bundestagswahl kann sie im Wahlkreis Essen III mit 38,6 % der Erststimmen gewinnen. Hinz ist in der Wahlperiode 2009 bis 2013 ordentliches Mitglied im Finanzausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss, im Petitionsausschuss und im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages.
Juli 2012. Die Arbeitsgemeinschaft der SPD-Mitarbeiter im Deutschen Bundestag lädt Hinz zu einem Gespräch über die Klagen von mindestens 20 ehemaligen Mitarbeitern ihres Bundestagsbüros über „irrsinnige Schikanen“ und „persönliche Erniedrigungen“ ein. Hinz verweigert das Gespräch und schreibt stattdessen in einer Antwort, die Vorwürfe würden „jeder Grundlage entbehren“.
22. September 2013. Bei der Bundestagswahl erhält sie 39,5 % der Erststimmen. Matthias Hauer (CDU) bekommt laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis drei Stimmen mehr. Eine durch den Kreiswahlausschuss beschlossene Neuauszählung aller rund 150.000 Stimmzettel ergibt, dass Hauer 93 Stimmen mehr als Hinz erhält.
Sie zieht über die Landesliste der SPD Nordrhein-Westfalen in den Bundestag ein. Dort ist sie ordentliches Mitglied im Rechnungsprüfungsausschuss (Sprecherin ihrer Fraktion) und im Haushaltsausschuss. Des Weiteren war sie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie im Unterausschuss Kommunales und in ihrer Fraktion stellvertretende Sprecherin in der AG Kommunales.
Als Hinz nach der Bundestagswahl wieder einen Bürojob ausschreibt, verschickt die Arbeitsgemeinschaft der SPD-Mitarbeiter im Deutschen Bundestag eine „Warn-Rundmail“ an potenzielle Bewerber.
Mitte Juni 2016. Eine „Gruppe ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Petra Hinz“ versendet anonym einen Brief an diverse verantwortliche Stellen, so an die SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, den Generalsekretär des SPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen André Stinka und an die Mitglieder der Essener SPD-Ratsfraktion. Demnach gehören „zum täglichen Umgangston im Büro Hinz persönliche Beleidigungen, Diffamierungen, Mobbing, ständige Überwachung und Maßregelung sowie die Übertragung von demütigenden Aufgaben“.
Durch diesen Brief soll eine erneute Kandidatur Hinz’ für den Bundestag verhindert werden, die bis dahin bereits über 50 Mitarbeiter „verschlissen“ hat und zuletzt gar keine mehr hat. Der anonyme Brief wird auch an regionale und überregionale Medien verschickt. Zunächst nimmt lediglich der freie Journalist Pascal Hesse (u. a. Informer Magazine, Essen) Recherchen auf. Er sendet Anfragen an Petra Hinz und SPD-Parteigremien mehrerer Ebenen, in denen er eine Frist zur Beantwortung bis zum 23. Juni 2016, 12 Uhr, setzt. Nachdem die Frist ohne Antwort verstrichen ist, veröffentlicht er wie angekündigt einen Artikel. Am selben Abend erscheint ein Artikel auf der Website der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.
Anfang Juli 2016. In der Redaktion des Informer Magazine geht infolge des Artikels über Mobbing-Vorwürfe der Hinweis eines Essener SPD-Mitglieds über Unregelmäßigkeiten in der Vita von Petra Hinz ein, worauf die Redaktion eine Anfrage an Hinz richtet. Nach Gesprächen mit einem weiteren Essener SPD-Mitglied wird diese Anfrage präzisiert und erneuert, ohne dass eine Antwort kommt. Das Magazin bittet daraufhin am 19. Juli 2016 unter anderem Bundestagspräsident Norbert Lammert, den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, die Landesvorsitzende der SPD Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft und Essens SPD-Chef Thomas Kutschaty um Auskunft.
11. Juli 2016. Hinz erklärt auf ihrer Internetseite: „Sollte der Autor des Schreibens SPD-Mitglied sein – was ich einfach nicht glauben mag – müssten die Essener Sozialdemokraten dafür sorgen, dass er oder sie nicht mehr lange Mitglied bleibt. Jemand, der in ehrabschneidender Weise sozialdemokratische Mandatsträger diffamiert und sozialdemokratische Delegierte nötigt, hat in unserer Partei nichts mehr zu suchen. Er verstößt gegen die Grundprinzipien der Partei, der Solidarität, der fairen demokratischen Diskussion und der demokratischen Wahl unserer Mandatsträger.“
18. Juli 2016. Hinz kündigt an, zur Bundestagswahl 2017 wegen der Mobbingvorwürfe gegen ihre Person seitens ehemaliger Mitarbeiter, die sie als unbegründet zurückweist, nicht wieder zu kandidieren. Der Essener SPD-Vorsitzende Thomas Kutschaty zeigt sich überrascht und betont, Hinz hätte eine „breite Rückendeckung für eine erneute Kandidatur erhalten“.
Im Zuge der Vorwürfe wird bekannt, dass Hinz ihren Lebenslauf gefälscht hat. Weder hat sie das Abitur erlangt, noch ist sie Juristin. Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe lässt Hinz durch ihre Anwälte verlauten, dass sie von ihrem Bundestagsmandat zurücktrete.
Gegenüber der Presse gibt sie an, ihren Rücktritt bei Bundestagspräsident Norbert Lammert erklären zu wollen, der allerdings zu der Zeit im Urlaub ist. Dies wird in den Medien kritisiert, da eine Rücktrittserklärung auch bei jedem deutschen Notar oder einer deutschen Botschaft möglich ist. Nach Angaben des Bundestags lässt Hinz mehrere Versuche scheitern, ihr noch im Juli einen Termin beim Bundestagspräsidenten zu verschaffen. Dieser hat sich bereit erklärt, dafür nach Berlin zu kommen. Hinz habe dagegen um einen Termin im September gebeten.
19. Juli 2016. Ein Essener Anwalt veröffentlicht im Auftrag von Petra Hinz eine Erklärung, wonach diese hinsichtlich ihres Lebenslaufs jahrzehntelang falsche Angaben gemacht habe. Entgegen ihren früheren Angaben, die unter anderem auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht waren, habe sie weder die allgemeine Hochschulreife erworben noch ein Studium der Rechtswissenschaften absolviert und somit auch keine juristischen Staatsexamina abgelegt. Auch Angaben über eine Tätigkeit als Anwältin in einer Kanzlei, als Juristin im Management eines Konzerns sowie über eine freiberufliche Tätigkeit seien von ihr erfunden worden. Eine neue Version ihres Lebenslaufes wird am selben Tag auf ihrer Abgeordneten-Website veröffentlicht. Ein großer Teil der in ihrer Biografie bis dahin gemachten Angaben ist demnach falsch.
20. Juli 2016. Die Staatsanwaltschaft am Landgericht Essen teilt mit, sie prüfe aufgrund vorliegender Strafanzeigen, ob ein Anfangsverdacht wegen eines Täuschungsdelikts gegeben sei.
22. Juli 2016. Mit dem Historiker Norman Kirsten äußert sich am erstmals ein ehemaliger Mitarbeiter öffentlich zu den Mobbingvorwürfen. Kirsten bestätigt in einem Interview die in dem anonymen Brief erhobenen Vorwürfe. Länger als ein gutes halbes Jahr habe er es „nicht ausgehalten“.
26. Juli 2016. Es wird publik, dass der ehemalige Essener SPD-Chef Dieter ten Eikelder bereits im Herbst 1989 aus den eigenen Reihen Hinweise über den gefälschten Lebenslauf erhalten und den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Otto Reschke, Förderer von Hinz, informiert habe.
Nach Angaben des früheren SPD-Landtagsabgeordneten Willi Nowack wusste die Führung der Essener SPD von den falschen Angaben in Hinz’ Lebenslauf. Insbesondere Reschke und der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty seien informiert gewesen; beide bestreiten das. Dieter ten Eikelder bestätigt die langjährige Existenz von Gerüchten über Hinz’ Lebenslauf.
Die SPD in Essen leitet wegen des gefälschten Lebenslaufs ein Parteiordnungsverfahren gegen Hinz ein. Hinz kündigt kurz darauf an, sie wolle aus der SPD austreten.
August 2016. Der Deutsche Anwaltverein erklärt, er erwarte, dass die Formulierung „Anwältin in einer Kanzlei“ als Missbrauch von Berufsbezeichnungen gewertet werde.
1. August 2016. Der Essener SPD-Chef Thomas Kutschaty fordert Hinz am auf, binnen 48 Stunden ihren Rücktritt zu erklären. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, als wolle sie auch noch die Bezüge für September erhalten. Nach geltendem Recht könnte Hinz ihr Mandat bis zum Ende der Legislaturperiode wahrnehmen. Zum Rücktritt kann sie nicht gezwungen werden. Rechtliche Sicherheit dafür bietet das Wüppesahl-Urteil.
3. August 2016. Weil Thomas Kutschaty in seiner Funktion als Vorsitzender der SPD-Essen der Essener Bundestagsabgeordneten Petra Hinz, die falsche Angaben in ihrem Lebenslauf gemacht hat, ein Ultimatum zur Aufgabe ihres Mandats gesetzt hat, wirft ihm Thomas Darnstädt auf Spiegel Online eine Missachtung der Freiheit des Mandats an der Grenze zur Abgeordnetennötigung (§ 106 Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB) vor. Die stationär behandelte Hinz wirft Kutschaty vor, er habe Absprachen mit ihr gebrochen und sie „endgültig zum Abschuss freigegeben“.
4. August 2016. Einer Pressekonferenz des Unterbezirk-Vorsitzenden Thomas Kutschaty zufolge will Hinz alle Ämter der Essener SPD niederlegen, vorerst aber ihr Bundestagsmandat behalten. Dies steht im Widerspruch zu der Verlautbarung vom 18. Juli 2016 auf ihrer Website, nach der sie ihr Bundestagsmandat niederlegen möchte.
9. August 2016. Sie kündigt in einem Interview mit nordrhein-westfälischen Zeitungen an, ihr Mandat nach Abschluss einer Klinikbehandlung aufzugeben. Ein Zeitpunkt dafür bleibt nach wie vor unbestimmt. Thomas Kutschaty kommentiert dies unter anderem mit: „Jeder weitere Tag im Amt ist eine weitere Qual für alle Beteiligten.“
10. August 2016. Hinz erklärt nach weitergehender Kritik u. a. von Hannelore Kraft, dass sie ihr Bundestagsmandat bei einem Notar zum 31. August 2016 niederlegen wolle.
23. August 2016. Es geht eine Verzichtserklärung per Fax beim Bundestagspräsidenten ein, wirksam ist ein Verzicht allerdings erst bei Vorliegen der notariell beurkundeten Erklärung im Original.
31. August 2016. Petra Hinz scheidet aus dem Bundestag aus. Ihre letzten Nettobezüge aus ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete spendet sie an den Kinderschutzbund und das Friedensforum.
5. September 2016. Nach eigenen Angaben verlässt Petra Hinz die SPD.
Ende September 2016. Die Staatsanwaltschaft gibt bekannt, eine rechtliche Prüfung habe ergeben, dass kein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliege. Daher wird kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Petra Hinz (2014), Lizenz: Creative-Commons „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ , Urheber: Foto-AG Gymnasium Melle