Samstag, 6. Dezember 2014

Atomkraftwerk Shidaowan

Das sich im Bau befindliche chinesische Atomkraftwerk Shidaowan (chinesisch 石岛湾核电站, Bedeutung von „Shidaowan“ (石岛湾) aus dem Chinesischen für „Steininselbucht“, zusammengesetzt aus „Shi“ (石) für „Stein“, „Dao“ (岛) für „Insel“ und „Wan“ (湾) für „Bucht“) befindet sich in der Nähe der  Rongcheng in der Provinz Shandong.

Das Werk weicht von den anderen Atomkraftwerken Chinas sowohl von Leistungsgröße als auch Reaktortyp ab. Das Atomkraftwerk ist weltweit das erste, das mit einem Reaktor der Generation IV ausgestattet werden wird. Neben diesem Reaktor sollen sechs weitere Reaktoren der Generation III folgen. Der Standort Shidaowan dient als Versuchsstandort für chinesischen Großreaktoren auf Basis des AP1000.

Block 1 soll aus einem Modul mit zwei Hochtemperaturreaktoren (HTR) vom Typ HTGR der Baulinie HTR-PM (PM=Pebble-bed Module, zu Deutsch mit Kugelbett-Modul) mit jeweils einer thermischen Leistung von 250 MWth bestehen. Die gesamte thermische Leistung des Block soll somit 500 MWth betragen. Damit soll eine Dampfturbine angetrieben werden. Die elektrische Bruttoleistung soll 211 MWe die elektrische Nettoleistung soll 200 MWe betragen.
Der Block soll in jedem HTR über ein aus 12.000 Brennstoffkugeln bestehendes Kugelbett als Reaktorkern verfügen. Jede der Kugeln hat einen Durchmesser von 6 Zentimeter. Das Design soll hinsichtlich der Tatsache inhärent sicher sein, dass der Reaktorkern aufgrund der geringen Dichte der Brennelementkugeln eine Leistungsgrenze besitzt. Sollte der Reaktor außer Kontrolle geraten, so soll der Brennstoff niemals die kritische Temperatur übersteigen und schmelzen können. 
Der Vorteil dieses Reaktors sind die Temperaturen von rund 1000 °C aus dem Reaktor, sodass eine Heißdampfturbine in einem separaten Kreislauf zum Einsatz kommen kann und so der Wirkungsgrad eines Blocks 42 bis 45 % erreichen können soll.
Das Reaktorgebäude des Blocks ist sehr tief gelegen, unterhalb des anliegenden Meeresspiegels.

Für Block 2 ist ein Druckwasserreaktor (DWR/PWR) vom Typ CAP1400 mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1500 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 1400 MWe geplant. Es soll eine thermische Reaktorleistung von 4040 MWth erreicht werden. Die Laufzeit von Block 2 soll 60 Jahre betragen.

Die Blöcke 3 bis 6 sollen mit Druckwasserreaktoren vom Typ CAP1000 mit jeweils einer elektrischen Bruttoleistung von 1250 MWe und einer elektrischen Nettoleistung von 1000 MWe ausgerüstet werden. Die thermische Reaktorleistung soll 3400 MWth betragen.

Eigentümer des Kernkraftwerks ist die China Huaneng Group. Als Betreiber des ersten Blocks tritt das Gemeinschaftsunternehmen Huaeng Shandong Shidaobay Nuclear Power Company Limited auf
Für die Entwicklung, den Bau und Betrieb der Blöcke 2 und 3 gründete die China Huaneng Group mit der State Nuclear Power Technology Company ein Gemeinschaftsunternehmen, die State Nuclear Demonstration Company. Die Anteile an dem Unternehmen teilen sich wie folgt auf:

  • 55,0 % - State Nuclear Power Technology Company (Mehrheitseigentümer)
  • 45,0 % - China Huaneng Group

Für die Blöcke 4 bis 7 soll die Shidaowan Nuclear Power Development Limited Company als Betreiberunternehmen fungieren.

Das Atomkraftwerk Shidaowan besitzt einen eigenen Schwerlastkai, der für 70 Milliarden Yuan zur Anlieferung von Schwerkomponenten errichtet wurde. Der 145 Meter lange und 25 Meter breite Kai wird allerdings von der CCCC First Habour Consultants Company betrieben.

Geschichte

2001. Auf Basis des Reaktordesigns HTR-10 wird mit dem HTR-PM-Projekt begonnen.

Ab 2004. Es wird ein Standarddesign für den HTR-PM-Reaktor entwickelt.

23. Februar 2005. Das Provinzielle Entwicklungs- und Reformkomitee kündigt an, in Haiyang, Yantai und Rongcheng ein Atomkraftwerk errichten zu wollen. Die Bruttogesamtkapazität soll zusammen 30 Gigawatt betragen. Vorgesehen ist, dass die Anlagen in ihrer Auslegung weitestgehend Baugleich sind. Die Blöcke sollen jeweils zwischen 40 und 80 Milliarden Yuan (4,8 bis 9,6 Milliarden Dollar) kosten. Das Atomkraftwerk Shidaowan soll aus sieben Blöcken bestehen.

Es wird bestimmt, dass Shidaowan der Versuchsstandort für den ersten HTR-PM werden soll. Die Planungen sehen vor, dass in einem ersten Abschnitt ein einzelner Block mit einer Leistung von 200 MW errichtet werden soll für einen Preis von rund 3,0 Milliarden Yuan (375 Millionen US-Dollar). Als Kostenhöchstgrenze wird ein Betrag von maximal 5 Milliarden Yuan angegeben (625 Millionen US-Dollar).
Die Bauzeit des HTR-PM beläuft sich auf 48 Monate. Nach Plan soll der Block bereits 2006 in Bau und im Jahr 2010 in Betrieb gehen.
Der erste Block dient als Demonstrationsmodell und soll während seines Betriebs folgende Ziele erfüllen:

  • Nachweis über die inhärente Sicherheit des Designs
  • Nachweis über die Wirtschaftlichkeit des HTR-PM
  • Bestätigung der Technologiewahl auf Basis des HTR-10
  • Effizienznachweis für den Einsatz der Modulbauweise (zwei Reaktoren für eine Dampfturbine)
Nach dem Bau des ersten Blocks sollen weitere 18 Module am Standort errichtet werden. Im Gegensatz zu Block 1 sollten sich drei Blöcke jeweils ein Gebäude teilen und als Drillingskonstruktionen ausgelegt werden.

24. November 2005. Der vorläufige Sicherheitsbericht des Demonstrationsblocks wird genehmigt.

2006. Der Termin für den Baubeginn von Block 1 kann nicht gehalten werden, weil seitens der Staatsregierung noch keine Genehmigung für den Standort vorliegt. Das Standarddesign für den HTR-PM-Reaktor kommt in das Leitlinienprogramm für mittel- und langfristige Entwicklung.

25. Dezember 2006. Das Gemeinschaftsunternehmen Huaeng Shandong Shidaobay Nuclear Power Company Limited wird als Betreiber des AKWs gegründet. Es gehört drei Anteilseignern, die sich wie folgt prozentual daran beteiligen:

  • 47,5 % - China Huaneng Group (Mehrheitseigentümer)
  • 32,5 % - China Nuclear Engineering & Construction Group
  • 20,0 % - Tsinghua Universität
Bis 2007. Der Standort wird weitestgehend erschlossen.

November 2007. Die China Huaneng Group unterschreibt ein Abkommen mit der China Guangdong Nuclear Power Company im Namen der Huaneng Nuclear Power Development Company über den Bau von zwei CPR-1000 in Shidaowan für 8 Milliarden Dollar. Das Debakel um den deutschen Hochtemperaturreaktor AVR Jülich hat offenbar auch in China zum Umdenken geführt.

2008. Es werden weitere Erschließungsarbeiten vorgenommen. Der Wasserzulauf, sowie die Infrastruktur werden gelegt, eine weitere Hauptanlieferungsstraße wird gebaut und Stromanschlüsse verlegt. 
Für den Kauf von Block 3 und 4 wird eine Absichtserklärung übermittelt. Die Planungen werden allerdings ein weiteres mal abgeändert zugunsten des Baus von vier AP1000. Ein entsprechendes Gesuch für eine Genehmigung dieser Reaktoren wird beim nationalen Entwicklungs- und Reformkomitee eingereicht. Da der Stanort nur eine begrenzte Größe hat, wird das Gelände für den Bau dieser Blöcke gewählt, auf denen ursprünglich die 18 HTR-PM gebaut werden sollten.

8. Oktober 2008. Die China Huaneng Group schliesst die ersten Verträge über die Lieferung von Großkomponenten ab. Unter den Lieferanten sind neben der Tsinghua Universität, die selbst an dem Werk beteiligt ist, auch die China Nuclear Engineering Group Company, Shanghai Electric und die Harbin Power Equipment Corporation. Die nationale Energieadministration sieht das Projekt als einen Meilenstein aufgrund des Einsatzes eines Reaktors der Generation IV.
Man geht davon aus dass man im September 2009 mit dem Bau von Block 1 beginnen kann. Die Inbetriebnahme soll im Mai 2011 sein.

28. Oktober 2008. Es beginnt die Ausbildung von Personal für das Werk an den AP1000-Simulatoren für das Atomkraftwerk Sanmen, dem weltweit ersten Atomkraftwerk dieser Baulinie. Die Blöcke werden allerdings mit Reaktoren des Typs CAP1000 ausgestattet werden, der auf die chinesischen Anforderungen besser angepasst wurde, aber bis auf einige Abweichungen nahezu identisch mit dem AP1000 ist. Da die Provinz Shandong das eigene Energiesystem und den Energiemix umbauen möchte, strebt die Regierung den beschleunigten Zubau der ersten beiden CAP1000 in Shidaowan an, neben den Bau der CAP1400 und des zweiten Bauabschnitts am Kernkraftwerk Haiyang.

1. September 2008. Es wird mit dem Aushub der Baugrube für Block 1 begonnen.

12. Juni 2009. Die Baugrube für Block 1 wird fertiggestellt. Das Fundament wurde 18,6 Meter tief ausgehoben und insgesamt 180.000 Kubikmeter Erde entfernt.

15. bis 16. Juni 2009. Seitens der Nationalen Nuklearsicherheitsadministration  wird die Baugrube des Werkes unter Augenschein genommen. Sie besteht die Qualitätsprüfung.

Oktober 2009. Für die Blöcke 4 bis 7 gibt es eine neue Interessengemeinschaft, welche die Shidaowan Nuclear Power Development Limited Company als gemeinschaftliches Betreiberunternehmen gründet. Die drei Anteilseigner, die alle Töchter des Mehrheitseigentümer sind, beteiligen sich jeweils wie folgt:

  • 40,0 % - China Huaneng Group (Mehrheitseigentümer)
  • 30,0 % - Huaneng International Power Development Corporation
  • 30,0 % - Huaneng Power International

10. bis 11. Oktober 2009. Seitens der State Nuclear Power Technology Company und der Huaneng Group findet ein Treffen in Rongcheng statt. Dort wird eine vorläufige Machbarkeitsstudie angenommen, die eine Entwicklung eines fortschrittlichen chinesischen Druckwasserreaktors auf Basis des AP1000 als durchführbar erklärt. Geplant ist ein einzelner CAP1400, der möglicherweise in Shidaowan errichtet werden soll mit einer Leistung von 1400 MW.

20. Oktober 2009. Die Huaneng Power International, eine Tochter der Huaneng Group, erhöht das Festkapital des Atomkraftwerks auf 5 Milliarden Yuan.

2010. Nach derzeitigen Planungen soll das Design des CAP1400-Reaktors bis 2011 fertiggestellt werden um im April 2013 den ersten Beton für Block 2 zu gießen. Die Blöcke 3 bis 6 sollen ab 2013 gebaut werden. Block 3 soll im Dezember 2017 in Betrieb gehen.

26. Januar 2010. Seitens  der China Huaneng Group gibt es die Intention mit der State Nuclear Power Technology Company  neben dem CAP1400-Demonstrationswerk ein leistungsstärkeres Modell CAP1700 mit 1700 MW zu errichten.

26. Oktober 2010. Es wird bestätigt, dass der CAP1400 als Block 2 in Shidaowan entstehen soll. Diese Planungen wurden allerdings zugunsten des Baus eines CAP1400 am Atomkraftwerk Fuqing vorgezogen, der seitens des Staates im März 2013 genehmigt wurde.

2. März 2011. Die Baugenehmigung für den Block seitens der nationalen Entwicklungs- und Reformkommission nach langer Verzögerung genehmigt, womit der Bau von Block 1 hätte beginnen können.

4. März 2011. Die deutsche Firma SGL Carbon wird damit beauftragt, die 500.000 Graphitkugeln für den Brennstoff zu fertigen. Die Kugeln sollten bis Ende 2013 gefertigt sein.

11. März 2011. Die Katastrophe von Fukushima beginnt.

16. März 2011. Wegen der Katastrophe von Fukushima werden von China ohne Ausnahmen alle Genehmigungen neuer Atomkraftwerke gestoppt. Seitens des Vorstands der Huaneng Power International wird verkündet, dass das Werk ja bereits genehmigt wäre und der Bau daher in naher Zukunft zu erwarten sei. Das Bauprogramm selbst sei durch den Genehmigungsstopp nicht betroffen. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass der Block ein Reaktor der vierten Generation ist und daher sicherer. Die Reaktoren in Fukushima-Daiichi hingegen waren von der Generation II. Allerdings werden einige designspezifische Nachrüstungen für den Block gefordert im Lichte der Katastrophe in Japan, was den Baubeginn verzögert und der Block durch diese Forderung nunmehr ebenfalls vom Genehmigungsstopp betroffen ist. Man geht nun davon aus dass sich die Inbetriebnahme bis ins Jahr 2014 verzögert.

März 2012. Der Baubeginn von Block 2 hat sich auf März 2013 verschoben.

Juli 2012. Es wird zugesichert, dass Block 1 als erstes auf der Liste stehe und wieder genehmigt werden wird.

24. Oktober 2012. Die Genehmigungsunterbrechung für Shidaowan wird aufgehoben und die Arbeiten an dem Block wieder aufgenommen.

21. Dezember 2012. Seitens der nationalen Atomaufsichtsbehörde wird die Baugenehmigung für den Block 1 wieder freigegeben. Noch am selben Tag wird offiziell mit dem Bau begonnen.

13. Januar 2013. Bei einem Besuch von Liu Yandong (Staatsratmitglied der kommunistischen Partei) auf der Baustelle mahnt sie die Sicherheit der Entwicklung des Projekts noch einmal an. Sie betont weiter, dass man alle Anstrengungen in der Überwachung und Verwaltung unternehmen werde um die Sicherheit des Atomkraftwerks zu garantieren. Hinsichtlich der Tatsache, dass es sich um den weltweit ersten Reaktor der vierten Generation handle mahnt Yandong, dass man die Koordinierung zwischen den Forschungseinrichtungen, Ministerien und Unternahmen verbessern sollte um die Entwicklung weiterer solcher fortschrittlichen Projekte einzuleiten. Abseits davon spricht sie sich dafür aus den Reaktor als Werbeobjekt für die Entwicklung sauberer Energieerzeugung in der Volksrepublik China zu nutzen.

28. März 2013. Das Unternehmen COMELEC erhält den Zuschlag für den Bau des Gaskühlsystems für den Block. Die Ausschreibung beläuft sich auf einen Wert von fünf Milliarden Yuan

Juli 2013. Das Projekt bekommt die offizielle Genehmigung für Block 2 zum den Beginn der Erschließungsarbeiten am Standort, inklusive des Aushubs der Baugrube. Der Baubeginn wurde allerdings auf April 2014 verschoben. Man rechnet damit, dass der CAP1400 bis 2018 ans Netz gehen könnte.

Atomkraftwerke in China

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